Die Improvisations-Generation

Fantasie und Kreativität wurden damals großgeschrieben und obwohl nicht jedem Mädchen oder Buben diese Eigenschaften in die Wiege gelegt waren, spielte man mit seinen individuellen Möglichkeiten. Alle hatten die märchenhafte Gabe, ihre Vorstellungskraft auf genau das zu fokussieren, was sie sich wünschten.

Mit Tieren aus den beliebten Wundertüten wurde Zirkus gespielt und aus einem kleinen aufgespannten Regenschirm entstand das große Zirkuszelt. 

„1 - 2 - 3 - 4 - ab!“ und das Schiffchenwettrennen begann. Nussschalen wurden sorgfältig geteilt, mit verschieden Farben bemalt und dann ging es zur Bachbrücke. Das Nussschalen-Schiffchen, das als erstes die nächste Brücke erreichte, hatte gewonnen. Manchmal gab es ein „Stechen“, wenn zwei Schiffchen gleichzeitig durchs Ziel fuhren. 

Natürlich konnten auch Lausbuben improvisieren, denn die Vogelscheuche am Wegrand sollte schließlich nicht nur Vögel erschrecken, sondern auch Menschen. Also wurde ein langer Wasserschlauch unter dem Hut der Vogelscheuche versteckt, geschickt hinter dem Pfahl mittels Blumendraht verlegt, dann etwas eingegraben und hinter einem Strauch wieder ca. einen Meter lang nach oben geführt. Jetzt musste der Schlauch nur noch mit Wasser gefüllt werden und dann legte man sich hinter dem Strauch auf die Lauer. Man  musste nicht lange warten und schon kam jemand mittels Fahrrad an der Vogelscheuche vorbei. Ein kräftiger „Puster“ in das Schlauchende hinter dem Busch und schon spritzte Wasser unter dem Hut der Vogelscheuche hervor und traf die Person auf dem Fahrrad, die sich nicht selten erschrak und manchmal sogar vom Fahrrad fiel. Bitte nicht nachmachen!  

Agieren anstatt reagieren war angesagt. Heute ist es genau umgekehrt. Systemspielzeug und vor allem das visuelle, multimediale Spielen lassen da oftmals sehr wenige Spielräume.  

Mit einfachsten Mitteln aber mit viel Kreativität wurde früher gebaut, experimentiert und gespielt. Apropos experimentiert: Wenn die große Schwester die Technik perfekt beherrschte und die Milchkanne mit Inhalt so schnell im Kreise schleuderte bzw. drehte, ohne dass auch nur ein Tropfen Milch herauslief, schaute der kleine Bruder aufmerksam zu und würde es am liebsten auch einmal probieren.

Wir konnten damals noch richtig spielen! Diesen zugegeben etwas provozierenden Satz hört man immer wieder von der „Improvisations-Generation“. Wie recht die Mädels und Buben von damals hatten, zeigen wir nun vielfältig auf. Und dass die Bezeichnung „Improvisations-Generation“ ein absolutes Kompliment ist, versteht sich dann von selbst. 

1-MilchkanneE-Book

 2-Zigarrenkiste-PuppeE-Book

Opas leere Zigarrenkisten funktionierte die kreative Puppen-Mutti in ein Bettchen mit nebenstehendem Kleiderschrank um.


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Die „Improvisations-Generation“ brachte zum einen den kreativen Bastler hervor und zum anderen die experimentierfreudige Individualistin.


3-WippeE-Book

Eine stabile Tonne, mit zwei Backsteinen fixiert, ein Brett darüber – fertig war die Wippe.

Draußen spielen

Generell wurde viel mehr draußen gespielt als heute und dies zu jeder Jahreszeit. Völlig klar: Es gab weniger Verkehr und sonstige Gefahren, obwohl es auch damals schon Schutzengel gab. Noch heute überkommt mich ein Schaudern, wenn ich daran denke, was wir alles getrieben haben. Mehr möchte ich dazu nicht schreiben, um mögliche Nachahmer nicht zu motivieren.


Im Frühjahr spielte man besonders gerne mit Murmeln oder Klickern. In manchen Gegenden wurden die bunten Glas-Kugeln auch Schusser genannt.


Die Bezeichnung Klicker, wie man u. a. in der Pfalz sagt, leitet sich übrigens von dem klackenden Geräusch ab, das die aneinander stoßenden Kugeln erzeugen. Im Zeitalter asphaltierter Straßen – oder mit Platten bzw. Steinen versiegelten Gehwegen, Plätzen und Höfen, ist dieses Spiel so gut wie ausgestorben und dies nach rund 5000 Jahren.  

5-MurmelnE-Book

6-TonmurmelnE-Book

7-MurmelnE-Book

Schon im alten Ägypten gab es Ton- und Marmor-Kugeln wie Grabbeilagen beweisen. Somit gilt das Spiel mit Murmeln als eines der ältesten der Welt. Glasmurmeln mit ihren bunten Mustern, wie wir sie heute kennen, gibt es erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts.


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An Laetare! Es gibt viele Bräuche, den Winter zu vertreiben oder gar zu verbrennen. Meist kämpften der Strohmann (Winter) und der Efeumann (Frühling) mit Schwertern gegeneinander.

Wie in jedem Jahr siegte der Efeumann und danach wurde gesungen:„Winter ade“


10-PeitschenkreiselE-Book

11-HickelE-Book

Während das Spiel mit dem Peitschenkreisel, der mittels Peitsche zum Drehen gebracht wird, als typisches Buben-Spiel gilt, ist das Häuserhüpfen – auch Hickel, Himmel und Hölle oder Paradiesspringen genannt – fast ausschließlich ein Spiel der Mädchen.


12-GummitwistE-Book