Cover

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Fußnoten

1

Karl Hoppe, Der gespenstige Reiter. Eine unbekannte Quelle Storms, in: Westermanns Monatshefte, Bd. 5, 1949, S. 4547.

2

Theodor Storm, Sämtliche Werke, Bd. 4, hrsg. von Peter Goldammer, Berlin/Weimar 1992, S. 634.

3

Hoppe (s. Anm. 1).

4

Zitiert nach: Hans Wagener, Erläuterungen und Dokumente. Theodor Storm, »Der Schimmelreiter«, Stuttgart 2010, S. 68.

5

Reimer Kay Holander, Theodor Storm »Der Schimmelreiter« – Dichtung und Wirklichkeit: Kommentar und Dokumentation zur Novelle »Der Schimmelreiter« von Theodor Storm, Frankfurt a. M. [u. a.] 1976, S. 30.

6

M. Antoni Heimreich, Ernewrete Nordfresische Chronick. Außgegeben anno 1668, Schleswig 21668.

7

Johannes Laß, Sammlung einiger Husumschen Nachrichten, Zweyter Fortsetzung, 8 Stücke, nebst Register, Flensburg 1750, S. 309 f.

8

Zitiert nach: Karl Ernst Laage, »Der Schimmelreiter«. Text, Entstehungsgeschichte, Quellen, Schauplätze, Aufnahme und Kritik, Heide 112003, S. 135.

9

Claus Harms (Hrsg.), Schleswig-Holsteinischer Gnomon, ein allgemeines Lesebuch insonderheit für die Schuljugend, Kiel 1843.

10

Johann Nicolai Tetens, Reisen in die Marschländer an der Nordsee zur Beobachtung des Deichbaus in Briefen, Bd. 1, Leipzig 1788.

11

Theodor Mügge, Streifzüge in Schleswig-Holstein und im Norden der Elbe. Erster Theil, Frankfurt a. M. 1846.

12

Theodor Storm, Sämtliche Werke in vier Bänden, Bd. 3, Novellen 18811888, hrsg. von Karl Ernst Laage, Frankfurt a. M. 1988, S. 1078.

13

Gerd Eversberg, Der echte Schimmelreiter. So (er)fand Storm seinen Hauke Haien, Heide 2010, S. 108, 112.

14

Manfred Jakubowski-Tiessen, Vom Umgang mit dem Meer. Sturmfluten und Deichbau als mentale Herausforderung, in: Ludwig Fischer/Karsten Reise (Hrsg.), Küstenmentalität und Klimawandel, München 2011, S. 5564.

15

Christian Demandt, Religion und Religionskritik bei Theodor Storm, Berlin 2010, S. 240.

16

Irmgard Roebling, »Von Menschentragik und wildem Naturgeheimnis.« Die Thematisierung von Natur und Weiblichkeit in »Der Schimmelreiter«, in: Gerd Eversberg [u. a.] (Hrsg.), Stormlektüren. Festschrift für Karl Ernst Laage zum 80. Geburtstag, Würzburg 2000, S. 183214; hier: S. 187 f., 204.

17

Hans Krah, Räume, Grenzen, Grenzüberschreitungen. Einführende Überlegungen, in: Kodikas/Code, Ars Semeiotica, Bd. 22, 1999, H. 12, S. 312.

18

Swantje Ehlers, Literaturdidaktik. Eine Einführung, Stuttgart 2016, S. 80 f.

19

Wagener (s. Anm. 4), S. 39.

20

Harro Segeberg, Literarische Technik-Bilder. Studien zum Verhältnis von Technik- und Literaturgeschichte im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Tübingen 1987, S. 95.

21

Gerd Weinreich, Theodor Storm »Der Schimmelreiter«, Frankfurt a. M. 1997, S. 66.

22

Gernot Böhme / Hartmut Böhme, Feuer, Wasser, Erde, Luft. Eine Kulturgeschichte der Elemente, München 1996, S. 30.

23

Dieter Lohmeier, Das Erlebnisgedicht bei Theodor Storm, in: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 30 (1981), S. 926.

24

Storm (s. Anm. 2).

25

Jost Hermand, Hauke Haien. Kritik oder Ideal des gründerzeitlichen Übermenschen?, in: Wirkendes Wort: deutsche Sprache und Literatur in Forschung und Lehre 15, 1965, S. 4050.

26

Segeberg (s. Anm. 20).

27

Holander (s. Anm. 5).

28

Laage (s. Anm. 8).

29

Winfried Freund: Theodor Storm, Der Schimmelreiter, Stuttgart 2002.

30

Freund (s. Anm 29), S. 61.

31

Wolfgang Frühwald, Hauke Haien, der Rechner. Mythos und Technikglaube in Theodor Storms Novelle »Der Schimmelreiter«, in: Jürgen Brummack [u. a.], Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Festschrift für Richard Brinkmann, Tübingen 1981, S. 438457.

32

Volker Hoffmann, Theodor Storm »Der Schimmelreiter«. Eine Teufelspaktgeschichte als realistische Lebensgeschichte, in: Interpretationen: Erzählungen und Novellen des 19. Jahrhunderts, Bd. 2, Stuttgart 2008, S. 333370.

33

Andreas Blödorn, Storms »Schimmelreiter«: Vom Erzählen erzählen, in: Der Deutschunterricht 57 (2005), H. 2, S. 817; Gerd Eversberg/Jean Lefebvre (Bearb.), Florian Radvan/Anne Steiner (Hrsg.), Textausgabe und Kopiervorlagen. Theodor Storm »Der Schimmelreiter«, Berlin 2014.

34

Karl Ernst Laage, Zur Rolle des Deichgespenstes in Storms »Schimmelreiter«, in: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 63 (2014), S. 4046; Jean Lefebvre, Nichts als Gespenster? Die Funktionen des Deichreiters in der Rahmenhandlung des »Schimmelreiters«, in: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 58 (2009), S. 713.

35

Albert Meier, Wie kommt ein Pferd nach Jevershallig? Die Subversion des Realismus in Theodor Storms »Der Schimmelreiter«, in: Hans Krah/Claus-Michael Ort (Hrsg.), Weltentwürfe in Literatur und Medien. Phantastische Wirklichkeiten – realistische Imagination. Festschrift für Marianne Wünsch, Kiel 2002, S. 167179.

36

Demandt (s. Anm. 15).

1. Schnelleinstieg

Die Novelle Der Schimmelreiter gehört zum Alterswerk von Theodor Storm. Sie wurde erstmals in der Deutschen Rundschau im April und Mai 1888 veröffentlicht. Das Erscheinen der ersten Buchausgabe im Herbst 1888 hat Storm, der am 4. Juli desselben Jahres verstarb, jedoch nicht mehr miterlebt.

Mit Vorarbeiten für diese Novelle begann Storm bereits im Jahr 1885. Er wollte einen Der SagenstoffSagenstoff bearbeiten, der von einem Deichgrafen handelt und den er schon in seiner Jugendzeit kennengelernt hatte, konnte jedoch die Quelle nicht ausfindig machen. Er erinnerte sich an die Geschichte von einem Schimmelreiter, der einen Deichbruch verursacht und sich zur Sühne in eben jenen gestürzt hat. Bei drohender Gefahr einer Sturmflut taucht er als Wiedergänger auf. Auch die weitere Ausgestaltung seines Novellenplans erwies sich als schwierig, weil umfangreiche Studien zur Kartographie der norddeutschen Küstenlandschaft, des Deichbaus und der Eindeichung von Kögen vonnöten waren, und das entsprechende Material schwer zugänglich war. Unterbrochen wurde seine Arbeit nicht zuletzt durch seine schwere Krebserkrankung. Am 9. Februar 1888 konnte er die Novelle fertigstellen. Sie erschien im April/Mai 1888 in der Deutschen Rundschau mit einem anderen Schluss als ursprünglich vorgesehen.

Aus der in seiner Jugend gelesenen Reitersage hat Storms BearbeitungStorm bestimmte Erzählelemente übernommen, wie z. B. die gespenstische Reitergestalt, den Deichbruch und den Sturz in die Fluten. Die Rahmentechnik seiner Novelle und der eingeschobene Bericht eines Reisenden über eine seltsame Begegnung auf dem Deich, seine Einkehr in ein Wirtshaus und die durch dieses Erlebnis veranlasste Erzählung eines anwesenden Gastes über den Schimmelreiter gehen ebenfalls auf diese Quelle zurück. Storm hat die Geschichte allerdings von der Weichsel an die norddeutsche Küste verlegt und lässt sie im 18. Jahrhundert spielen. Protagonist ist Hauke Haien, der dank seiner Kompetenzen und seines Ehrgeizes vom Kleinknecht zum Deichgrafen aufsteigt. Die sozialen Voraussetzungen für diesen Aufstieg sichert ihm seine künftige Frau Elke durch ihre Besitzübertragung. Hauke Haien setzt gegen den Widerstand der Dorfgemeinschaft das Projekt eines neuen Deiches durch, der zum einen die Eindeichung eines neuen Kooges und damit Landgewinnung ermöglichen, aber zum anderen auch aufgrund der neuen Konstruktion eines abgeflachten Profils dem besseren Schutz gegen Sturmfluten dienen soll. Am Ende scheitert er und stürzt sich in der verheerenden Flutkatastrophe, durch die der alte Deich bricht und seine Familie umkommt, selbst in die Fluten. Seitdem erscheint er als Deichgespenst, um vor drohendem Unheil zu warnen.

2. Inhaltsangabe

Die Rahmenerzählungen

Die Novelle wird mit einer zweifachen Rahmenerzählung eröffnet, in die eine Binnengeschichte eingebettet ist. In der ersten, äußeren Rahmenerzählung berichtet ein anonymer Ich-Erzähler über eine Geschichte, die er vor mehr als 50 Jahren gelesen hat und seitdem nicht mehr vergessen konnte. In der zweiten, inneren Rahmenerzählung ergreift ein unbekannter Reisender, der bei stürmischem Wetter entlang der nordfriesischen Küste auf einem Deich reitet, das Wort und erzählt von der Begegnung mit einer unheimlichen Reitergestalt. Die Szene spielt im »dritten Jahrzehnt unseres [des 19.] Jahrhunderts« (S. 3). Er kehrt wegen des Sturms in ein Wirtshaus ein und berichtet von dieser gespenstischen Erscheinung. Die anwesenden Männer von der Deichwache bezeichnen diese als den Schimmelreiter. Auf die Frage des Reisenden, was es mit dem Schimmelreiter auf sich habe, beginnt ein kleiner, alter Mann, der Schulmeister, dessen Geschichte zu erzählen.

Die Binnengeschichte

Die Geschichte, die der Schulmeister erzählt, spielt im 18. Jahrhundert in Nordfriesland und handelt vom Aufstieg und Fall von Hauke Haien, einem begabten, weitsichtigen Deichgrafen.

Die Handlung setzt ein, als Die JugendzeitHauke 16 Jahre alt ist. Sein Vater Tede Haien ist Kleinbauer und Landvermesser und als kluger Mann im Dorf geschätzt. Lernbegierde und Interesse an Landvermessungen, Berechnungen und Kartenzeichnungen von Deichen charakterisieren den jungen Hauke. Er hält sich viel im Wattenmeer und auf den Deichen auf und beobachtet, wie die Flut die Grasdecke des Deiches allmählich zerstört. Er leitet daraus ab, dass die Deiche zu steil gebaut seien und das Land und die Menschen vor Sturmfluten nicht richtig schützen würden. Er bringt sich selbst mit Hilfe eines Buches die euklidische Geometrie bei und sondert sich zunehmend von den Schulkameraden ab. Sein Vater möchte ihn von seinen gelehrten Studien abbringen, indem er ihn auf harte Deicharbeit als Tagelöhner verpflichtet. Doch Hauke setzt seine Studien fort.

Hauke sitzt nach der Arbeit oft stundenlang »an der abfallenden Seeseite des Deiches« (S. 11) und blickt in »die trüben Nordseewellen« (S. 11). Eines Abends sieht er dort im Nebel, der in der Dämmerung aus den Rissen des Watteneises aufsteigt, dunkle Gestalten. Es sind die Geister der Ertrunkenen, die auftauchen und als Seegespenster ihr Unwesen treiben (S. 15 f.). Aber trotzig, ohne sich von ihnen beeindrucken zu lassen, kehrt er nach Hause zurück.

An einem anderen Tag, als Hauke mit einem Eisvogel, den er im Watt erjagt hat, auf dem Weg nach Hause am Haus der alten Trien’ Jans vorbeikommt, versucht deren weißer Angora-Kater, ihm die Beute zu nehmen. Hauke reagiert äußerst aggressiv und erwürgt das Tier. Für Trien’ Jans hat der Kater, da er ein Geschenk ihres ertrunkenen Sohnes ist, eine große Bedeutung, und entsprechend laut ist ihre Wehklage. Sie verflucht Hauke und beschwert sich bei seinem Vater, der Hauke daraufhin nahelegt, auszuziehen und sich eine Stelle zu suchen. Die Tötung des weißen Angora-Katers von Trien’ Jans markiert einen Einschnitt in der Entwicklung Hauke Haiens.

Hauke wird Der KleinknechtKleinknecht beim Deichgrafen Tede Volkerts, der ihn gut für seine Amtsgeschäfte und die anfallenden Deichberechnungen gebrauchen kann, zu denen er selbst nicht fähig ist. Hauke übernimmt diese Aufgabe und kümmert sich um das Einhalten der Deichordnung durch die Dorfbewohner. Er lernt im Hause die Tochter des Deichgrafen, Elke Volkerts, kennen. Der Großknecht des Deichgrafen, Ole Peters, empfindet ihn als Konkurrenten, so dass sich zwischen beiden eine Rivalität aufbaut. Ole ist neidisch auf Haukes privilegierte Stellung im Haus des Deichgrafen und dessen intellektuelle Überlegenheit. Er ist auch eifersüchtig, weil Elke sich Hauke zuwendet. Die neuen Vorschläge des Deichgrafen zum Schutz der Deichanlagen, die eigentlich von Hauke stammen, stoßen auf viel Anerkennung bei dem Oberdeichgrafen.

Im dritten Jahr seines Dienstes bei dem Deichgrafen steht das Winterfest des ›Eisboselns‹ an, ein Wurfspiel mit Holzkugeln, bei dem die Dörfer der Marsch gegen die Dörfer der Geest antreten. Ole Peters versucht vergebens, Hauke Haien von dem Spiel auszuschließen. Jewe Manners, ein alter Deich-Bevollmächtigter, setzt jedoch dessen Teilnahme durch. Am Ende gewinnt Hauke Haien das Spiel für sein Dorf.

Er und Elke kommen sich näher. Er kauft einen Goldring für sie, behält ihn aber noch für sich, da die sozialen Unterschiede zu groß sind. Nachdem Ole Peters gekündigt und Vollina, die Tochter des Deich-Bevollmächtigten Jeß Harders, geheiratet hat, rückt Hauke Haien zum Großknecht auf. Dieses Amt gibt er jedoch wieder auf, als es seinem Vater gesundheitlich schlecht geht und er sich um dessen Hof kümmern muss. Der Vater hinterlässt Hauke nach seinem Tode etwas Erspartes, den Hof und eine Fenne (Weide) von Antje Wohlers, die aufgrund einer Leibrente in den Besitz von Tede Haien übergegangen war. Damit wird Hauke selbstständig und Inhaber eines kleinen Besitzes. Mit dieser neuen sozialen Rolle ist die zweite Entwicklungsphase von Hauke abgeschlossen. Elke hilft ihm in dieser Zeit und schafft Ordnung in seinem Haus.

Der Ehrgeiz, der neue Aufstieg zum DeichgrafenDeichgraf zu werden, und die Auffassung, ihm stehe das Amt aufgrund seiner Fähigkeiten zu, wachsen in Hauke. Im neuen Jahr steckt er Elke heimlich den Goldring zur Verlobung an, aber sie müssen mit der Hochzeit warten, solange der alte Volkerts noch lebt. Nach dessen Tod wird über die Nachfolge des Deichgrafen gesprochen. Die fachlichen Kompetenzen von Hauke sind allgemein anerkannt, aber Voraussetzung für dieses Amt ist ein Besitzstand, über den er nicht verfügt. Elke mischt sich ein und gibt sich als seine Braut zu erkennen. Sie überschreibt ihm ihren Besitz noch vor der Hochzeit, damit er Deichgraf werden kann. Hauke ist zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt.

Nach mehreren Jahren gemeinsamen Lebens mit Elke und harten Arbeitens Verleumdung und Isolationisoliert sich Hauke zusehends von der Dorfgemeinschaft, die ihm die hohen Kosten für Deichreparaturen, Siele und Schleusen übel nimmt. Die Verleumdung von Ole Peters, er sei nur mit Hilfe seiner Frau Deichgraf geworden (S. 67), verbreitet sich und verbittert Hauke. Die Spannung zwischen den Dorfbewohnern und ihm verstärkt sich. Aufgrund dieser öffentlichen Kränkung verschließt sich Hauke noch mehr, aber auch sein Ehrgeiz, zu beweisen, dass er dieses Amt aufgrund eigener Leistung zu Recht verdient, ist angestachelt.

Nach siebenjähriger Amtszeit hat Hauke die Idee, einen Deich mit einer neuen Konstruktion, nämlich einem flachen Deichprofil, zu bauen, an dem die Sturmwellen sich brechen und dadurch abgedämpft werden. Ein solcher neuer Deich würde dem Schutz der Küstenbewohner dienen, aber auch der Gewinnung eines neuen Kooges und damit Weideland. Seine Frau hat Bedenken und warnt ihn vor dem Widerstand der Dorfbewohner gegen das Projekt. Sie erwähnt in diesem Zusammenhang die Sage, dass etwas Lebendiges im Deich eingegraben werden müsse, um ihn haltbar zu machen. Trotz ihrer Einwände stellt Hauke beim Oberdeichgrafen den Antrag, den Bau eines neuen Deiches zu genehmigen. Er wirbt mit diesem Deichbauprojekt um soziale Anerkennung, aber es dient auch der Selbsterhöhung.

Abb. 1: Profil einer Küstenlandschaft. Aus: Theodor Storm, Der Schimmelreiter, hrsg. von Sabine Wolf, Stuttgart 2016, S. 169.

An dieser Stelle wendet sich die Erzählung einem anderen Der Schimmel von JevershalligSchauplatz und anderen Geschehnissen zu. Auf einer nahe gelegenen kleinen Hallig, Jevershallig, gibt es weder Mensch noch Tier, nur Knochen von Schafen und ein Pferdegerippe liegen dort. Jevershallig ist auch der Ort, an dem der Sohn von Trien’ Jans ertrank. Ein Dienstjunge des Deichgrafen namens Carsten und der Knecht Iven Johns beobachten eines Abends Ende März, wie eine lebendige Kreatur dort den Hals reckt und den Kopf senkt (S. 75 f.). Beide sehen einen Schimmel, der dort geht. Am folgenden Abend treffen sie sich wieder, um zu überprüfen, was es mit dieser seltsamen Erscheinung, die ihnen Grauen einflößt, sie aber auch fasziniert, auf sich hat. Carsten fährt mit einem Boot und einer Peitsche auf die Hallig hinaus, um zu sehen, ob das Pferd tatsächlich existiert oder nur ein Spuk ist. Während der Knecht vom Festland aus alles beobachtet und das Pferd die ganze Zeit sieht, findet Carsten lediglich das Pferdegerippe und die Knochen der Schafe vor. Als beide nach Carstens Rückkehr an Land erneut zur Hallig hinüberschauen, sehen sie dort wieder eine Pferdegestalt gehen. Es ist ihnen nicht geheuer.

Einige Zeit später kauft Hauke Haien einem Slowaken ein völlig vernachlässigtes und abgemagertes Pferd ab, einen Schimmel (S. 81). Die braune Hand des Slowaken gleicht einer Klaue und weiter heißt es im Text, er würde wie ein TeufelspaktTeufel hinter Hauke herlachen (S. 84). Hauke füttert und pflegt den Schimmel selbst, so dass eine enge Beziehung zwischen Mensch und Tier entsteht und Pferd und Reiter eine Einheit bilden. Nachdem das Pferdegerippe auf der Hallig verschwunden ist, verbreitet Carsten das Gerücht, dass der Schimmel des Deichgrafen das wieder lebendig gewordene Pferdegerippe von Jevershallig sei: »Es steht in unsrem Stall, da steht’s, seit es nicht mehr auf der Hallig ist« (S. 87). Vor dem Schimmelreiter haben die Dorfbewohner eine abergläubische Furcht; er ist ihnen unheimlich. Von nun verbreitet sich die Geschichte vom Teufelspferd und dem Teufelspakt des Hauke Haien. Der Held wird dämonisiert.

Nachdem der Der Bau des neuen Deiches89