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Madarejúwa Tenharim und Thomas Fischermann

Der letzte Herr des Waldes

Ein Indianerkrieger aus dem Amazonas erzählt
vom Kampf gegen die Zerstörung seiner Heimat
und von den Geistern des Urwalds

C.H.Beck

Zum Buch

Der junge Krieger Madarejúwa Tenharim ist einer der letzten Herren des Amazonaswaldes. Sein traditionsreiches Volk umfasste einmal mehr als zehntausend Menschen, ist aber auf knapp tausend geschrumpft. 2013 ist ihm der ZEIT-Journalist Thomas Fischermann zum ersten Mal auf einer Expedition begegnet. Seither ist Fischermann mehrfach pro Jahr in die Gegend gereist, wurde als erster Weißer zu heiligen Stätten des Volkes geführt, hat am Leben der Tenharim teilgenommen und hunderte Stunden Interviews geführt und aufgezeichnet – mit Madarejúwa selber, den Häuptlingen, Heilern und den Stammesältesten.

«Der letzte Herr des Waldes» ist aus der Ich-Perspektive des Protagonisten Madarejúwa erzählt – aufgeschrieben von Thomas Fischermann. Es geht auf die Jagd nach Wildschweinen und Affen, in den Kampf mit Jaguaren und Anakondas, an mystische Stätten zu Ritualen und Festen. Die Streifzüge mit Madarejúwa Tenharim machen begreifbar, was der Wald für den jungen Mann und sein Volk bedeutet: Wenn die Natur stirbt, dann sterben auch sie. Aus dem Wald beziehen sie ihre Nahrung, ihre Naturheilmittel, ihre Identität und Spiritualität. Aus erster Hand erfahren wir von einem uralten Verständnis der Balance zwischen Mensch und Natur.

Über die Autoren

Madarejúwa Tenharim, geb. 1996, ist ein Krieger vom Clan der Mutum und vom Volk der Tenharim. Er wurde ungewöhnlich früh von den Häuptlingen als begabter Bogenschütze entdeckt und erhielt schon mit acht Jahren die Erlaubnis, auf große Tiere wie Tapire und Wildschweine zu schießen.

Thomas Fischermann, geb. 1969, ist für die ZEIT in Südamerika. Seit 2013 lebt er in Rio de Janeiro. Zuvor arbeitete der studierte Ökonom, Sozial- und Politikwissenschaftler für die ZEIT in London und New York sowie als Koordinator der internationalen Wirtschaftsberichterstattung von Hamburg aus. Für Beiträge in der ZEIT erhielt Fischermann u.a. den Deutschen Journalistenpreis.

Inhalt

1.: Ich bin Madarejúwa

2.: Reise an den Ursprung der Welt

3.: Nhandyvuhua – Der Weg in die Kastanienhaine

4.: Anhağa – Der Wald ist voller Seelen

5.: Transamazônica – Straße der Weißen

6.: Ka’gwyrapora – Das Schwein, das eine Schlange war

7.: Nhandegwyra – Unser Land

8.: Yporokweruhua – Die Überschwemmung der Welt

9.: Kwaitava – Der Weg der Schamanen

10.: Mbaira – Der Mann mit der Maske

11.: Yvaga’nga – Menschen, die im Himmel leben

12.: Avujipava – Sie waren Kannibalen

13.: Ami – Die Alte und ihr Wundergarten

14.: Yvyapora – Die Dinge der Erde

15.: Mbotava – Ein Fest für alle Menschen

16.: Über dieses Buch

Danke

Bildteil

ANHANG

Anmerkungen

Verwendete Literatur

Weiterführende Links

Für Daniel

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Madarejúwa Tenharim an den Wasserfällen von Yty’Hu …

… und beim Fischfang im Marmelos-Fluss

Die Fähre über den Rio Madeira führt zum Reservat der Tenharim.

Anlegestelle für Boote im Marmelos-Dorf

Auf den alten Indianerpfaden muss Madarejúwa den Weg jedes Mal neu freischlagen.

Madarejúwa zeigt die Benutzung von Pfeil und Bogen.

Zubereitung eines Kapuzineraffen an der Feuerstelle im Lager

Brandrodungen zerstören den Amazonaswald …

… und machen Platz für Rinderherden.

In der nahen Kleinstadt Humaitá sind Rinder Big Business.

Arbeiter eines Großfarmers am Rand des Tenharim-Reservats bereiten ein abgefackeltes Waldstück für die Landwirtschaft vor.

Tu’ã, Jahrgang 1939, stammt aus der Schamanenfamilie der Tenharim und warnt vor der Zerstörung des Regenwaldes.

Agostinho (links) und Topeí Tenharim (rechts) aus der Schamanenfamilie bewachen das Marmelos-Dorf.

Der Häuptlingssohn Ilton will eine Straßensperre an der Durchfahrtsstraße Transamazônica einrichten.

Die Transamazônica führt 4223 Kilometer von West nach Ost durch den Amazonaswald. Sie war ein Projekt der brasilianischen Militärdiktatur.

Jäger transportieren vorgeräucherte Tapir- und Wildschweinstücke ins Dorf.

Beim Räuchern nach Tenharim-Rezept wird das Fleisch für zwei Wochen haltbar gemacht. Es ist nur außen pechschwarz, innen aber rosig und saftig.

Spätestens seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts drangen Kautschuksammler in das Gebiet der Tenharim ein, um die Latexbäume anzuritzen und aus ihrem Saft Gummi zu kochen.

Ein Tenharim-Krieger trägt für das Mbotava-Fest …

… die traditionelle Kriegsbemalung auf.

Junge Tenharim-Frauen werden für das Mbotava-Fest …

… mit dem Muster einer Anakondaschlange bemalt.

Beim Mbotava-Fest fallen den Dorfältesten festgelegte Rollen bei den Ritualen zu. Hier der Urgroßvater von Madarejúwa, Mohã Tenharim, ca. Jahrgang 1934.

Zum Eröffnungstanz des Mbotava-Fests spielen die Häuptlinge und Dorfältesten auf Taboca-Flöten.

Festlich geschmückt warten Krieger und ihre Frauen am Dorfrand auf Gäste von anderen Amazonasvölkern.

Wer Federkronen in welcher Größe und Farbgebung tragen darf, ist streng nach Status und Clanzugehörigkeit festgelegt.

Madarejúwa kann aus den Flugbahnen der Vögel ablesen, welche Tiere sonst noch in der Gegend sind.

1.

Ich bin Madarejúwa

Magst du mir folgen? Hier entlang. Ich will dir etwas zeigen. Du musst aber tun, was ich dir sage. Vertraust du mir? Gut. Sei still, ganz leise. Mach einen Schritt nach vorn und bleib dann stehen. Beweg dich nicht mehr. Spann deine Muskeln an und halte den Atem an. Jetzt sag mir, wo du hier bist.

Du stehst auf einer Waldlichtung, ja, da hast du recht. Aber hast du auch die Affen bemerkt? Richtig, da oben, dort sitzt einer von ihnen. Ich habe schon elf in drei Gruppen gezählt. Ein starker Geruch liegt in der Luft, ein wenig bitter, das ist ein Wildschwein, riechst du es auch? Wir können seine Spur verfolgen und es jagen gehen.

Wenn du still wirst, kannst du alles wissen. Dann hat der Wald keine Geheimnisse vor dir. Aber ich glaube, du bist noch taub und blind. Du atmest laut, riechst stark. Der Boden zittert, wenn deine Füße ihn berühren.

Lass uns weitergehen. Vielleicht kannst du noch lernen. Lauf hinter mir und schau dir ab, wie man sich im Wald bewegt. Kannst du die Füße abrollen, leise, sieh her, so wie ich?

Lass mich pfeifen, das Volk der Tenharim kennt die Sprache der Tiere. Piu-u-u-u-ieeeee! Dann werden sie antworten und wir können mehr über sie erfahren. Hörst du? Einer pfeift zurück. «Amigo» hat er gesagt. Ha! Das muss dir gegolten haben. Der Affe da oben ist dein Freund.

Ein Hirsch war hier, er hat an der Wasserstelle getrunken. Vorne im Gebüsch sitzt ein Gürteltier. Mach dir keine Sorgen, nichts Gefährliches droht dir an diesem Ort. Der Boden ist sauber, die Adler stehen am Himmel. Hier wirst du mitten am Tag keiner Schlange begegnen.

Ich bin Madarejúwa, ein Krieger vom Volk der Tenharim. Den gleichen Namen haben andere Männer vor mir getragen, große Jäger, weise Häuptlinge und Eroberer. Ich bin stolz darauf, es ist ein guter Name. Die Tenharim haben viele Kriege geführt und stets gewonnen. Heute sind unsere Gegner die Weißen.

Nein, nicht du. Nicht alle. Du bist ein Gringo, nicht von hier. Ich spreche von den Weißen, die eine Straße durch unser Land gebaut haben, über die Gräber unserer Toten hinweg. Jetzt dringen sie wieder ein und fällen die Bäume. Sie quälen die Tiere und schürfen im Boden nach Metall.

Wir werden uns wehren. Ich werde mich wehren. Ich bin einundzwanzig Jahre alt und bereit, für die Verteidigung meines Volkes zu sterben. Doch ich werde nicht sterben. Ich kenne die Gesänge der Tenharim. Die Ältesten haben mir alles beigebracht, was ich brauche, um gegen unsere Feinde zu bestehen. Ich war schon nahe an ihren Lagern im Wald, wo sie mit Feuerwaffen standen. Mit meinen Pfeilen hätte ich sie treffen können, so dicht stand ich nebendran, und sie haben mich nicht gesehen, nicht gehört. Wir Tenharim wissen, wie man sich unbemerkt im Wald bewegt. Wir sind ein friedliches Volk und wollen mit allen in Frieden leben. Doch wenn es einen Krieg gibt, werden wir ihn gewinnen.

Früher gab es hier einen Ort, er hieß Pagão. So hat ihn ein Missionar genannt. Pagão bedeutet «großes Dorf der Heiden». Es gibt noch einen anderen, wahren Namen, aber den werde ich dir nicht verraten, noch nicht. Ich muss erst die Älteren fragen, ob ich es darf. Das geht nicht gegen dich, es hat einen Grund. Die Geheimnisse der Tenharim sollen nicht an unsere Feinde fallen, die uns zerstören wollen.

Ich habe dich hergebracht, weil du die Geschichten meines Volkes verstehen sollst. Darüber haben wir viel zu sprechen. Wir sind jetzt nicht mehr weit vom Ursprung der Welt, dem ältesten Teil des Waldes, wo die Erinnerung beginnt. Hier spielen die Geschichten aus der alten Zeit. Die Großeltern erzählen sie uns, und sie haben sie selber von ihren Großeltern gehört. Sie sagen, dass Gott in dieser Gegend die Bäume, die Tiere und das Volk der Tenharim erschaffen hat.

2.

Reise an den Ursprung der Welt

2013 begegnete ich den Tenharim zum ersten Mal. Ich war damals in einem Rechercheteam aus zwei Journalisten, einem Fotografen und einem Waldführer im Amazonasgebiet unterwegs und suchte nach den Spuren eines Krieges. Das ZEIT Magazin hatte uns gebeten, über Zusammenstöße zwischen Holzfällerbanden und Amazonasvölkern zu berichten,[1] weil diese seit vier, fünf Jahren erneut eskalieren. Auch die Abholzung des tropischen Regenwaldes hat in dieser Zeit wieder stark zugenommen, nachdem es zu Beginn des Jahrtausends vorübergehend ein paar Erfolge für den Umweltschutz gab.[2] Diese beiden Phänomene hängen zusammen. Viele indigene Völker[3] bangen heute um ihr Überleben, weil sie den Holzfällern im Wege stehen.

Wir hatten damals noch nicht viel Erfahrung mit solchen Reportagen. Unser gemieteter VW-Gol, eine sparsame brasilianische Kleinfassung des deutschen Golfs ohne den Buchstaben «f» am Ende, erwies sich rasch als ungeeignet: Mit den riesigen Distanzen am Amazonas ist nicht zu spaßen. Ein Ort, der auf der Karte ganz nah aussieht, kann in Wirklichkeit eine Tagesreise entfernt liegen, und so holperten wir Stunden um Stunden schlecht gefedert auf schlammigen Lehmtrassen durch den Wald. Wir fluchten über die kollabierende Klimaanlage und wichen Straßenlöchern aus, in denen unser Fahrzeug komplett hätte verschwinden können. Nachts blieben wir in Motels für Lastwagenfahrer oder in unseren mitgebrachten Hängematten, die wir in Hütten und unter Bäumen aufknüpften. Der Kofferraum war vollgepackt mit Proviant, Toilettenpapier und Moskitospray.

Die langen Fahrten hatten auch einen Vorteil, denn sie machten uns eines klar: Es stimmt, was wir zuvor auf Satellitenfotos gesehen haben. Der Wald ist auf dem Rückzug. Man kann heute stundenlang durch das Amazonasgebiet fahren, wo früher noch Urwald stand, und durch die Wagenfenster nichts als Weiden und Sojapflanzungen sehen, bis an den Horizont.

Zusammenhängende Waldstücke findet man am Amazonas vor allem noch in den Indianergebieten – dort, wo indigene Völker ihre Heimat verteidigen.[4] Auch sie kann man auf den Satellitenfotos gut erkennen, als dunkle Flecken aus dichten Baumkronen, durchschlängelt von Flüssen. Ringsherum zeigen die Aufnahmen die Karos landwirtschaftlicher Betriebe auf entwaldeten Flächen. Brasilien gilt als der größte Waldvernichter der Welt. In den vergangenen fünfundvierzig Jahren wurde dort ein Fünftel der Amazonasbäume umgesägt, was einer kahlgerodeten Fläche so groß wie zweimal Deutschland entspricht. Ein weiteres Fünftel ist ausgedünnt und schwer beschädigt. Im Augenblick liegen die Steigerungsraten bei der Abholzung pro Jahr mal bei 20, 40, 50 Prozent.[5] Als wir 2013 unsere Reportage vorbereiteten, erklärten uns Klimaschützer, dass das Amazonasgebiet der größte Wasserspeicher des Planeten und ein gigantischer Vernichter von Treibhausgasen sei, doch neuerdings funktioniere der Wald nicht mehr richtig. Die grüne Lunge der Welt gerate außer Atem. Anderswo auf dem Planeten seien deshalb nun Überschwemmungs- und Dürrekatastrophen zu erwarten.

Unser Rechercheteam war damals schon eine gute Woche im südlichen Amazonasgebiet unterwegs, als uns eine Nachricht aufschreckte. Im Radio hieß es, dass ein Indianervolk namens Tenharim erneut damit begonnen habe, brasilianische Siedler zu ermorden. Mitten durch das Stammesgebiet der Tenharim führt die Transamazônica, eine Fernstraße aus Lehm, die in den siebziger Jahren 4223 Kilometer weit von West nach Ost durch den brasilianischen Regenwald gebaut wurde – und genau dort wurden nun offenbar drei Männer, zwei Weiße und ein Schwarzer aus den umliegenden Siedlungen, in ihrem Auto erschossen. Die Polizei fand ihre Leichen später verscharrt auf dem Stammesgebiet der Tenharim. Sie steckte fünf Krieger des Volkes ins Gefängnis.

Die Ereignisse waren für unsere Reportage interessant, denn die Gegend rings um das Stammesgebiet der Tenharim gilt als Abholzungs-Hotspot. Die Transamazônica ist einer der wichtigsten Transportwege für legal und illegal geschlagenes Holz. Wir fuhren hin – einen Tag und eine Nacht lang –, um das wehrhafte Volk zu besuchen. Doch als wir ankamen, war alles abgesperrt. Soldaten sicherten die Straße, Hubschrauber kreisten in der Luft. Die brasilianische Regierung wollte beide Seiten voreinander schützen, denn in den Nächten zuvor waren Lynchmobs weißer Siedler vor die Dörfer der Tenharim gezogen, hatten Hütten und sogar den Außenposten der staatlichen Indianerschutzbehörde in Brand gesteckt.

Im ersten Anlauf hielten die Sicherheitskräfte auch uns Journalisten davon ab, das Gebiet der Tenharim zu betreten, doch Leute von der Indianerschutzbehörde organisierten später ein heimliches Treffen mit Anführern des Volkes. Die Situation war angespannt. Die Tenharim bestritten die Morde, und sie sprachen eine Einladung aus: Ich solle sie besuchen kommen, in ein paar Monaten, wenn die Lage sich wieder beruhigt habe. Dann könne ich die Wahrheit über ihr Volk erfahren, über ihre jahrtausendealte Kultur und ihren bitteren Kampf gegen weiße Siedler.

Am Ende bin ich immer wieder hingefahren. Die Lokalpresse im südlichen Amazonas und die nationalen brasilianischen Medien berichteten, wenn überhaupt, aus feindlicher Perspektive über die «mörderischen» Tenharim. Ich dachte mir: Wenn ich schon ihrer Geschichte auf den Grund gehen wollte, dann richtig. Ich wurde zum Frequent Flyer auf der Strecke zwischen Rio de Janeiro und der Amazonasmetropole Porto Velho. Ich lernte aus vergangenen Fehlern und mietete dicke Trucks mit Vierradantrieb und bruchfesten Achsen. Wochenlange Recherchetrips und ganze Urlaube verbrachte ich bei den Tenharim, später habe ich die Expeditionen für dieses Buch durchgeführt. Ich wollte verstehen, was die Tenharim in diese verzweifelte Auseinandersetzung trieb, und sehen, ob sie dabei überleben können.

Bei einer dieser ersten Reisen lernte ich Madarejúwa kennen, den jungen Krieger, der auf diesen Seiten seine Geschichte erzählt. Er war damals neunzehn Jahre alt, und im Gegensatz zu einigen anderen Mitgliedern seines Volkes sprach er nicht viel. Sein Großvater und der Häuptling legten aber vertrauensvoll und mit großer Selbstverständlichkeit unsere Exkursionen in die Verantwortung des jungen Mannes, und dieser plante sie mit großer Ruhe und Ernsthaftigkeit: zu Wasserfällen, in alte Dörfer und in jene Gegenden des Waldes, die die Tenharim als den Ursprung ihrer Welt ansehen. Mit tiefer Loyalität sprach er über seine Kultur und sein Volk. Unter den Tenharim galt er als ein Ausnahmetalent, als ein Meisterschütze, der schon im Alter von acht Jahren in den Stand eines Kriegers erhoben wurde. Er war ein Heranwachsender mit guten Aussichten, ein «Meister der Kultur» zu werden, der sich auf die traditionelle Pflanzenkunde genauso versteht wie auf die Konstruktion tödlicher Pfeile aus Bambus, Arafedern und Curaregift.

Man darf seine Jugend nicht aus den Augen verlieren: Madarejúwa ist weder ein mächtiger Mann in seinem Volk noch ein weiser alter Schamane. Während unserer Gespräche erinnerte er mich häufig daran, dass ihm noch die Erfahrung fehle, um mir bestimmte Antworten geben zu können. Da solle ich bitte die Häuptlinge und die Alten fragen – und das haben wir, in der Regel gemeinsam, gemacht.

Diesem Buch liegen also viele hundert Stunden Gespräche mit Madarejúwa zugrunde, aber auch mit seinen Häuptlingen und den alten Meistern der Kultur. Häufig haben wir einfach im Schein des Feuers an irgendeiner Lichtung gesessen und in einer großen Gruppe von Männern über den Wald und seine Geister gesprochen. Wir haben Madarejúwas Großvater Kikí auf seiner Holzveranda besucht und im Kreis der Großfamilie den alten Geschichten gelauscht. Kikí ist einer der angesehensten Männer bei den Tenharim. Madarejúwa begreift ihn als seinen wichtigsten Lehrer.

Die Tenharim bewahren das Wissen über den Umgang mit der Natur großteils in solchen Geschichten auf. Zu ihren Mythen und Erzählungen gehört zum Beispiel die yporokweruhua (Seite 87): die große Überschwemmung des Waldes. Von allen Geschichten gibt es unterschiedliche Erzählversionen in deutlich variablen Längen, und die ausführlicheren von ihnen enthalten lange Listen von Pflanzen, Orten und landwirtschaftlichen Methoden. Beim Erzählen und beim Zuhören wird das alte Wissen aufgefrischt. Viele Geschichten der Tenharim versinnbildlichen auf sehr direkte Weise ökologische Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten. Andere erinnern an frühere Missgeschicke des Menschen im Umgang mit der Natur. Für die Nachfahren werden sie als Mahnung lebendig gehalten.

Man kann diese Geschichten also, unter anderem, als eine Gebrauchsanweisung für den Regenwald verstehen. Als ein forstwirtschaftliches Handbuch, dessen Erstauflage aus der Vorzeit stammt.

Madarejúwa hat sich geschworen, dass er sein Volk im 21. Jahrhundert zum Sieg gegen seine Feinde führen will. Als sein Begleiter auf unseren Streifzügen durch das Tenharim-Reservat konnte ich begreifen, woher die Entschlossenheit rührt. Wenn dieses Stück Natur stirbt, sterben auch die Tenharim. Aus dem Wald beziehen sie ihre Nahrung und ihre Naturheilmittel. Womöglich ließen diese sich noch durch Einkäufe in der Stadt ersetzen, doch der Umgang mit der heimischen Natur verleiht Madarejúwa auch seine Identität. Ohne den Wald wüsste er nicht, wer er ist. Die alten Erzählungen und die Praktiken seiner Kultur ergeben nur hier einen Sinn.

Dieses Buch ist Madarejúwas Geschichte: die Erfahrungen eines jungen Mannes, der in eine jahrtausendealte Kultur hineingeboren wurde – um beim Heranwachsen festzustellen, dass ihr entscheidender Überlebenskampf begonnen hat.

3.

Nhandyvuhua – Der Weg in die Kastanienhaine

Ich binde das Boot hier vorne fest. Wir gehen an Land. Klettere die Böschung hinauf, so wie ich! Viele Stunden lang sind wir auf dem Marmelos-Fluss gefahren, gegen den Strom, nach Süden hin. Mein Volk will, dass ich dir etwas zeige, aber ich muss dich warnen. Es gibt nicht mehr viel zu sehen – nur noch den Wald, den Fluss und diese Lichtung. Doch du solltest wissen, dass meine Vorfahren hier ihr Leben verbracht haben. Sie wohnten nicht an dem Ort, an dem wir uns begegnet sind, in der Nähe der Straße, wo du dein Auto abstellst. Sie wohnten hier, wo wir jetzt stehen.

Lange ist Pagão der wichtigste Ort der Tenharim gewesen. Mein Großvater Kikí ist an dieser Lichtung aufgewachsen, da war Pagão noch ein großes Dorf, das größte der Tenharim. Drüben stehen ein paar Pfähle, sie sind aus einem besonders festen Holz gemacht, einem speziellen Holz, nur diese Art Holz kann so viele Jahre überdauern. Die anderen Teile der Häuser verrotten schnell. Du musst sie dir vorstellen. Pagão war ein großes Dorf, in dem vierzig Menschen wohnten. Es gab auch ein Rundhaus für die Feste und ein anderes Haus für das Rösten von Maniokmehl. Die Querstreben waren mit Knoten aus Schlingpflanzen[6] festgemacht und die Dächer mit Wedeln der Babassu-Palme[7] gedeckt.

Jetzt wohnen hier bloß noch die Geister. Pagão ist ein Ort aus der alten Zeit. Die Alten sagen, es ist auch ein heiliger Ort. Überall sitzen Vorfahren in ihren Gräbern unter der Erde. Es hat viele Tote gegeben in Pagão, als die Weißen kamen. Von zwanzig Toten könnte ich dir die Namen sagen, aber ich kenne mich nicht gut aus, es sind viel mehr.

Ja, richtig, dort vorne stehen Kreuze im Wald, aus Ästen und Eisennägeln. Früher machten wir solche Kreuze nicht, unsere Toten wurden anders begraben. Meine Vorfahren beerdigten die Toten im Sitzen, in einem Loch unter ihren Häusern. Sie balsamierten sie mit gestoßenen Samen der Pflanze urucum[8] und wickelten sie in ihre Hängematte ein. Ein Meter Erde drüber, das war’s. Was dem Toten gehörte, wurde unter den Verwandten verteilt, die Familien hatten sogar ein Recht darauf! Jeder konnte sich etwas nehmen, nur die Pfeile nicht, sie wurden zerbrochen und dann verbrannt. So haben sie es mit den Toten gemacht.

Heute stehen die Kreuze hier. Die Missionare haben viel verändert, sagen die Alten. Sie haben sich in unser Leben eingemischt und sogar in die Gräber der Toten. Sie haben diesen Ort «das große Dorf der Heiden» genannt, obwohl er in Wahrheit anders heißt.

Lass uns weitergehen. Iiiii, pass auf, wohin du trittst! Es ist besser, ich gehe vor, sonst verhakst du dich im Gebüsch. Wir machen es jetzt so: Ich schlage den Weg mit der Machete frei, und du kommst hinterher. Lauf nicht zu schnell. Halte den Blick nach unten. Der Boden ist von Blättern und Schlingpflanzen bedeckt. Wenn du nicht hinschaust, kann es tückisch sein. Tiere graben tiefe Löcher, du kannst hineintappen, dein Fuß bleibt stecken und du wirst verletzt. Schlag ruhig weiter nach den Moskitos, doch, ich finde, es sieht lustig aus. Du kannst nichts gegen sie machen. Ich kann die Moskitos auch nicht leiden. Sie werden uns sowieso stechen.

Im Wald gibt es Dinge, die man nicht sehen kann. Keiner kann sie sehen, ich auch nicht, man muss aber von ihnen wissen. Du musst verstehen, dass dieser Ort nicht tot ist, obwohl hier keiner mehr wohnt. Er hat immer noch ein Leben. Jedes Jahr läuft ein Teil meines Volkes hier entlang. Pagão ist eine Kreuzung vieler Pfade, man schlägt sie mit der Machete frei, so wie jetzt wir. Der Wald wächst schnell wieder zusammen, deshalb kannst du die Wege nicht sehen. Aber ich kann dir sagen, wohin sie führen.

Schau dort hinüber! Dort beginnt ein Pfad, der sehr wichtig ist. Wenn du fünf bis sieben Tage lang in diese Richtung läufst, kommst du in Marmelos an. Das ist das Dorf, das an der Fernstraße liegt. Marmelos ist größer, als Pagão es früher war. In Marmelos leben fast zweihundert Menschen, hier sind es nur etwa vierzig gewesen. Die anderen wohnten im Wald verteilt. Aber damals war Pagão das größte Dorf.

In Richtung Süden erreichst du das Quellgebiet des Marmelos-Flusses. Auch das ist noch weit, sogar mit Motor dauert es einen ganzen Tag. Dort ist der Wald zu Ende, du erreichst die Sümpfe, viele Bäche und Seen. Dort gibt es auch Quellen mit frischem Wasser. Ich fische und jage dort gern. Das Land ist flach, du kannst weit blicken. Wir wissen, dass die Tiere zum Trinken immer die gleichen Stellen aufsuchen. Viele Wochen und Monate verbringe ich in den Sümpfen, kommt immer darauf an, welche Tiere man trifft. Eine Jagd kann lange dauern. Doch ich muss dich warnen, die Sümpfe sind gefährlich, es gibt dort Kaimane und Riesenschlangen. Die Sümpfe sind nichts für einen Gringo wie dich.

Im Land der Tenharim gibt es den schwarzen Fluss und den weißen Fluss. Doch der Marmelos ist der wichtigste Fluss, die anderen zweigen von ihm ab. Auf dem Marmelos kannst du bis an den nördlichen Rand unseres Landes fahren, es dauert zwei Tage lang mit einem Boot. Am Ende triffst du andere Völker wie die Pirahã.

Du kannst den Marmelos aber nicht ganz befahren, er ist von Wasserfällen unterbrochen. Später wollen wir das machen, dann werden wir das Boot auf die Schultern laden und zu Fuß auf die andere Seite klettern. Es wird anstrengend, richte dich darauf ein, aber die Reise ist schön. Wenn du einige Stunden fährst, wird der Fluss breiter, die Bäume wachsen höher und der Wald wird dichter. Du wirst auch Lichtungen mit Feldern sehen, wo meine Verwandten Maniok und Mais anbauen. Es gibt spezielle Orte, wo Açaí-Palmen wachsen und das Schilf für die Pfeile und Flöten, heilende Kräuter und das Baumaterial für unsere Häuser. Überall führen Pfade und Bachläufe hin, die du nur finden kannst, wenn du sie kennst.

Verstehst du es jetzt? Es ist wichtig, die Wege zu kennen. Du musst wissen, wohin sie führen und wie lange du unterwegs sein wirst. Wenn du jagst, erwarten die anderen dich an einem bestimmten Tag zurück. Wenn du verloren gehst, wenn du zu lange fortbleibst, kommen sie dich suchen. Deshalb brechen wir unterwegs Zweige ab, damit die Verwandten uns finden können. Wenn du ein Tier geschossen hast, musst du entscheiden, wie lange du noch warten kannst, bevor du ins Dorf aufbrichst. Das Fleisch soll frisch sein, wenn du es erreichst.

Wenn die Zeit der Kastanienernte[9] kommt, ziehen die Tenharim nach Pagão und an die anderen Orte, wo früher die Alten lebten. Die nhandyvuhua, unsere Kastanienhaine, stehen nahe an den alten Dörfern. Ganze Familien ziehen in den Wald und bleiben wochenlang in dieser Gegend, alle leben gemeinsam und helfen bei der Ernte. Das muss gut vorbereitet sein. Zum Beginn des Jahres werden die Boote geflickt. Die Frauen reparieren Säcke, und jede Familie bereitet genug Proviant vor, besonders Farinha-Mehl aus geröstetem Maniok. Unter den Kastanienbäumen liegen runde Hülsen. Die sammeln wir ein und bringen sie auf einen Stapel. Wir brechen sie mit Macheten auf und pulen die Kastanien heraus. Alle arbeiten mit, Männer, Frauen und Kinder.

Ich sage dir, diese Säcke werden ganz schön voll! Und schwer! Wir bringen sie bis zu unserem Lager am Fluss, waschen die Kastanien im Wasser, sortieren die schlechten aus und legen die guten zum Trocknen auf Blättern in der Sonne aus. Wir jagen auch Wildschweine,[10] Tapire und Affen. Wir fahren mit Kanus über die Flüsse, angeln und schießen große Fische mit Pfeilen. Aus den Herzen der Babassu- und Inda’ja-Palmen machen die Frauen ein Salz,[11] sie verkohlen es und geben es zum Essen dazu. Wir sammeln Früchte und Hölzer, Açaí, Kakao, die bittere Cupuaçu-Frucht und die süße Uixí.[12] Die kennst du nicht? Dort drüben kannst du eine abreißen. Such dir eine aus, die schön orangefarben leuchtet. Probier sie einfach, pule die harte Schale mit den Fingernägeln ab und beiß hinein. Nicht zu fest, die Uixí hat wenig Fruchtfleisch und einen großen Kern. Ha! So guckt jeder, der zum ersten Mal eine Uixí probiert. Schmeckt sie dir? Du siehst zufrieden aus. Die Uixí ist die beste Frucht im Regenwald. Die Tenharim haben viele Uixí, der ganze Wald ist voll davon.

Es ist spät geworden, aber wir sind weit gekommen. Dieser Ort heißt São Luis. Hier steht der älteste Kastanienhain der Tenharim. Wir sollten ein Lager aufschlagen, bevor die Sonne untergeht. Lass uns die Hängematten dort vorne an den Pfählen aufspannen. Tupajakuí, der Häuptling von Marmelos, hat sie für seine Familie und alle Durchreisenden aufgestellt. Mach schnell, bevor es dunkel wird! Wir haben Glück, sie sind sogar mit Palmblättern gegen den Regen bedeckt. Wir zünden ein Feuer an. Lass uns die Holzscheite anstecken und kräftig pusten. Das Holz ist feucht, aber es wird trotzdem brennen, das ist gut gegen Moskitos, und wir brauchen einen Herd.

Es gibt einen Braten. Ich habe eine Überraschung für dich. Hast du den Schuss gehört, als ich eben in den Wald gegangen bin? Ich habe uns einen Affen gejagt, da drüben liegt er, in der Plastiktüte. Er ist mir vor die Flinte gelaufen. Ich habe ihn gesehen und abgedrückt.

Jetzt schau mich nicht so an! Es ist ein Kapuzineraffe,[13] arimbare, ein Weibchen. Kapuziner eignen sich gut für den Grill. Du fragst, warum ich ihn mit der Flinte geschossen habe und nicht mit meinem Pfeil? Manchmal ist das praktischer, wenn man bloß schnell etwas Essen braucht. Du hast recht, Pfeile sind auch schnell, eigentlich sind sie genauso schnell. Ich finde, es ist eine Geschmackssache. Ein kleines Tier jage ich ab und zu mit der Flinte, für ein großes benutze ich unbedingt einen Pfeil. Wenn ein Tier von einem Pfeil getroffen wird, kann es nicht mehr laufen. Das Gift dringt in seine Adern ein und es stirbt auf der Stelle. Es kommt nicht mehr voran, wenn es einmal getroffen ist, selbst bei einem Streifschuss nicht, bei einem Kratzer. Seine Muskeln sind dann gelähmt und sein Atem setzt aus.

Mit einem Pfeil brauchst du nur einen Schuss, aber mit einem Gewehr musst du vielleicht mehrfach schießen. Dann kann es passieren, dass das Tier noch flüchtet. Wer weiß, wohin es rennt – da können Gefahren auf dich lauern. Du musst schnell laufen, kannst Fehler machen.

Das Gift, das wir auf die Spitzen unserer Pfeile streichen, ist unser Gift, unser eigenes Rezept. Meine Vorfahren haben es erfunden, es tötet sofort. Du kannst später meinen Großvater Kikí fragen, vielleicht verrät er dir, wie man es macht. Mein Großvater Kikí jagt auch kleine Tiere immer mit dem Pfeil und nie mit dem Gewehr. Er sagt, er findet Feuerwaffen respektlos. Die Knallerei gefällt ihm nicht. Er glaubt, die Tiere müssen nach einem Gewehrschuss mehr leiden.

Entschuldige mich bitte für ein paar Minuten, wir wollen jetzt diesen Affen zubereiten. Haut abziehen, Eingeweide raus, dann rösten wir die Filetstücke und die Arme und Beine über dem Feuer. Es riecht gut. I-kýa!, ein fetter Affe! Ich sehe schon, es gefällt dir nicht, einen Affen zu essen. Was wäre dir lieber gewesen – ein Wildschwein zu schießen? Doch es ist nicht richtig, ein Wildschwein zu töten oder ein anderes großes Tier. Hier gibt es doch nur uns. Wir sind eine kleine Jagdgruppe, und von einer großen Beute bleiben Reste übrig. Es ist falsch, ein Tier zu töten, wenn wir es nicht ganz essen können. Dann müssen wir die Reste räuchern und für die Reise vorbereiten. Dafür ist heute keine Zeit.

Seit ich ein Kind bin, lerne ich, wie man jagt. Zuerst schenkte mein Großvater mir einen kleinen Bogen und Pfeile mit Spitzen aus Latexgummi, damit ich niemanden verletze. Später zog ich mit ihm durch den Wald und jagte an seiner Seite. Ich habe gelernt, wie man einen Bogen hält – ja, so, der Bogen senkrecht, du schaust über den Pfeil auf dein Ziel. Du gibst ihm seine Richtung mit den Fingern der linken Hand, dann ziehst du die Sehne zurück und lässt den Pfeil fliegen. Ganz schnell muss das geschehen. Du musst es können, wenn du ein Jäger sein willst.

Der Häuptling eines Dorfes entscheidet, wann ein Mann zum ersten Mal ein großes Tier erlegen darf, einen Tapir zum Beispiel. Bei einigen ist das mit vierzehn oder sechzehn Jahren der Fall, ich durfte es aber mit acht Jahren zum ersten Mal tun. Es reicht nicht, nur zu lernen, wie man schießt. Worauf willst du schießen, wenn du blind bist im Wald? Als Kinder lernen wir Tenharim, wo wir die Tiere finden, wo ihre Pfade verlaufen und wo sie sich verstecken.

Jedes Tier hat eine Lieblingsnahrung und seine liebsten Wasserstellen. Es hat bestimmte Tageszeiten, zu denen es sich bewegt, manche Tiere siehst du nur in der Nacht. Wir hören es in den Geschichten, die die Alten uns erzählen, über Mbaira, den Gott der Dinge der Erde, und über Boahã, unseren ersten Häuptling. Er war der beste Jäger, baute die tollsten Waffen für die Jagd und für den Krieg. Er erfand die Bemalungen, die uns unsichtbar machen. Als er starb, gab er seine Geheimnisse an die Jungen weiter, und bis heute erzählen die Tenharim die Geschichten aus der alten Zeit. Boahã lehrte die Tenharim sogar, mit den Ahnen zu reden, den Verstorbenen, und ihnen Fragen zu stellen.

Es gibt einen Ort im Wald, nicht weit von hier, an den uns die Alten führen. Wir lernen dort, mit Pfeil und Bogen umzugehen, erfahren die Geheimnisse der Jagd und des Krieges. An diesem Ort erscheinen uns auch die Geister, aber nicht jeder kann sie sehen, das können nur Schamanen. Ich habe noch nie einen Geist gesehen, aber schon einmal etwas am Körper gespürt. Ganz sicher bin ich mir aber nicht. Davon erzähle ich dir später mehr.

Für die Rituale und den Krieg bemalen wir unsere Körper mit Farbe. Nicht so wie heute, du siehst rote Striche auf meinem Rücken und an meinen Armen, das ist urucum. Urucum macht uns nur unsichtbar für die Tiere. Wenn ich es will, können sie mich nicht mal riechen. Ich kann zum urucum noch eine andere Mischung auftragen, sie wird aus Kräutern und Ameisen gemacht, überdeckt den Geruch eines Menschen. Jenipapo[14] und Babassu sind für den Krieg, sie färben den Körper schwarz.[15