Gunter Pirntke

 

 

Claus und Nina von Stauffenberg

 

 

 


Impressum

Covergestaltung: Gunter Pirntke

Digitalisierung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke



© 2017 andersseitig.de


ISBN:

9783961184378 (ePub)

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Inhalt

Impressum

Kindheit und Jugend

Die Zeit unter Hitler

Das Attentat

Nina

Zusammenfassung

 

Allgemein bekannt ist, dass Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg der Hauptakteur des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 war. Relativ weniger bekannt ist seine Biografie und die Rolle seiner Ehefrau. Wir wollen versuchen, etwas Licht in die umschriebene Thematik zu bringen.

 

Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg war ein konservativer Patriot und sympathisierte zunächst mit den nationalistischen und revisionistischen Aspekten des Nationalsozialismus, bevor er wegen des verbrecherischen Charakters und der zunehmend inkompetenten Kriegführung des nationalsozialistischen Regimes zum aktiven Widerstand fand.

 

Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler wurde der deutsche Widerstand im Urteil der Welt zunächst zwiespältig bewertet. Erst als sich der Schleier der Tarnung verzog und auch die von den Nationalsozialisten geschaffene Legende von der „Clique der ehrgeizigen Verschwörer“ zusammenbrach, wandelte sich das Bild vom deutschen Widerstand. Die Aktion war keine Offiziersrevolte, kein reaktionärer Putsch, sondern ein wahrer „Aufstand des Gewissens“, ein Aufstand der Sozialisten und Christen, Arbeiter und Intellektuellen, Bürger und Adlige, Geistliche und Soldaten – ein repräsentativer Querschnitt des ganzen Volkes.

 

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Schloss Jettingen, Geburtsort von Stauffenberg


Kindheit und Jugend

 

Stauffenberg wurde am 15. November 1907 in Jettingen im bayerischen Schwaben bei Burgau zwischen Augsburg und Ulm als dritter Sohn in die süddeutsche, katholische Adelsfamilie Stauffenberg geboren. Seine Eltern waren Alfred Schenk Graf von Stauffenberg, der letzte Oberhofmarschall des Königs von Württemberg, und Caroline geb. Gräfin von Üxküll-Gyllenband. Sein Zwillingsbruder, Konrad Maria, verstarb am Tag nach der Geburt. Über seine Mutter hatte er auch preußische Vorfahren. Dazu gehörte der preußische Heeresreformer August Graf Neidhardt von Gneisenau. Prägend für seine Beteiligung am Widerstand war unter anderem auch sein Onkel, Nikolaus Graf von Üxküll-Gyllenband. Ebenfalls eine bemerkenswerte Persönlichkeit war seine Tante, Alexandrine Gräfin von Üxküll-Gyllenband, Oberin des Deutschen Roten Kreuzes.

 

Über die Mutter der Gräfin von Hohental führte ein Stammbaum direkt zu Gneisenau, dem Generalstabschef von Feldmarschall Blücher. Die Linie von Stauffenbergs entstand, als die Grafen von Zollern wie andere Fürsten im Niedergang des deutschen Königtums im 13. Jahrhundert zur Heung ihres Ansehens das Schenken- und Truchsessamt einrichteten.

 

Aus dem Dienst der Grafen von Zollern zogen sich die Stauffenbergs im 15. Jahrhundert spontan zurück, nachdem ein Bruder-Krieg unter den Grafen ihre Loyalität zu sehr strapazierte. Sie boten ihre Dienste jetzt den Württembergern an. Als der berühmt-berüchtigte Herzog Ulrich an die Regierung kam, befanden sich die Schenken von Stauffenberg wieder im Zwiespalt. Ulrich war in den Augen vieler Zeitgenossen ein Mörder und Gesetzesbrecher, mit dem die Stauffenbergs nichts zu tun haben wollten.

 

Ein Zweig der Familie wurde 1698 von Kaiser Leopold I. in den Freiherrenstand, ein anderer 1791 von Kaiser Leopold II. in den Reichsgrafenstand erhoben. Aus der Freiherren-Linie der Stauffenbergs gingen im 17. und 18. Jahrhundert Domherren von Bamberg, Würzburg und Augsburg hervor sowie Mitglieder der Bamberger fürstbischöflichen Regierung und einen Fürstbischof von Bamberg. Franz Ludwig Schenk Freiherr von Stauffenberg wurde 1874 von Ludwig II. in den erblichen Grafenstand des Königreiches Bayern erhoben.
 

Sein Neffe Franz August setzte sich als bayerischer Landtagsabgeordneter 1867 und 1870 für die Abschaffung der Todesstrafe ein, als „eine reine Frage der Menschlichkeit“. Im Hof des Kriegsministeriums und in der Berliner Strafanstalt Plötzensee war 77 Jahre danach keine Rede mehr davon. Die Frage der Menschlichkeit war im Dritten Reich nur noch eine Farce. Zeitgeschichtliche Ereignisse, Macht, Revolution und Krieg prägte die Familie der Stauffenbergs stets an den Brennpunkten deutscher Geschichte.

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Die Stauffenberg-Kinder, Claus, Alexander und Berthold verbrachten ihre Jugendjahre zwischen Stuttgart, Lautlingen, Jettingen und Amerdingen. Sie fuhren mit den Eltern regelmäßig an die Nordsee und nach Berchtesgaden. Vertraute Stätten ihrer Jugend: große Gärten, Salons, die Dienstwohnung im Alten Schloss in Stuttgart und der Wilhelma Park in Cannstatt.

 

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Stauffenberg-Schloss in Lautlingen

 

Bis 1913 erhielten die Zwillinge Berthold und Alexander Privatunterricht. Ab Herbst 1913 besuchten sie die Vorklasse des renommierten humanistischen Eberhard-Ludwig-Gymnasiums in Stuttgart. Hier lernten sie fleißig, neben den üblichen Fächern auch Latein und später Griechisch.

 

Claus von Stauffenberg ging zur gleichen Zeit in eine private Elementarschule mit vier anderen Kindern. Er war fleißig und wetteiferte im Lernen mit seinen Brüdern. Später wechselte auch Claus auf das elitebewusste Eberhard-Ludwig-Gymnasium. Mitten in den Ferien in Lautlingen erfuhr die Stauffenberg-Familie telefonisch am 31. Juli 1914, der württembergische König habe seinen Sommerurlaub in Friedrichshafen wegen der drohenden Kriegsgefahr abgebrochen und sei nach Stuttgart gefahren. Am selben Tag musste natürlich auch Oberhoffeldmarschall von Stauffenberg in die Residenz zurück. Gruppen erregter Männer standen in Lautlingen auf der Straße, Frauen weinten. Von der oft beschriebenen „Hurra-Stimmung“ für Krieg und Vaterland war an diesem Tag im Eyachtal, rings um das Stauffenberg-Schloss, nichts zu spüren.

 

Am 2. August 1914 reisten auch Gräfin von Stauffenberg, Kinder und Dienerschaft per Eisenbahn nach Stuttgart. Im Zug schwirrte es von Gerüchten „um gesprengte Donaubrücken und erschossene Spione“.

 

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Der Kaiser von Kamerad zu Kamerad: „...und jetzt wollen wir sie dreschen!“

 

Jetzt wurde der Aufruf des Kaisers vom 6. August 1914 verkündet und überall angeschlagen, er war eindeutig und lautete unheilschwanger:

 

 

An das deutsche Volk!

„Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre mein und meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. Alle offenkundigen und heimlichen Feindschaften in Ost und West und von jenseits der See haben wir ertragen und im Bewußtsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen.

Man verlangt, dass wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischen Überfällen rüsten. Man will nicht dulden, dass wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Drum auf zu den Waffen! Jedes Zögern, jedes Schwanken wäre Verrat dem Vaterlande gegenüber: Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten, um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.

Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen, auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war.“

 

 

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König von Württemberg, Königin und Gräfin von Stauffenberg

 

Im Alten Schloss von Stuttgart wurden sofort nach dieser Proklamation des Kaisers Lazaretträume eingerichtet. Am 28. August gab es sogar für Stuttgart Fliegeralarm und „eine tolle Knallerei“, doch es war anscheinend alles Fehlalarm. Die Aufzeichnungen von Stauffenbergs Mutter aus dieser Zeit halten in erster Linie die erstarrte Teilnahmslosigkeit der Verwundeten fest, schreckliche Kriegsgräuel und die Sorge um den verletzten Bruder, sowie den Wunsch nach Frieden, aber kein Wort eigener Begeisterung.

 

Ihre drei Söhne reagierten anders. Bei Kriegsausbruch „ergreift die Kinder ein solcher Enthusiasmus“, dass Claus eines Morgens schluchzend klagte, „die Brüder sagten, in zehn Jahren dürften sie in den Krieg und er dürfe nicht mit.“ Die Mutter musste ihn lange beruhigen und versprechen, dass sie bestimmt „heldisch“ sein werde und alle ihre Buben in den Kampf ziehen lasse.

 

Claus betete jeden Abend: „Gib dass alle Soldaten wiederkommen, dass jeder verwundete Soldat wieder ganz gesund wird und jeder tote Soldat in den Himmel kommt“. Alexander schrieb ein Gedicht auf den Sieg von Lüttich, auf General Otto von Emmerich, auf den untergegangenen Minenleger „Königin Luise“ und eines auf Deutschland.

 

Berthold und Claus dichteten mit vaterländischem Pathos über „unsere Feinde“ und den Erfolg von „U 9“. Die Feindfahrt von „U 9“ wurde im Kaiserreich glorifiziert und zum Mythos neuer Unbesiegbarkeit der kaiserlichen Seemacht erhoben. Die Geschichte von „U 9“ und seines Kommandanten Otto Weddigen kannte damals jeder Knabe.

 

Der Kaiser verlieh dem Kommandanten des Unterseebootes „U 9“, Kapitänleutnant Otto Weddigen, das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse, den übrigen Offizieren und Mannschaften das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Auch von anderen „Bundesfürsten“ erhielt Kapitänleutnant Weddigen hohe Ordensauszeichnungen, vom österreichischen Kaiser Franz Josef das Ritterkreuz des Leopoldordens mit der Kriegsdekoration.

 

Mit Ende des ersten Kriegsschuljahres im Juli 1915 gingen alle im Alten Schloss von Stuttgart tätigen Lazaretthelfer in Urlaub. Mutter und Söhne von Stauffenberg fuhren nach Lautlingen auf ihr Schloss. Nach der Eroberung von Warschau am 7. August und Brest-Litowsk am 18. und 25. August 1915 veranlasste der Vater Stauffenbergs, dass die Fahne herausgehängt wurde und der Pfarrer die Glocken läuten ließ.

 

Im Frühjahr 1916 notierte die Gräfin: „Immer große Angriffe bei Verdun – aber die Leute haben gar keine Stimmung dafür – sie sagen immer, „An Verdun verbluten wir uns“. Berthold von Stauffenberg interessierte sich in dieser Zeit mehr und mehr für die kaiserliche Marine und schrieb sogar einen Aufsatz über die Entwicklung der deutschen Flotte bis zum Weltkrieg.

 

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Am 10. März 1917 fiel in Verdun Alfred von Hofacker, Sohn der Tante Stauffenbergs. Der Bruder des gefallenen Alfred von Hofacker, Cäsar von Hofacker, kam gleichzeitig aus Mazedonien auf Heimaturlaub nach Lautlingen. Hier verbrachten die Familien von Stauffenberg und Hofacker gemeinsam das Osterfest. Cäsar von Hofacker musste allen versprechen, auf seine große Leidenschaft, das Fliegen, zu verzichten. Es war den Familienangehörigen zu gefährlich.

 

Auf „Allerhöchsten Wunsch s.M.d. Königs“ wurde Cäsar von Hofacker zur Ersatz-Eskadron des Ulanen-Regiments 20 versetzt und schließlich im Juni 1918 zur Deutschen Militär-Mission in die Türkei abkommandiert. Die Stauffenberg-Brüder wuchsen im Zentrum von Staatsmacht und Militär heran, aber auch dörfliches Leben, Kunst und Kultur spielte eine große Rolle.

 

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Claus Schenk Graf von Stauffenberg um 1924.

 

Als die Zwillinge Alexander und Berthold kräftig genug waren, den Lautlinger Bäuerinnen bei der Ernte zu helfen, ging es kurz nach 6 Uhr hinaus zum Mähen. Claus zog das Vieh aus dem Stall und spannte an. Im frischen Heu bauten die Stauffenberg-Kinder gemeinsam „Fuchsbauten, 5-10 m lange unterirdische Gänge mit 3 Ausgängen“, jäteten Unkraut aus Wegen und Beeten und säten ein. In dieser Zeit kam der fünfmal im Ersten Weltkrieg verwundete „Kriegsheld“, Herr von Plüskow mit seinen Eltern aus Ludwigsburg zum Tee auf das Stauffenberg-Schloss in Lautlingen.

 

Eine willkommene Ferienabwechslung für die Stauffenberg-Brüder. Plüskow war sehr stark am Fuß verwundet und trug eine Schiene. Man musste ihn vom Wagen aus zu dritt in den Garten tragen. „Der schneidige Kerl wollte aber trotz seiner fünf Verwundungen wieder an die Front“. Auch den Vater von Plüskow galt es für die Kinder zu bestaunen: Mit 2 Meter und 8 cm Größe war er der längste Soldat in der damaligen Armee. Der Kaiser nahm ihn daher immer als Flügeladjutanten auf Auslandsreisen mit.

 

Aber auch die andere Seite des Krieges abseits von Glanz und Gloria bekamen die jungen Stauffenberg-Kinder immer wieder mit. Ihre Tante Ulla, Oberin des Deutschen Roten Kreuzes, kam aus Moskau ins Lautlinger Schloss, noch unter dem Eindruck der Ermordung des deutschen Gesandten Graf von Mirsbach-Harff während des Bürgerkriegs in Russland. Tante Ulla hatte per Bahn und Schlitten als Schwester Kriegsgefangenenlager bereist, unter anderem in St. Petersburg und Ostsibirien.

 

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Tante Ulla (Bildmitte, in Rot-Kreuz-Tracht)

 

Die Zustände in den Lagern waren erschütternd, wie sie ausführlich berichtete. Noch konnte sich niemand ahnen, dass einmal das Vermächtnis des 1. Weltkriegs 20 Jahre später Europa noch schwerer ins Unglück stürzen würde. Schon im November 1914 hatte der Chef des Großen Generalstabes, General Erich von Falkenhayen, dem damaligen Reichskanzler von Bethmann Hollweg gesagt, der Krieg könne nicht mehr gewonnen werden. Seitdem hatten dennoch deutsche und verbündete Heere Jahr für Jahr in verlustreichen Offensiven und unmenschlichen Giftgas- und Stellungskriegen die Entscheidung gesucht.

 

Der am 3. März 1918 mit dem revolutionären Russland geschlossene Friede von Brest-Litowsk brachte auch nicht die von Falkenhayns Nachfolger General Ludendorff erwartete Entlastung. Die 1917 in den Krieg eingetretenen Amerikaner glichen die Verluste der Franzosen und Engländer aus. Am 13. August erklärte General Ludendorff dem neuen Reichskanzler Herrling, dass es nicht mehr möglich sei, „den Feind durch Angriff friedenswillig zu machen“. Die Beendigung des Krieges musste auf diplomatischem Weg herbeigeführt werden.