Sklavenschiff - Chronik der Sternenkrieger #22

Alfred Bekker's Chronik der Sternenkrieger, Volume 22

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2018.

Inhaltsverzeichnis

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Chronik der Sternenkrieger 22 | Sklavenschiff | von Alfred Bekker

Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Captain Rena Sunfrost

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Chronik der Sternenkrieger 22

Sklavenschiff

von Alfred Bekker

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Ein CassiopeiaPress E-Book

Die abweichende Original-Printausgabe erschien in der Romanreihe „STERNENFAUST“ unter dem Titel „Versklavt“.

© 2005,2008,2013 by Alfred Bekker

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

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Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Captain Rena Sunfrost

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Im Jahr 2252 war ich Captain des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II und nahm an einer interstellaren militärischen Hilfsmission teil, bei der unser Flottenverband zusammen mit den Einheiten verbündeter Sternenreiche gegen einen bis dato unbekannten Aggressor vorging.

Die Schiffe der Fremden tauchten urplötzlich im Machtbereich der K'aradan auf und verschwanden ebenso schnell wieder. Sie plünderten besiedelte Planeten und Handelsschiffe und entführten oft genug Teile der Bevölkerung. Von Anfang an war uns klar, dass diese Spezies nicht nur eine Gefahr für das K'aradan-Imperium war, sondern für alle Völker des Sektors.

Als ich mich zu Verhandlungen an Bord eines k'aradanischen Raumforts aufhielt, geriet ich selbst in Gefangenschaft der Fremden, als die Station geentert wurde.

Zunächst glaubte ich, von Glück sagen zu können, dass ich überlebt hatte und nicht gleich getötet worden war. Eigentlich hatte ich geglaubt, der Hölle schon begegnet zu sein. Ich hatte mich getäuscht...

Die STERNENKRIEGER operierte zwar in der Nähe, aber da die Fremden eine Art Raumsprungtechnik verwendeten, waren sie bereits fort als mein Schiff eintraf. Unter denen, die bei dem Überfall entführt wurden, war auch ich...

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AN BORD DES MORRHM-Mutterschiffs LASHGRA

Der Korridor war lang und eng. Er verlor sich irgendwo im Halbdunkel. Rechts und links war ein bizarrer Chor unterschiedlichster Stimmen zu hören, deren Frequenzbereich vom Infra- bis zum Ultraschall reichte. Dieser Bereich des gigantischen Morrhm-Schiffes war voller Leben. 

Vom Hauptkorridor aus zweigten Nebengänge ab, die zu mehr oder minder großen Nischen und Räumen führten.

Sklavenpferche, durchfuhr es Rena Sunfrost, während der mehr als 2,50 m große Morrhm-Barbar sie vor sich her trieb. Er führte sie an einer Leine, die aus einem elastischen, metallartigen Material bestand. Sobald sie stehen blieben, jagte ihr der Morrhm einen Stromstoß in den Nacken. Das Halsband war ziemlich eng. Rena vermochte kam zu atmen.

Immer wieder sah sie rechts und links Bewegungen, fühlte Augenpaare auf sich gerichtet und hörte Stimmen.

Dann stieß der Morrhm einen knurrenden Laut aus, den die Translatorfunktion von Renas Armbandkommunikator noch nicht zu übersetzen wusste.

Sie drehte sich um.

Der Morrhm öffnete das gewaltige Maul mit den großen, tierhaften Hauern. Er riss an der Leine. Rena taumelte zu Boden. Sie rappelte sich schleunigst wieder auf, um keinen Stromschlag zu bekommen.

Der Morrhm deutete auf eine Abzweigung. Rena ging zögernd in einen halbdunklen Raum.

Das Halsband öffnete sich plötzlich. Die Leine zog sich zurück und verschwand in einem zylinderförmigen Schaft, den der Morrhm in seiner linken Pranke hielt.

„Willkommen an Bord des Mutterschiffs LASHGRA, Sklaventier“, übersetzte Renas Translatorsystem. „Du bist jetzt Stammeseigentum der Zuur!“

*

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NA GROßARTIG, dachte Rena.

Sie berührte ihren Hals und rang nach Luft. Abwartend starrte sie den vor ihr stehenden Morrhm an, dessen Unterarme bereits einen Muskelumfang aufwiesen, den nicht einmal der Oberschenkel eines Bodybuilders erreichte.

Er trug eine Rüstung. Um die Körpermitte war ein breiter Gürtel geschlungen, an dem sich eine Reihe technischer Geräte befanden, über deren Funktion Rena nur spekulieren konnte. Außerdem eine Projektilwaffe und ein Monoschwert, dessen Klinge so scharf war, dass sie einzelne Moleküle zu spalten vermochte. Eine bläuliche Lichterscheinung umflorte die Klinge jedes Mal, wenn der Morrhm sie durch die Luft schwang.

Das Maul mit den Hauern öffnete sich und ein dumpfer, glucksender Laut kam tief aus seiner Kehle.

Ein Schwall fauliger Verdauungsgase raubte Rena schier den Atem, obwohl sie gut drei Meter von dem Koloss entfernt war.

Langsam drehte er sich um.

Insgesamt gab es etwa ein Dutzend Ausgänge in diesem Raum, dazu weitere, bullaugenähnliche Öffnungen in den Wänden. Diese Wände waren nicht höher als drei Meter. Nach oben waren die Räume offen. Darüber wölbte sich der gigantische, hallenartige Innenraum des Morrhm-Schiffes wie die Kuppel einer Kathedrale.

Der Schlag schwarzer Schwingen war zu hören. Dunkle, fledermausähnliche Flügel hoben sich dunkel gegen die neonfarbene Beleuchtung ab, die von der Decke des Gewölbes herab schien.

Ein Xabo, durchfuhr es Rena. Die Xabo waren seinerzeit im ersten Qriid-Krieg vor der Expansion des Heiligen Imperiums geflohen. Ein Teil von ihnen hatte sich später im Dambanor-System angesiedelt, wo Rena Sunfrost während ihrer Zeit als Erster Offizier der SURVIVER auf sie getroffen war.

Der Xabo glich einem geflügelten Menschenaffen. Er ließ sich auf einer der Wände nieder und hockte dort wie ein Beobachter. Die lederhäutigen Flügel wurden zusammengefaltet. Die prankenartigen Arme verschränkte der Xabo vor der Brust.

Es hatte fast den Anschein, als würde er auf etwas warten.

Ein zweier Xabo gesellte sich dazu.

Gut 300 Kilo brachte ein männlicher Xabo auf die Waage, dessen gedrungene Statur einem irdischen Gorilla ähnelte.

Gegenüber dem Morrhm-Barbaren wirkten sie jedoch wie Zwerge.

Rena blickte sich um.

Überall in den Eingängen und Öffnungen sah sie Gesichter. Menschliche Gesichter, wie es ihr im ersten Moment schien. Aber dann hörte sie immer wieder ein Wort.

„K'erde! K'erde!“

Jeder, der die Space Army Corp Akademie auf Ganymed besuchte, bekam einen Grundkurs in den wichtigsten extraterrestrischen Sprachen. Das bedeutete nicht, dass die Absolventen sich danach schon richtig verständigen konnten, aber sie kannten einige Wörter und waren zumindest in der Lage, das entsprechende Idiom zu identifizieren.

Und so wusste Sunfrost, dass ‚K'erde’ der K'aradan-Begriff für ‚Mensch’ war.

Ansonsten war das Gemurmel und Gewisper aus den umliegenden Pferchen zu undeutlich, um vom Translatorsystem ihres Kommunikators erfasst werden zu können.

Sie wurde beobachtet – durch Hunderte von Augenpaaren.

Der Morrhm griff nach seinem Schwert.

Er riss die Klinge heraus, ließ sie mit einer bläulichen Lichterscheinung durch die Luft wirbeln und machte einen plötzlichen Ausfallschritt.

Die Xabo fielen vor Schreck beinahe von den Wänden herunter, während unter den wohl überwiegend aus menschenähnlichen K'aradan bestehenden Beobachtern ein Aufschrei des Entsetzens losbrach. Sie stoben davon wie aufgescheuchte Hühner.

Auch Rena wich zurück. Zwei weitere Hiebe folgten, die mit einer Schnelligkeit ausgeführt wurden, die man einem so gewaltigen und beinahe plump wirkenden Wesen wie dem Morrhm auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte.

Ein mottenähnliches Wesen, ungefähr von der Größe einer menschlichen Hand, segelte sorgfältig in vier aus auseinanderstrebenden Vierteln zu Boden.

Rena hatte dieses Wesen bis dahin im Halbdunkel gar nicht bemerkt. Wahrscheinlich war es bei einem der zahlreichen Raubzügen eingeschleppt wurden.

Der Morrhm stieß einen dröhnenden, triumphierend klingenden Laut aus und trommelte mit der Faust gegen den Brustpanzer seiner Rüstung.

Der Schrecken, den er unter den anwesenden K'aradan und bei den beiden Xabo verbreitete, schien ihm zu gefallen.

„Seid nicht so furchtsam, ihr erbärmlichen Sklaventiere!“, übersetzte Renas Translator. „Schließlich habe ich euch von diesem Blutsauger befreit. So gut bin ich zu euch! Also arbeitet entsprechend!“ Er deutete auf Rena. „Und lasst dieses Beutestück am Leben, sonst geht es euch allen dreckig!“

Der Morrhm drehte sich um. Mit stampfenden Schritten verließ er den Raum.

Zögernd kehrten die Dutzende von Augenpaaren an ihren Beobachtungsposten zurück.

Rena drehte sich um.

Sie hatte auf einmal das intensive Gefühl einer nicht fassbaren Bedrohung. Wie bei einer Vorahnung. Eine unheimliche Stille herrschte jetzt.

Sie wich ein paar Schritte in Richtung des Ausgangs zurück, durch den der Morrhm-Barbar verschwunden war.

Aber dort war bereits jemand.

Drei Männer.

Äußerlich waren sie bei diesen Lichtverhältnissen nicht von  Menschen zu unterscheiden. Aber die Worte, die sie wisperten, waren eindeutig im Idiom der K'aradan gehalten.

„Seht ihr, das Ding da am Handgelenk der K'erde-Frau?“, murmelte einer von ihnen.

„Sieht aus wie ein Kommunikator ihrer Flotte.“

„Ich wette mit Translatorfunktion, sonst würde der Lautsprecher an dem Teil nicht dauernd quatschen!“

„Den hol ich mir!“

„Sonst ist auch nicht viel an ihr dran!“

Die K'aradan-Entsprechung eines irren Gelächters folgte.

Rena war die Situation sofort klar. Offenbar herrschte unter den Gefangenen keinerlei Solidarität, sondern Neu-Sklaven wurden zunächst mal ausgeraubt.

Wie lange mögen diese K'aradan schon hier gefangen sein, ging es ihr durch den Kopf. Auf jeden Fall lang genug, um zu vergessen, dass sie einst in einer Zivilisation lebten.

Die barbarischen Umstände, unter denen sie zu leben gezwungen waren, hatten auch aus ihnen offenbar halbe Tiere gemacht. Rena hatte keine Zeit, um darüber nachzudenken, wie sie sich wohl verändern mochte, wenn sie längere Zeit an Bord der LASHGRA blieb.

Diffuse Hoffnungen stiegen in ihr auf. Hoffnungen, die sich darauf bezogen, dass es der STERNENKRIEGER und ihren Begleitschiffen gelang, dem Morrhm-Mutterschiff zu folgen und sie aus den Händen dieser Sklavenjäger zu befreien.

Die Männer näherten sich. Und auch aus den anderen Eingängen kamen jetzt K'aradan auf sie zu.

Konzentriere dich, so wie du es beim Kendo gelernt hast, durchfuhr es sie. Instinktiv berührte sie das zerbeulte Projektil einer Steinschlosswaffe, mit der ein echsenhafter Eingeborener des Planeten Dambanor II ihr vor Jahren einmal beinahe das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Bedenke, dass du sterblich bist , überlegte sie. Ein Gedanke, der ihr seit jener Zeit nicht aus dem Kopf gegangen war. Damals hatte sie einen Fehler gemacht und den Schützen schlicht und ergreifend unterschätzt. Etwas, das ihr seit jenen Tagen, da sie noch Erster Offizier an Bord der SURVIVOR gewesen war, nicht mehr passiert war.

Zumindest nicht in diesem verhängnisvollen Ausmaß.

Aber jetzt war die Situation völlig anders. Sie hatte von vorn herein keinerlei Chance, heile, aus dieser Situation zu entkommen. K'aradan verfügten auf Grund ihrer exzellenten Augen über Reflexe, die einen K'aradan jedem Menschen an Schnelligkeit weit überlegen machten. Hinzu kam, dass es sich um K'aradan-Männer handelte, die ihr darüber hinaus auch noch körperlich überlegen waren.

Selbst einen einzigen von ihnen hätte sie im direkten Nahkampf auch nach intensivstem Training nicht besiegen können. Er wäre stets schneller gewesen. Die Augen eines K'aradan sahen fünf Bilder mehr in der Sekunde als die Augen eines Menschen. Daher war jeder Angriff für sie eine Aktion in Zeitlupe. Vorhersehbar und wirkungslos – zumindest im direkten Nahkampf. Beim Einsatz von Distanzwaffen sahen die Chancen anders aus.

Aber Rena hatte keinerlei Waffen, um sich zu verteidigen. Den Nadler hatte man ihr abgenommen, den Kommunikator hingegen nicht. Da er auf Normalfunkbasis arbeitete, konnte sie mit ihm ohnehin niemanden anfunken, sobald das Morrhm-Mutterschiff eine gewisse Distanz zu seinen Verfolgern hinter sich gebracht hatte. Nach einem Raumsprung, wie ihn die Morrhm-Schiffe durchzuführen pflegten, war jeder Kontakt dann ohnehin unmöglich.

Aber der Kommunikator enthielt eine Translatorfunktion – und die war hier äußerst wichtig. Es lag durchaus im Interesse der Morrhm, dass die Sklaven ihre Befehle verstanden und auch untereinander kommunizieren konnten, was bei Angehörigen unterschiedlicher Spezies häufig auch nur mit technischer Hilfe möglich war.

Also hatten sie Rena den Kommunikator gelassen. Ebenso wie das Ortungsgerät, das an der Magnethalterung ihres Gürtels befestigt war.

Die Männer näherten sich.

Okay, dachte sie. Ich werde mein Bestes geben.

Rena sah jetzt, dass manche von ihnen elastische Stöcke in der Hand hielten. Auf dem Weg hier her hatte sie Absperrungen aus Hartplastikgittern gesehen, aus denen einzelne Streben heraus gebrochen worden waren. Offenbar nutzten manche der Gefangenen sie als Waffen.

Einer der K'aradan griff an.

Mit einer Kombination aus Schlägen und Tritten schnellte er auf sie zu. So gut sie konnte wich sie aus. Ein Tritt traf sie in den Unterleib, ein zweiter hakte sich in die Kniekehle, sodass sie zu Boden taumelte. Noch im Fallen bekam sie einen Hieb mit einer Hartplastikstange vor die Brust und konnte kaum noch atmen.

Dann prasselten die Schläge wie ein Trommelfeuer auf sie ein.

Sie konnte noch versuchen, den Kopf zu schützen.

Benommen blieb sie liegen. Ihr Körper schien eine einzige offene Wunde zu sein. Wellen aus Schmerz überfluteten ihren gesamten Körper.

Dann spürte sie gar nichts mehr.

Wie beiläufig registrierte sie, dass man ihr den Armbandkommunikator und den Gürtel mitsamt dem Ortungsgerät abnahm.

Danach schien man sich nicht mehr sonderlich für sie zu interessieren.

Stattdessen begannen sich jetzt einige der K'aradan lautstark um die Beute zu streiten. Hier und da wurden Faustschläge ausgeteilt.

Den Inhalt der wüsten Beschimpfungen, die da ausgetauscht wurden, konnte Sunfrost ohne ihren Translator natürlich nicht mehr verstehen. Aber sie bedurften eigentlich auch keiner Übersetzung.

Sunfrost war halb betäubt. Sie versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Nur nicht einfach liegen bleiben und sich seinem Schicksal ergeben. Rena richtete sich etwas auf, stützte sich mit letzter Kraft auf die Oberarme und wurde dabei von einem furchtbaren Schwindelgefühl heimgesucht. Sie blutete aus der Nase und Mund. Außerdem wohl noch aus ein paar anderen Stellen.

Ihre rechte Hand zitterte. Sie hoffte, dass alles nur geprellt und nichts gebrochen war, denn mit so etwas wie ärztlicher Versorgung konnte sie wohl kaum rechnen.

Schließlich hatten sich die K'aradan über die Beute geeinigt. Diejenigen, die eines der begehrten Stücke hatten ergattern können, reckten sie triumphierend empor.

Inzwischen bemerkte Rena, dass sich auch die K'aradan-Frauen aus den Pferchen gewagt hatten.

„K'erde!“, hörte Rena eine von ihnen sagen.

Immer wieder hörte sie dieses Wort.

Ansonsten verstand sie kaum etwas von dem, was die hellen Stimmen der K'aradan-Frauen so sagten und sie verwünschte sich dafür, im Akademie-Grundkurs der Sprache Aradans nicht besser aufgepasst zu haben.

Aber damals war das mehr oder weniger eine lästige Pflicht gewesen.

Wer nach Ganymed auf die Space Army Corps Akademie ging, wollte schließlich in den Weltraum – und nicht in ein Seminar für extraterrestrische Philologie, wie es auf der Brüderschule der Olvanorer auf Sirius III angeboten wurde.

Jetzt ist es zu spät, diesen Irrtum zu revidieren, dachte Rena.

In den Augen dieser Frauen sah sie eine Gier, die jener, die sie bei den K'aradan-Männern gesehen hatte, in nichts nachstand.

Der Mann, der den Translator erobert hatte, reckte ihn noch einmal triumphierend empor und rief dann ein paar Worte zu den Frauen hinüber.

„K'erde!“, war einer der Begriffe, den er benutzte.

Da das Translatorsystem des Kommunikators noch eingeschaltet war, übersetzte das Gerät seine Worte auch für Rena.

„Sie gehört euch!“

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AUF DIESES SIGNAL HATTEN die K'aradan-Frauen nur gewartet. Sie stürzten sich jetzt auf Rena, die kaum noch in der Lage war, sich zu wehren. Wieder setzte es Schläge und Tritte. Ein Fußtritt traf sie an der Schläfe. Sie sackte benommen in sich zusammen. Undeutlich nahm sie wahr, wie ihr die Stiefel ausgezogen und die Flottenkombination abgenommen wurde.

Jedes Beutestück löste sofort heftige Streitigkeiten unter den K'aradan-Frauen aus.

Für Rena bedeutete das jeweils eine kurze Verschnaufpause.

Aber sie hatte keine Kraft mehr, den Angriffen etwas entgegen zu setzen. Nach und nach nahmen ihr die K'aradan-Frauen sämtliche Kleidung ab.

Zusammengekrümmt, vollkommen nackt und von blauen Flecken nur so übersät lag sie da.

Zitternd.

Der Puls schlug ihr bis zum Hals und bei jedem Schlag ihres Herzens dröhnte ihr der Kopf. Ihr links Auge war so zu geschwollen, dass sie kaum noch etwas sehen konnte.

Das einzige, was ihr noch geblieben war, war das Amulett.

Sie fasste instinktiv nach dem verbeulten Projektil.

Eine der Frauen wagte sich heran, um ihr auch das auch noch abzunehmen. Konzentriere all deine Kraft und deine Wut auf einen Punkt und einen Augenblick!

Die K'aradan-Frau erwartete wohl kaum noch Gegenwehr.

Jedenfalls war sie ziemlich unvorsichtig und griff einfach nach dem Kettchen um Renas Hals.

Jetzt!

Mit aller Kraft schlug Rena zu.

Ihre Faust landete wie ein Hammerschlag im Gesicht der K'aradan-Frau, die zurücktaumelte und mit einem Schrei der Länge nach zu Boden fiel.

Die anderen Frauen stutzten.

Aber sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich um die Beute zu streiten, als dass sie jetzt besondere Lust gehabt hätten, Rena noch einmal eine Abreibung zu verpassen.

Die niedergeschlagene Angreiferin rappelte sich wieder auf. Sie entriss einer der anderen Frauen einen der Hartplastikstäbe und stürzte sich damit auf Rena. Der erste Schlag traf Rena am Unterarm, den sie schützend über den Kopf gehoben hatte. In einem für menschliche Verhältnisse schier unglaublichen Tempo folgten dann ein Dutzend weiterer Hiebe.

Rena rollte sich über den eiskalten Boden und stand schließlich taumelnd auf. Mit ein paar Schritten legte sie eine Distanz von mehr als drei Metern zwischen sich und die Angreiferin, die sie zu belauern begann.

In Renas Schädel hämmerte es noch immer furchtbar und das Schwindelgefühl war so schlimm, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte.

Noch immer sickerte Blut aus ihrer Nase.

Aber sie hatte nicht die Absicht, sich einfach totschlagen zu lassen.

Zumindest nicht ohne sich vorher gewehrt zu haben. Davon, dass dieser Morrhm-Barbar der Frau den Hals umdreht, wenn sie sich am Stammeseigentum vergreift und ihre Wut daran auslässt, werde ich wohl nichts mehr haben, überlegte sie.

Die Angreiferin strich sich das lange, etwas verfilzte Haar aus dem Gesicht. Ihre Augen fixierten Sunfrost auf eine Weise, die dieser nicht gefallen konnte. Es war der Blick einer Jägerin auf ihre Beute.

Sie täuschte einen Angriff vor.

Der Hartplastikstock zuckte vor und touchierte Rena Sunfrost leicht am Arm.

Es gab im Augenblick ohnehin kaum noch eine Fläche an ihrem Körper, die größer als eine Handbreit und noch nicht von größeren und kleineren Hämatomen übersät war.

Dann folgte ein weiterer Angriff. Die Treffer kamen so rasch, dass Rena nicht einmal in der Lage war den Kopf zu schützen. Sie bekam ein paar schwere Schläge ab und anschließend einen Stoß in den Bauch.

Ihr wurde schlecht.

Sie klappte zusammen wie ein Taschenmesser, lag erneut auf dem Boden, ihrer Angreiferin nun wehrlos ausgeliefert.

Diese holte bereits zum nächsten Schlag aus.

Okay, dann ist es vielleicht vorbei, dachte Sunfrost.

Ein dröhnender Laut ließ in diesem Moment alle zusammenzucken. Ein Raunen ging durch die Reihen der K'aradan. Sie zogen sich ein paar Meter zurück. Auch die Angreiferin hielt mitten im Schlag noch inne, drehte sich halb herum und stieß anschließend einen Schrei des Entsetzens aus.

Ein Koloss, der es an Größe und Kompaktheit durchaus mit einem Morrhm hätte aufnehmen können, schälte sich aus dem Halbdunkel hervor.

Es handelte sich um einen dreiarmigen Pshagir, dessen schuppenartige Haut extreme Temperaturen auszuhalten vermochte. Der Pshagir öffnete sein lippenloses Maul und ließ ein markerschütterndes Brüllen hören. Seine Augen waren schlecht, aber dafür verfügte er über einen exzellenten Sonar-Sinn, der ihm eine mindestens ebenso gute Orientierung ermöglichte wie jede auf ihre optischen Organe angewiesene Spezies.

Seine beiden linksseitigen ‚zarten’ Greiforgane hatten sich zu Fäusten geballt.

Neben dem Dreiarmigen befand sich ein Humanoide.

Er trug ein Firmenemblem aus dem Bereich der Humanen Welten an seiner Kleidung, wie Sunfrost sofort registrierte. DIT – DOSSELING INTERSTELLAR TRADING – war dort zu lesen und zwar in genau den Buchstaben, die auch Rena irgendwann einmal in der Schule gelernt hatte.

Rena hatte von der Firma schon gehört. DOSSELING war auf New Hope II beheimatet, einer Welt am Rande des Niemandslandes zwischen dem Heiligen Imperium der Qriid und den Humanen Welten der Menschheit. Von dort aus hatte dieses Unternehmen ein weit gespanntes Netz von Handelskontoren errichtet – sowohl innerhalb der Humanen Welten, als auch im näheren Niemandsland sowie im Reich von Aradan, dessen gewaltige Größe so manche Unternehmerfantasie beflügelt hatte, seit die Menschheit mit diesem Sternenreich nicht mehr verfeindet war.

Natürlich musste der Umstand, einem Mann mit dem DIT-Emblem anzutreffen, nicht unbedingt auch bedeuteten, dass es sich um einen Menschen handelte.

Schließlich war genauso denkbar, dass diese Kleidung die Beute eines K'aradan geworden war.

Stille herrschte plötzlich.

Nicht einmal jener K'aradan, der sich den Kommunikator erobert hatte, tönte noch groß herum, so wie noch vor einigen Augenblicken.

Alle Augen waren auf dieses ungleiche Pärchen gerichtet.

Der Humanoide mit dem DIT-Emblem musterte Rena einige Augenblicke lang.

Dann wandte er sich an die K'aradan und rief ihnen ein paar Worte zu, von denen Rena nichts verstand.

Hier und da gab es Erwiderungen einiger Männer, die aber eher schwach ausfielen. Zumindest vom Tonfall her. Inhaltlich konnte Sunfrost sie nicht beurteilen. Die Frauen schwiegen vollkommen.

Schließlich wandte sich der Humanoide an Sunfrost.

„K'erde?“, fragte er.

Rena nickte. 

„K'erde“, bestätigte sie.

Welchen Sinn hätte es auch gehabt, diese Tatsache zu leugnen?

„Dann stehen Sie auf und kommen Sie mit mir!“, forderte er sie auf und wechselte dabei in die Verkehrssprache der Humanen Welten.

„Was?“

Also doch ein Mensch, dachte Sunfrost.

„Zögern Sie nicht so lange, ich habe die Bande gerade davon überzeugen können, dass sie einen verdammt großen Ärger bekommt, wenn sie das Sklaveneigentum des Zuur-Stammes mutwillig dezimieren!“

Er streckte ihr die Hand entgegen.

Rena ergriff sie.

Sie stand auf ziemlich wackligen Füßen. Alles drehte sich vor ihren Augen – eine Folge der heftigen Kopftreffer. Im Moment war es ihr vollkommen gleichgültig, dass sie nackt war. Sie war nicht einmal dazu in der Lage sich über die Tatsache zu freuen, dass sie überlebt hatte.

„Wir gehen jetzt. Blicken Sie nicht zurück und gehen Sie möglichst aus eigener Kraft und mit erhobenem Haupt. Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber es ist wichtig. Sonst wird Sie hier niemand jemals respektieren und Sie werden nur Futter für den Unheimlichen.“

„Was meinen Sie damit?“

„Ich erkläre es Ihnen ein anderes Mal.“

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SONDEREINSATZKREUZER STERNENKRIEGER II

Logbucheintrag 2.2.2252

Kommandoführender Offizier: Commander Steven Van Doren, derzeit Captain der STERNENKRIEGER in Vertretung von Captain Rena Sunfrost

„Die Entführung von Captain Rena Sunfrost hat zunächst einen psychischen Schock für die gesamte Mannschaft bedeutet. Ich übernahm als Erster Offizier vorübergehend und abwesenheitshalber bis auf weiteres die Funktion des Captains. Meine erste Aufgabe bestand darin, die demoralisierende Wirkung, die der Verlust des Captains immer hat, so gut wie möglich zu minimieren.

Derzeit befinden wir uns auf der Suche nach dem Morrhm-Mutterschiff, in das Captain Sunfrost vermutlich verschleppt wurde. Dieses Mutterschiff ist in ein fremdes Kontinuum entschwunden. Wir nehmen an, dass es sich dabei um die Anwendung eines X-Raum basierten Überlichtantrieb handelt, der eine Art Transition durch dieses dem Einstein-Universum dimensional übergeordnete Raumzeitkontinuum erlaubt. Insbesondere unser wissenschaftlicher Berater Bruder Guillermo und der L.I. Lieutenant Simon E. Erixon arbeiten daran, die vorhandenen Daten dahingehend weiter auszuwerten, sodass wir möglicherweise nähere Anhaltspunkte über die Reichweite dieses Antriebs erhalten.