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Table of Contents

Titelseite

EINLEITUNG

BÜCHER von VIRNA DEPAUL

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Epilog

GELBE KARTE FÜR DIE LIEBE

BÜCHER von VIRNA DEPAUL

ÜBER DIE AUTORIN

Copyright

 

 

 

DR. MED. BAD BOY

(Ärzte zum Verlieben 1)

 

 

 

von

Virna DePaul

 

EINLEITUNG

 

 

Es hatte nicht mehr sein sollen als eine schnelle Dating-App Nummer. Doch HeartBreaker531 ist kein anonymer Medizinstudent – er ist mein neuer Assistenzarzt.

 

Als einer der führenden Herzchirurgen in den USA kennt Dr. Lauren Decker keine Angst im OP, doch ihr Privatleben ist eine andere Geschichte. Nachdem ihr Ex-Mann sie mit einer Krankenschwester betrogen hat, die halb so alt war wie er selbst, hat Lauren allen Männern – und ganz besonders Ärzten – abgeschworen. Nie wieder. 

 

Doch eines Tages taucht der unverschämt sexy und großspurige Ryan Castle auf. Er bewirbt sich um die Position eines Assistenzarztes und stellt Laurens Entschlossenheit, ihr Herz zu beschützen auf die Probe. Er ist umwerfend, zehn Jahre jünger als sie, ein Besserwisser in Bestform – und bald kämpft Lauren gegen Fantasien über nächtliche Rendezvous in der Kardiologie an.

 

Wie Lauren hat sich auch Ryan in der Liebe die Finger verbrannt, doch was als unwiderstehliche Herausforderung beginnt, Lauren ins Bett zu bekommen, wird bald zu mehr. Sie wehrt sich gegen ihre Gefühle, indem sie ihm die kalte Schulter zeigt, doch eines wird schnell klar: 

 

Es wird heiß in der Notaufnahme.

 

 

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BÜCHER von VIRNA DEPAUL

 

 

ÄRZTE ZUM VERLIEBEN

 

LIEBE AM SPIELFELDRAND SERIE

 

KISS TALENTAGENTUR SERIE

 

DIE SERIE ,MIT DEN JUNGGESELLEN IM BETT‘ UMFASST

 

DIE SERIE, ROCK’N’ROLL CANDY

 

DIE SERIE, HEIMKEHR NACH GREEN VALLEY

 

DIE SERIE, HART WIE STAHL

 

VERRÜCKT NACH DEM VERKEHRTEN KERL

Kapitel Eins

 

 

Lauren

 

Es hatte so einfach sein sollen: ich nehme mir einen wohlverdienten Urlaub von meinem stressigen Job als Kardiologin, checke in meinem Hotel im Paradies ein, trinke mein Gewicht in Mai Tais und gehe mit jemandem ins Bett, der mir nicht nur multiple Orgasmen beschert, sondern mich auch meinen untreuen Ex vergessen lässt, eben den Grund, weswegen ich seit über einem Jahr überhaupt keine Orgasmen hatte – zumindest nicht von der Sorte mit Partner. Ich habe meinen Urlaub mit Schlafen verbracht, Schwimmen und halbherzigem Flirten mit Männern am Pool, doch am Ende habe ich mit nicht einem von denen schlafen können.

Ich hab’s versucht.

Ich war ganz nah dran.

Ich habe mir selbst gesagt, dass ich nichts anderes brauchte, um diese merkwürdige Rastlosigkeit los zu werden, die sich in letzter Zeit immer häufiger zu Wort meldete, die, bei der ich schon befürchtete, ich verlöre langsam meinen Verstand.

Doch sobald ich einen Typen küsste und seine Berührung genoss, war das nächste, an das ich dachte, Samuels Betrug, und mein Kopf und mein Körper machten dicht. Dann musste ich so schnell wie möglich wegkommen.

Der Urlaub war ein Reinfall.

Und jetzt war ich zurück zu Hause und sollte in zwei Tagen wieder zur Arbeit, dabei fühlte ich mich wie ein erbärmlicher, notgeiler Loser. Ein Loser, der nicht einmal ein Jahr, nachdem Samuel mich betrogen hatte, einen Rachefick hinbekam. Natürlich bedeutete das nicht, dass ich es nicht morgen wieder probieren konnte, oder nächste Woche oder nächsten Monat, doch allein bei dem Gedanken daran, in eine Bar zu gehen, einen Club oder, verdammt, selbst in ein Studio, um es in nächster Zeit wieder zu probieren, hätte ich heulen können.

Und genau deshalb starrte ich gerade auf die App, die meine Freundin Bonnie auf meinem Handy installiert hatte, nachdem sie mich am Flughafen abgeholt und ich ihr gestanden hatte, dass ich mit niemandem in der Dominikanischen Republik den horizontalen Mambo getanzt hatte. Online Dating hatte ich noch nie gemacht. Samuel habe ich kennengelernt, während wir beide an der medizinischen Hochschule waren, und als wir unseren Abschluss machten, waren wir verlobt. Zu schade, dass zehn Jahre Ehe ihn nicht davon abgehalten hatten, mich zu betrügen.

Ich war eine verdammte Ärztin. Eine verdammte Ärztin, die beinahe vierzig Jahre alt war. Ich hatte die App löschen wollen, doch jetzt...

Ich starrte auf das rosafarbene Herzlogo der App.

Was machte es schon, dass ich im Urlaub nicht zum Schuss gekommen war? Ich war eine moderne, starke, unabhängige Frau. Ich hatte eine tolle Karriere, von der die meisten Leute nur träumen können, und ich war schon etwas durchgedreht, war nicht ganz ich selbst, aber was, wenn Bonnie recht hatte? Was, wenn ich nur eine Nacht brauchte – eine Nacht mit heißem, den Verstand rauspustenden, Fick-mein-Hirn-raus-Sex mit einem beliebigen Fremden – um wieder auf die Spur zu kommen?

Mit einem aufmunternden Atemzug ordnete ich die Kissen meines Bettes, schnappte mir mein Glas Pinot Grigio, nahm einen großen Schluck und öffnete die App.

Ein paar Minuten später hatte ich mein Profil und meine Vorlieben eingegeben. Der Name meiner Wahl? Lana, weil es wie Lauren mit einem L begann, und, mal ehrlich, es klingt einfach zehnmal erotischer. Ich nahm ein Foto, das Bonnie von mir in Shorts und Tanktop aufgenommen hatte, auf dem ich eine Baseballkappe trage, sodass nur die untere Hälfte meines Gesichts sichtbar war. Das Foto verlieh mir eine flirtwillige, mysteriöse Aura. Ich gab ein, wonach ich suchte: männlich, 25-45 Jahre alt, Entfernung: fünfzehn Meilen.

Was sollte ich hier lange um den heißen Brei herumreden? Ich hatte zwar nie daran gedacht, mit einem Kerl zu schlafen, der jünger war als ich, aber in diesem Fall – je mehr Energie desto besser. Wenn ich schon eine Nacht mal die Kontrolle aufgeben wollte, dann konnte ich schon ruhig das Maximum aus ihr herausholen.

Fotos passender Kandidaten wurden auf mein Handy gefiltert. Manche Typen sahen ganz passabel aus, andere waren so Muskelprotze, die Badezimmerfotos von ihren Brustmuskeln gemacht hatten. Weiter. Die Profile anderer Typen schrien verbittert – „Ich will eine Frau, die ehrlich ist und nicht auf Drama steht.”

Ich klickte einige der passablen Kerle an, meine anfängliche Nervosität wich schnell der Erschöpfung. Dann Langeweile. Dann stellte ich traurig fest, dass meine Auswahl sehr begrenzt war. Wo waren denn all die heißen Typen, wenn ein Mädchen mit einem schlafen wollte?

Eine Nachricht ploppte auf, was mich so sehr überraschte, dass ich beinahe mein Handy fallen ließ. Ich öffnete die Nachricht und las: Hey! Sonst nichts. Ich verdrehte die Augen, löschte die Nachricht und wischte weiter, goss mir von Zeit zu Zeit Wein nach (ich hatte die Flasche mit ans Bett gebracht).

Ein paar weitere Nachrichten.

Hey du, bist heiß.

Igitt, ich weiß, es geht nur um Sex, aber er sollte schon wissen, wie man heiß schreibt.

Wollen wir was trinken gehen?

Magst du Erdnussbutter? Ich würde gerne Erdnussbutter mit dir vernaschen. ☺

Okay, das reicht.

Doch gerade, als ich mein Handy ausschalten wollte, ploppte sein Gesicht auf.

Wie etwas aus einer Mischung aus heißem Liebesroman und griechischen Göttersagen, allein sein Foto ließ meinen Puls rasen. Er trug kein Hemd, doch man konnte nur den oberen Bereich seiner Brustmuskeln sehen – nasse Brustmuskeln, von denen das Wasser tropfte – während er aus kristallklarem Wasser stieg, ähnlich dem im tropischen Paradies mit seiner Sonne, dem Sand und den Wellen, das ich gerade verlassen hatte. Das hier war kein Muskelprotz, der Fotos von sich selbst machte, in einem winzigen, deprimierend schummrig beleuchteten Bad. Dieser Typ hier hatte das Zeug zum Model. Tatsächlich sah er zu perfekt aus, dass ich mich schon fragte, ob er ein falsches Bild benutzt hatte. Und sein Bild wurde noch besser, als ich mich hocharbeitete, von dieser himmlischen, muskulösen Brust, die mit einem leichten Flaum bedeckt war und in einen wunderbaren Hals überging.

Doch als ich zu seinem Gesicht kam, war die Sache geritzt.

Ich seufzte vor Bewunderung. Sein Kinn war klassisch und kantig, die perfekte Form und Größe zu seinen wie gemeißelten Wangenknochen. Seine Haut war gerade so dunkel, dass man sich fragte, ob das Sonnenbräune war oder seine natürliche Hautfarbe. Er hatte zerzaustes braunes Haar, das seidenglatt wirkte. Doch der eigentliche Fokus waren seine stechend grünen Augen, vielleicht täuschte es auch nur durch das besondere Licht und das Wasser. Wie er so direkt in die Kamera blickte, wünschte ich mir fast, ich wäre Fotografin, Rettungsschwimmer, ach, verdammt, ein Einsiedlerkrebs, egal. Ich würde mich über den Sand schieben, nur um ihm einmal in den großen Zeh zu zwicken. Alles, nur um einmal Objekt dieses intensiven Blickes zu sein.

Ich musste laut auflachen. Musste ich verzweifelt sein! Ein Foto eines Zwanzig-irgendwas-Jährigen, und ich sabberte ihm hinterher wie ein Hund nach einem Knochen. Ich musste wirklich unbedingt flachgelegt werden, sonst würde ich möglicherweise noch den nächsten Typen überfallen, der mir über den Weg lief, selbst wenn das der Erdnussbutterkerl aus der letzten Nachricht war.

Nutzername: Herzensbrecher 531

Über mich: Ich heile Herzen lieber, als dass ich sie breche, deswegen bin ich an der medizinischen Hochschule (Du kannst mich Doktor nennen). Ich mag Surfen, thailändisches Essen und Hunde. Eigentlich mache ich nichts anderes als zur Uni gehen und schlafen, aber wenn du etwas Schnelles, Ungezwungenes suchst, dann melde dich.

Sowohl vage, als auch ganz konkret, er nannte die Parameter, nach denen er suchte, ohne als das totale Arschloch rüberzukommen. Mir gefiel seine Ehrlichkeit, warum er diese App benutzte, und die Tatsache, dass er zur medizinischen Hochschule ging und sich dafür interessierte, „Herzen zu heilen” (oder zumindest so kreativ und mutig war, das zu behaupten), brachten ihm bei mir noch ein paar Extrapunkte ein.

Ich wischte sofort nach rechts und wartete. Und wartete. Ich stand auf, um zu pinkeln, kam zurück und wartete, um zu sehen, ob auch er nach rechts wischte. Zu meiner Enttäuschung tat er das nicht, und das änderte sich auch in der nächsten halben Stunde nicht. Mann, ich bin echt armselig, dachte ich. Ich wollte schon für die Nacht ausschalten, als ich eine Nachricht erhielt: Herzensbrecher 531 hat dich geliked.

Armselig oder nicht, mein Puls wurde wieder schneller. Ich ging zu meinen Nachrichten.

Mit zum Zerreißen gespannten Nerven entschied ich mich, flirtfreudig zu wirken, aber knapp angebunden. Ich war gerade erst am Meer. Schade, dass ich dich da nicht getroffen habe. Wäre mal eine nette Abwechslung gewesen.

Ich wartete voller Vorfreude, starrte beinahe eine Minute auf den Bildschirm, bevor ich über mich selbst lachte. Als würde er so schnell antworten! Ich verdrehte die Augen und warf mein Handy beiseite. Ich musste jetzt schlafen. Morgen war auch noch ein Tag, und ein klarer Kopf war sicherlich nicht verkehrt, wenn man sich ins One-Night-Stand-Gebiet vorwagte.

Als ich gerade meine Augen schloss, pingte mein Handy mit einer weiteren Nachricht. Ich zog mein Handy zu mir, entsperrte es und fand eine Nachricht von Herzensbrecher 531 selbst.

Hallo, Hübsche. Ich hätte dich auch gern am Strand gesehen. Abwechslung?

Ich zögerte. Sagte mir, dass es jetzt zu spät war, zu flirten, zu viel. Das war eine schlechte Idee gewesen. Ich hatte ja keine Ahnung, wer er war. Er konnte irgend so ein Hirni sein, der bei seiner Mutter im Keller hauste, die Finger von Chips ganz fettig.

Doch irgendwie konnte ich nicht widerstehen, denn was, wenn er echt war? Was, wenn dieser Wahnsinnstyp wirklich an mir interessiert war und meinem Zweck dienlich? Meinem schlichten, oberflächlichen, eigennützigen Zweck, aber dennoch einem Zweck?

Ich nutzte die Chance, und meine Finger bewegten sich, während ich mich in meine viel zu fluffigen Kissen zurücklehnte.

Selber hallo

OH GOTT!, was hatte ich getan?!

Selber hallo? Was Besseres fiel mir nicht ein?

Was war ich? Sechzehn? Ich war eine erwachsene Frau um Himmels willen. Nicht so ein verdrehter Teenager, der mit seinem ersten Schwarm sprach.

„Ganz ruhig, Lauren, ganz ruhig”, murmelte ich mir selbst zu. Ich beeilte mich, noch eine Zeile hinzuzufügen, bevor mein geheimnisvoller Mann das Weite suchte.

Ganz genau, Abwechslung, schrieb ich. Dich kennenzulernen hätte meine Reise abwechslungsreicher gemacht. Und ich hätte ganz sicher nicht allein geschlafen.

Heilige Scheiße, hatte ich das wirklich gesagt? Ich war ja schon heftig am Flirten mit Herzensbrecher 531. Meine Finger kribbelten vor Aufregung. Wie würde er antworten?

Genau genommen hättest du gar nicht geschlafen. ☺

Mein Herz raste. Ich lächelte. Ist nicht so, als hätte ich nie zuvor geflirtet, aber es war schon lange her. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß das machte. Ich musste weiter machen.

Ich würde mich ja dafür entschuldigen, dass ich Dich um diese Uhrzeit aufhalte, aber die Bilder in meinem Kopf von Dir dabei sind einfach zu gut. Ich bin gnadenlos.

Ich wurde langsam besser. Sexy Wortspiele waren ein guter Zug, und ich hatte es sogar hinbekommen, Wörter mit mehreren Silben zu formulieren.

Das Handy summte zurückhaltend, um mich auf seine Antwort hinzuweisen.

Wenn ich AUF bin, was bist dann Du? ;)

Bereit. ;)

Einen Moment lang bekam ich keine Antwort. Hatte ich ihn mit meiner Direktheit vergrault? Übertrieb ich es mit der selbstbewussten Frau-Nummer? Doch dann kam seine Antwort:

Das gefällt mir. Was trägst Du gerade, Lana?

Einen Augenblick fragte ich mich, wer zum Teufel Lana war. Dann fiel mir ein, dass es mein Chatname war! Offensichtlich waren die Dinge irgendwie eskaliert, und wir waren kurz vor Chatsex.

Jetzt oder nie. Wollte ich ein bedeutungsloses Stelldichein oder nicht?

Ich kippte noch einen Schluck Wein hinunter und sah auf meine erikagraue Pyjamahose und das eingetragene, marineblaue T-Shirt, in dem ich mit am liebsten schlief. Nicht gerade der Gipfel der Erotik.

Plötzlich wusste ich, dass, egal wie gut er aussah und wie sexy er war, egal wie wagemutig ich gerade tat, ich würde ihn niemals irgendwo treffen. Weiter als Chatsex würde ich nicht gehen.

Genau genommen wäre das perfekt. Harmlos. Keine Verpflichtungen, kein Foul. Alles in Ordnung, Lauren, du nervöses kleines Luder.

Ich legte das Handy aufs Bett, schlüpfte schnell aus der Pyjamahose und entledigte mich genau so schnell meines Oberteils, sodass ich beinahe nackt da saß und über eine Dating-App Nachrichten mit einem Fremden austauschte. Ich musste beinahe über die Absurdität lachen.

Ich nahm mein Handy wieder in die Hand, tippte meine Nachricht hinein und drückte mit Spannung auf Senden.

Warum sollte ich Dir das erzählen?, neckte ich ihn.

Dieses Mal kam seine Antwort schneller.

Ich verspreche, es wird sich für Dich lohnen.

Ich hob die Brauen. Arrogant, das war klar, aber das machte ihn nur noch attraktiver.

Ich trage ein schwarzes Höschen …sonst nichts.

Hübsch. Aus welchem Stoff?

Seide mit Spitze am Rand und am Hintern.

Fass dich an, Lana.

Ich zögerte. Er hatte wieder meinen Chatnamen verwendet, und plötzlich wurde mir bewusst, was ich hier gerade tat. Machte ich das wirklich? Herzensbrecher 531 konnte irgendein verrückter Freak sein. Oder ein Stalker, oder verheiratet oder…

„Hör schon auf, Lauren. Werde erwachsen und sei mal etwas locker”, sagte ich mir.

Ich würde diesen Typen ja ohnehin nie persönlich kennenlernen. Wahrscheinlich benutzte er ein falsches Bild, also was soll’s? Es ging doch eh nur um Spaß und Fantasie. Das war kein Weltuntergang. Wahrscheinlich hielt er auch mein Foto für unecht. Wenn ich so drüber nachdachte, hätte ich wahrscheinlich besser das Bikinibild irgendeines Supermodels genommen mit weniger Hüfte und längeren Beinen.

Scheiß drauf.

Was hatte ich schon zu verlieren? Ich habe ein Scheißjahr hinter mir, und bald wäre ich schon wieder mein professionelles, schwerarbeitendes, lebensrettendes Ich. Das besiegelte es – ich war dabei.

Ich hielt mein Handy mit einer Hand, während ich mit der anderen langsam über meinen Torso streichelte, über meinen Bauch und das schmale Bündchen meines tief sitzenden Höschens. Schon gut, dass ich viel Übung darin hatte, mit einer Hand zu schreiben, während ich mit der anderen Patientenakten durchblätterte.

Berührst Du Dich jetzt?, fragte er.

Ja.

Erzähl mir, wie es sich anfühlt.

Ich stellte mir vor, seine Stimme wäre ein wenig rau, wahrscheinlich ein Bariton, ja, definitiv ein Bariton, und die Frage wäre wie Whiskey von seiner Zunge gerollt, anfangs glatt an meinem Ohr, doch mit einem anschließenden Schauer, wenn sie seine Wirkung zeigte.

Weich, glatt, warm … feucht.

Hey, mutig. Innerlich klopfte ich mir auf die Schulter dafür.

Fass dich an, wie ich dich anfassen würde.

Guter Gott. Das schickte einen Stromstoß durch mich hindurch. Die Hemmungen schmolzen in der relativen Sicherheit meiner wahrgenommenen Anonymität dahin, und ich ließ meine Hand tiefer sinken, erzeugte nur den geringst möglichen Druck. Der Stoff war feucht, die Haut darunter wurde von Sekunde zu Sekunde feuchter.

Kannst du durch dein Höschen schon spüren, wie heiß du auf mich bist?, schrieb er.

Meine Berührung fühlte sich elektrisch an, und langsam, entspannt fuhr ich mit meiner Hand auf und ab über den Stoff, sodass er prickelnd eng anlag. Das fühlte sich bei weitem besser an als Masturbieren.

Ich schloss meine Augen, während ich meine Hand entspannt weiter wandern ließ, hin und her, vor und zurück. War er davon genauso angetörnt wie ich? Streichelte er sich durch seine Jeans? Er trug definitiv Jeans und sonst nichts, hatte ich entschieden. Eine aufgeknöpfte Jeans, die etwas hinuntergeschoben war, um sein hartes, dickes Ding zu präsentieren.

Ermutigt tippte ich mit meiner freien Hand eine weitere Frage. Berührst du dich gerade selbst?

Ich stellte mir vor, wie er sich auf die Lippe biss. In meinem Kopf biss er sich definitiv auf die Lippe.

Hatte ich nicht vor, aber jetzt tue ich es.

Mein geheimnisvoller Adonis hatte Humor. Mein Inneres verkrampfte sich ein wenig mehr.

Wie fühlt es sich an?

Hart, sehr hart. Und heiß. Es fühlt sich gut an, aber nicht so gut, wie wenn du mich streicheln würdest.

Oh Mann. Ich steckte schon wirklich tief in dieser Sache. Ich stellte mir vor, wie er allein in einem Hotelzimmer saß, sein göttlicher Körper voller Muskeln, und seinen steinharten Schwanz streichelte, während er an mich in meinem schwarzen Seidenhöschen dachte. Bei der Vorstellung wäre ich beinahe schon gekommen.

Schieb deine Hand in dein Höschen, Lana. Reibe dich für mich.

Fordernd. Damit könnte ich leben.

Ich setzte mich etwas anders hin, um einen besseren Winkel zu haben und schob meine Hand unter mein Bündchen, fuhr mit meinen Fingern langsam über meinen Hügel, hielt dann kurz am Spalt inne, in der Nähe meiner Klitoris und arbeitete mich dann hinunter. Ich schwebte über meiner Öffnung.

Noch eine Nachricht von ihm: Tu es!

Es war, als wäre er im Raum und beobachtete mich. Der Gedanke daran, dass dieses sexy Tier von einem Mann mich dabei beobachtete, wie ich mich auf seinen Befehl hin selbst berührte, ließ ein hörbares Stöhnen über meine Lippen kommen. Ich tauchte meine Finger nur ganz wenig ein und merkte, wie feucht ich von diesem kleinen verbalen Hin und Her schon war. Ich hätte alles verwettet, dass sein Stöhnen so sexy war, wie ich es mir vorstellte. Mit geschlossenen Augen, tief und kehlig.

Sag mir, wie sehr du dir wünschst, ich wäre jetzt bei dir.

Das tue ich. Ich wünschte, du könntest das jetzt fühlen, tippte ich.

Ich könnte dich die ganze Nacht über necken, Lana. Das Gefühl, wie mein Daumen über die Kuppe meines Schwanzes reibt würde sich nicht so gut anfühlen, wie ihn gegen deine Klitoris zu reiben.

Er würde mich noch umbringen, und das allein mit ein paar schmutzigen Worten. Ich schob meine Finger ein wenig weiter hinein und begann nun, mich heftiger zu befingern, fühlte, wie glitschig mich diese unwahrscheinliche Begegnung machte. Mit meiner anderen Hand schrieb ich ihm eine weitere neckende Nachricht.

Ich fühle deinen harten Schwanz in mir.

Gut so. Stell dir vor, wie ich in dir bin, dich ausfülle.

Wie er mich ausfüllt. JA. Unmöglich, sogar krank, aber ich kam immer näher. Dieses kitzelnde, krampfende Gefühl tief in meinem Unterleib verwandelte sich in ein rasendes Inferno. Streichelte er sich gleichzeitig mit mir? Wollte er, dass seine Finger in meiner Pussy waren, schloss er die Augen, um es sich vorzustellen?

Genau so, Hübsche, schieb die Finger rein und wieder raus, jetzt schneller, etwas fester. Diese schmalen Finger können dich nicht so ausfüllen, wie ich es täte. Ist nur eine Ahnung davon.

Jetzt glitten meine Finger schneller hinein und hinaus, glitschiger als je zuvor. Die Hitze umfasste mich immer enger, ich war bereit. Ich brauchte die Erlösung. Musste ihn tief in mir fühlen, wie er seine harte Brust an meinem weichen Busen rieb und mit jeder Bewegung dieser Wahnsinnshüften tiefer in mich hineinstieß.

Oh, mein Gott!

Ja, tu es, Lana.

Jetzt sah ich seinen schönen Körper, diese stechenden Augen, das widerspenstige Haar, das ihm ein wenig ins Gesicht fiel. Es war zu viel und reichte doch nicht.

Mein Innerstes verkrampfte sich, als ich mit meinen Fingern über die empfindlichste Stelle rieb und mich in einen explosiven, atemraubenden Orgasmus streichelte. Mein Rücken bog sich, als jeder Muskel sich zugleich verkrampfte und diese warmen, elektrischen Gefühle durch mich strömen ließ. In einem Zustand unerklärlichen Glücks sackte ich auf dem Bett zusammen, entspannte meine Sinne und meinen Körper, während ich versuchte, zu Atem zu kommen. Die Ausläufer meines Orgasmus’ pulsierten noch in meinem Körper, als ich mein Handy neben mir pingen hörte, wo ich es mitten in der Ekstase hatte fallen lassen. Ich nahm es auf, meine Augen fielen mir schon fast zu, so entspannt war ich plötzlich.

Ich möchte dich sehen.

Mein benebeltes, postorgasmisch seliges Hirn arbeitete gleich wieder auf Hochtouren. Ein paar sexy Nachrichten mit einem Fremden war eine Sache, aber ein Treffen nach dem? Jemanden persönlich treffen, nach dem, was er … ich … getan hatte? Was hatte ich mir dabei gedacht? Nein, niemals. Einfach nein.

Ich hatte eine Karriere, einen Ruf. Was, wenn es jemand herausfand? Was wenn er wirklich so ein Freak im Keller seiner Mutter war? Was, wenn er genauso umwerfend aussah wie sein Avatar und ein passendes Ego hatte?

Wieder pingte mein Handy.

Wie wär’s mit morgen Abend?

Ich zögerte, wieder schwebten meine Finger. Das hier war nicht mein Spiel. Ich war älter, vernünftiger, ein großes Mädchen mit den Verantwortlichkeiten eines großen Mädchens, nicht irgendeine Zwanzigjährige, die sich einfach so für ein bisschen Spaß am Wochenende mit wildfremden Männern einlassen konnte. Ich hatte zu hart für das, was ich jetzt war, arbeiten müssen, war aus diesem Höllenschlund hervorgekrochen, hatte mir meinen Platz unter den Besten der Besten gesichert.

Mit einem entschiedenen Wischen ging ich zu den Einstellungen, und das verdammte Ding fragte mich auch noch, ob ich wirklich, wirklich sicher war, dass ich alle meine Informationen, Kontakte, Bilder und Gespräche usw. löschen wollte. Ja, ich war mir sicher! Ich löschte auf der Stelle, und das Icon der App verschwand, zusammen mit Herzensbrecher 531.

Einen Moment lang spürte ich Bedauern, doch wirklich nur einen Moment. Wie gewonnen, so zerronnen.

Ich legte mein Handy auf die Ladestation und legte mich zum zweiten Mal heute Abend ins Bett. Als mein Kopf das Kissen berührte und die giftige Mischung aus Alkohol und sexueller Erfüllung meine Augen zugehen ließ, tauchte ein letztes Mal das Bild des sexy Herzensbrechers, meines Adonis’ in meinen Gedanken auf. Als ich mich dem Schlaf ergab, waren meine letzten Gedanken ein wirres Zureden – nein, er war nicht der erste Mann seit über einem Jahr, bei dem ich gekommen war … Schließlich hab ich’s mir selbst gemacht, mit nur wenig Unterstützung. Ich brauchte ihn nicht. Wollte ihn nicht. Wir hatten unseren Spaß, aber jetzt begann wieder das wahre Leben.

Mach’s gut, Lana, Frau-die-es-offensichtlich-gebraucht-hatte-und-sich-deshalb-mit-’nem-heißen-Typen-einließ-und-wenn-es-über-eine-Dating-App-war.

Hallo, Dr. Lauren Decker, Frau-die-etwas-neben-sich-steht-und-jetzt-bereit-ist-sich-wieder-auf-ihre-Karriere-zu-konzentrieren-und-nie-wieder-zulässt-dass-ein-Mann-sie-verarscht.

 

 

Kapitel Zwei

 

 

Lauren

 

Auf der Intensivstation wurde es nie langweilig. Gleich als ich am Montagmorgen meine Schicht antrat, wusste ich, der Tag würde hektisch werden.

Eine der Schwestern der Intensivstation, Cassidy, sah erleichtert auf, als ich das Schwesternzimmer betrat. Sie wandte ihren krausen Kopf zu mir um. Obwohl sie noch jung war, hatte Cassidy schnell den Ruf einer besonders engagierten Mitarbeiterin im Graton’s Gift Hospital bekommen, einer, die, wenn nötig, auch mal ihre Meinung sagte.

„Mr. Hart ist der absolute Horror”, flüsterte sie mir über den letzten Patienten zu und sah kurz genervt aus. „Hat sich die ganze Nacht über alles beschwert. Ich konnte ihm nichts recht machen.”

„Er hat halt Schmerzen”, erklärte ich überflüssigerweise, denn Cassidy war mittlerweile ein alter Hase. Sie wusste, warum Patienten oft schnippisch oder richtig gemein waren. Wahrscheinlich hatte ich das mehr zu mir gesagt, als zu ihr, als Erinnerung, warum wir das hier alles taten. „Du bist ein leichtes Ziel. Aber wenn er wirklich zum Problem wird, lass es mich wissen.”

„Wenn er mich noch einmal an sein Bett ruft, damit ich ihm sein Kissen ausschüttle, kannst du ihn haben”, sagte sie mit einem verschlagenen Lächeln. „Ich habe nur seine Werte überprüft. Es geht ihm langsam gut genug, dass wir ihn in den dritten Stock verlegen können.”

„Ich sehe ihn mir an, dann werde ich das veranlassen”, sagte ich.

„Gut.” Cassidy kritzelte etwas in eine Patientenakte. Plötzlich sah sie auf. „Marcus sucht dich übrigens. Er war vor zehn Minuten hier, um zu sehen, ob du zurück bist.”

Marcus Pierre war der Chefarzt, allerdings nicht mehr lange. Er wollte an seinem fünfzigsten Geburtstag in Ruhestand gehen und mit seiner Frau um die Welt reisen. Die Bewerbungsgespräche sollten bald stattfinden.

Glücklicher Bastard, dachte ich, doch dann runzelte ich gleich die Stirn.

Nein, das stimmte nicht. Marcus war nicht glücklich. Er war ein Narr, das war er. Warf einfach den renommierten Posten eines Chefarztes in einer der besten Lehrkrankenhäuser von Denver weg … um was zu tun? Auf den Eiffelturm zu steigen? Sich an einem Strand in Hawaii zu sonnen? Die Polarlichter zu sehen?

Sich auf neue Dinge einlassen, neue Leute, neue Erfahrungen, bei denen es mal nicht um Leben oder Tod ging, um OP-Säle?

Genau genommen hörte sich das gar nicht schlecht an. Schließlich, auch wenn ich mich selbst für ehrgeizig hielt, ich hätte Marcus’ Job nicht haben wollen. Und ich hatte meine Woche in der Dominikanischen Republik auf jeden Fall genossen, auch wenn ich es nicht geschafft hatte, mit jemandem etwas anzufangen. Manchmal, wenn ich von der tropischen Brise und dem Abschalten eingelullt war, hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, nicht an das Graton’s Gift Hospital zurückzukehren und meinen erfüllenden aber fordernden Job zu machen. Stattdessen stellte ich mir vor, wie es wäre, eine viel längere Pause zu machen, eine Zeit lang etwas anderes in meinem Leben kennenzulernen. Zur Abwechslung mich mal um meine Bedürfnisse kümmern, anstatt um die meiner Patienten.

Ich schnaubte. Na ja, bei meiner Rückkehr hatte ich mich schon um meine Bedürfnisse gekümmert, und wenn es nur für eine Nacht gewesen war. Junge, ich hatte mich ziemlich heftig um meine eigenen Bedürfnisse gekümmert. Und natürlich ließ mich das an ihn denken und seinen schmutzigen Sextalk, der mich so heftig hatte kommen lassen. Wie oft in den letzten beiden Tagen war ich versucht gewesen, ihn bei dieser verdammten App ausfindig zu machen und um eine Wiederholung zu bitten.

Aber nein, auf keinen Fall, Herzensbrecher 531.

Nicht hier. Nicht jetzt. Niemals.

Du warst ein Ausrutscher. Eine Anomalie. Dich zu kontaktieren wäre dumm – wie auch diese vorübergehende Rastlosigkeit zu fühlen und die Idee, mal jemand anders als Dr. Lauren Decker sein zu wollen, dumm gewesen waren.

Ich liebte meinen Job, und ich war verdammt gut darin. Mehr brauchte ich nicht. Und ganz sicher keinen Mann.

Selbst einen, der so heiß war wie Herzensbrecher 531.

Ich räusperte mich. „Hat Marcus gesagt, warum er mich sucht?”

„Nein.” Cassidy zuckte die Schultern. „Tut mir leid.”

Als mein Boss wollte ich Marcus ganz sicher nicht ignorieren. Aber ich hatte auch Patienten, um die ich mich kümmern musste, er würde es sicher verstehen, wenn ich erst später zu ihm ging.

Ich zog meinen weißen Kittel über und ging in Fred Hart’s Zimmer. Obwohl er in den Sechzigern war, sah Mr. Hart zwanzig Jahre älter aus. Er war Kettenraucher und hatte bereits drei Herzinfarkte hinter sich und litt unter Emphysemen und anderen Beschwerden. Das, worüber er sich jedoch am meisten beklagte, war, dass er seinen geliebten Bacon-Cheeseburger nicht mehr regelmäßig essen durfte.

„Da sind Sie ja”, knurrte Fred, als ich in sein Zimmer kam. „Diese verdammten Schwestern haben keine Ahnung von dem, was sie tun. Wo haben Sie diese Mädchen aufgetrieben? Sie pieksen und zerren an einem Mann, bis der kein Blut mehr in seinem Körper hat.”

„Sprechen Sie nicht so über meine Schwestern”, sagte ich, mein Tonfall scheinbar gelassen, doch meine Miene ganz und gar nicht. „Sie machen nur ihre Arbeit.”

Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. „Ich wollte gestern Abend bloß eine Zigarette.”

„Sie hatten gestern Abend einen Herzinfarkt, Mr. Hart”, sagte ich, so ruhig wie möglich. „Wir werden Ihnen ganz sicher keine Zigarette erlauben. Ich kann Sie nicht davon abhalten, zu Hause zu rauchen, aber das Krankenhaus ist auf jeden Fall tabu. Empfehlen würde ich es Ihnen allerdings nirgends, wenn man bedenkt, dass Sie auf einen Sauerstofftank angewiesen sind, um überhaupt zu atmen.”

Er grunzte. „Ihr Frauen seid doch alle gleich, lasst einen Mann nicht einmal die einfachsten Freuden. Was ist das für ein Leben, frage ich Sie? Gar kein Leben. Das ist, zu ängstlich sein, um zu leben.”

Die meisten Patienten kamen in der schlimmsten Nacht ihres Lebens her, meist waren sie nur knapp dem Tod entkommen. Manche hörten auf das, was wir sagten. Andere, wie Mr. Hart, waren zu alt und zu weit, um sich zu sorgen.

„Ich habe keine Angst zu leben”, sagte ich ihm. „Ich habe bloß Angst, dass Sie nicht mehr lange leben werden.” Ich klemmte seine Akte vorne an das Bett. „Sie werden heute in die dritte Etage verlegt. In ein paar Tagen können Sie hoffentlich entlassen werden, solange Sie die Regeln befolgen.”

„Gut. Ich will nämlich raus hier.”

„Sie werden entlassen, sobald Sie geheilt sind”, sagte ich. „Treiben Sie die Schwestern auf der dritten Etage nicht in den Wahnsinn. Sie sind da, um Ihnen zu helfen.”

Ich überließ Mr. Hart seinem Grummeln. Ich schloss gerade die Tür und drehte mich um, da sah ich, dass Marcus im Flur auf mich wartete. Ich unterdrückte ein ungeduldiges Seufzen.

Ich mochte Marcus – er war fair und ließ mich meine Arbeit machen, ohne, dass er sich einmischte. Aber ich hatte heute einige Patienten, um die ich mich kümmern musste: Ich hatte keine Zeit für irgendwelchen Verwaltungskram. Manchmal fragte ich mich, ob wir eher zur medizinischen Fakultät gegangen waren, um mit den höchstkomplizierten Regeln und Regulierungen des Krankenhauses klar zu kommen, als um zu lernen, wie man die Leute am Herzen operiert.

„Ich habe nicht sehr viel Zeit”, sagte ich. Ich ging weiter, und er folgte mir. „Was ist los? Cassidy sagte mir, dass Sie mich suchen.”

„Wir haben alle viel zu tun, Decker. Ryan Castle kommt morgen an. Haben Sie das vergessen?” Er sah mich von der Seite an.

Wie hätte ich das vergessen können, so wie das Krankenhaus sich darauf vorbereitete, den roten Teppich für ihn auszurollen. Ryan Castle war ein Oberarzt am New York Metro. Er war außerdem der Sohn einer medizinischen Hoheit. Seine Eltern waren in der Topliga der Operateure gewesen, Neurologie und Anästhesie um genau zu sein, hatten Geld wie Dreck und wären sicherlich bereit, dem Graton’s eine stolze Summe Geldes zu spenden, wenn es einen guten Grund gäbe.

Ihrem Sohn war ich noch nicht begegnet, doch ich wusste, dass er Helen Lewis ersetzen sollte, eine der beiden Oberärzte des Graton’s, die geheiratet hatte und nach Australien gezogen war. Sobald er Wind davon bekommen hatte, dass Castle nach Denver zurückziehen wollte, hatte Jacob Randall, der Verwalter des Graton’s Hospitals, lange um Castle gebuhlt, und offensichtlich hatte er Fortschritte gemacht, denn Castle hatte angedeutet, dass er geneigt wäre, das Angebot des Graton’s anzunehmen. Sein Besuch diesen Monat war die letzte Hürde, die überwunden werden musste. Ryan hatte darum gebeten, einen Monat lang einem Chirurgen über die Schulter schauen zu dürfen, um sicher zu gehen, dass er und das Hospital wirklich gut zusammen passten, bevor er die Position offiziell annehmen wollte.

Mit anderen Worten, er würde entscheiden, ob die Kardiologie des Graton’s, die Mitarbeiter, die Regeln, die Räumlichkeiten usw. seinen Standards entspräche. Während er natürlich keine Wochenendschichten übernehmen müsste, versteht sich.

Verwöhntes Gör.

Für die meisten Ärzte wäre es ein Glückstreffer gewesen, überhaupt im Grafton’s Gift Hospital hospitieren zu dürfen. Wie kam es nur, dass Castle bereits wie ein Gott behandelt wurde, bevor er sich seinen ersten Gehaltsscheck verdient hatte?

Ärzte, ich selbst eingeschlossen, hatten ein großes Ego, doch meiner Erfahrung nach meinten männliche Ärzte ohne Ausnahme, ihr Penis verleihe ihnen mehr Wissen und Befähigung als ihre weiblichen Kollegen jemals besitzen könnten. Aber eine, mit der sie sich auf ein Fingerschnipsen hin das Hospitieren auf Oberarztebene verdienten?

Gott sei Dank würde er nicht mir zugeteilt werden.

Woraufhin ich mich fragte, weswegen Marcus das Thema dann überhaupt zur Sprache gebracht hatte.

„Ich habe nicht vergessen, dass Dr. Castle uns einen Monat lang besuchen wird, Marcus.” Es war mehr als ein Besuch. In Wahrheit würde er nur so tun als sei er ein Besucher, dabei aber Untersuchungen durchführen, Beobachtungen anstellen und sogar mitoperieren. Auch das bislang unerhört, aber so sehr wollte das Krankenhaus Castle eben, oder, genauer gesagt, so sehr wollte es den Einfluss seiner Familie und die damit verbundene Chance auf deren Geld. „Aber warum sprechen wir überhaupt über besagten Besuch?”, fragte ich und schob meine eiskalten Finger in die Kitteltaschen.

Marcus räusperte sich und kratzte sich an der Schläfe, was mich direkt meinen Blick verengen ließ.

„Na ja, wissen Sie, Lauren … Ich weiß, wir haben darüber gesprochen, dass er Darvin über die Schulter schauen soll, aber jetzt steht Darvins Frau ja nun mal kurz vor der Entbindung und ist ans Bett gefesselt, deswegen übernimmt er keine Schichten mehr und ist vielleicht eine ganze Weile gar nicht mehr einsatzfähig. Sie werden Castle für den Monat übernehmen müssen … und wenn er einverstanden ist und die Stelle annimmt, dann werden Sie auch dauerhaft im Team arbeiten.”

Eine Vorahnung machte sich in meinem Bauch breit. Ich hatte schon mit genug arroganten jungen Männern zu tun gehabt, um zu wissen, wie man mit denen umging, aber irgend etwas – ein Selbstschutzinstinkt – weigerte sich, mit dem hier zu tun zu bekommen. Ich öffnete bereits meinen Mund, um mich mit Marcus zu streiten. Was war mit Valle? Oder Lee oder Hanson? Doch als ich meinen Boss so ansah, wusste ich, ich würde ihn von seiner Meinung nicht abbringen, und wenn ich mich auf einen Streit einließe, würde ich nur einen schwächlichen Eindruck machen.

„Ich schätze, es ist bereits alles in die Wege geleitet?”, fragte ich.

„Allerdings.”

„Na, danke, dass Sie mir wenigstens vorher Bescheid gegeben haben.” Ich würde mich anpassen, aber Marcus sollte schon wissen, dass es mir ganz und gar nicht gefiel.

Marcus war so nett, zusammenzuzucken, jedoch kaum merklich. „Also gut. Tut mir leid, dass es so kurzfristig kommt, aber wir wollen, dass Castle diese Stelle annimmt. Er wird morgen früh um 8 hier eintreffen. Sorgen Sie dafür, dass er sich willkommen fühlt. Zeigen Sie ihm, warum es nichts Besseres gibt, als am Graton’s zu arbeiten. Verstanden, Decker?” Er bedachte mich mit einem knappen Lächeln und verließ die Intensivstation.

„Verstanden”, sagte ich, straffte meine Schultern dabei und hob das Kinn. Anscheinend war es also an mir, Dr. Castle davon zu überzeugen, dass das Graton’s gut genug für ihn war. Das lag nicht in meiner Absicht. Meinetwegen sollte er mir einen Monat lang über die Schulter schauen, aber ich würde ihn nicht umwerben. Der sollte schön mir beweisen, wie jeder andere Arzt vor ihm das auch hatte tun müssen, dass er hierher gehörte. „Keine Sorge, Lauren”, sagte ich mir selbst. „Du kannst damit umgehen. Du kannst mit ihm umgehen.”

Genau wie du mit Herzensbrecher 531 umgegangen bist.

Mach, was zu tun ist, und dann servier ihn ab.

Nichts leichter als das.

 

Kapitel Drei

 

 

Ryan

 

Sie war toll. Das bemerkte ich gleich, als sie mit mir den Aufzug betrat. Sie trug einen Schwesternkittel, war außer Atem und offensichtlich in Eile, denn sie huschte gerade noch herein, als die Türen sich bereits schlossen. Wir wollten beide gleichzeitig den Knopf drücken. Sie wurde rot, lächelte und stammelte: „Ähm, die Drei bitte.”

„Großartig”, sagte ich. „Ich muss auf die Vier.”

Ich drückte auf beide Knöpfe, trat dann zurück und betrachtete sie diskret. Goldblonde Haare, volle Lippe, große Titten – das fiel mir sogar unter ihrem blauen Kittel auf – und lange, wohlgeformte Beine. Mitte zwanzig vielleicht. Auch sie sah mich verstohlen an und wippte ein wenig auf ihren Sneakers.

„Besuchen Sie jemanden?”, fragte sie.

„Dr. Marcus Pierre”, antwortete ich. Es war mir nie schwer gefallen, mich mit Frauen zu unterhalten, und meine Stimme klang warm und selbstbewusst. „Den Chefarzt der Chirurgie. Ich hospitiere hier ab heute. Sozusagen. Ryan Castle.”

„Mein Name ist Amy Meadows.” Wieder lächelte sie. „Ich bin in der Neurologie.”

„Schön. Ich bin auf der Intensivstation der Kardiologie.”

„Sozusagen?”

„Für einen Monat. Vielleicht länger.”

Der Aufzug rumpelte langsam an der zweiten Etage vorbei. Wieder warf sie mir einen Blick zu, dieses Mal etwas direkter.

„Vielleicht sieht man sich ja mal in der Kantine. Obwohl, das, ähm, Essen ist grausam.”

Ich lachte. „Gut. Ich versuche, dem Essen aus dem Weg zu gehen. Aber nicht Ihnen.” Der Aufzug hielt im dritten Stock. Amy drehte sich zu mir um und neigte ihren Kopf Richtung der sich öffnenden Türen.

„Zu schade, dass Sie nicht hier aussteigen”, sagte sie.

Ich war gerade erst am Meer. Schade, dass ich dich da nicht getroffen habe. Wäre mal eine nette Abwechslung gewesen.

Ganz plötzlich konnte ich mich gar nicht mehr auf die hübsche Blondine vor mir konzentrieren, sondern mein Hirn und mein Körper schossen sich voll auf die hyperattraktive Frau ein, mit der ich bei einer Dating-App gesextet hatte. Sie tauchte wie ein Geist plötzlich vor mir auf.