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Thomas Reich

Ranzig





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

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Thomas Reich

Text 2017 © von Thomas Reich

Coverphoto © https://www.flickr.com/photos/derricksphotos/21352567/ mit Änderungen

 

Impressum: Thomas Reich

Bachenstr. 14

78054 Villingen-Schwenningen

Über das Buch:

 

KÄSE ** SPLATTER ** PORNO

 

Heinrich Molke hat eine Vorliebe für ungewaschene Frauen. Im Keller seiner Manufaktur reifen die Leiber, bis er ihnen den Käse von der Muschi kratzen kann. Würzig und aromatisch geht er seiner Perversion nach. Ob mit Kruste und Rinde, oder die gestanzten Löcher mit Frischkäse verspachtelt.

Zwiebelkruste

Am Ende des Kopfsteinpflasters lag Molkes KÄSEATELIER mit seinem ölig glänzenden Fachwerk aus schwarzen Balken. Lehm und Putz hielten die Schilfgrasmatten seit Jahrhunderten zusammen. Steinhart waren sie, und doch federten sie elastisch jede menschliche Entgleisung des Gebäudes ab. Jeden noch so tiefen Abgrund, und jedes widerlich stinkende Geheimnis. Ein knorriger Giebel verzierte das Dach mit gelben Schmuckziegeln. Der Rest war mit einfachen Schieferschindeln gedeckt. Der Käseladen war ein beliebter Treffpunkt unter Touristen und in alle Welt verschicktes Postkartenmotiv. Zwei Bauern belieferten ihn mit Milch, dass durch ein Außenventil in den Keller gepumpt wurde wie Heizöl. In Wahrheit befanden sich zwei Tanks unter der Erde. Der Eine diente als Ölspeicher für die kalte Jahreszeit. Im anderen Tank gluckerte das Rohmaterial, aus dem jeder Käse hergestellt wurde. Die räumliche Enge der mittelalterlichen Gewölbe setzte Molkes Angebot natürliche Grenzen. Er konnte nicht bedingungslos jede Sorte anbieten. Sein Sortiment beschränkte sich auf gängige Klassiker, die ohne sizilianische Maden auskamen oder Lagerung in aufs halbe Grad genau temperierten Kalkfelsen. Mit all dem Chichi gab er sich nicht ab.

Über der Eingangtür klingelte munter ein Messingglöckchen. Vormittags kamen die Rentnerinnen, denen es im stickig-warmen Bett langweilig wurde, und die von einem griesgrämigen Gatten mit abfälligen Gesten hinter dem buchstabendichten Vorhang einer Tageszeitung zum Einkaufen gescheucht wurden. Eine gute Gelegenheit, den Hund Gassi zu führen, oder mit der Nachbarin einen Ratsch zu halten am Bordstein. Dann noch schnell zum Blumenhändler einen Strauss für den Kaffeetisch in der guten Stube. Molke kannte seine Stammkunden, und las ihnen jeden Wunsch von den schmatzenden Lippen ab. Die Dame, die seinen Laden betrat, war seit gefühlten zwanzig Jahren in Rente. Davor hütete sie die Kinder bis sie dem Nest entschlüpften, und später ihrem Mann den Haushalt. Frau Theimer trug die grüne Ballonmütze mit der gestickten Eule. Ohne diese Kopfbedeckung war sie nicht vorstellbar. Wenn das gute Stück einmal auf der Wäscheleine hing, verließ sie ihr Haus nicht mehr.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Theimer. Womit darf ich ihnen eine Freude machen?“

„Haben Sie noch von der Zwiebelkruste, die ich letzte Woche bei ihnen gekauft habe? Der Käse war einfach köstlich.“

„Womit haben Sie ihn kombiniert?“

„Mit Essiggurken und Bierschinken zum Abendbrot. Genau so, wie Sie es mir empfohlen haben, Herr Molke.“

„Brav.“

Heinrich mochte es gut leiden, wenn sich die Kunden an seine Empfehlungen hielten. Nur er allein verstand das Geheimnis würzigen Aromas. Wie ein Sternekoch kombinierte er die verschiedenen Düfte, bis eine Rakete im Mund ihre Geschmacksexplosion zündete. Deswegen kauften die Leute bei ihm, und nicht im Supermarkt. Jedenfalls diejenigen, die sich gute Handarbeit leisten konnten. Und nur darauf kam es an.

„Was ist denn nun mit dem Käse?“

„Einen Moment, Gnädigste. Da muss ich im Keller nachschauen.“

Es verstand sich von selbst, dass Frau Theimer ihm nicht folgen durfte. Kein Kunde erhielt Zutritt zu den heiligen Hallen. Und fand jemand den Weg die ausgetreten Steinstufen hinab, war ihm die Rückkehr in die Welt der Normalriechenden verwehrt.


*


Im Mittelalter hatte das Haus einem Winzer gehört, der im geräumigen Gewölbekeller wuchtige Eichenfässer lagerte, in denen Rot- und Weißwein zur vollen Oechsleblüte reiften. Vom Wein zum Käse war es eine logische Konsequenz. Rechts der Treppe lagen die Tankfässer zur Straße hin, mit dem einglasigen Fenster und dem Visier aus braun lackiertem Lochblech. Geradeaus ging es zur Brennkammer seiner Heizungsanlage. Und links, da standen Bottiche und Becken, Heizkessel und lange Rührlöffel aus Holz. Zu beiden Seiten türmten sich die Käseleibe auf den Regalen. Hinten aber waren die fensterlosen Reifekammern. Durch ein ausgeklügeltes System von Heizadern und Belüftungsrohren sorgte der Käsemeister für ein perfektes Klima gleichbleibender Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Gelegentlich musste der Käse mit Salzlauge gerieben werden, damit er eine schöne Rinde ansetzte. Das galt hauptsächlich für seinen Milchkäse. Der Humankäse hingegen reifte bei aufgedrehter Heizung ohne die Möglichkeit einer Dusche. Da kam ein anständiger Geschmack heraus. Heinrich nahm es schier den Atem, als er die Kammer des Schreckens öffnete. In der Ecke auf einem Haufen dreckiger Lumpen gärte ein schnittfester Russenkäse mit gelblicher Haut. Fett und abgestorbene Körperzellen hatten Natalias Haut matt gemacht. Am Ende würde das Schmalz siegen, und ihr natürlicher Glanz zurückkehren wie ein ungeduldig erwarteter Gast. Schmerzlich vermisste Natalia die Sonne der freien Welt. Ihre Haare waren strähnig geworden ohne Shampoo, oder wenigstens einen Kamm. Er musste den Käse schöpfen, bevor die Läuse kamen.

„Ist denn schon wieder Fütterung? Ich habe mein Zeitgefühl verloren.“

„Mach bitte den Arm hoch.“

„Will aber nicht.“

„Ich respektiere deine Entscheidung. Anschließend fliegst du in den Kessel, und Deckel zu. Wie fühlt es sich wohl an, bei lebendigem Leib gesiedet zu werden?“

Mit Geduld kam man meist ans Ziel. Käse konnte zäh sein und Fäden ziehen. Der schlimmste Geruch lag unter ihren Armen, wo Haut auf Haut klebte. Dort zog sie wirklich Fäden. Heinrich hätte Mozzarella auf den Stock drehen können. Oder eben eine schöne Panade für seinen Käse gewinnen. Molke wälzte ihn in ihrer Achsel. Behutsam und gleichmäßig, damit sich das Aroma besser verteilte. Braune Bröckchen blieben hängen und einzelne Haare. Nun sah der Käse aus, als wäre er Heinrich ins Katzenklo gefallen.

„Hm. Noch salziger als gestern. Was ist dein Geheimnis?“

„Du lässt mich weder duschen, noch drückst du mir einen Lappen in die Hand.“

Heinrich klopfte mit der flachen Hand auf den Käseleib, damit die störrischen Achselhaare abfielen. Es reichte vollkommen, wenn der Rundling ein Aroma bekam. Der Käse durfte nicht aussehen, als wäre er ihm auf den Boden gefallen. Wobei... wäre das so schlecht gewesen? Die Fliesen nahmen das Aroma ihrer ungewaschenen Füße auf. Heinrich schnupperte daran.

„Herrlich. Riecht wie so 'ne Schlampe unterm Arm. Sollte ich mir patentieren lassen.“

Die Stoffschürze verdeckte eine gewaltige Erektion. Käsebruch klebte in den Fasern, gelb und wässrig. Entweder das, oder Molkes Glückstropfen.

„Um zwölf mache ich Mittag, mein Schatz. Dann bekommst du die deinem Reifegrad angemessene Aufmerksamkeit.“

Heinrich sputete sich. Frau Theimer musste ungeduldig mit den flachen Komfortschuhen scharren. Man durfte seine Kundschaft nicht ewig stehen lassen. Nicht einmal der weltbeste Käse rechtfertigte das.


*


Kein Haar war ihm in die Stirn gerutscht. Auch saß die gestreifte Krawatte tadellos. Heinrich war ein Charmeur der alten Schule. Er wusste mit Frauen umzugehen. Und Käse.

„Da bin ich wieder, Gnädigste.“

„Hoffentlich hat sich die Wartezeit gelohnt. Sonst hat der Orms nur noch Suppenknochen.“

Heinrichs KÄSEATELIER lag zwischen Ehrmanns Spielwaren und Orms Fleischerei, daneben ein gusseiserner Brunnen mit reichlich Patina und Verzierungen aus dem Biedermeier. In weiter Ferne spendete eine Linde sommerlichen Schatten. Im Herbst jedoch veranstaltete der ehrwürdige Baum eine Riesenschweinerei, wenn er seine Blätter verlor. Abwechselnd kehrten die Kaufleute das Trottoir, und schimpften auf Mutter Natur mit erhobener Hand.

„Ich dachte, es gibt Käse?“

„Zum Nachtisch. Käse schließt den Magen.“

„Macht sieben Euro dreißig.“

Heinrich musste die Preisliste dringend überarbeiten. Seine geheimen Zutaten waren extrem aufwändig in der Beschaffung, und ideell kaum zu bewerten. Machte er das noch um Geld zu verdienen, oder zum reinen Vergnügen?

„Ich habe meiner Nachbarin einen Schnitz versprochen. Frau Müller, sie ist Stammkundin bei ihnen. Wenn ihr der Käse zusagt, möchte sie auch einen Leib kaufen. Hoffentlich ist dann noch was übrig.“

Molke tat, als würde er den Inhalt seiner Reifekammer im Kopf durchsuchen, Regalreihe um Regalreihe. Zweifelnd kratzte er sich am Hinterkopf. Dort, wo seine roten Haare dünn wurden.

„Könnte knapp werden. Bis Donnerstag ist der Zwiebelkäse ausverkauft.“

„Dann soll Sie sich beeilen. Ich gebe ihr Bescheid.“

„Sie wissen ja, wie das mit besonders schmackhaften Sorten ist. Sie halten nicht lange vor.“

Bis Ende der Woche würde Natalia tot sein. Dafür würde er schon sorgen.


*


Den Vormittag über füllte er die Kühltheke, bereitete Pauspapier vor und dünne Einkaufstüten aus Kunststoff. Kunden kamen, Kunden gingen. Er fröstelte an der Theke. Bald durfte er zu seiner Natalia in die temperierte Reifekammer. Nur dort unten fühlte er sich wohl. Umfangen von den Ausdünstungen ihres gammelnden Körpers.

„Zweihundert Gramm Tilsiter.“

„Ist recht.“

Heinrich wurde ungeduldig. Sein sonst so selbstsicheres Lächeln rutschte ihm in die Hose, und brachte seine Hoden zum Glühen wie Kohlestücke. Vorhin war ihm der Geruch des Zwiebelkäse in die Nase gestiegen. Zum Frühstück hatte Molke ihn auf Knäckebrot genossen. Nicht oben in der Wohnung, oder unten im Laden. Tiefer. Heinrich begann seinen Tag mit Schwarztee und Crackern zwischen seinen Rohlingen. Nun brauchte er eine höhere Dosis Humankäse. Würde Natalia mitspielen? Nur so weit ihre Fesseln sie trugen.


*


Ein Loch im Boden führte direkt in die Kanalisation. Wenn Natalie sich darauf setzte, konnte sie ihre Notdurft annähernd bequem verrichten. Gelegentlich spülte er den Ausguss mit dem Schlauch. Nicht wegen der Fäkalien. Aber weil das Gitter schnell verstopfte. Dann trieb er den Humankäse in eine Ecke der Zelle, und führte die Reinigungsarbeiten durch. Kein Wassertropfen durfte ihre Haut treffen. Es hätte ihr natürliches Aroma ruiniert, und wochenlanges Marinieren und Reifeprozesse zunichte gemacht. Heinrich hatte ihr Suppe gebracht und Gemüse. Natürlich lauwarm, damit sie ihn nicht verbrühen konnte. Dankbarkeit war vom Käse keine zu erwarten.

„Du musst hungrig sein. Ich habe dir etwas mitgebracht.“

„Isst du nichts?“

„Ich hole mir lieber Appetit.“

Molke verschränkte seine Arme auf den Kniespitzen, und sah ihr beim Essen zu. Er dachte über Lebensmittel nach, und ihre Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Wie Schnaps durch die Haut atmete oder Knoblauch. Womit er seine Käsesorten weiter verfeinern konnte. Heinrich war ein Gourmet.

„Zeig nochmal deine Achsel.“

„Bitte nicht, ich bin schon ganz wund von den Käseleibern.“

„Ach Schatz, darum geht es mir gar nicht. Ich will nur mal schauen.“

„Na schön.“

Ihre klebrigen Achselhaare kitzelten seine Nasenspitze. Tief zog Heinrich die Luft ein. Natalia hatte stark geschwitzt. Salzkristalle funkelten wie Grubengold. Ihr Urwald war die Brutstätte primitiver Bakterienstämme. Die sich weigerten, Brauchtum und Sitte der modernen Gesellschaft anzunehmen. Heinrich genoss ihre vielschichtige Textur wie einen Kellerauszug edelster Weine. Unter den Armen war sie weniger lockig als zwischen den Beinen. Dort wuchs ein exklusiver Käse, den er seinen Kunden vorenthielt. Der menschliche Gaumen war einfach noch nicht reif für solch intensive Aromen. Heinrich blickte in das dunkle Herz der Wildnis, das er kultivieren würde. Erst die Salzgruben unter den Armen, dann das Kleinod zwischen den Beinen. Beide würden einen hervorragenden Humankäse abgeben.

„Du riechst so gut.“

Zärtlich leckte er Natalies bitteren Schweiß. Unzivilisierte Bakterien vermehrten sich wie notgeile Karnickel, und setzten beißenden Ammoniak frei. Der ihr im übrigen die Haut verätzte. Kollateralschäden, die Heinrich bei der Käseherstellung bereitwillig in Kauf nahm. Natalia war reif, gefickt zu werden. Heinrich lockerte seine Krawatte, und hängte sie über den Stuhl. Seinen Gegner zu unterschätzen kam tödlicher Leichtsinnigkeit gleich. Mühelos hätte sie ihm einen Strick daraus drehen können. Molke zog sich komplett aus. Dann presste er ihren Oberarm zusammen wie einen Schwimmflügel. Was noch schöner aussah als eine richtige Fotze. Er mochte es, wenn sie haarig waren. Heinrich liebte die unverfälschte Natur. Die Heizung in Natalias kleiner Kammer lief auf höchster Stufe. Wenn ihre Armmuschi feucht werden sollte, brauchte es tropische Temperaturen. In diese haarige Spalte wollte er seinen Cracker versenken. Vorsichtig schob er einen Finger hinein, und dehnte das Loch für seine Eichel. Ein zweiter Finger gesellte sich dazu, und machte die Vertiefung weit genug für seinen ganzen Prügel.

„Baby, du bist so feucht.“

Heinrich hielt ihre Schulter fest umklammert, damit ihm die nach seiner Vorstellung umgestaltete biologische Natur nicht auseinander rutschte. Das Fleisch ihrer Achsel war so warm wie die Schenkel seiner ersten Freundin unterm holden Apfelbaum.

„Das fühlt sich gut an.“

Wenn man einen Leib Käse fickte, nahm man seinen Geruch an. Auch verteilte die Reibung die natürliche Duftnote seiner Eichel. Heinrich wusch sich jeden Tag wie der geistig unbedarfte Rest der Normalbevölkerung. Seinen eigenen Schmutz konnte er nicht leiden. Dadurch wurde sein Körper zum idealen Nährboden. Neutral wie die Schweiz nahm er jedes Aroma auf.

„Du bist ein guter Käse.“

Sie prägte ihm ihre Schweißpartikel in Molkes Haut wie bei einem Verkehrsunfall. Brocken lösten sich unter seinen unerbittlichen Stößen. Abgestorbene Zellen und Dreck. Schamhaare wurden Natalia aus der Achsel gerissen. Der böse Käsemann sah ihr dabei nicht einmal ins Gesicht. Seine Augen fixierten einen Punkt an der Wand, wo er seine handgeschriebenen Rezepte angebracht hatte. Fresszettel auf kariertem Abreißpapier. Notizblöcke für Pennäler mit kranken Phantasien. Anwärter auf die Doppelrahmstufe mit Dill.

„Gleich kommt die Béchamel!“

Seine Bewegungen wurden schneller. Heinrich legte ein gutes Tempo vor. Der Humankäse zeigte wenig Begeisterung, noch wollte er bei seinem Spiel so recht mitmachen. Überhaupt zeigten seine Fettaugen kein Fenster zur Seele. Am Ende konnte er nur sich selbst Beifall klatschen.

„Oh ja, Nachosauce auf den Keks!“

Tropfend glitt Heinrich aus ihrer verschwitzten Umarmung. Es roch nach Käse und Schwanz. Angewidert drückte Natalie ihn weg. Die Pampe lief ihren Arm hinab. Was hätte sie gegeben für ein Vollbad mit Schwamm und Lotion! Scham und Schande abzuspülen. Dass er Käse herstellte, mit dem was unter ihren Armen wuchs. Dass er sie mehr demütigte als einen Hund, der ein Stofftier vergewaltigt, machte ihr schwer zu schaffen. Natalia weinte. Heinrich hasste ihre Tränen. Er sorgte stets für eine ausgewogene Würzmischung bei seinem Angebot. Der Käse war versalzen. Nun konnte er ihn in die Tonne kloppen. Heinrich griff zur Schöpfkelle.


*


Natalia hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Dabei war sein Plan zum Aufbau eines perfekten Käses fast ausgereift. Und dann kam ihm das Aas mit ihren salzigen Tränen. Es war schlicht und einfach zum Kotzen. Wochenlanges Reifen umsonst, und der mühsam gezogene Käse für den Müll. Noch schlimmer wiegte, dass er sein Werkzeug an ihr zerbrochen hatte. Der Verlust wiegte unermesslich. Nur selten war ihm so eine gute Kelle untergekommen, mit solidem Holzgriff und Damaszener Stahl. Der Kolben war in tausend Splinte zerbrochen, und ihm in die Hand eingedrungen. Mit einer Pinzette zog er die Spleiße aus dem rohen Fleisch seines Daumenballens, und verfluchte den zerschlagenen Käse in der Ecke. Selbst tot bereitete Natalia ihm Schmerzen.

„Eine Schlampe wie du bekommt keinen Namen auf ihren Grabstein.“

Damit waren alle freundlichen Worte des Katechismus verteilt. Der Priester schlief in der sicheren Koje der Absolution, und verzichtete auf jedwede Beichte, wenn der missbrauchte Körper in die Grube fuhr. Hinterher bereute Molke seinen Wutausbruch. Weil er ein gutes Werkzeug komplett verbeult hatte. Die massive Eisenkelle war zu nichts mehr zu gebrauchen. Der Chromüberzug war abgeplatzt, und selbst im Kern zeigten sich Risse, die nur in der Lohe eines erfahrenen Schmieds wieder zu beheben gewesen wären. Womit würde er in Zukunft seinen Käse schöpfen? Verließ er sich einzig und allein auf die Kraft seiner Harfe? Der Bruch musste in solide Formen gepresst werden, und sein Gewicht in Wasser ausschwitzen. Heinrich würde bei Eisenwaren-Hintner für Ersatz sorgen müssen, und dabei war seine Mittagspause fast zu Ende. Zum Essen kam er wohl später. Heinrich Molke hing ein Schild ins Schaufenster: BIN GLEICH WIEDER FÜR SIE DA.


*


Der Eisenwarenladen lag einen Fußmarsch von mehreren Minuten entfernt. Er kannte Michael seit vielen Jahren, und vertraute ihm. Das gute Verhältnis basierte nicht auf Gegenseitigkeit. Seine Perversionen waren dem Hintner immer ein Dorn im Auge gewesen. Zu viele Fragen blieben offen. Dennoch belieferte er ihn mit jedem Hilfsmittel, was zur Produktion eine guten Käses vonnöten war. Der Zweck heiligte alle Mittel.

„Mahlzeit. Müsstest du nicht um diese Zeit am Verkaufstresen stehen? Was treibt dich in meinen Laden?“

„Schau nur was du mir angedreht hast.“

Molke schleuderte ihm die ramponierte Kelle entgegen. Da Werkzeug rutschte über die Kasse, und kam mit hellem Klang auf dem Boden zu liegen. Der junge Hintner hob sie mit spitzen Fingern auf. Sein blasses Milchgesicht war in hellem Aufruhr.

„Da kleben Blut und Haare dran!“

„Jetzt lenk nicht vom Thema ab.“

„Das kann ich nicht auf Garantie nehmen.“

„So sah die Kelle nicht aus, als ich sie bei dir gekauft habe.“

„Das bestreite ich nicht.“

„Dann kannst du sie mir ja problemlos ersetzen.“

„Heinrich, die hast du selbst verbogen.“

Die Argumente schwammen ihm davon wie die Felle. Er konnte dem Hintner nicht in die Augen schauen. Das Bild vom zerschlagenen Humankäse war zu präsent.

„Na schön, dann mach mir einen fairen Preis.“

„Für eine neue?“

„Ja.“

Hintner führte ihn zu den erleuchteten Schätzen in der Vitrine. Wo vom Rouladenwickel der fleißigen Hausfrau bis zur Ausstattung eines promovierten Handwerkers alles vertreten war.

„Speziell gehärteter Stahl, dicker im Griff und gut zu handeln. Probier doch einmal.“

Heinrich rückte den erbosten Krawattenknoten zurecht, und strich durch seine Kupferhaare. Langsam kehrte seine kaltschnäuzige Selbstsicherheit zurück. Der Stahl in Molkes Hand nahm Zimmertemperatur an.

„Fühlt sich gut an.“

„Stell dir vor, wie du den halbfertigen Käse damit in die Salzlake hebst.“

„Könnte mir gefallen.“

„Und nun gib deinem Herzen einen Ruck, und öffne deinen Geldbeutel.“

„Ich kaufe auf Rechnung.“

Hintner seufzte.

„Ja, wie immer.“


*


Der Nachmittag war versaut, an eine Wiederöffnung seines Ladens nicht zu denken. Die Kunden würden ihm diesen einmaligen Aussetzer verzeihen. Natalias Leichnam packte Heinrich in einen Sack, und schaffte ihn hinaus in den Hof. Danach spülte er ihre Zelle gründlich aus. Einmal die falschen Pilze oder Schimmelsporen im Käse, und das Gesundheitsamt machte ihm den Laden dicht. Seine Arbeitsweise war eh schon grenzwertig. Ein toter Körper zog allerlei Ungeziefer an. Wieder einmal war er dem perfekten Käse einen Schritt näher gekommen. Es brauchte viele Experimente dieser Art, um bei der nationalen Käsemeisterschaft den ersten Platz abzuräumen. Letztes Jahr ging das Preisgeld an Jean-François Jakobi aus dem Elsass. Mitmachen durfte Molkes Rivale nur, weil er seinen Zweitwohnsitz in Kehl angemeldet hatte. Jakobis Schöpfung war ein mild-aromatischer Münster, den er an den deutschen Gaumen anpasste. Bei allem Respekt vor den deutschen Käsemeistern, aber einen Franzmann auf diesem Gebiet zu besiegen, war quasi unmöglich. Heinrich tüftelte an Textur und Geschmack. Hier ging es um seine Ehre. Er würde schlussendlich einen Käse präsentieren, der sämtliche Konkurrenz in den Schatten stellte. Selbst diesen vorlauten Franzosen.

Im Geräteschuppen zerteilte er die Leiche mit einem Beil. Dazu stellte er das Radio laut, um nicht die Neugierde seiner Nachbarn zu wecken. Heinrich war Schlagerfan mit Herz und Blut. Er streute gelöschten Kalk über ihre Brocken, als wäre es Puderzucker auf einem Gugelhupf. Das half gegen Fliegen und Gestank. Am Wochenende würde er sie in Geschenkbeutel verteilen, mit Schleife verzieren, und im Wald abladen. Lebensmittel wegzuwerfen war kein Verbrechen, höchstens Verschwendung. Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Der Konsum fordert seine Opfer.