Wolfgang Beck

Die katholische Kirche und die Medien

Einblick in ein spannungsreiches Verhältnis

Wolfgang Beck

Die katholische Kirche

und die Medien

Einblick in ein
spannungsreiches Verhältnis

Inhalt

Vorwort

1. Einleitung

2. Gegenwärtige Wahrnehmungen

2.1. Gibt es eine Mediengesellschaft?

2.1.1. Medientheorie

2.1.2. Das Bild

2.2. Wie ticken die „Digital Natives“?

2.3. Kirchliches Medien-Engagement

2.3.1. Der Pfarrbrief als Beispiel unterschätzter Potenziale

2.3.2. „Körperschaft öffentlichen Rechts“

2.4. Herausforderungen digitaler Mediennutzung

2.4.1. Medienpädagogik

2.4.2. Medienethik

3. Keine Verkündigung ohne Medien

3.1. Biblische Grundlagen

3.2. Buchdruck, Reformation und Aufklärung

3.3. Massenmediale Aufbrüche

3.4. Gesellschaft gestalten und Themen setzen

3.5. Freiheit oder Freiheitsverlust?

3.6. Weltkirchliche und vatikanische Ebene

4. Historische Perspektiven

4.1. Die kirchliche Suche nach dem eigenen Medienverständnis

4.1.1. Inter Mirifica

4.1.2. Communio et Progressio

4.1.3. Aetatis novae

4.1.4. Chancen und Risiken der Mediengesellschaft

4.1.5. Virtualität und Inszenierung

4.1.6. Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit

4.2. Medien als Instrument zur Mobilisierung

4.3. Entwicklung des katholischen Zeitungswesens

4.4. Katholischer Filmdienst, katholisches Filmwerk, Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis

5. Aufbrüche und aktuelle Entwicklungen

5.1. Krisenphänomene

5.2. Neue Formen der Sozialen Medien

5.2.1. Auswahl diverser Social-Media-Formate

5.2.2. Digital-Games

5.2.3. Storytelling, TED-Talk und Humor

5.3. Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt

5.3.1. Die Robbe „Paro“ und andere Roboter

5.3.2. Das Internet der Gegenstände

5.4. Fake News, Manipulation, Big Data

6. Unterschätzte Medienwirkungen

6.1. Erwartung an Partizipation und Nähe

6.2. Mehr als Kirchen-Marketing

6.2.1. Seelsorge und Gottesdienst im Internet

6.2.2. Pastoral im digitalen Terrain?

6.3. Demokratisierungseffekte?

6.3.1. Kommunikative Beschleunigungen

6.3.2. Partizipationsmöglichkeiten

6.3.3. Privatheit, Öffentlichkeit und Kontrolle

6.4. Tendenz zu neuen Gemeinschaftsformen

7. Fazit und Ausblick

7.1. Rückgriffe in vormoderne Medienpraxis

7.2. Eine Theologie der Digitalität?

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Vorwort

Die Annahme, nicht die Autor_innen suchten sich ein Thema, sondern das Thema suche sich die Autor_innen, klingt wie eine abgegriffene Phrase. Doch sie entspricht sehr weitgehend meinem Verhältnis als Autor zum Thema dieses Buches. Meine Aufgabe als Sprecher der Sendung „Wort zum Sonntag“ in der ARD musste von mir eher autodidaktisch und ohne journalistische Ausbildung erarbeitet werden. Hinzu kam 2015 als Dozent die Zuständigkeit für ein Studienprogramm Medien an der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen, mit dem Studierenden der Theologie und anderer geisteswissenschaftlicher Fächer die Grundlagen journalistischer Arbeit und kirchlichen Medienengagements vermittelt werden sollen.

Das vorliegende Buch ist im Zuge der Erarbeitung eines Beitrags für „Theologie im Fernkurs“ entstanden und informiert dementsprechend zunächst über Grundlagen des Verhältnisses von katholischer Kirche und modernen Medien.

Die genannten Tätigkeitsfelder wurden auch für mich selbst zu einem pastoraltheologischen Lernfeld, in dem gerade auch die kultur- und gesellschaftsübergreifenden Effekte einer „Kultur der Digitalität“ sichtbar werden. Das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und den Medien erscheint dabei als ein Segment, in dem die Verortung der Kirche in einer modernen Gesellschaft ablesbar wird. Dass dieses Verhältnis auf Seiten der katholischen Kirche über weite Strecken durch Ressentiments gegenüber den Werten und Errungenschaften der Moderne bestimmt ist, lässt nach den markanten Entwicklungen insbesondere der vergangenen 150 Jahre fragen. So wird sichtbar, dass menschliches Leben, insofern es durch Kommunikation geprägt ist, immer mit Medien verbunden ist. Es gibt kein menschliches Leben ohne Kommunikation und ohne die Nutzung von Medien. Deshalb haben sich nicht nur Kommunikations- und Medienwissenschaften, sondern gerade auch die Pastoraltheologie für diese Themen zu interessieren. Wichtige Schritte wurden dazu in den vergangenen Jahren bereits gegangen, etwa mit dem Kongress der deutschsprachigen Pastoraltheolog_innen im Jahr 2017 oder der Profilierung einiger wissenschaftlicher Ansätze. Ich danke vor diesem Hintergrund den Teilnehmer_innen des Rhein-Main-Medienkreises für anregende Gespräche und Impulse. Ich danke dem Team des „Studienprogramms Medien“ an der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen für Anregungen und Impulse und Madeleine Helbig-Londo, Barbara Niemetz und Ansgar Weiß für ihre Hilfe bei den Textkorrekturen. Dem Echter Verlag, insbesondere Herrn Heribert Handwerk, gilt der Dank für die Betreuung der Veröffentlichtung. Der Deutschen Bischofskonferenz wie auch dem Freundeskreis der Hochschule Sankt Georgen gilt der Dank für Druckkostenzuschüsse zur Ermöglichung der Veröffentlichung.

Wolfgang Beck

1. Einleitung

Der Mensch „kann nicht nicht kommunizieren“1. Diese Beobachtung geht auf den Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick zurück, der Kommunikation vor allem als Beziehungsgeschehen versteht. Damit wird zugleich das Dilemma beschrieben, vor dem Menschen immer stehen. Menschliches Leben ist durch alle Stadien seiner individuellen Entwicklung in unterschiedlichen Formen und Intensitäten wie auch durch die kulturgeschichtlichen Epochen mit der Kommunikation verbunden. Die Kommunikation bindet sich an Medien, grundsätzlich an den menschlichen Körper und dessen Sinnesorgane. Mediengeschichtliche Reflexionen und Medientheorien können daher nicht von der Menschheitsgeschichte losgelöst werden. Wenngleich einzelnen kulturgeschichtlichen Entwicklungsschritten, wie dem Aufkommen der Schrift und des Bildes, des Buchdrucks und der modernen Massenmedien bis hin zu den digitalen Medien eine markante, Epoche bildende Bedeutung zukommt.

Auch Religion baut immer als Kommunikation zwischen dem Menschen und dem Göttlich-Transzendenten bis hin zu einem personalen Gottesverständnis auf Kommunikation auf.2 Zudem bildet sich Religion mithilfe von generationsübergreifenden Tradierungsprozessen und ist dabei auf zwei grundlegende Funktionen von Medien angewiesen: erstens das Überbrücken von zeitlichen und/oder räumlichen Distanzen wie auch zweitens die Speicherung von Informationen, also das Erinnern. Diese beiden Funktionen markieren die wesentlichen Bedeutungsgehalte aller Medien.

In besonderer Weise ist in dem Prozess des Zweiten Vatikanischen Konzils und insbesondere in der Erarbeitung der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ (GS) aus dem Bewusstsein der kommunikativen Grundstruktur des christlichen Glaubens für die katholische Kirche eine grundlegende Struktur abgeleitet worden: als dialogische Verwiesenheit von Kirche und Welt, in der die Kirche zu einer lernenden Haltung (GS 44) findet.3

Sie sind auch die Grundlage einer Einführung in die theologische Reflexion zum Verhältnis von katholischer Kirche und Medien, die hier im Folgenden unternommen werden soll. Mit ihr wird deutlich, dass sich der Gegenstand der Betrachtung nicht eindeutig abgrenzen lässt: Alles kann zum Bestandteil menschlicher Kommunikation werden. Alles kann Medium sein, sodass der Gegenstand der Untersuchung sich als verwirrend komplex darstellt.

An kaum einem anderen gesellschaftlichen Phänomen werden zudem die rasanten gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen des 20. und 21. Jahrhunderts so sichtbar wie im Umgang mit den Medien. Daraus ergibt sich eine Vielzahl an Möglichkeiten. Allerdings entsteht für größere Bevölkerungsteile auch Verunsicherung. Dies könnte es nahelegen, für die nachfolgende Beschäftigung ein Vorgehen zu wählen, das den Leser_innen den Eindruck vermittelt, man habe die Thematik nun im Griff. In der Betrachtung des Themas würde dabei ein (scheinbar) neutraler Beobachtungsort aufgesucht, um die komplexe Realität als Einheit zusammenfassen zu können. Dass damit lediglich eine scheinbare Sicherheit und Souveränität entstünde, liegt auf der Hand. Es wäre der Versuch, eine verwirrende Vielfalt durch massive Komplexitätsreduktion handhabbar zu machen. Stattdessen soll die Unübersichtlichkeit der Welt ausgehalten und die Differenz des Vielfältigen sichtbar bleiben.4

Deshalb sollen Aufbau und Gedankengang der folgenden Beschäftigung mit dem Verhältnis von katholischer Kirche und Medien mit Wahrnehmungen der gegenwärtigen Situation beginnen. Erst später folgt dann ein Blick in die geschichtliche und lehramtliche Entwicklung wie auch die Frage nach einer digitalen Theologie. Schon in der Wahl des Vorgehens wird also erkennbar, dass das Anliegen hier nicht in der Entwicklung eines Rasters5 besteht, mit dem eine komplexe Wirklichkeit handhabbar werden könnte. Dies entspräche einem vormodernen, sicherheitsorientierten Wissenschaftsverständnis. Stattdessen wird hier ein fragmentarisches Vorgehen6 gewählt, das darauf abzielt, durch Irritationen neue Fragen aufzuwerfen.7