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Dr. phil. Marco Sigg,
Jahrgang 1975, studierte an der Universität Bern Neueste und Alte Geschichte sowie Staatsrecht. Er arbeitet als Militärhistoriker an der Militärakademie der ETH Zürich sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Fachreferent im Schweizerischen Nationalmuseum. Darüber hinaus ist er als freiberuflicher Historiker in verschiedenen Projekten tätig.

Zum Buch

»Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.«

DWIGHT D. EISENHOWER

Als größter Krieg der Menschheitsgeschichte bleibt der Zweite Weltkrieg mit seinen Auswirkungen bis heute spürbar. Die Brutalität dieses Krieges machte die Abgründe der Menschheit sichtbar wie kaum ein Konflikt zuvor und danach. In diesem Buch soll der Zweite Weltkrieg in seiner Globalität und Totalität betrachtet werden. Dabei werden die Ausgangslage nach dem Ersten Weltkrieg sowie die politisch-militärischen Entwicklungen und der Einfluss schwelender Konflikte der Zwischenkriegszeit dargestellt. Neben der chronologischen Behandlung der wichtigsten Kriegsschauplätze und Akteure werden der See- und Luftkrieg gesondert untersucht. Unter dem Begriff des Totalen Krieges werden auch die sozioökonomische Mobilisierung, die Entgrenzung der Gewalt und die Kriegsverbrechen thematisiert. Damit einher geht der Blick auf die Opfer, Schäden und Kosten sowie auf die Folgen dieses Krieges.

Marco Sigg
Der Zweite Weltkrieg

Marco Sigg

Der Zweite Weltkrieg

1937–1945

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© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014
Korrektur: Sven Gütermann, Freiburg im Breisgau
Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH
Hamburg Berlin
Bildnachweis: 2. Weltkrieg / Eroberung von Berlin durch die Rote Armee,
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eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0461-5

www.verlagshaus-roemerweg.de/marixverlag

»Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen,
oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.«

John F. Kennedy

INHALT

1. EINLEITUNG

2. AUSGANGSLAGE

2.1.Das Erbe des Ersten Weltkrieges

2.2.Die Hauptkriegsteilnehmer

2.3.Politische Ideologien

Liberale Demokratie

Kommunismus

Die radikale Rechte – Faschismus und Nationalsozialismus

Japanischer Ultranationalismus

2.4.Militärische Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit

Landkriegsführung

Luftkriegsführung

Seekriegsführung

3. KRIEGSSCHAUPLÄTZE

3.1.Der Krieg in Asien 1937 bis 1940

3.2.Der Krieg in Europa 1939 bis 1940 – die Zeit der Blitzfeldzüge

Der polnische Krieg

Intermezzo in Nordeuropa: »Winterkrieg« und »Weserübung«

Der Krieg gegen Frankreich

3.3.»Zeit der Weichenstellungen« 1940/1941

Krieg gegen Großbritannien

Antibritischer Kontinentalblock, Dreimächtepakt und die Entstehung der »Anti-Hitler-Koalition« – Politik und Strategie 1940/41

Kriege an der Peripherie – Afrika, Balkan, Naher Osten

3.4.Der Krieg im Osten 1941 und 1942 – Krieg der Weltanschauungen

Unternehmen Barbarossa – der Beginn von Hitlers Hauptkrieg

Der zweite Feldzug gegen die UdSSR 1942

3.5.Japans Ausgreifen in Ostasien und im Pazifik 1941 bis 1942

Der Weg nach Pearl Harbor

Die japanische Invasion Südostasiens

3.6.Der Wechsel der Initiative in Europa und Afrika 1943

Nordafrika und strategische Weichenstellungen der Alliierten

Osteuropäischer Kriegsschauplatz

Die Eröffnung der Front in Italien

3.7.Krieg in Ostasien und im Pazifik 1942 bis 1944 – Japan in der Defensive

Gezeitenwechsel bei Midway und Guadalcanal

Beginn der alliierten Gegenoffensiven

Stillstand auf dem Kriegsschauplatz China-Burma-Indien

3.8.Der Krieg zur See

Der Überwasserkrieg im Atlantik, Mittelmeer und in der Arktik

Der deutsche U-Boot-Krieg

Der Seekrieg im Pazifik

3.9.Der strategische Luftkrieg

Bombenkrieg in Europa

Bombenkrieg gegen Japan

3.10. Der Krieg in Europa 1944/45 – Sturm auf die »Festung Europa«

Der Krieg im Osten

Die Befreiung Westeuropas

Zusammenbruch und Kapitulation Deutschlands

3.11. Das Kriegsende in Asien 1945

Der Fall Burmas und die Rückeroberung der Philippinen

Die Landung alliierter Truppen auf Iwojima und Okinawa

Die Kapitulation Japans

Kriegsende in China und Südostasien

4. ZWEITER WELTKRIEG – »TOTALER KRIEG«?

4.1.Totale Kriegsziele

4.2.Totale Kriegsmethoden

4.3.Totale Mobilisierung

4.4.Totale Kontrolle

5. DAS ENDE UND ERBE DES ZWEITEN WELTKRIEGES

ANMERKUNGEN

AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE

1. EINLEITUNG

Das »kurze 20. Jahrhundert« von 1914 bis 1989/91 ist ohne die Katastrophen der beiden Weltkriege nicht vollumfänglich zu verstehen. Es ist ein »Zeitalter der Extreme«, wie Eric Hobsbawm bemerkte, das gleichermaßen von immensem Fortschritt in Technologie und Forschung wie von ideologischen und religiösen Konfrontationen geprägt war. Während der Erste Weltkrieg als »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« (George F. Kennan) dieses Zeitalter einläutete, stellte der Zweite Weltkrieg seine welthistorische Zäsur dar. In Anlehnung an den von den Zeitgenossen schon rasch als den »Großen Krieg« bezeichneten Ersten Weltkrieg markierte der Zweite Weltkrieg den »größten Krieg« der Menschheitsgeschichte. Stärker als je zuvor war die Welt in ihrer Gesamtheit durch diesen Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden. Nahezu alle damaligen Länder nahmen mit ihren Kolonien oder Mandatsgebieten daran teil – nur neun Staaten waren 1945 noch neutral. Auf allen bewohnten Kontinenten und in allen Zeitzonen fanden Kampfhandlungen statt, schätzungsweise 110 Millionen Männer und Frauen kämpften als Soldaten und rund 60 Millionen Menschen – mehr als die Hälfte davon Zivilisten – starben an den direkten oder indirekten Folgen dieses Krieges. Sein Ausgang veränderte die soziopolitische Struktur der Welt radikal. Am Ende lagen weite Teile Europas und Asiens in Schutt und Asche. Die »alte Welt« europäischer Dominanz wich der »neuen Welt« der USA und der UdSSR. Das Ende des Zweiten Weltkrieges bildete so nicht nur das Ende, sondern auch den Beginn einer neuen Epoche: Technologisch und militärisch durch den Abwurf der ersten Atombombe und dem Einläuten des atomaren Zeitalters. Politisch und gesellschaftlich durch die Blockbildung des Kalten Krieges mit seinem Antagonismus zweier unüberbrückbarer Weltanschauungen sowie durch den bereits nach dem Ersten Weltkrieg begonnenen und nach 1945 beschleunigten Dekolonisationsprozess in Afrika und Asien.

Das Erbe des Zweiten Weltkrieges beschäftigt die Welt bis heute. Dies zeigen etwa die zahlreichen staatlichen und privaten Gedenkveranstaltungen sowie die unzähligen Denkmäler und Mahnmale. Die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges sind auf verschiedenen Ebenen bis heute spürbar. Eine zentrale Rolle spielen in Europa der Holocaust und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Im Rahmen eines neuen Opferdiskurses wird auch die Rolle der Alliierten im »Totalen Krieg« zunehmend kontrovers betrachtet, etwa hinsichtlich der Bombenopfer oder der Vertriebenen. In Russland führt die postsowjetische Phase gar zu einem Revival des »Großen Vaterländischen Krieges« und des Stalinkultes, mit Auswirkungen auf das Verhältnis zur EU, den Baltischen Staaten, der Ukraine oder Japan. In Asien selbst sorgen Altlasten aus der Zeit der japanischen Kolonialherrschaft und die fehlende Aufarbeitung japanischer Kriegsverbrechen immer wieder für Spannungen Japans mit China, Taiwan und der beiden koreanischen Staaten.

Auch die Geschichtswissenschaft beschäftigt sich eingehend mit dem Zweiten Weltkrieg. Die Bücher zum Thema sind Legion, ein Überblick zum aktuellen Forschungsstand ist selbst für den Experten kaum mehr zu schaffen. Am Ende des Buches findet sich eine Auswahl der jüngeren Forschungsliteratur, die dem Leser eine Vertiefung des Themas ermöglicht, die bei der vorliegenden Überblicksdarstellung nicht immer möglich gewesen ist. Hinzu kommt, dass die Forschung in weiten Teilen noch stark national geprägt ist, sodass sich eine britische Geschichte des Zweiten Weltkrieges nicht nur in ihrer Form von einer französischen, deutschen, russischen oder japanischen Geschichte unterscheidet, sondern auch inhaltlich unterschiedliche Schwerpunkte, Erklärungsansätze, Schuld- und Rechtfertigungszwänge hervorbringt. Der beschränkte Rahmen dieses Buches ließ es leider nicht zu, diesem Umstand oder den Forschungsdiskussionen genügend Rechnung zu tragen, geschweige denn alle Facetten des Zweiten Weltkrieges zu behandeln. Hingegen sollen die wichtigsten Aspekte, Akteure und Entwicklungen thematisiert werden. Die Ausrichtung auf den globalen Zusammenhang und die Komplexität des Zweiten Weltkrieges bildet dabei das Hauptanliegen dieses Buches.

An dieser Stelle sollen deshalb zunächst der Begriff des Weltkrieges sowie die Frage seiner zeitlichen Einordnung und Determinanten thematisiert werden. Noch viel ausgeprägter als der Erste war der Zweite Weltkrieg eine globale Angelegenheit. Dies deuten schon die erwähnten Größenordnungen an. Sie allein machen den Weltkrieg aber nicht aus. Die schon im Ersten Weltkrieg spürbaren Fortschritte im Transport- und Kommunikationswesen beschleunigten den angelaufenen Globalisierungsprozess zusätzlich. So ist der Zweite Weltkrieg auch von seiner inneren Kohärenz als Einheit zu verstehen, wobei sich verschiedene Faktoren überlagerten. Dabei waren nicht nur die Kämpfe zu Land, zur See und in der Luft miteinander vernetzt, vielmehr standen die Kriegsschauplätze auf den verschiedenen Kontinenten und Weltmeeren direkt oder indirekt in Wechselwirkung zueinander. Neben den Hauptauseinandersetzungen der Großmächte gab es zahlreiche Konflikte kleinerer und mittlerer Mächte. Letztere besaßen oftmals regionalen Charakter, wirkten sich durch die Bündniskonstellationen aber sofort global aus. So wurden in den europäischen Krieg auch außereuropäische Gebiete und Parteien einbezogen und umgekehrt. Die Aspekte des Kolonialismus und Imperialismus spielen ebenso hinein, weshalb auch die Dekolonisationsbestrebungen mit zu berücksichtigen sind, durch die der Westen direkt in Beziehung zu Mächten der »Dritten Welt« trat. Und schließlich hebt sich der Zweite Weltkrieg auch durch seine Intensität deutlich von allen vorherigen Kriegen ab. Unter Aufbringung ihrer gesamten Wehrpotenziale versuchten die kriegführenden Staaten machtpolitische, ideologische und wirtschaftliche Ziele zu verwirklichen. Im Endeffekt lief dies auf eine Entgrenzung der Gewalt und Radikalisierung der Kriegsführung hinaus. Vor dem Hintergrund der globalisierten Welt führten die technologischen Möglichkeiten und das industrielle Potenzial in Kombination mit der zerstörerischen Kraft von Ideologien zu einer Totalisierung des Krieges, dessen Führung häufig außerhalb völkerrechtlicher und moralischer Normen stattfand.

Bei all dem stellt sich die Frage nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Gerne wird der Erste Weltkrieg als Ursprung und Auftakt des Zweiten Weltkrieges betrachtet. In der Geschichtswissenschaft entstand der Begriff des »Zweiten Dreißigjährigen Krieges«, der freilich auf Charles de Gaulle sowie Winston Churchill zurückgeht und die Epoche von 1914 bis 1945 als chronologisch und inhaltlich zusammenhängende Einheit (»Zeitalter der Weltkriege«) charakterisieren soll. Inwiefern die Chronologie Erster Weltkrieg – Zwischenkriegszeit – Zweiter Weltkrieg tatsächlich eine Kontinuität darstellt oder nicht doch vielmehr Brüche kennzeichnend sind für diesen Zeitraum ist Gegenstand diverser Diskussionen. Mit Blick auf die Rolle des Deutschen Reiches und die Person Adolf Hitlers ist ein Zusammenhang zwischen dem tiefen Trauma der deutschen Niederlage 1918 und dem nationalsozialistischen Programm sicherlich inhärent. In Asien hingegen wirkte der Erste Weltkrieg keineswegs als Ausgangspunkt, sondern im besten Fall als Katalysator verschiedener anders gelagerter Prozesse und Ursachen (vgl. 2.2). Daraus folgen zwei Erkenntnisse: Zum einen muss mit der Vorstellung aufgeräumt werden, dass sich die Ereignisse in einem deterministischen Verlauf – zwangsläufig, unausweichlich – entwickelt hätten, und es deshalb nach 1914/18 auch zum Krieg 1939/45 kommen musste. Zum anderen erschließt sich die ganze Dimension des Zweiten Weltkrieges erst, wenn die Europa- und Deutschlandzentrik aufgegeben wird. Betrachtet man nämlich die Kriege der Westmächte mit außereuropäischen Staaten bzw. von diesen untereinander, wird die Sogwirkung solcher Konflikte an der »Peripherie« auf die Westmächte offenbar. Die globale Perspektive hilft, nationale Narrative zu überwinden und die vermeintlich vorgegebene Chronologie zu brechen. Entwicklungen in der »Dritten Welt« werden als Einflussfaktoren stärker gewichtet. Das Loslösen von der eurozentrischen Perspektive lässt etwa erkennen, dass außereuropäische Staaten nicht nur als Opfer der politisch-militärischen Dominanz der westlichen Mächte, sondern als eigenständige Akteure auftraten, die ihrerseits Entwicklungen beeinflussten und anstießen. Für den Zweiten Weltkrieg gilt dies besonders für China und Japan, wie der Blick auf deren politisch-militärischen Entwicklungen und Konflikte zeigen wird.

Bei der Datierung des Kriegsbeginns zeigt sich dies in aller Deutlichkeit. So reduziert das Standardnarrativ vom Zweiten Weltkrieg als »Hitlers Krieg« den globalen Krieg auf seine europäische Dimension und auf Adolf Hitler als seinen alleinigen Ursprung. Der Kriegsbeginn wird in diesem Zusammenhang auf den 1. September 1939 datiert, auf den Tag des deutschen Überfalls auf Polen. Die Verantwortung Hitlers und des NS-Regimes für den Krieg, wie er sich ab 1939 in Europa mit all seinen Aspekten eröffnete, soll damit keineswegs bagatellisiert werden. Ein Blick in den asiatischen Raum zeigt jedoch, dass dort mit dem Zweiten sino-japanischen Krieg spätestens ab Juli 1937 ein Krieg herrschte, der bis 1945 andauerte und weltweite Konsequenzen nach sich zog. Entscheidend sind die Überlagerungen und Wechselwirkungen. So kann z. B. die britische Beschwichtigungspolitik (Appeasement) in Europa ohne die japanische Expansionspolitik in Asien nicht verstanden werden, da diese die britischen Interessen zu dem Zeitpunkt viel stärker gefährdete. Hinzu kamen Probleme in Palästina, Indien und Burma, sodass Großbritanniens Aufmerksamkeit nicht primär Europa, sondern dem Erhalt seiner Kolonien galt. Weitere Akteure in Asien mit direkter oder indirekter Einflussnahme waren etwa die UdSSR, die USA, Frankreich, das Deutsche Reich oder die Niederlande. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch das Jahr 1941 als Datum des Weltkriegsbeginns nicht. Unbestritten erhält der Weltkrieg 1941/42 eine neue Qualität. Die Interpretation, wonach beide Kriege bis 1941 als eigene Kriege zu verstehen seien, die bloß gleichzeitig stattgefunden hätten, und erst die Verschmelzung des europäischen und asiatischen Krieges den Weltkrieg ausmachte, blendet die politischen, wirtschaftlichen und sogar militärischen Aktivitäten der außereuropäischen Staaten vor 1941 aus. Insbesondere die UdSSR bildete eine Art Scharnierstück zwischen Europa und Asien, hegte sie doch auf beiden Kontinenten Interessen. Spätestens der japanisch-sowjetische Grenzkrieg von Mai bis September 1939, in den die UdSSR, Japan und die Mongolische Volksrepublik involviert waren, verdeutlicht dies.

Vom Aufbau her behandelt das vorliegende Buch zunächst die Ausgangslage vor dem Zweiten Weltkrieg und danach den Kriegsverlauf auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen. Das vierte Kapitel behandelt die Frage, inwiefern der Zweite Weltkrieg als »Totaler Krieg« zu charakterisieren sei. In diesem Zusammenhang wird auch der Aspekt der Kriegsverbrechen vertieft. Kriegsende, Kriegsverbrecherprozesse und die Folgen des Krieges auf die Weltordnung werden im fünften Kapitel thematisiert. Die Komplexität des Zweiten Weltkrieges mit seiner Vermischung verschiedener, teils gleichzeitig stattfindender Entwicklungen und seine räumliche Ausdehnung als weltumfassender Konflikt kann mit einem rein chronologischen Ansatz nicht bewältigt werden. Das Buch versucht deshalb, den chronologischen Verlauf mit thematischen Schwerpunkten zu kombinieren, wo dies für das Verständnis sinnvoll ist. Wiederholungen wurden wenn immer möglich verhindert, waren für die Situierung in den Gesamtkontext manchmal aber unumgänglich.

2. AUSGANGSLAGE

Der Zweite Weltkrieg begann nicht wie der Erste Weltkrieg, der mit einem Schlag alle europäischen Großmächte und weitere Kleinstaaten miteinschloss. Er durchlief eine rollende Entwicklung. Ihm war in den 1930er Jahren eine zunehmende Eskalation der politischen Lage vorausgegangen, die in Europa und besonders in Asien bereits kriegsähnliche Zustände hervorgerufen hatte. Im Juli 1937 brach der Krieg zwischen China und Japan offen aus, in den einige Westmächte indirekt involviert waren. Von Mai bis September 1939 kamen militärische Zusammenstöße zwischen japanischen, sowjetischen und mongolischen Truppen in der Mandschurei hinzu. In Europa fing der Krieg im September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen an, dem sich die UdSSR anschloss. Großbritannien und Frankreich reagierten mit der Kriegserklärung an das Deutsche Reich. Italien trat 1940 im Zuge der deutschen Erfolge in den Krieg ein und weitete den Konflikt auf den Balkan und Nordafrika aus. Mit dem deutschen Überfall auf die UdSSR im Juni 1941 erlangte der Krieg eine qualitativ neue Entwicklungsstufe. Darüber hinaus verstärkte sich die alliierte Allianz, der neu auch die UdSSR angehörte. Im Dezember 1941 eröffnete Japan den Krieg gegen die USA und Großbritannien, in den auch Frankreich, Australien, Neuseeland, Indien, die Niederlande und Thailand einbezogen wurden. Die letzte signifikante Neukonstellation erfuhr der Zweite Weltkrieg durch die sowjetische Kriegserklärung an Japan und den Einmarsch in die Mandschurei im August 1945.

Die Frage der Kriegsschuld ist anders als für 1914 eindeutig zu beantworten: Die Hauptschuldigen waren das nationalsozialistische Deutsche Reich und das Kaiserreich Japan, willfährig unterstützt durch verschiedene Staaten, allen voran Italien. Seinen Ursprung fand der Zweite Weltkrieg hingegen in vielfältigen Rahmenbedingungen und unterschiedlichen Entwicklungen. Diese werden offenbar, wenn man die internationale Situation sowie die Interessen und Haltungen der beteiligten Hauptakteure betrachtet und die globale Dimension der Kriegshandlungen berücksichtigt.

2.1. Das Erbe des Ersten Weltkrieges

Der Blick auf die Phase zwischen 1918 und 1939 verdeutlicht, dass der Begriff der Zwischenkriegszeit irreführend ist, da es sich dabei nur bedingt um eine Zeit zwischen zwei Kriegen – um eine Friedenszeit – handelte. Das Ende des Ersten Weltkrieges markierte keineswegs wie in der breiten Öffentlichkeit erhofft den Aufbruch in ein friedlicheres Zeitalter, sondern leitete, teils direkt, in eine Zeit vielfältiger Konflikte und Kriege über. Gleichzeitig hinterließ er mit seinen unermesslichen Schäden und Opfern nicht nur in der breiten Bevölkerung Traumata, Kriegsmüdigkeit und den dezidierten Wunsch nach Frieden. Auch viele Regierungen waren durchdrungen vom Gedanken, einen neuerlichen Krieg um jeden Preis zu verhindern. Der amerikanische Isolationismus oder die britische und französische Appeasementpolitik sind nur vor diesem Hintergrund zu verstehen; Gleiches gilt für die fehlende Kriegsbegeisterung der deutschen Bevölkerung im September 1939. So etablierte sich in den 1920er Jahren eine starke, weite Teile der Bevölkerung erfassende Antikriegs- und Friedensbewegung. Auf staatlicher Ebene sind das System der Pariser Friedenskonferenzen und die Schaffung des Völkerbundes 1919, der Briand-Kellogg-Pakt von 1928, mit dem erstmals der Krieg als politisches Mittel geächtet wurde, oder die internationale Abrüstungskonferenz in Genf von 1932 bis 1934 Ausdruck dafür.

Der Zusammenbruch Russlands, des Deutschen Reiches, Österreich-Ungarns und des Osmanischen Reiches brachte neben inneren Unruhen auch neue Staaten hervor, deren Grenzziehungen erneut zu Konflikten Anlass gaben. Der größte dieser Nachkriegskonflikte war der Russische Bürgerkrieg von 1917 bis 1923, bei dem es an den Peripherien auch zu – letztlich erfolglosen – Interventionen verschiedener westlicher Mächte und Japans kam. Die neuen Staaten Finnland, Estland, Litauen und Lettland waren ebenfalls in Kämpfe mit lokalen Bolschewiki involviert, konnten sich – im Gegensatz zur Ukraine – jedoch als eigenständige Staaten behaupten. Im Deutschen Reich brach 1918 die Novemberrevolution aus, die nach heftigen Kämpfen und Aufständen zur Weimarer Republik führte. Österreich-Ungarn zerfiel 1918/19 in die Staaten Österreich, Ungarn und die Tschechoslowakei, Gebiete gingen auch an Italien, Rumänien, Jugoslawien und Polen. In Ungarn endete 1920 ein revolutionärer Bürgerkrieg mit der Invasion rumänischer, tschechoslowakischer sowie serbischer Truppen und dem Sturz der kommunistischen Regierung. Polen führte 1918/19 Kriege gegen Litauen, die Tschechoslowakei und die Ukraine sowie 1920 gegen die sich noch in der Revolution befindende UdSSR.

Die westlichen Großmächte sahen sich nicht nur vom aufkommenden Kommunismus, sondern auch von den Nationalismen in ihren Kolonien herausgefordert. In Syrien war Frankreich mit arabischem Widerstand konfrontiert, der erst im Juli 1920 beendet wurde. In Transjordanien fand sich die Kolonialmacht Großbritannien unverhofft inmitten eines alten Stammeskonfliktes und musste wie zuvor das Osmanische Reich bereits befriedete Gebiete gegen Überfälle der Nomadenstämme verteidigen. Die 1920er Jahre brachten schließlich eine ganze Serie kolonialer Aufstände unterschiedlichster Ursachen mit sich. Widerstand formierte sich in Ägypten, Persien (Iran) und im Irak gegen die britische Herrschaft sowie in Syrien erneut gegen die französische. In Libyen und Spanisch-Marokko kam es zur Erneuerung früherer Aufstände, die sich auch auf Französisch-Marokko ausweiteten (Rifkrieg). Die Kolonialmächte gingen rigoros und – für damalige Verhältnisse – mit massiven militärischen Mitteln dagegen vor, gewillt, ihre Kolonien um jeden Preis zu halten. Französische Truppen beschossen und bombardierten Damaskus 1925/26. Britische Flieger führten auf der Basis ihrer Weltkriegserfahrungen im Irak, Südjemen, in Afghanistan und Britisch-Somaliland die Aufstandsbekämpfung mit teils massiven Bombenschlägen durch (Air Policing) und ersparten sich damit die Entsendung großer Bodenkontingente. Spanische Truppen verursachten im Rifkrieg 1921 bis 1926 durch Einsatz von Senfgas schwere Verluste unter Aufständischen und der Zivilbevölkerung; erst 1927 gelang es, den Widerstand mit französischer Hilfe brutal zu unterdrücken. Gleich erging es den Aufstandsbewegungen in Syrien, in Niederländisch-Indien, Libyen und Italienisch-Somaliland. Anderswo stellten sich auch Rückschläge ein. Nach dem Zerfall des ehemaligen Osmanischen Reiches waren weite Teile davon von Frankreich und Großbritannien besetzt worden. Im griechisch-türkischen Krieg 1919 bis 1923 kämpften die Jungtürken unter Führung von General Mustafa Kemal (Atatürk) gegen die Besatzermächte sowie gegen großgriechische Hegemonieabsichten und armenische Unabhängigkeitsbestrebungen. Türkische Truppen fügten den schlecht ausgerüsteten und versorgten Franzosen 1921 in der Südosttürkei eine schmerzliche Niederlage bei, nahmen im September 1922 Smyrna (İzmir) ein, vertrieben oder ermordeten die griechische und armenische Bevölkerung und besiegten bis Oktober 1922 britische Verbände bei Konstantinopel. Ab diesem Zeitpunkt änderten Großbritannien und Frankreich ihre Kolonialpolitik. Frankreich musste einer Verzettelung seiner Kräfte entgegenwirken und konzentrierte sich darauf, zusammen mit Spanien den Aufstand der Rifkabylen in Marokko niederzuschlagen. Großbritannien wiederum gab sein Engagement in Russland auf und billigte Ägypten 1922 den Status eines unabhängigen Königreichs zu. Bereits 1921 hatten verlustreiche Aufstände im britischen Mandat Mesopotamien (Irak) Großbritannien veranlasst, einen arabischen König einzusetzen. Gleichzeitig unterstützte es auch die politische Erneuerung Persiens (Iran) und den Aufstieg Reza Khans zum Schah. Zudem wurden Schritte in Richtung der Selbstverwaltung Indiens vorbereitet, wo die Unabhängigkeitsbewegung unter Mahatma Gandhi den gewaltlosen Widerstand betrieb, und bestätigte 1928 die Unabhängigkeit Saudi-Arabiens. Innenpolitisch befand sich Großbritannien zudem gegen die paramilitärische Irish Republican Army (IRA) in einem Guerillakrieg ohne kolonialen Hintergrund, der 1921 mit der irischen Unabhängigkeit endete.

Der Blick auf die koloniale Situation der Zwischenkriegszeit zeigt, dass die beiden großen Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich nach 1918 schwächelten. Zudem bestimmten die Einsätze zur Sicherung ihrer kolonialen Herrschaft die militärischen Aufgaben und dadurch die zukünftigen militärischen Planungen. Die oft gehörte Kritik, die Westmächte hätten vor 1939 zu wenig gegen einen neuerlichen europäischen Großkrieg getan, verkennt dies. In den 1920er Jahren war dieser noch kaum vorhersehbar, während die Hauptgefahr für die britischen Interessen neben den erwähnten Kolonialunruhen zunächst von der UdSSR ausging. Der Aufstieg des Faschismus/Nationalsozialismus muss auch vor diesem Hintergrund gesehen werden, verfügte er als Gegenbewegung zum Kommunismus zeitweise doch zumindest partiell über Sympathien in Großbritannien, Frankreich und den USA. Die sozialistische Revolution weitete sich nämlich im Zuge des russischen Bürgerkrieges auf Armenien, Aserbaidschan, Transkaukasien, zwischenzeitlich sogar bis in den Iran aus und bedrohte über Afghanistan schließlich Britisch-Indien. In den 1930er Jahren war es dann Japan, das für Großbritannien als Hauptaggressor galt. Daneben forderten neuerliche Aufstände in Palästina, Nordindien oder Burma die ganze Aufmerksamkeit als Kolonialmacht. Die britische Armee spielte bei diesen Szenarien eine untergeordnete Rolle. Die Probleme auf dem indischen Subkontinent konnten mit Hilfe der British Indian Army gelöst werden, zur Wahrung der Handelswege aus Übersee und gegen Japan war Flottenstärke gefragt. Frankreich war unmittelbarer durch ein wiedererstarktes Deutsches Reich bedroht. Es reagierte mit dem Bau der Maginot-Linie deshalb früher auf die europäische Lageentwicklung, war zugleich aber auch über die koloniale Situation besorgt, insbesondere über die Bedrohung durch italienische Expansionsbestrebungen in Nordafrika. Wie sehr die Westmächte in ihren Handlungsweisen gelähmt waren, verdeutlicht letztlich der Spanische Bürgerkrieg 1936 bis 1939. Während darin erstmals die ideologischen Gegner des Faschismus/Nationalsozialismus und Kommunismus aufeinander trafen, beschränkten sich Großbritannien und Frankreich aufgrund kolonialer und innenpolitischer Probleme auf eine Politik der Nichteinmischung.

2.2. Die Hauptkriegsteilnehmer

Aus dem Ersten Weltkrieg gingen die USA, Großbritannien und Frankreich gestärkt hervor. Die beiden Letzteren mussten demographisch und wirtschaftlich zwar große Verluste verschmerzen, hatten aus den Friedensverhandlungen jedoch neben politischen und ökonomischen auch territoriale Zugeständnisse erhalten. Ihnen gegenüber standen die drei »Habenichtse«: Das Deutsche Reich, Italien und Japan. Ersteres war der große Verlierer des Krieges. Letztere gehörten zwar zu den Siegermächten, waren nach ihrem Verständnis im Friedensschluss aber zu kurz gekommen; ähnlich erging es China. Die UdSSR wiederum befand sich aus innenpolitischen Gründen in einer speziellen Situation. Die drei »Habenichtse« bezogen im Verlauf der Zwischenkriegszeit immer deutlichere Gegenpositionen zur etablierten Nachkriegsordnung. Aus unterschiedlichen Beweggründen strebten sie eine Revision der globalen Ordnung an. Die daraus folgenden Expansionsbestrebungen gerieten zunehmend in Konfrontation mit den britischen und französischen, längerfristig auch den amerikanischen Positionen.

Die USA gingen 1945 als dominante Macht aus dem Weltkrieg hervor, hatten aber bereits 1938 das weitaus höchste Bruttoinlandsprodukt. Einschneidend war die Große Depression seit 1929 gewesen. Spekulationen verursachten immense Vermögensverluste und eine Deflation, was zu massiven Absatzschwierigkeiten für die Wirtschaft und Massenarbeitslosigkeit sowie zum Abfall des Volkseinkommens und Steueraufkommens und des allgemeinen Lebensstandards führte. Alle Schritte der Regierung zur Krisenbekämpfung scheiterten. Erst mit dem von Franklin D. Roosevelt ab 1933 initiierten sozioökonomischen Programm des New Deal entspannte sich die Lage langsam, obwohl die Maßnahmen unterschiedlich erfolgreich blieben. So reduzierten sich zwischenzeitlich zwar die Arbeitslosenzahlen, die 1938 aber nochmals auf 10 Millionen anstiegen. Letztlich konnten die Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise erst durch die Aufrüstung aufgefangen werden. Außenpolitisch weiteten die USA in der Zwischenkriegszeit ihren Einfluss in Mittelamerika und der Karibik aus und intervenierten militärisch in der Dominikanischen Republik, Haiti und Nicaragua. Wirtschaftlich verfolgten die USA mit der auf freien Zugang zu den Weltmärkten abzielenden open-door-Politik einen indirekten Ansatz. Dies widerspiegelt sich in der 1933 gegenüber Lateinamerika verkündeten »Politik der guten Nachbarschaft« oder in der 1934 gewährten begrenzten Autonomie für die Philippinen. Die US-Kriegs- und Handelsflotten waren damals bereits die zweitgrößten der Welt und sollten mit neuen Konstruktionsprogrammen sowie dem Marineaufrüstungsgesetz von 1938, das die Bildung einer »Zwei-Ozean-Flotte« vorsah, die britische Marine bald schon überflügeln. Die US Army umfasste 1939 hingegen bloß 190.000 Berufssoldaten und 200.000 Nationalgardisten. Ab 1936 wurde das Rüstungsbudget wieder erhöht, was den Ausbau und die Modernisierung der Streitkräfte ermöglichte. Der Zustand der Streitkräfte sowie fehlende Stützpunkte im Ostatlantik verhinderten, dass die USA in der Zwischenkriegszeit militärischen Einfluss auf Europa ausübten. Politisch brachten sie sich hingegen ein, nicht zuletzt aus ökonomischen Interessen, wie der Dawes- oder Young-plan zeigen. Auch engagierte sich das Land für die politische Stabilisierung Europas. Auf amerikanische Initiative hin kam es 1925 zur Unterzeichnung des Vertrags von Locarno und 1928 zum Abschluss des Briand-Kellogg-Paktes. Gleichwohl begünstigte die geographische Lage der USA mit dem Pazifik und Atlantik als natürlichen Hindernissen den Isolationismus als politische Alternative. Zwar reagierten die USA 1932 mit der Hoover-Stimson-Doktrin auf die japanische Invasion in die Mandschurei und erkannten die japanischen Verletzungen der Souveränität und Integrität Chinas nicht an, konkrete Schritte unterblieben jedoch. Ab 1935 verankerte der Kongress die isolationistische Haltung institutionell mit vier Neutralitätsgesetzen und verbot darin unter anderem Waffenlieferungen, Anleihen sowie Kredite an Kriegführende. Auch erschwerte es die demokratische Tradition der USA, die Nation vorzeitig auf Krieg einzustellen. Faktisch bezogen die USA gleichwohl unter Roosevelt, der eine stärkere amerikanische internationale Beteiligung als notwendig erachtete, bereits ab Mitte der 1930er Jahre Position gegen die späteren Achsenmächte. Die Neutralitätsgesetze wurden 1937 durch eine Cash-and-Carry-Klausel ausgehebelt, was die materielle Unterstützung Chinas (später Großbritanniens und der UdSSR) im Krieg ermöglichte; nach der zwischenzeitlichen Sistierung wurde sie ab November 1939 auch auf Waffen und Munition ausgedehnt. Bis zum offiziellen Kriegseintritt der USA 1941 weitete sich diese Unterstützung stetig aus, was zur faktischen Aushöhlung der Neutralität führte. 1940 wurden die Rüstungsprogramme intensiviert und Produktionsüberschüsse an Großbritannien abgeliefert, das gegen Verpachtung britischer Militärstützpunkte ferner 50 veraltete US-Zerstörer erhielt. Mit dem Leih- und Pachtgesetz vom 11. März 1941 (Lend-Lease Act) erfolgte der letzte Schritt. Roosevelt wurde ermächtigt, Alliierte mit Kriegsmaterial und Versorgungsgüter zu beliefern. Bis Kriegsende erhielten 38 Staaten amerikanische Hilfsleistungen im Wert von fast 50 Milliarden US-Dollar; neben Großbritannien profitierte die UdSSR in starkem Ausmaß von diesen Hilfslieferungen. Zwischen April und Juli 1941 hatten die USA wegen des Balkan- und Nordafrikakrieges den nationalen Notstand ausgerufen, Grönland und Island besetzt und deutsche, italienische sowie – nach dem Einmarsch in Französisch-Indochina – japanische Guthaben in den USA einfrieren lassen. Letzteres kam de facto einem Handelsembargo gleich.

Großbritannien besaß nach dem Ersten Weltkrieg noch eine herausragende globale Rolle, wenngleich es seine dominante Stellung als Wirtschafts- und Militärmacht eingebüßt hatte. Das britische Weltreich umfasste mit dem British Commonwealth of Nations die Dominions Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika. Weiter gehörten die unterschiedlich verwalteten britischen Kolonien und Protektorate in Indien, Afrika, Südostasien, im Südpazifik und der Karibik dazu. Durch Übernahme deutscher und osmanischer Gebiete erlangte das britische Kolonialreich nach 1918 seine größte Ausdehnung überhaupt; überdies erhielten Australien, Neuseeland und Südafrika ehemalige deutsche Gebiete im Südpazifik und Afrika. Großbritannien gewann zudem strategisch wichtige Völkerbundmandate wie Palästina oder Transjordanien und übte die Kontrolle über nominell unabhängige Staaten wie Ägypten und den Irak aus. Mit Gibraltar, Malta oder Singapur hatte die britische Marine wichtige Stützpunkte, die ihre globale strategische Tragweite festigten. Das britische Heer profitierte personell ebenfalls vom Weltreich, wie die bis 1945 rekrutierten 2,5 Millionen Freiwilligen der British Indian Army belegen. Bis 1938 blieb das britische Heer jedoch traditionell bedingt klein, diente vor allem als koloniale Polizeitruppe und war zur kontinentalen Kriegsführung noch ungeeignet. Erst unter dem Eindruck unmittelbarer Kriegsgefahr wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, weitere Maßnahmen zur Aufrüstung des Heeres und der Luftabwehr folgten. Das Commonwealth war für Großbritanniens globale Bedeutung von entscheidender Relevanz, sein Gebilde aus staatsrechtlich autonomen Dominions mit divergierenden sicherheitspolitischen Prioritäten erschwerte jedoch eine gemeinsame, strategisch ausgerichtete Außen- und Verteidigungspolitik, zumal die in verschiedenen Gebieten einsetzenden Unabhängigkeitsbewegungen die britische Aufmerksamkeit auf die Peripherie lenkten. Wirtschaftlich war Großbritannien trotz hoher Auslandsverschuldung bei den USA und Modernisierungsdefiziten stark. Es verfügte nach den USA über das weltweit höchste Bruttoinlandsprodukt und besetzte auch im Finanzsektor eine wichtige Position. Das Weltreich garantierte der britischen Industrie Absatzmärkte sowie Rohstoffe und half ihr dadurch, die Wirtschaftskrisen weniger schadensreich zu überstehen als andere Länder. Trotzdem erlebte Großbritannien millionenfache Dauerarbeitslosigkeit und zahlreiche Arbeiterstreiks. Die Regierungen versuchten mit Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen für die Wirtschaft sowie mit sozialen Reformen der Krise zu entgegnen. Außenpolitisch setzte dies jedoch die Wahrung des Friedens voraus, da Großbritannien nicht zugleich reformieren und aufrüsten konnte. Gerade darin lag ein wichtiger Grund, weshalb britische Regierungen (etwa unter Neville Chamberlain) bis 1939 eine Appeasementpolitik verfolgten. Flankierende politische Maßnahmen zur Bildung eines antideutschen Balkanblocks scheiterten indes im Sommer 1939. Es blieb bei der britisch-französischen Garantieerklärung an Polen vom März 1939, deren Erweiterung auf Rumänien und Griechenland im April sowie bei der Beistandserklärung an die Türkei vom Mai 1939. Das britische Weltreich bildete bei all dem auch eine strategische Hypothek, ging es in der Zwischenkriegszeit und in den Zweiten Weltkrieg hinein doch in hohem Ausmaß um die britischen Besitzungen. Japan und Italien begehrten offen Teile davon, während die UdSSR im britischen Imperialismus bis 1933 den ideologischen Hauptgegner sah. China wiederum versuchte sich von der militärisch-wirtschaftlichen Dominanz Großbritanniens zu befreien, die sich in britischen Außenposten und Handelsniederlassungen zeigte. In ein wirtschaftliches Konkurrenzverhältnis geriet Großbritannien auch mit den USA, die Zugang zu den britisch kontrollierten Absatz- und Rohstoffmärkten verlangten.

Frankreich gehörte in der Zwischenkriegszeit ebenfalls noch zu den Weltmächten. Wie Großbritannien hatte es sein Kolonialreich nach 1918 durch die Mandate Libanon und Syrien sowie ehemalige deutsche Kolonien in Afrika ausweiten können. Letztere bildeten zugleich ein Reservoir zur personellen Verstärkung der französischen Armee, die nach 1918 den Nimbus der weltweit stärksten Armee besaß. Frankreich hatte im Ersten Weltkrieg hohe personelle und wirtschaftliche Verluste erlitten. Die Ausrichtung der französischen Politik war deshalb bis 1939 durch zwei Hauptanliegen bestimmt: Die durch den Weltkrieg verursachte massive Staatsverschuldung zu tilgen und die Frage der Deutschlandpolitik zu lösen. Die französischen Forderungen auf der Versailler Friedenskonferenz 1919 sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Steuererhöhungen waren innenpolitisch gescheitert, weshalb die Kriegskosten durch deutsche Reparationen beglichen werden sollten (»L’Allemagne paiera tout«). Außenpolitisch sollte die starke französische Position auf möglichst lange Zeit gefestigt werden. Dominierend für die französische und angloamerikanische Politik auf internationalen Konferenzen blieb bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 die Frage der Reparationszahlungen. Während hingegen die USA und Großbritannien aus wirtschaftlichen und finanziellen Interessen eine zunehmend konziliantere Haltung einnahmen, setzte Frankreich auf eine Politik der harten Hand (Ruhrbesetzung). Diese Differenzen führten in Kombination mit kolonialen Rivalitäten in den 1920er Jahren zu französisch-britischen Spannungen. Im Dawes-Plan von 1924 regelten die Alliierten schließlich die Reparationszahlungen neu. Mit dem Vertrag von Locarno 1925 setzte zudem eine Phase der deutsch-französischen Annäherung ein, die jedoch die Animositäten der beiden Länder nicht grundsätzlich überwinden ließ. Komplementär hatten Frankreich und Polen ab 1920 eine aktive Bündnispolitik mit der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien verfolgt (»kleine Entente«), die bis 1938 Bestand hatte und 1935 durch einen französisch-sowjetischen Beistandspakt ergänzt wurde. Innenpolitisch waren die 1920er Jahre geprägt von rasch wechselnden Regierungen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Erst ab 1926 beruhigte sich die Situation dank einer Währungsstabilisierung und dem Ausgleich des Staatshaushalts. Frankreich spürte die Weltwirtschaftskrise erst ab 1931 und war als nicht vollindustrialisiertes Land weniger davon betroffen als andere Staaten. Gleichwohl kam es zu Banken- und Betriebsschließungen, zu hoher Arbeitslosigkeit, zu Kaufkraftverlust und Preisverfall. Trotz Agrarprotektionismus, Deflationspolitik und Sparmaßnahmen dauerte die Krise bis 1938 an. Dies stärkte die extremen Positionen und schwächte das System der Dritten Republik zusätzlich. Streiks, Demonstrationen und Straßenkämpfe nahmen in den 1930er Jahren zu. Der Wahlsieg des Volksfrontbündnisses der vereinigten linken Parteien (Front populaire) unter Léon Blum 1936 wurde in der breiten Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen. Die darauf eingeführte Sozialgesetzgebung und wirtschaftliche Reformen brachten wegen heftigen Widerstands der Unternehmer und der anhaltenden Streiks allerdings keinen Aufschwung, sondern eine Vergrößerung des Haushaltdefizits und eine Inflation. Die angesichts der zunehmenden deutschen Bedrohung forcierte militärische Aufrüstung verstärkte dies zusätzlich. Auch die Nichteinmischung in den Spanischen Bürgerkrieg belastete das Volksfrontkabinett und führte mit innen- und finanzpolitischen Problemen zum Scheitern der Volksfrontpolitik. Innenpolitisch wurde Frankreich 1938 durch Terroranschläge rechtsextremer Gruppen, Streikwellen der Arbeiter und Gewerkschaften sowie den drohenden Staatsbankrott erschüttert, sodass das Militär die Ordnung wiederherstellen mussten. Außenpolitisch gab die neue Regierung von Édouard Daladier im Münchner Abkommen vom September 1938 dem deutschen Druck nach und stimmte der Abtretung sudetendeutscher Gebiete durch die Tschechoslowakei zu. Danach verfolgte die Regierung Daladier eine Nichteinmischungs- und Appeasementpolitik gegenüber dem Deutschen Reich und hoffte bis zuletzt auf ein Einlenken Hitlers, beschleunigte gleichzeitig aber die eigene Aufrüstung.

China wird gemeinhin im Zeitalter der Weltkriege nicht als Großmacht verstanden, obwohl es bevölkerungsmäßig nach dem britischen Weltreich an zweiter Stelle stand und die Vorgänge in China einige Relevanz für die globale Entwicklung besaßen. In China herrschten seit dem Sturz der Qing-Dynastie 1911 instabile Verhältnisse, die einen politisch-militärischen Polyzentrismus entstehen und das Land in regionale Herrschaftsgebiete zerfallen ließen. Diese wurden von einer heterogenen Gruppe von Militärmachthabern (Warlords) kontrolliert, die sich in den sogenannten Generalskriegen (1916–1926) in wechselnden Allianzen bekämpften. Gegen die Warlords richtete sich die 1924 gebildete »Einheitsfront« aus der Kommunistischen Partei China (KPC) und der nationalistischen Bewegung der Guomindang (GMD). Diese »Nationale Revolution« sollte die politische Einigung des Landes bringen, bekämpfte aber auch ausländischen Imperialismus. Mit Hilfe sowjetischer Militärberater wurde eine Revolutionsarmee aufgestellt, die im Nordfeldzug von 1926/27 unter Führung Jiang Kaisheks die Warlords besiegte. 1927 brach Jiang das Bündnis mit den Kommunisten, um ein Einparteiensystem zu etablieren. Im April 1927 begannen in Shanghai und Nanjing die gewaltsamen Verfolgungen von Kommunisten und die rücksichtslose Säuberung der GMD. Dies markierte den Anfang der diktatorischen Herrschaft Jiangs (»Jahrzehnt von Nanjing«) und gleichzeitig den Auftakt zur zehnjährigen Bürgerkriegsphase, die mit mehreren Millionen Soldaten und Toten zu den weltweit größten Konflikten der Zwischenkriegszeit gehörte. Bis 1930 gelang es der GMD, ihre Kontrolle über fast ganz China auszuweiten. Ihrer Machtstellung fehlte allerdings die nötige Stabilität, auch konnten die Warlords im Süden und Südwesten Chinas erst 1937 endgültig besiegt werden. Die KPC, die erst mit der Gründung der chinesischen Roten Armee 1928 über eigene Streitkräfte verfügen sollte, konnte der GMD und den mit ihr verbündeten Banden und Warlords nichts entgegenhalten. Sie musste deshalb in den städtischen Untergrund oder ins gebirgige Hinterland ausweichen. Die auf Druck Stalins und der Kommunistischen Internationalen (Komintern) in den Städten erfolgten Arbeiteraufstände wurden ebenfalls blutig niedergeschlagen. Der neuen Strategie Mao Zedongs folgend wichen die Kommunisten deshalb auf ländliche Basen aus und gründeten schließlich im November 1931 in der Provinz Jiangxi die erste chinesische Räterepublik. In den sogenannten Einkreisungsfeldzügen versuchte Jiang die KPC endgültig zu zerschlagen. Die chinesische Rote Armee konnte die ersten vier Offensiven dank geschickter Guerillakriegsführung erfolgreich abwehren, stand zwischenzeitlich aber kurz vor ihrer Vernichtung. Rebellionen in den eigenen Reihen und Kämpfe gegen die Warlords zwangen Jiang jedoch zu einem Feldzugabbruch. Mit einer halben Million Soldaten begann er im Herbst 1933 den fünften Feldzug, verzichtete auf Empfehlung deutscher Militärberater aber auf die bisher verlustreichen Frontalangriffe und riegelte stattdessen das kommunistische Gebiet konsequent ab. Die Kommunisten versuchten mit konventioneller Kriegsführung zu reagieren und scheiterten. Im bis heute in der KPC verklärten »Langen Marsch« zogen sie sich 1934/35 in die nordwestliche Provinz Shaanxi zurück und errichteten 1936 in Yan’an eine neue Räterepublik. Die lange Phase innenpolitischer Kämpfe wirkte sich negativ auf die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft aus. China verfügte Ende der 1930er Jahre zwar über ein hohes Bruttoinlandsprodukt, das Volkseinkommen blieb jedoch sehr gering. Hinzu kamen infrastrukturelle Defizite (Eisenbahn-/Straßennetz). Die ununterbrochene Kriegsphase hatte zudem zur Verrohung der Gesellschaft beigetragen. Ferner schwächte die innere Zerrissenheit China außenpolitisch und öffnete die Tore für ausländischen Expansionismus. Ab 1920 versuchte die UdSSR, ab 1928 auch das Deutsche Reich mit Militärberatern, Kriegsmaterial und Devisen auf den Kriegsverlauf einzuwirken. Großbritannien griff nicht direkt in den Konflikt ein, verfolgte aber starke Wirtschaftsinteressen. Die USA hatten bis 1938 Truppen in Tianjin stationiert, hielten sich ansonsten aber zurück. Direkte Eingriffe erfolgten im Norden Chinas, wo im August 1929 sowjetische Truppen wegen eines Konfliktes um die Ostchinesische Eisenbahn in die Mandschurei einmarschierten. Als Hauptaggressor trat allerdings Japan auf, dessen Expansionismus dem innerchinesischen Konflikt dann auch zwischenzeitlich die Intensität nahm. Wegen Chinas militärischer Unterlegenheit und weil er dem Kampf gegen die KPC Priorität einräumte, verfolgte Jiang nach dem Mukden-Zwischenfall 1931 und der japanischen Annexion der Mandschurei Japan gegenüber eine Appeasementpolitik. Diese Politik des Nachgebens stieß in der chinesischen Bevölkerung und der GMD auf Unverständnis. Im Dezember 1936 wurde Jiang auf einer Inspektionsreise in Xi’an von zwei seiner Generale gefangengenommen und zur Bildung einer gemeinsamen antijapanischen Front mit der KPC gezwungen. Zugleich drängte auch die Komintern auf ein zweites Bündnis. So kam es zu einer innerchinesischen Entspannung und 1937 zur »Zweiten Einheitsfront«. Die kommunistischen Verbände wurden in die Armee Nationalchinas integriert und – zumindest nominell – Jiang unterstellt. Das aus der Not heraus entstandene und von Beginn an fragile Zweckbündnis wurde offiziell erst 1945 beendet, faktisch endete die militärische Zusammenarbeit aber bereits 1941 (vgl. 3.5).

Die UdSSR