Band 4

Hexen, Teufel, Ketzer

 

 

Verlöschen des Teufels- und Hexenwahns

 

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(Folterinstrument: Hängender Käfig)

 

von

Bruno Emil König

 

 

 

 

Cover, Design, Layout und Satz aischab

ISBN 978-3-946182-46-7

 

© Copyright aischab Münster 2017

Die Illustrationen und Fotografien sind von Ulrike Bauer.

 

 

1. Neuauflage 2015 (ISBN 978-3-943312-55-3) im Verlag EMPIRE Münster, Erstausgabe erschienen im Verlag U. Bock 1893 Rudolstadt unter dem Originaltitel: „Ausgeburten des Menschenwahns im Spiegel der Hexenprozesse und der Auto da fe‘s“.

 

 

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EIN ANFANG GEGEN DEN WAHN

 

Zur Ehre der Menschheit sei es gesagt, dass trotz des Befangen Seins großer Männer vom Teufels- und Hexenwahn und trotz aller Feigheit und Heuchelei es von Anbeginn der Hexenprozesse an Männern gegeben hat, die durch Wort und Schrift gegen das entsetzliche Unwesen anzukämpfen suchten. Allein was wollte das Sagen einer Dreieinigkeit von Aberglauben, Fanatismus und Habsucht gegenüber! Flammten doch gleich nach Einführung des peinlichen Verfahrens, während der Jahre 1484-89, fast einhundert Scheiterhaufen empor, auf welchen Hexen, denen man den Prozess gemacht hatte, zu Staub und Asche verbrannt wurden!

Es war außer der entfesselten Bestie der Grausamkeit „eine neuerfundene Alchemie (Goldmacherkunst, Suchen nach dem Stein des Weisen), um aus Menschenblut Gold zu machen“, wie einer der Gegner der Hexenprozesse im 16. Jahrhundert richtig bemerkte. Spee, Meier u. a. waren nicht die einzigen, welche zu behaupten wagten:

„Die Hexerei existiere nur in dem Wahne der Menschen, welche natürliche Wirkungen, deren Ursache sie nicht kennen, auf Zauberei zurückführe.“

Meier machte den Versuch, das ganze Hexenwesen als Phantasterei und Einbildung zu bezeichnen. Und doch begann erst, als das 17. Jahrhundert zur Neige ging, diese Ansicht energischer sich Bahn zu brechen und durchzudringen. Wer bis dahin nicht an Hexen glaubte und an die Verdienstlichkeit ihrer Verbrennung, galt selbst als Zauberer und als Gottesleugner.

Sie und vor allem der nicht auszurottende gesunde Sinn des Volkes, der Volkswitz waren die Vorläufer besserer Erkenntnis über Teufelswahn und Zauberei, welche das Pfaffentum gehegt und gepflegt und großgezogen und der Juristen seltsame Wissenschaft in Regeln gebracht haben. Denn während die Richter und Pfaffen noch im besten Hexenbrennen verharrten, während der Aberglauben seit der Reformation als Alchemie und Astrologie sein Wesen trieb und in Bezug auf Zauberei den Dr. Faust zum Repräsentanten erkor, da war es der gesunde Volkswitz, der sich immerfort über den Teufel lustig und den gelehrten Hexenwust allmählich zu Schanden machte. Unzählige deutsche Volkssagen, welche bis in die frühesten Zeiten des Mittelalters zurückreichen, schildern uns den Teufel als einen dummen Patron, der sich oft auf die plumpste Weise prellen und hinters Licht führen lässt, zahlreiche alte Sprichwörter verspotten ihn und vielfach überragte „die Weisheit der Gasse“ die Systeme sogenannter Gelehrten.

Bereits im Jahr 1515 trat in Italien der Rechtsgelehrte Ponzivibius als Piacenza mit einem Buch „De lamiis“ dagegen auf, indem er erklärte, dass das Geständnis der Hexen als irre geleiteter und verblendeter Personen keine gültigen Beweise gegen sie abgeben könne.

In Deutschland war der erste kühne Held, der den Mut besaß, das Wagnis zu unternehmen, gegen den Wahn, der am Mark der Menschheit nagte, aufzutreten, der von uns bereits erwähnte Generaladvokat von Metz, Cornelius Agrippa von Nettesheim.

 

 

 

AGRIPPA VON NETTESHEIM

 

Er war zu der Überzeugung gelangt, dass alle Zauberei auf Betrug oder auf besonderer Kenntnis der Natur beruhe. In diesem Sinne schrieb er eine Satire auf die damalige Wissenschaft. Aber er gelangte in der Erkenntnis der Wahrheit noch weiter, nämlich zu einer vom After- und Aberglauben der Zeit unabhängigen Beurteilung des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung und der furchtlose Mann richtete auch dagegen seine Angriffe in der zu Paris (1531) und zu Köln (1533) erschienenen Schrift „De occulta philosophia“.

Durch seine Schriften aber und namentlich auch durch die von uns bereits mitgeteilte unerschrockene und geschickte Verteidigung einer Bäuerin wurde er selbst verdächtig. Man war den Anrüchigen, als mit dem Satan im Bunde stehend und weil er Magie treibe, zu Brüssel ins Gefängnis, ließ ihn ein volles Jahr darin schmachten und redete ihm nach seinem Tode nach, er habe auf seinem Sterbelager einen schwarzen Hund aus seinem Nacken gezogen, der ein Dämon war. Dabei sollte er gerufen haben: Die Ursache des Verderbens! Wie auf jeden, wahrhaft aufgeklärten, überzeugungstreuen Mann von reinem, makellosen Charakter, der Neid und die Scheelsucht niedrigdenkender, wahnbefangener und dünkelhafter Menschen blicken und sich bemühen, ihn zu beflecken, über ihn zu Gericht zu sitzen und zu verderben, so erging es Agrippa von Nettesheim.

Gehasst und verfolgt stand er im Allgemeinen einsam da auf dem Gipfel der Erkenntnis. Indes Menschen vergehen, aber die Ideen der Wahrheit, sie sterben nicht und sollten sie auch lange Zeit nur als ein winziges Fünkchen fortglimmen. So war denn auch das mutvolle Auftreten des Agrippa von Nettesheim nicht ganz erfolglos geblieben. In einem anderen edlen Menschenfreunde gedieh die Saat, die er gesät. Es war dies der Leibarzt des Herzogs Wilhelm von Cleve, Johann von Weier (Johannes Wierus), geboren 1515 zu Grave in Brabant, gestorben 1558.

 

JOHANN VON WEIER

 

Weier ließ eine Schrift „De praestigiis daemonum“ (von den Blendwerken des Teufels) im Jahr 1556 und eine zweite „De Pseudomonoarchia Daemonum“ (Von der erdichteten Herrschaft der bösen Geister) drucken. In beiden Werken ist zwar das Vorhandensein des Teufels nicht geleugnet, wohl aber wird behauptet, dass er keine große Macht über die Menschen habe. Weier erklärt die vermeintlichen übernatürlichen Erscheinungen, deren Entstehung man gemeinhin dem Einfluss der Zauberei zuschreibe, aus natürliche gründen. Zugleich wagte der brave Mann den in damaliger Zeit sehr gefährlichen Ausspruchs, dass Spengers Hexenhammer ebenso aberwitzig als gottlos und dass der Hexenprozess überhaupt der größte Irrtum der Menschheit, die abscheulichste Schande für Europa sei.

Weier erkannte im Aberglauben die größte Seuche seiner Zeit, gegen welche er im Jahr 1563 sein Buch „Von den Blendwerken der Dämonen, von Zauberei und Hexerei“ als Heilmittel entwarf. In der Widmung dieses Buches an seinen Fürsten, den überaus aufgeklärten, humanen Herzog Wilhelm von Kleve heißt es:

„Als aber dieser Gräuel ein wenig gestillt und ich deshalb gute Hoffnung gefasst habe, es würde ohne Zweifel der liebe Gott seine Gnade und Kraft verleihen, dass er durch die Predigt der gefundenen Lehre abgeschafft und aufgehoben würde, so sehe ich doch von Tag zu Tag je länger je mehr, dass ihn der leidige Teufel wiederum viel stärker, als vordem auf die Bahn gebracht hat und täglich bringt.

Dieweil dann zu solchem gottlosen Wesen die Mehrheit der Theologen schweigt und durch die Finger sieht. Die verkehrten Meinungen von Ursprung der Krankheiten, auch gottloser abergläubischer Ableitung derselben die Medici leiden und gestatten, dass es ein alt Herkommen und deshalb eine ausgesprochene Sache ist, vorüber passieren zu lassen und zu dem allen niemand, der aus Erbarmen zu den armen Leuten diesen verworrenen schädlichen Handel zu offenbaren oder zum wenigsten zu verbessern sich unterwinden wolle, gehört wird: So hat mich, Gnädiger Fürst und Herr, für nützlich und notwendig angesehen, die Hand, wie man Spruch, an Pflug zu legen, und ob ich gleich meines Vorhabens nicht in allweg gewährt, jedoch anderen, so im Verstand und Urteil solcher Sachen mir den Stein weit verstoßen, ein Anlass, ja - wie man zu sagen pflegt - die Sporn, diesem Handel fleißiger nach zu trachten und ihre Meinungen auch zu fällen.“

Klugerweise hatte Dr. Weier seine Schrift vor dem Druck dem Kaiser Ferdinand überreicht, um ein Privilegium gegen den Nachdruck zu erlangen und dieses war ihm seltsamerweise auch wirklich erteilt worden und noch dazu mit dem Bemerken, „dass das rühmliche Vorhaben nicht nur gebilligt und gelobt, sondern auch gefördert zu werden verdiene“.

Über die Art, wie zu Weiers Zeiten sich manche Priester bei der Heilung von Zauberschäden benahmen, gibt Weier folgende Beispiele:

„Es hat einer aus dieser beschworenen Rott kürzlich ein erdichtet, erlogen Gespräch in Druck verfertigt, doch allein in deutschen Zungen. Es sei nämlich vor etlichen Jahren einem Weibe das Bäuchlein derart aufgegangen, dass jedermann, sie gebe schwanger, gänzlich vermeinet habe. Und dieweil sie guter Hoffnung, sie würde noch vor Fastnacht des Kindes genesen und aber solches wieder ihre Hoffnung nicht geschehen, habe sie bei ihm Rat und Hilfe gesucht, da habe er ihr einen Trank eingegeben, dadurch er bei seinem geschworenen Eid zwei Kannen Kirschenstein, die zum Teil schon angefangen grünen, zum Teil aber eines Fingers lang aufgeschoffen, von ihr getrieben habe. Es wird dieser Kautz, der Geistliche Jakob Ballick, die Anatomika etwa nicht gestudiert haben. Denn dass es eine lange, breite dicke Lüge sei, mag ein jeder dabei wohl leicht abnehmen.