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DETLEF BRENDEL

SCHLUSS MIT

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Warum Sie sich Ihre Ernährung nicht länger von Pharmalobby & Co diktieren lassen sollten

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Copyright 2018:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Mitarbeit: Gunther Schnatmann

Gestaltung Cover: Holger Schiffelholz

Gestaltung, Satz und Herstellung: Martina Köhler

Lektorat: Hildegard Brendel

Druck: CPI books GmbH, Leck, Germany

ISBN 978-3-86470-544-1
eISBN 978-3-86470-545-8

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: buecher@boersenmedien.de

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Inhalt

Kapitel 1: Warum dieses Buch?

Kapitel 2: Der irregeführte Verbraucher

La dolce Vita

Angriff auf die Psyche

Orthorexia nervosa

Kapitel 3: Die große Zucker-Verschwörung

Gewissenloser Bullshit

Fake statt Fakten

Ein Mann für neue Märkte

Neue Krankheiten schaffen Behandlungsbedarf

Who is WHO

Wissen ohne Kenntnis

Gesetzlicher Einheitsbrei

Lex Nestlé für die Ernährungspolitik

Da muss doch was dran sein

Kapitel 4: Zucker ist Sonnenlicht für die Menschen

Seit Jahrtausenden ein Nahrungsmittel: Zucker

Zucker ist unnachahmlich

Macht Zucker süchtig?

Suchterzeugende Quarkbrote und Sex

Sucht ist, wenn es gut schmeckt

Kapitel 5: Internetstar Professor Lustig

Zellen lieben Zucker

Das absurde Geschäft mit der Angst

Vernichtende Kritik von Experten

Schreckensszenarien schlagen auf den Magen

Die Erleuchtung des Dr. Perlmutter

Machen Kohlenhydrate jünger?

Führt Zucker zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Diätlimo als wahrer Risikofaktor für Herzinfarkte?

Kapitel 6: Zucker und Karies – ein klarer Zusammenhang?

Unterschätzte Säuren

Genuss ohne Reue: Pause nach dem Schokosnack

Früher gab es Karies

Kapitel 7: Macht Zucker zuckerkrank?

Mehr Zucker = geringeres Diabetes-Risiko?

Fernsehsucht und Großstadtstress unter Verdacht

Diätgetränke als Diabetesrisiko?

Zuckerverbot zurückgenommen

Kapitel 8: Süßstoff als Alternative zum Zucker?

Süßstoff und der Pawlow’sche Hund

Hungrig durch Saccharin?

Verkappte Arzneimittel

Trendsüße aus Stevia

Kapitel 9: Übergewicht durch Zucker?

Übergewicht als Evolutionsvorteil

Viele Abnehmmethoden und kein Unterschied in Sicht

Das Fruchtgummi-Geschrei

Kapitel 10: Wahrheiten über Zucker

Die Rolle der Moral

Braucht der Mensch gar keinen Zucker?

Vorteil für den Urmenschen

Wir werden durch Leptin gesteuert

Vom Urmenschen zum Couch-Potato

Kapitel 11: Der Verbraucher ist der Dumme

Bewährte Nahrungsmittel im Fokus

NGOs schüren Vertrauenskrise

Ideologie schlägt Wahrheit

Kriminalisierter Zucker

Die Freiheit des leckeren Essens

Hervorragende Zielgruppe: wir alle!

Die Ernährungsdogmatiker

Für einen Aufstand gegen den Reduktionismus

Lebensmittelallergien sind „hipp“

Was ist allergisch, was unverträglich?

90 Prozent liegen daneben

Herrschaft durch Ernährung

Freiheit wird aufgegeben

Kapitel 12: Die regulierte Gesellschaft

Anfang der Fürsorgediktatur

Irreführende Ampel

Menschenverachtender Ablasshandel

Die Politik blendet ihre Verantwortung aus

Grenzenloser Missbrauch der Grenzwerte

Spielkonsolen machen dick

Ein Volk von Bewegungsmuffeln?

Die Schutzmafia

Vom Feld auf den Teller

Medien verderben den Appetit

Kapitel 13: Lebensstildiskussion statt Nährstoffideologie

Kapitel 14: Ernährungs-Cocooning

Kapitel 15: Nahrungsmittel-Religionen

Kapitel 16: Eine Chance für Natur, Individualität und Genuss

Quellenangaben

KAPITEL 1

WARUM DIESES BUCH?

Die Dosierung ist extrem. Täglich wird in der Medienberichterstattung gesunde Ernährung angemahnt. Täglich wird die Menschheit mit Negativ-Meldungen über Nahrungsmittel, deren Bestandteile und deren Potenzial, den Körper und vielleicht auch den Geist erkranken zu lassen, traktiert. Ist ein Buch, das diese allgegenwärtigen und variantenreichen Erkenntnisse als Ernährungs-Wahn charakterisiert, erlaubt? Warum schreibt jemand ein Buch, das auf der Basis seriöser wissenschaftlicher Fakten und sauberer Recherche speziell das Thema Zucker analysiert? Ein alternatives Buch könnte so einfach und verlockend sein. Man könnte darin behaupten, die zerstörerische Droge Zucker würde zu geistiger und körperlicher Impotenz und letztlich zu tödlichem Krebs führen. Begeisterte Leser würden zustimmen. Man könnte prognostizieren, die Bevölkerung würde an durch Zucker verursachter Herzverfettung dahinsiechen und nur Strafsteuern und gesetzlich verankerte Müslirezepte könnten diesen Exodus noch aufhalten. In Talkshows zur Rettung der Menschheit würden abstruse Forderungen zur Bevormundung der Verbraucher mit Applaus quittiert. Zustimmung und Auflage wären solchen Büchern, weil sie dem Zeitgeist entsprechen, sicher. Man muss nur in den lauten Chor derjenigen einstimmen, die Zucker als ungesund, als Verursacher von Übergewicht und zahlreichen Krankheiten, als Droge oder sogar als Gift verunglimpfen. Und Zucker ist nur das prominenteste Beispiel. Fett, Fleisch, Eier, Belastungsspuren im Trinkwasser, Giftstoffe im Tee und vielleicht grundsätzlich die in großen Fabrikationen hergestellten Nahrungsmittel – es gibt so viele attraktive Themen, mit denen man ideologisch motivierten Applaus erzielen könnte.

Was verleitet also einen Autor dazu, sich dem plebiszitären Shitstorm derjenigen auszusetzen, deren Vorurteile sich nach Jahren der Zucker-Diskriminierung von unbegründeten Meinungen zu überzeugten Ideologien gewandelt haben? Warum analysiert er, dass viele der heute gepflegten Ernährungs-Ideologien das Resultat von wirtschaftlich erfolgreichen Predigern sind, die sich Angststörungen ihrer jeweiligen Anhänger nutzbar machen? Es ist erstens die Überzeugung, dass auch in einer durch Vorurteile belasteten Situation eine sachliche Diskussion möglich sein muss. Es ist zweitens die Überzeugung, dass der sogenannte Zeitgeist ein schlechter ist, wenn er jeglicher sachlichen Grundlage entbehrt. Und es ist drittens die Überzeugung, dass die permanenten Angriffe auf unsere Ernährung und speziell den Zucker durch Interessen getrieben werden, die nicht mit den Interessen der Verbraucher deckungsgleich sind.

Dem sachlich orientierten Leser soll es Lust auf die Lektüre machen. Und den selbst durch Tatsachen nicht zu irritierenden Ideologen soll an dieser Stelle eine kurze Skizze dessen, was auf den folgenden Seiten zu erwarten ist, als Warnung dienen. Das Buch will Ernährungsmythen aufdecken und zu einem wieder unbeschwerten Umgang mit der Nahrung animieren. Das Buch ist nicht primär eine ernährungswissenschaftliche Betrachtung des Themas Zucker. Die medizinisch unstrittige Erkenntnis, dass Zucker für unser Leben eine existenzielle Bedeutung hat, muss, weil durch eine Vielzahl von Fachpublikationen belegt, nicht durch ein weiteres Buch bekräftigt werden. Und gegen den Zucker gibt es keine wissenschaftlich validen Fakten, die ein sachlich ehrliches Buch füllen könnten. Die Behauptungen der Zucker-Gegner werden deshalb nicht vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Ernährung gewürdigt, sondern vor allem unter dem Aspekt ihrer Absicht und ihrer Herkunft. Warum beharren Menschen auf einer Lüge, für die sie keine schlüssigen Belege haben? Warum sind Menschen bereit, ihre Mitmenschen durch falsche Informationen in eine Richtung zu lenken, die eventuelle Probleme nicht löst, sondern sogar zu kontraproduktiven Entwicklungen führt? Warum entwickelt sich ein Meinungsklima, das die Freude an Ernährung nimmt und den Genuss als schädlich erscheinen lässt? Welche politischen Gefahren resultieren aus der Verunsicherung der Verbraucher und dem Meinungsdiktat von Interessengruppen, die für sich in Anspruch nehmen, dass ihre ideologischen Vorstellungen die alleinigen Leitplanken für das richtige Leben sind?

Dieses Buch analysiert einen gigantischen Fake und seine Konsequenzen. Es ist eine beeindruckende Irreführung der Menschen, bei der viele mitmachen, weil es ihnen gut erscheint und sie angeblichen Fachleuten vertrauen. Und man kann es schließlich seit Jahren immer wieder lesen. Die Medien sind Mitgestalter der großen Verunsicherung, entweder als Komplizen von Ernährungsdiktatoren, Anti-Zucker-Gurus oder als Opfer der Defizite an sachlicher Information. Wissenschaftlich fundierte Grundlagen gibt es weder für die Diskriminierung des Zuckers noch für die Glaubenskriege, mit denen Ernährung, Nahrungsmittel und Lebensmittelwirtschaft zunehmend überzogen werden.

Zahlreiche Protagonisten haben für sich aber auch die Vorteile für das eigene Wohlergehen erkannt. Mediziner wollen mit spektakulären Theorien Geld verdienen. Wissenschaftler lassen sich zu Interessenvertretern von Industrien machen, denen sie helfen, mit Angriffen auf den Zucker und die Ernährung insgesamt milliardenschwere Märkte aufzubauen. Ernährungsunternehmen versuchen, den Trend zu nutzen, um sich gegen Wettbewerber durchzusetzen. Und Organisationen, die sich als Schützer der Menschheit gerieren, schreien lauthals, um Geld zu verdienen und ihre Ideologien durchzusetzen, die bei kritischer Betrachtung oft einen durchaus menschenverachtenden Charakter haben.

Eigentlich, wie die sachliche Analyse zeigen wird, geht es auch gar nicht um den Zucker. Mit ihm lässt sich nur so gut argumentieren, weil er als Baustein in vielen Lebensmitteln und fast allen wohlschmeckenden Nahrungsmitteln steckt. Er ist der ideale Hebel für diejenigen, die gegen die heutige Ernährungswirtschaft zu Felde ziehen. Er ist der leicht merkfähige Begriff, um die Verbraucher zu erreichen. Was den Menschen nicht schmeckt, taugt schließlich nicht für den ideologischen Kampf. Beim schmackhaften Zucker ist das etwas anderes. Er ist die Vokabel, mit der neue Krankheitsbilder geschaffen werden sollen, um dann in willigen Märkten mit Erfolg Schlankheitspillen oder Drogen gegen angebliche Drogenabhängigkeit zu verkaufen. Der Zucker ist kein Problem, sondern der arme Sündenbock in einer Strategie mit gewaltigen wirtschaftlichen Interessen. Deshalb steht er als Beispiel im Mittelpunkt der Betrachtung. Er wird am lautesten angegriffen, er soll ein Universal-Verursacher von Krankheiten sein und über seine fiskalische Bestrafung wird sogar in der Politik eine ahnungslose Diskussion angestrengt. Zugleich ist er aber auch der Baustein in der Ernährung, der für eine Vielzahl von Genüssen zuständig ist. Und Genuss ist ein wesentlicher Aspekt der positiven Ernährung.

Die massive Front gegen den Zucker ist facettenreich und scheint bei den Gegnern die Fantasie immer wieder neu zu beflügeln. Behauptungen schaffen jedoch keine Wahrheiten. Zucker ist keine Droge wie Kokain. Der wohlschmeckende Nahrungsmittelbaustein erzeugt keine Sucht. Zucker ruft keine zwangsläufig letalen Krankheiten hervor. Zucker ist nicht der alleinige Verursacher von Übergewicht oder anderen sogenannten Wohlstandskrankheiten. Die medizinische Forschung hat mit Hunderten von wissenschaftlichen Arbeiten dagegen mehr als ausreichend belegt, dass Kohlenhydrate in der Ernährung und speziell der daraus gewonnene Zucker zu den wichtigsten Bausteinen des Lebens zählen. Deshalb gibt es auch keine Studie, die beweisen soll, dass Zucker nicht lebensgefährlich ist. Sie wäre so unsinnig wie eine Studie, die beweisen soll, dass der Organismus nicht durch das zum Überleben wichtige Wasser keinen Schaden nimmt – es sei denn, man ertrinkt darin. Kein seriöser Wissenschaftler käme auf die Idee, beweisen zu wollen, dass diese Bausteine des Lebens nicht krank machen. Vieles kann natürlich die Gesundheit schädigen, wenn zu viel davon konsumiert wird. Eine extreme Menge Kleie kann den Organismus ebenso zum Zusammenbruch bringen wie eimerweise getrunkenes Wasser. Gefährlich ist darum aber keines von beiden.

Strategisch geschickt wird das populäre Stichwort „Verbraucherschutz“ genutzt, um immer wieder die Verunsicherung der Verbraucher zu legitimieren. Vor wem ist der Verbraucher zu schützen? Vor der Lebensmittelwirtschaft, die ihn mit hochwertigen Produkten versorgt? Vor Nahrungsmitteln und Nährstoffen, die der Körper für seine Funktionsfähigkeit braucht? Oder vielleicht vor denjenigen, die mit Hetzparolen oder obskuren Ernährungstheorien Geld verdienen wollen und die danach trachten, uns jeden Genuss zu verbieten?

Die Realität ist beruhigend. Wir essen nicht, wie irreführend behauptet wird, extrem viel Zucker, und Zucker macht überdies nicht krank oder süchtig. Es ist eigentlich nicht kompliziert, sich mit Zucker figurbewusst und gesund zu ernähren. Und Zucker hat auch noch keinen Menschen süchtig gemacht. Wer anderes behauptet, dem fehlt jeder Beweis. Ersatzweise wird argumentiert: Gezuckerte Lebensmittel schmecken uns gut, und das ist schlecht. Wohlgeschmack als Problem oder Fehler? Lecker darf es also nicht mehr sein? Nein, jeder Mensch kann die Mengen selbst bestimmen und „Ja“ oder „Nein“ sagen. Dafür brauchen wir keine zusätzlichen Steuern oder Ampelsysteme. Als mündige Bürger sollten wir eine Ernährungsdiktatur über Zucker- oder Fettsteuern rundweg ablehnen. Denn fast alle Menschen lieben oder mögen nun einmal den süßen Geschmack. Das beginnt sofort nach der Geburt. Tropft man einem Neugeborenen eine Zuckerlösung auf die Lippen, lächelt es. Und die Liebe zum Süßen geht bis ins Seniorenalter weiter. Während die Geschmackswahrnehmung für Salz und andere Geschmacksrichtungen zunehmend nachlässt, ist das beim Süßgeschmack kaum der Fall. Selbst Hochbetagte lächeln noch, wenn sie Süßspeisen verzehren. Sie schmecken einfach gut, und daher essen wir gerne süß. Das ist unsere Natur, die wir uns nicht von Ernährungsdiktatoren austreiben lassen dürfen.

Wer an dieser Stelle, wohl ahnend, dass seine Vorurteile nicht bestätigt werden, die Lektüre des Buches einstellen möchte, sollte sein Verhältnis zur Wahrheit und sein Interesse an belegbaren Fakten, auch wenn sie sein bisheriges Weltbild stören, überprüfen. Auch den Lesern, die in diesem Moment den Kauf des Buches für eine Fehlinvestition halten, möchte ich Mut machen. Es kann ein befreiendes Gefühl sein, wenn sich bei der Lektüre die Erkenntnis durchsetzt, dass man bisher durch gezielte Fehlinformationen in die Irre geleitet wurde und Ernährung doch nicht so gefährlich ist, wie sie oft dargestellt wird. Es kann kritisches Bewusstsein wecken, wenn man erkennt, welche Interessen hinter der Instrumentalisierung der Verbraucher stecken. Und es kann die Augen für einige Themen mehr öffnen, mit denen Geschäftemacher und Ideologen unser Verhalten bestimmen wollen. Deshalb der Appell: Haben Sie den Mut, sich auf der Grundlage von Fakten eine eigene Meinung zu bilden. Wissenschaftlich fundierte Fakten sollen dazu beizutragen, dass Sie beim Genuss eines leckeren Marmeladenbrötchens, eines aromatischen Gebäcks oder beim Süßen des Kaffees oder Tees mit einem Löffel Zucker kein schlechtes Gewissen mehr haben. Zucker ist keine Sünde, und die Vermeidung von Zucker bringt für Sie und Ihre Gesundheit keine Vorteile, solange Sie sich insgesamt an die Grundlagen eines ausgewogenen gesunden Ernährungs- und Lebensstils halten. Das Buch soll aufklären, informieren und Sicherheit geben, solange der Genuss in diesem Land noch nicht zum Straftatbestand erklärt wird.

Das Buch hat eine klare Intention: Wir müssen den Wahn der ideologischen Ernährungsmythen beenden. Sie haben keinen Nutzen, provozieren allerdings erheblichen Schaden.

Der seit Jahren traditionell strapazierte Hebelpunkt, weil er für die notwendige Aufmerksamkeit sorgt, ist in der Ernährungsdiskussion der Zucker. Wir müssen, und dieses Buch legt dazu die notwendigen Fakten auf den Tisch, erkennen, dass diese Agitation gegen den Zucker ein gewaltiger Fake ist. Betrieben wird diese Agitation durch gekaufte Wissenschaft, Marketingstrategien großer Konzerne, die Orientierungslosigkeit staatlicher Institutionen, profilneurotische oder profitorientierte Mediziner und nicht zuletzt durch viele gutgläubige Menschen, die instrumentalisiert wurden, ohne dies zu ahnen.

Wir müssen uns wieder mit der Realität beschäftigen. Auch die Politik ist gefordert, sich an Fakten statt an modischen Trends zu orientieren. Regulation durch Strafsteuern ist erstens eine soziale Ungerechtigkeit. Und zweitens gibt es keine sachliche Grundlage, was überhaupt aus welchen erwiesenen Gründen besteuert werden sollte. Eine sogenannte Ampel für Nahrungsmittel ist die dreifarbige Variante dokumentierter Unwissenheit. Ein Mensch, der auf dem Sofa still sitzend jeden Tag ausgiebig grün gekennzeichnete Nahrungsmittel isst, wird die Ausdehnungen seines Körpers aufmerksam beobachten können. Die Ampel hat ihm dann keinen Nutzen gebracht, sondern im Gegenteil Schaden zugefügt, weil sie ihm den Blick auf seine wirklichen Probleme verstellt hat.

Wir müssen endlich begreifen, dass wir keine den Menschen entmündigende Ernährungspolitik brauchen, sondern eine den Menschen motivierende Lifestyle-Diskussion. Zu dieser Diskussion, auch wenn es vielen am Zeitgeist orientierten Ideologen nicht gefallen wird, will dieses Buch beitragen.

KAPITEL 2

DER IRREGEFÜHRTE VERBRAUCHER

La dolce Vita

Es hat schlicht wunderbar geschmeckt. Die Krönung kulinarischer Freuden war ein abschließendes Dessert, das den Geschmacksnerven eine Sensation beschert hat. Eigentlich könnte der Genießer so richtig zufrieden sein. Aber es keimen mannigfache Zweifel. War das gesamte Essen mit seinen exotischen Zutaten im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit eigentlich politisch korrekt? Hat das auf den Punkt gegarte Fleisch im Hauptgang vor seinem Weg in die Pfanne als lebendes Rind den Klimawandel beschleunigt? Steigt der Blutdruck nicht nur wegen der am Gewissen nagenden Fragen, sondern auch wegen der aromatischen Salzkruste? Wie viel den Geschmack optimierender, verstärkender Zucker war in allen Köstlichkeiten, und dürfen ein oder zwei weitere Löffel Zucker in den Espresso, ohne dass wir Suizid auf Raten begehen? Kann es überhaupt politisch korrekt sein, sich an einem Essen zu erfreuen und es sogar zu genießen?

Es drängt sich die Erkenntnis auf, dass Haferbrei mit Milch von glücklichen Kühen, die allerdings wegen des Klimawandels ihren persönlichen Methanausstoß im Griff haben sollten, besser gewesen wäre. Allerdings soll die Milch auch nicht so gesund sein, wie wir von Kindesbeinen an geglaubt haben. Vielleicht wäre der mit Wasser angerührte Brei die bessere Variante gewesen. Wenn da im Wasser nur nicht Spuren von Antibiotikaresten und einige andere Mitbringsel wären, die man heute im ppb-Bereich (neun Stellen hinter dem Komma) messen kann.

Liebe geht, einer alten Redensart entsprechend, angeblich durch den Magen. Die Verführung durch Kochkünste oder das Candle-Light-Dinner mögen nicht mehr korrekt im Sinne unserer Ernährungspolizisten sein, aber sie machen Freude. Schlimm ist dagegen, dass uns unser Essen heute ständig durch den Kopf geht. Ein befreites Genießen steht auf dem Index.

Das permanente Trommelfeuer auf unsere Ernährungsweise, auf unser Essen und Trinken ist ein Angriff auf unsere Kultur. Essen ist mehr als die Zufuhr von Nahrung zur Versorgung des Stoffwechsels. Die Art und Weise, wie wir uns ernähren, ist ein zentraler Bestandteil der Kultur einer menschlichen Gemeinschaft. Wenn hier die Axt der Bevormundung angelegt wird, ist es eine Attacke auf diese Gemeinschaft. Unter diesem Aspekt ist auch eine Differenzierung zwischen Ernährung und Essen erlaubt und sogar notwendig. Ernährung und die Diskussion darüber sind kognitiv gesteuert. Hier sind einer theoretischen Betrachtung Tür und Tor geöffnet. Das Essen ist dagegen primär emotional bestimmt. Prägende Faktoren beginnen bei Traditionen, gehen über ethnische Besonderheiten, spezifische Nahrungsmittel, die durch die regionale Landwirtschaft determiniert werden, bis hin zu Lebensstilen sozialer Gruppen – und nicht zuletzt bis zu dem, was wir unter Genuss verstehen. Nicht ohne Grund gibt es den Begriff „Esskultur“, der mehr bedeutet als den unfallfreien Umgang mit Messer und Gabel.

Es hat sich eine Ernährungsdiskussion herausgebildet, die den Menschen die Freude am Essen nimmt. Die Kluft zwischen dem, was die Menschen essen – und hier ist es vor allem das der täglichen Lebenssituation geschuldete Essen –, und dem, was als wissenschaftlich fundierte Ernährung gepriesen wird, nimmt ständig zu. Es ist eine Kluft, die den Menschen Sicherheit nimmt und Ängste provoziert.

Angriff auf die Psyche

Die Besserwisser der uns permanent verfolgenden Ernährungsaufklärung schaffen es, dass wir uns vor dem Essen und erst recht vor dem Genuss fürchten. Der lustfeindliche Umgang mit Ernährung ist ein Angriff auf die Psyche. Restriktion und Reduktion werden zu Leitlinien von Empfehlungen. Plakative Warnungen vor Fett und Zucker, vor Alkohol und Fleisch, vor Gluten (Getreideeiweiß) und Glutamat (Geschmacksverstärker) machen aus der Planung von Mahlzeiten Stress statt Vorfreude. Dazu kommen die geradezu religiös anmutenden Predigten der radikalen Fundamentalisten, die sich als moralische Instanzen gerieren. Sie wollen uns durch den Gedanken an Massentierhaltung und den Klimawandel die Freude an einem Steak nehmen. Verzicht wird als problemorientierte und moralisch korrekte Ernährung propagiert. Und das Heer der Gesundheitsberater bombardiert die Verbraucher mit Warnungen vor drohenden Krankheiten und einem frühen Exitus. Aber wir leben noch. Und nicht nur das. Wir leben eigentlich auch gut und immer länger.

Dennoch wird niemand behaupten, dass Menschen, die ein Leben lang gegessen haben, dies überlebt hätten. Wir haben nach wie vor eine Mortalitätsrate von 100 Prozent. Zahllose Ernährungsdogmatiker wollen uns allerdings glauben machen, die Ernährung sei schuld an diesem hohen Prozentsatz. Die Lebensweise, die im Prinzip eine gesunde sein soll, ist jedoch erheblich mehr als der wöchentliche Ernährungsfahrplan. Was der Mensch an zivilisatorischen Lebensbedingungen auszuhalten hat, ist nicht durch sorgfältig geplante und angeblich wissenschaftlich abgesicherte Mahlzeiten zu kompensieren. Vor diesem als dramatisch dargestellten Hintergrund des Konsums von Fett, Zucker, Weizen, Eiern und anderen uns nach Gesundheit und Leben trachtenden „Drogen“ und „Giften“ werden die Menschen sogar zunehmend älter. Und sie bilden dabei Beschwerden und Krankheiten aus, die nicht einzelnen Nahrungsmitteln anzulasten sind, sondern vor allem der Tatsache, dass sie so lange leben, also „alt“ werden. Viele Krankheiten, bei denen heute eine statistische Zunahme als vermeintlich dramatische Entwicklung bezeichnet wird, konnten die Menschen früher gar nicht erst bekommen. Sie waren schlicht nicht mehr unter den Lebenden, um an solchen altersbedingten Leiden zu erkranken.

Krankheiten sind auch Konsequenzen der gesellschaftlichen Realität. Als Ursache für Erkrankungen scheidet heute Nahrungsmittelmangel in unserer Gesellschaft praktisch aus. Auch die Lebensmittelvergiftungen früherer Zeiten sind kaum mehr relevant, weil wir durch Konservierung, Hygiene und Kühlung besser davor geschützt sind. Im Gegenzug steigen die Krankheiten an, die wir infolge eines körperlich weniger aktiven, stressbeladenen und längeren Lebens ausbilden. Diese chronischen Leiden und Erkrankungen sind neue Herausforderungen für die Medizin. Sie ausschließlich und immer der Ernährung oder sogar einzelnen Nahrungsmitteln anlasten zu wollen, ist unverantwortlich.

Orthorexia nervosa

Es ist eine gute Absicht, gesund leben zu wollen. Das in der Ernährungswissenschaft immer wieder als richtungsweisend beschriebene Konzept dazu lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Ausgewogen und vielseitig essen und dabei auf eine gute Balance zwischen den aufgenommenen Kalorien und dem Verbrauch durch körperliche Aktivität achten. Der eigene Körper signalisiert, was er braucht, was ihm schmeckt und was ihm bekommt. Und jeder weiß individuell, was für ihn Genuss ist. Ein einfacher und guter Grundsatz, mit dem sich allerdings keine Diäten, Programme oder kostspielige Alternativ-Nahrungsmittel verkaufen lassen. Wer braucht dann Bücher, in denen behauptet wird, dass Weizen dumm macht oder Zucker tödlich ist? Wer glaubt an das den Tod bringende Cholesterin in Eiern, um willig Cholesterinsenker zu schlucken? Wer kauft dann angeblich heilende Galaktose zum einem Kilopreis von 270 Euro als Zucker-Alternative? Wir brauchen den permanenten Psychostress der Ernährungsattacken, um einen gewaltigen Markt in Schwung zu halten.

Die Lektüre der inflationären Ernährungs-Aufklärung kann den Appetit auf die bewährten und beliebten Speisen gründlich verderben. Die Schokolade bleibt mit dem Gefühl, aktuell die Gesundheit zu ruinieren, im Halse stecken. Wer dann leider nicht bei der Schokolade bleibt, sondern den Entschluss fasst, eine gesunde Ernährung zu suchen, hat einen fatalen Schritt getan. Er steht einer Phalanx von Ernährungsideologien gegenüber. Unterstellt man mit dem Höchstmaß an Wohlwollen, dass manche dieser Ratschläge und Empfehlungen gut gemeint sind, so muss man dennoch nüchtern feststellen, dass nicht ein Ernährungsprogramm die Legitimation hat, zur Gesundheit beizutragen. Der irritiert nach vermeintlich gesunder Ernährungsweise suchende Verbraucher mag an eine sympathisch klingende und mit oft moralischem Anspruch verbrämte Kost glauben und sich damit vielleicht auch gut fühlen. Eine wissenschaftliche Grundlage gibt es dafür in keinem Fall. Es sind fantasievoll ausgedachte Hypothesen, die leider oft zu einer Mangelernährung führen. Wer bei veganer Kost seine Defizite durch Ergänzungspräparate und Vitaminpillen ausgleichen muss, dürfte kaum der Überzeugung sein, eine von der Evolution herausgebildete natürliche Lebensweise zu praktizieren. Von der permanenten Selbstkasteiung der an Rohkost knabbernden Gläubigen ganz zu schweigen.

Der Wunsch ist der Vater des Gedankens. Nichts Genaues weiß man nicht. Deshalb weisen ehrliche Wissenschaftler bei ihren Studien zur Ernährung fast immer darauf hin, dass sie zwar Korrelationen gefunden haben, diese aber nicht in ihren Ursachen begründen können und wohl weitere Forschung notwendig ist. Korrelationen sind eben keine Ursache-Wirkung-Beziehung. Analoge Studien führen dann häufig zu einem völlig anders lautenden Ergebnis. Und das provoziert dann die Verschwörungstheoretiker, die nicht in ihr Weltbild passende Studie als interessengesteuerte Manipulation zu diskriminieren. Doch so einfach ist es nicht. Korrelationen sind nun einmal keine Kausalitäten.

Wenn nur das veröffentlicht werden würde, was Sinn macht und als wissenschaftlich bewiesen gelten kann, hätten die Medien viel Platz für wichtigere Nachrichten gewonnen. Nur ein paar Beispiele zum Studien-Gewirr: Süßigkeiten sollen, weil in ihnen Zucker steckt, dick machen. Eine Studie stellt dagegen überraschend fest, dass die Schlanken mehr Süßigkeiten essen als die Übergewichtigen. Übergewichtige, und auch da soll der Zucker ein Mitverursacher sein, drohen an Diabetes zu erkranken. Die aktuelle Forschung erkennt, dass allerdings die Genetik ein wesentlicher Grund für die Erkrankung ist. Ein weiterer möglicher Grund: 2013 konnten Wissenschaftler feststellen, dass es zwischen einer geringen Melatonin-Ausschüttung und dem Risiko, an Diabetes zu erkranken, eine Relation gibt. Das würde bedeuten, dass ein Schlafmangel zu den Ursachen zählt. Wohl jedem bekannt ist der Appell, viel Obst und Gemüse zu essen. Das führt bei den Intensiv-Essern jedoch zu keiner Vermeidung von Krankheiten, aber zu einer Zunahme der Verdauungsbeschwerden auf breiter Front. Sensible Esser sollten bei Auswahl und Menge auf ihren Körper hören, statt Parolen zu glauben. Ballaststoffe und Fruchtzucker verträgt nicht jeder Darm in großen Mengen. Moderate Fleischesser zeigen, auch dazu gibt es Studien, weniger Erkrankungen als praktizierende Vegetarier, die als Belohnung für ihren Verzicht keineswegs mit längerem Leben belohnt werden. Das sind alles auf Fakten basierende Korrelationen, die eine große Gemeinsamkeit haben: Keiner kennt die wirklichen Gründe für die Korrelationen. Und auch für die Behauptung, dass Zucker oder Salz die Gesundheit schädigen, gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis. Was wir allerdings definitiv wissen, ist die Tatsache, dass Zucker der unverzichtbare Treibstoff für das Gehirn ist. Und exakt das sollte bei der Lektüre der variantenreichen Weisheiten genutzt und auf den Modus „kritische Wahrnehmung“ geschaltet werden.

Obwohl kein Mediziner, wenn er ehrlich ist, eine Liste guter und schlechter Nahrungsmittel definieren kann, werden wir mit diesen Klassifizierungen täglich in immer wieder neuen Varianten konfrontiert. Diese angebliche Aufklärung tut den Verbrauchern Gewalt an. Sie hat sogar schon zu einer neuen Krankheit geführt, weil Ernährungsmediziner und Psychotherapeuten zunehmend gemeinsame Patienten haben. Es sind diejenigen, die ein Ernährungsweltbild haben, das an ihrer körperlichen und geistigen Unversehrtheit kratzt. Die Fixierung auf das vermeintlich erstens gesunde und zweitens moralisch korrekte Essen kann zwanghafte Züge annehmen. Die um ihr Wohl besorgten Esser respektive Nahrungsmittel-Verweigerer, denen kein reichhaltiges Buffet Lösungen bietet und die eine Tisch-Konversation schnell in Richtung Unverträglichkeiten und Zusatzstoffen dirigieren, sind in einer genussvollen Runde sozial unverträglich. Für ihr ideologisches Verhalten, meist gepaart mit dem Hang, ihre Mitmenschen missionieren zu wollen, ist ein Krankheitsbild definiert worden. Um Orthorexia nervosa soll es sich handeln.