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Martina Hoblitz, Michel Pinball

Auf zu alten Ufern





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

AUF ZU ALTEN UFERN ?

 

von Martina Holblitz & Michel Pinball

 

Kapitel 1: Neue Pläne

 

 

Es hat lange gedauert, bis wir beide wieder ''normal“ miteinander schreiben konnten.

Zuerst war da natürlich das schlechte Gewissen unseren Ehepartnern gegenüber, wegen der Ereignisse auf der Insel. Dann überfielen uns immer wieder die Erinnerungen, und die Sehnsucht nacheinander kochte erneut hoch. – Und wir können nicht das Geringste dagegen tun! –

 

Im Nachhinein habe ich sogar bereut, ihm dieses Kettchen geschenkt zu haben. Er kann es ja nicht tragen, wegen seiner Frau. Er hat mir geschrieben, er verwahrt es in seiner Nachttischschublade, an die seine Frau angeblich nicht dran geht. –

Jedenfalls hat mein Mann sein Verhalten mir gegenüber nicht geändert. Er hat noch nicht mal gefragt, wie denn mein Aufenthalt auf der Insel gewesen ist, hat sich auch nicht nach meinen Verwandten erkundigt. Und ich hab ihn auch nicht von Tante und Onkel gegrüßt, wie mir aufgetragen wurde, denn das war ja eh nur eine Höflichkeitsfloskel. – Mein Cousin hatte gar nichts mehr gesagt, mich nur beim Abschied im Fährhafen wie tröstend in den Arm genommen. –

 

Oh ja, die kleinste Kleinigkeit erinnert mich an unser Abenteuer! Zum Beispiel hab ich Joe Cocker im Radio gehört und war prompt in Gedanken im Ferienhaus.

Oder im TV lief ein Krimi, der auf Norderney spielte, und zufällig kam der alte Leuchtturm ins Bild.

Erinnerungen wo immer ich hin schaue oder höre! – Und er hat mir gestanden, dass es ihm genauso geht. –

 

Irgendwie ist mein Leben nach den Geschehnissen auf der Insel noch trostloser geworden. Ich denke nur noch an ihn und kann mich auf die einfachsten Dinge nicht mehr konzentrieren. Doch selbst das fällt meinem Mann nicht auf. Er ist so gleichgültig mir gegenüber! Ich bin einfach nur da und muss funktionieren. So weit ich dazu in der Lage bin, versuche ich alles wie gewohnt zu erledigen. Aber ich bin dabei so schrecklich lustlos! –

 

Inzwischen ist es Spätsommer, fast Herbst geworden, und im Forum ist nur noch die Rede von der Buchmesse in Frankfurt. – Und schon kommt mir diese Idee!

Können wir uns nicht vielleicht dort wiedersehen? Weder mein Mann noch seine Frau interessieren sich dafür.

Erneut ein gestohlenes Wochenende – für uns Zwei – gemeinsam?

Ich werde ihn einfach mal fragen! ---

 

Oder besser doch nicht! Schlafende Hunde soll man nicht wecken!

Irgendwie muss es doch gelingen, wieder eine gewisse Distanz zu finden. Schließlich haben wir doch entschieden, uns weiterhin nur zu schreiben. Wir telefonieren auch nicht miteinander, obwohl wir ja jetzt unsere Handynummern haben.

Nein, der Abstand sollte gewahrt bleiben! – Aber ach, wenn ich mir vorstelle, ich könnte ihn wiedersehen, mich in seine Arme schmiegen, ihn küssen …..

Nein, und nochmals Nein! Es muss ein einmaliges Abenteuer bleiben!

Und gerade frage ich mich, ob er wohl auch in dieser Art und Weise an mich denkt? ….

 

***

 

Zurück von der Insel, sozusagen wieder auf „festem Land“ ist der Alltag wieder in mein Leben eingezogen. Da ich meiner Frau erzählt hatte, einige Autoren hätten sich an diesem Wochenende getroffen, um ein Gemeinschaftsprojekt zu besprechen, es werde ein Buch mit Geschichten zusammengestellt, es soll in den Verkauf und der Erlös solle einem guten Zweck zukommen, hat sie mich natürlich gefragt, ob wir erfolgreich waren und wie mir das Wochenende gefallen hat.

Ich habe ihr erzählt, dass der Grundstock dafür gelegt sei, dass wir uns aber nochmals treffen wollen, um die gesammelten Geschichten auszuwählen, sie zu überarbeiten, ein Cover zu wählen um dann die Veröffentlichung in die Wege zu leiten.

 

Keine Ahnung, warum ich ein weiteres Treffen angekündigt habe, aber sie hat nur genickt und gemeint, in einem einzigen Treffen sei so etwas auch sicher nicht zu machen.

Weitere Einzelheiten wollte sie noch nicht wissen, aber ich weiß, dass da noch Fragen kommen werden, wer denn alles teilgenommen hat, woher diese Autoren kommen und noch alles Mögliche mehr. Sie ist eben eine Frau, Frauen sind neugierig, also werde ich mir genau überlegen müssen, was ich ihr erzähle.

 

Jetzt ist schon einige Zeit vergangen, aber die Insel ist so unglaublich gegenwärtig!

 

Wenn ich an meinen Nachttisch gehe, dann liegt dort die Kette mit der Muschel und ich muss schlucken und habe Tränen in den Augen, wenn dieser Moment wieder da ist, als ich das Päckchen aufgemacht habe, das mir ihr Cousin am Hafen gegeben hat.

Dann waren wir bei Nachbarn eingeladen und am Kühlschrank hing eine Postkarte mit einem Leuchtturm und schon wanderten meine Gedanken zurück.

Wir sehen die Chart-Show im Fernsehen, natürlich ist auch Joe Cocker dabei und ich bekomme eine Gänsehaut.

 

Ich habe eine unglaubliche Sehnsucht nach ihr!

 

Wir schreiben uns wieder, wir können beide nicht anders, aber wir machen um das Thema Insel einen großen Bogen und auch von meiner Sehnsucht schreibe ich ihr nicht, ich will nicht, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlt. So bin ich mit diesen Gedanken allein, auch wenn ich sie ihr so gern sagen würde.

 

Ich habe eine Einladung bekommen zur Frankfurter Buchmesse, kann bei einer Bekannten für das Wochenende unterkommen. Kann ich – darf ich! - es wagen, ihr den Vorschlag zu machen, dass sie auch nach Frankfurt kommen soll? Wenn ja, dann können wir unmöglich beide bei meiner Bekannten wohnen, dann werde ich mich um ein Hotel kümmern.

Die Messe geht von Freitag bis Sonntag, das bedeutet auch zwei Nächte für uns!

Der Gedanke ist kaum in meinem Kopf, da entsteht auch schon ein Bild, ein Bild von ihr, wir beide nackt im Bett, sie sitzt auf mir, hat mich tief in sich aufgenommen, bewegt sich langsam und ihre wundervollen Brüste schaukeln sanft …

 

Ich schüttle den Kopf, nein … nein … denke ich, und dann wieder ja, oh ja … Frankfurt … seufze ich … Frankfurt ...

 

***

 

Ist es denn zu fassen? Wir haben tatsächlich denselben Gedanken!

Nein, ich habe ihn nicht gefragt. Aber er fing ganz von selbst an, von seiner Einladung zur Buchmesse zu schreiben. Und nein, er schreibt kein Wort darüber, ob ich nicht auch dahin kommen will. Aber ich spüre genau seine unterschwellige Frage. –

 

Er hat mir gleich nach unserer Rückkehr geschrieben, was er seiner Frau über das Wochenende erzählt hat. Eine Fantasie hat dieser Mann! Eine solche Ausrede wäre mir im Traum nicht eingefallen. Doch ich brauche ja auch keine, mein Mann hat ja nichts gefragt.

Und schon als er mir davon erzählte, hab ich gleich erkannt, dass er sich da bereits ein kleines Hintertürchen offen gelassen hat. Er hofft auf ein Wiedersehen – eindeutig!

Und Frankfurt wäre genau der richtige Ort dafür. Aber warum fragt er mich denn nicht offen, ob ich ihn wiedersehen will? Wahrscheinlich ist er in seinen Gefühlen genauso unsicher und verwirrt wie ich?

Wir haben tunlichst vermieden, in den Mails über unsere Erinnerungen zu schreiben. Ich habe ihm lediglich mitgeteilt, dass sich mein Mann weder für das Wochenende noch für mich überhaupt interessiert. - Ja, ich konnte es nicht lassen und hab ihm vor gejammert, wie sehr ich unter der Gleichgültigkeit meines Mannes leide. Und er hat mich wieder aufgebaut, mit Komplimenten und kleinen niedlichen Flirtereien. Nach dem Motto: Dein Mann ist ein Dummkopf, dass er nicht erkennt, was für eine tolle Frau er hat!

Naja, jetzt kann er das behaupten, denn nun hat er mich ja kennen gelernt. Und wie! Bei ihm hab ich mich ja selbst nicht mehr wieder erkannt.

Ich werde immer rot, wenn ich nur daran denke, was wir alles miteinander angestellt haben. Doch andererseits ist es schon wieder so weit weg, fast wie in einem anderen Leben. Allerdings auch nicht zu weit, dass ich mich nicht an alle – wirklich ALLE – Einzelheiten erinnere.

 

Oh ja, ich habe schreckliche Sehnsucht nach ihm und würde ihn so gern wiedersehen!

Doch da muss ER mich schon fragen, ich fange bestimmt nicht davon an!

Aber vielleicht deute ich die Erwähnung dieser Einladung auch falsch und bilde mir nur was ein?

 

Trotzdem stelle ich ihm die harmlose Frage: „Und? Wirst Du zur Buchmesse nach Frankfurt fahren?“

 

***

 

Wir schreiben uns sehr oft, tauschen uns über alles Mögliche aus, nur um unser Insel-Wochenende machen wir beide einen Bogen, aber in kleinen Andeutungen ist dieses Wochenende immer da, so als ob jeder darauf wartet, dass der andere konkreter wird.

Und dann kam diese E-Mail von ihr und die Frage, ob ich nach Frankfurt fahren werde.

Klingt so harmlos, aber in dieser kleinen unverfänglichen Frage steckt für mich soviel mehr und als ich ihr antworte, stelle ich am Schluss meiner Nachricht die Frage „Wie sieht's aus, kannst du nicht mitkommen?“

 

Und wieder einmal warte ich ungeduldig auf Antwort, und die Antwort kommt schnell mit einem „Warum eigentlich nicht? Wann denn genau?“

 

Ich schaue noch schnell im Internet nach dem genauen Termin und schreibe ihr dann, dass die Buchmesse von Freitag bis Sonntag stattfindet, ich mich um ein Hotel kümmern werde, wenn sie einverstanden ist und ich dann Zimmer für zwei Nächte reservieren werde.

 

Es geht wieder schnell mit ihrer Antwort, in der aber nur „Okay, aber zwei Einzelzimmer“ steht!

 

Es ist noch so lange hin bis zur Buchmesse, aber als ich ihre Nachricht lese, klopft mein Herz schon schneller.

 

Die Zeit vergeht, wir schreiben uns jeden Tag mehrmals, soweit es eben möglich ist und dann kommt dieses Wochenende, an dem bei ihr in der Nähe das große Volksfest stattfinden wird.

Ich habe ihr nichts davon erzählt, aber ich werde an diesem Wochenende dorthin fahren, hoffe einfach darauf, dass ich sie dort treffen werde.

Sie hatte mir geschrieben, welche Stände sie immer aufsucht, auch welche Zeit ungefähr, also müsste ich sie eigentlich finden können.

 

Die Zeit bis zu dem Volksfest verfliegt, ich schreibe ihr, dass ich ihr ein schönes Wochenende und viel Spaß wünsche, dann mache ich mich auf den Weg.

Ich habe mir in einem kleinen Hotel schon vor längerer Zeit ein Zimmer reserviert und nachdem ich eingecheckt und meine Tasche auf dem Zimmer abgestellt habe, mache ich mich auf den Weg in die Innenstadt.

Je näher ich komme, umso lauter wird die Musik und das Gedränge in den engen Straßen nimmt immer mehr zu und ich frage mich, ob ich überhaupt eine Chance habe, sie zu finden.

 

Nach einer Weile finde ich den Bratwurststand in der Nähe des Riesenrads, dort wird immer Halt gemacht, hatte sie mir erzählt. Ich treibe mich in der Nähe herum und recke immer wieder den Hals, ob ich sie irgendwo entdecken kann, aber keine Spur.

Ich setze mich auf eine kleine Mauer und sofort wandern meine Gedanken zurück auf die Insel, wo sie an dieser kleinen Mauer am Strand auf mich gewartet hatte.

Ich muss daran denken, dass ich früher, als ich noch geraucht habe, sicherlich einen Haufen Kippen zu meinen Füßen gehabt hätte, so nervös bin ich.

Als ich aufstehe und gerade überlege, ob ich auf die Mauer steigen soll, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen, sehe ich aus den Augenwinkeln einen brünetten Haarschopf, der mir wohlbekannt ist!

So schnell ich kann, dränge ich mich durch die Menge, überlege, ob ich mich von hinten an sie anschleichen und ihr die Augen zuhalten soll, aber dann überlege ich es mir anders, schlage einen Bogen, überhole sie, tauche dann aus der Menge vor ihr auf, bleibe stehen und grinse sie an.