Joachim Hartmann / Annette Clara Unkelhäußer
Freude an Gott – Das innere Feuer neu entfachen

Ignatianische Impulse

Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Martin Müller SJ

Band 78

Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

Joachim Hartmann /
Annette Clara Unkelhäußer

Freude an Gott –
Das innere Feuer
neu entfachen

Inhalt

Vorwort

1. Wahrnehmen und Vertrauen

2. Dankbarkeit und Freude

3. Ich und Du

4. Leere und Fülle

5. Heilung und Heil

6. Leid und Trost

7. Vergebung und Versöhnung

8. Berufung und Sendung

9. Jesus der Meister

Anhang 1: Übung mit dem Jesus-Gebet – 30 Minuten

Anhang 2: Kontemplativ leben im Alltag

Kontakt

Vorwort

»Reden ist Silber, Schweigen ist Gold« – sagt das Sprichwort. Das klingt plausibel und ist uns sehr geläufig. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. In diesem Buch wollen wir den Blick auf die andere Seite richten: auf das Gold des Redens. Die Austreibung des stumm machenden Dämons zeigt, dass das Sprechen, Sich-anderen-Mitteilen eine kostbare Gabe ist (Mt 9,32f.). Der Philosoph Platon wählt die Form des Dialogs, um wesentliche Fragen des Menschen und des Lebens zu erhellen. Für Ignatius ist das »Mitteilen von beiden Seiten« (Exerzitienbuch 236, im Folgenden immer zitiert: EB) das Elixier einer lebendigen Beziehung. Jesus selbst wird das Wort genannt, das Fleisch geworden ist. Als Meister des Wortes ermöglicht er Menschen eine heilsame Begegnung: »Was bedrückt dich, was willst du, was suchst du, warum weinst du?« Bei diesen Fragen haben die Menschen gespürt, hier ist jemand an mir interessiert, hat Zeit für mich und will mir zuhören.

Der Emmausgang ist ein anschauliches Beispiel für das Gold des Redens (Lk 24,13–35). Die Jünger sind verzweifelt und resigniert, weil ihr Meister gekreuzigt worden ist. Jesus gesellt sich dazu und fragt: »Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?« (Lk 24,17; Bibelzitate immer gemäß der revidierten Einheitsübersetzung). Im Mitteilen ihrer Gedanken und Gefühle gewinnen sie Schritt für Schritt eine tiefere Einsicht in das Geschehen der vergangenen Tage. Es gehen ihnen in verschiedener Hinsicht die Augen auf. Das Feuer ihres Glaubens wird neu entfacht.

Diese Geschichte bildet den Leitfaden für die Gespräche dieses Buches.

Auch im Exerzitienhaus Gries machen wir im Rahmen unserer Kurse vielfältig die Erfahrung, dass das Mitteilen kostbar ist für den Prozess der Exerzitien. Das Schweigen und die Einzelgespräche stehen dabei in einem fruchtbaren Wechselverhältnis. Denn in der Stille lernen wir, lauschend da zu sein und wahrzunehmen, was ist. Dieses Wahrnehmen in Stille bildet die Grundlage für das Mitteilen. So kommen bei den Exerzitanten im Begleitgespräch die wesentlichen Dinge zur Sprache.

Das Exerzitienhaus Gries wurde von Pater Franz Jalics SJ im Jahr 1984 gegründet. Er entwickelte den »Grieser Weg« der Kontemplation. In seinem Buch und Bestseller »Kontemplative Exerzitien – Eine Einführung in die kontemplative Lebenshaltung und in das Jesusgebet« beschreibt er diesen Weg, den wir bis heute in unseren 10-tägigen Kursen vermitteln.

Die Basis der Kurse sind durchgängiges Schweigen und gemeinsame Gebetszeiten in Stille in der Gruppe. Ein tägliches Begleitgespräch bietet Raum, Erfahrungen des inneren Weges mitzuteilen und geistlich begleitet zu werden. Den Abschluss des Tages bildet eine Eucharistiefeier mit Ansprachen zu zentralen Themen des geistlichen Weges, die ausgehend von der Heiligen Schrift entfaltet werden.

Die Übungsschritte auf dem »Grieser Weg« führen hin zum Jesus-Gebet und enthalten folgende Elemente: Wir beginnen mit Wahrnehmungsübungen in der Natur und mit Körperwahrnehmungsübungen, indem wir den Atem auf seinem Weg durch den Körper begleiten. Es folgen die Wahrnehmung der Hände und das Spüren der Handmitten als ein Tor, das uns in die Gegenwart führen kann. Dann üben wir das kontemplative Gebet mit einem Wort ein, auf dessen inneren Klang wir lauschen oder das uns einlädt, in eine Beziehung einzutreten. Diese Gebetsweise ist vergleichbar einer Gebetsweise, die sich auch im Exerzitienbuch des Ignatius findet (EB 258). Es sind aufeinander aufbauend die Worte: Ja, Maria und Jesus Christus. Das »Jesus-Gebet« bildet das Herzstück des »Grieser Weges«. Das »Jesus-Gebet« findet sich auch in anderen geistlichen Traditionen, hat aber in seiner Gesamtkomposition auf dem »Grieser Weg« sein eigenes Profil. Wir sprechen in diesem Buch von »Kontemplation«, »kontemplativem Gebet« und »kontemplativen Exerzitien« und nicht von »Meditation«, weil das Wort »contemplari« – »sehen, schauen« – treffend das Ziel unseres geistlichen Weges zum Ausdruck bringt: »Wir werden ihn sehen, wie er ist« (1 Joh 3,2). Ebenso benennt es den Weg zu diesem Ziel: das Wahrnehmen. Die Worte Kontemplation und Meditation können je nach Schule eine unterschiedliche Bedeutung annehmen. Meditation ist heute die Überschrift für viele verschiedene Wege der Selbsterfahrung. Alle Wege der Meditation haben zum Ziel, den Menschen näher zu sich zu führen. Meditation verstehen wir als bewusst gestalteten Umgang mit Gedanken, Gefühlen, Bildern und Texten. Das Nachdenken und Betrachten steht dabei im Vordergrund.

»Kontemplation« verstehen wir in dem Sinn, dass es ein waches Da-Sein ist, welches nicht andere Texte usw. als »Stoff« nimmt, sondern durch Einfachheit und Stille gekennzeichnet ist. Im Vordergrund stehen hier: präsent sein, wahrnehmen, aufmerksam da sein, geschehen lassen und empfangen. Kontemplation wird auf dem »Grieser Weg« als christliche bezeichnet, weil die Aufmerksamkeit auf den Namen und damit auf die Gegenwart Jesu Christi gerichtet wird. Außerdem wird der Weg von der christlichen Tradition her, der Heiligen Schrift, der Wüstenväter, der Mystiker gedeutet. Bei der Kontemplation geht es nicht um das Nachdenken über etwas, sondern um das unmittelbare Wahrnehmen und Geschehenlassen dessen, was sich in der Stille, ausgerichtet auf die Gegenwart Gottes, zeigt.

Die Idee für dieses Buch ist entstanden aus dem Wunsch, die kostbaren Erfahrungen aus vielen Begleitgesprächen zu sichten und die wesentlichen Themen so aufzubereiten, dass sie auch anderen Menschen zugänglich gemacht werden können. Die einzelnen Kapitel des Buches haben eine klare und gleichbleibende Gliederung. Nach einer kurzen Einleitung in das Thema folgt das Gespräch. Für die Gespräche bilden die Heilige Schrift, der heilige Ignatius, Erfahrungen aus der geistlichen Begleitung und persönliche Erfahrungen feste Bezugspunkte. Am Ende greifen wir mit den Fragen »Wo brannte mir das Herz?«, »Wo gingen mir die Augen auf?« die Punkte heraus, die im Gespräch besondere Resonanz in uns hervorgerufen haben. Den Schlusspunkt bilden kurze Übungen, passend zum jeweiligen Thema.

Wir haben die Form des geistlichen Gesprächs für dieses Buch als sehr inspirierend und erhellend erlebt. Wie die Emmausjünger machten wir die Erfahrung, dass uns immer wieder die Augen aufgingen oder dass uns das Herz brannte. Das Silber des Redens wurde durch den Austausch mit Blick auf Jesus Christus in Gold umgemünzt.