Buchcover

Lothar Streblow

Robbi, der Heuler vom Wattenmeer

Saga Egmont




„Die Frage nach dem tierlichen Bewußtsein hat die Menschen schon immer gefesselt, weil Haus- und Wildtiere gleichermaßen unsere Bewunderung und Neugier erregen. Sie verlocken uns dazu, in ihre Haut zu schlüpfen und uns vorzustellen, wie ihr Leben sein mag.“

Donald R. Griffin


„Gefühle sind es, die alle Kreatur dazu drängt, etwas zu tun oder, wenn es ängstliche Stimmungen sind, etwas zu unterlassen.

Vitus B. Dröscher

Robbis erster Tag

Es war eine stürmische Nacht, düster und wolkenverhangen. Ein steifer Nordwestwind peitschte Schaumkronen aus den Wogen, bevor sie an der Küste brachen, Stunden um Stunden. Nun lag Dämmerung über dem Watt, eine fahle Helligkeit. Der Sturm ließ nach, flaute mehr und mehr ab. Die Ebbe hatte eingesetzt, aber noch gab das Meer die Sandbänke nicht frei. Immer wieder rollten die Brecher dagegen, überrollten das kaum sichtbar gewordene Land. Und der Gischt schäumte in den Prielen.

Weiter draußen, im tieferen Wasser, glitt ein Seehundrudel durch die hochgehenden Wogen. Hin und wieder hob einer den runden dunklen Kopf aus der aufgewühlten See, um nach einer trockengefallenen Sandbank auszuspähen. Vor allem einer tat es mit Ungeduld. Es war ein Weibchen, ein trächtiges Weibchen. Es spürte, daß seine Zeit gekommen war: die Zeit der Geburt, und es brauchte die Sandbank, die Ruhe und die wärmende Sonne für ihr Junges.

Endlich zogen sich die Wasser zurück, leckten nur mehr spielerisch gegen die Prallhänge. Es war still geworden, der Sturm vorüber. Nasser Sand glitzerte im Morgenlicht.

Die Hündin kannte das Watt. Sie wußte, welche Sandbänke am längsten trocken lagen. Sie brauchte Zeit. Und sie wußte, daß ihre Zeit begrenzt war durch die wiederkehrende Flut. Dann mußte alles geschehen sein.

Mit kraftvollen Bewegungen ihrer Hinterflossen schwamm sie einen Priel aufwärts, durchglitt fast mühelos die starke Strömung des zurückflutenden Wassers. Der Druck machte ihr nichts aus. Sie war eine gewandte Schwimmerin. Dann robbte sie schwerfällig über den Sand und legte sich nieder, etwas abseits des Rudels, und wartete, wartete keuchend auf den Schmerz.

Als die ersten Strahlen der Morgensonne das Watt in ein gleißendes Licht tauchten, hatte sie es geschafft. Neben ihr lag ihr Junges: ein Männchen. Kopfüber war es in sein neues Leben gestürzt. Es quäkte leise an ihrem Bauch. Sie atmete schwer, durchbiß die Nabelschnur und leckte das Junge ab, immer wieder.

Es war ein gutes, zärtliches Gefühl. Das Kleine grunzte zufrieden.

Plötzlich spürte sie die weiche Schnauze des kleinen Seehundes gegen ihren Bauch stoßen. Er hatte Hunger. Behutsam wälzte sie sich auf die Seite. Instinktiv suchte er nach der mütterlichen Milchquelle. Und er fand sie, stupste immer wieder dagegen und fing gierig an zu trinken.

So begann Robbis erster Tag. Als er satt war, schlief er ein, die kleine Schnauze im Sand. Sein weißlichgraues Fell mit den dunklen Flecken war noch feucht. Doch die höher steigende Sonne leckte es allmählich trocken. Und sie wärmte ihn.

Robbis große runde Augen blickten erstaunt in die noch unbekannte Welt. Alles war neu für ihn: der Sand und die Sonne und die flatternden Schatten der kreischenden Möwen und Seeschwalben über ihm. Nur der mächtige dunkle Leib seiner Mutter versprach Geborgenheit. Robbi kroch näher heran. Und er spürte die zärtlich streichelnde Berührung ihrer Vorderflosse in seinem kleinen Nacken.

Von See her kam Wind auf. Eine sanfte warme Junibrise wehte winzige Sandkörner vor sich her. Das interessierte Robbi. Er hob seine feuchte dunkle Nase in den Wind. Und der warme Wind verfing sich in seinem Fell. Es war wie ein Streicheln. Wohlig wälzte er sich ein wenig zur Seite und kratzte sich mit seiner zierlichen Vorderflosse am Bauch.

Eine Weile lag er so und genoß die wärmenden Strahlen der Sonne und das Streicheln des Windes. Dann verspürte er ein seltsames Gefühl im Magen: Er hatte schon wieder Hunger. Doch jetzt brauchte er nicht mehr lange zu suchen. Er stupste energisch seine dösende Mutter, die ihm bereitwillig ihren Bauch zukehrte. Und Robbi trank in vollen Zügen.

Die ungewohnte Anstrengung machte ihn müde. Endlich hatte er genug getrunken. Er ließ den kleinen Kopf in den Sand sinken und schloß schläfrig seine Augen.

Als Robbi das nächste Mal erwachte, trieben bauschige Wolken am Himmel und verdeckten die Sonne. Er vermißte ihre wärmenden Strahlen. Noch etwas träge vom Schlaf robbte er langsam um seine Mutter herum und verbarg sich behaglich im Windschatten ihres Körpers.

Ein Stück entfernt lagen die anderen Seehunde des Rudels auf der Sandbank und dösten geruhsam vor sich hin. Nur einer hob ab und zu seinen Kopf wachsam gegen den Wind. Aber zwischen den Großen bewegte sich etwas, etwas viel Kleineres, bewegte sich auf Robbi zu. Und es bewegte sich sehr schnell. Er stutzte. Da Seehunde außerhalb des Wassers ziemlich kurzsichtig sind, konnte er es nicht erkennen. Und er hatte so ein Tier ja noch nie gesehen. Robbi erschrak.

Aber dann siegte seine Neugier. Aufmerksam hob er ein wenig den Kopf. Das seltsame Tier lief auf flinken Beinen. Und es lief seitwärts, kam dabei immer näher. Plötzlich bog es ab und flitzte haarscharf an Robbis Nase vorbei.

Erstaunt blickte Robbi dem sonderbaren Tier nach, bis es hinter einer Unebenheit der Sandbank verschwunden war. Robbi hatte seine erste Strandkrabbe gesehen.

Als sein kleiner Magen wieder knurrte, begann Robbi zu trinken. Das kannte er jetzt schon. Die fette Milch schmeckte ihm, und er trank sehr viel. Es war, als wisse er, daß ihm nur noch wenig Zeit dazu blieb.

Robbi und das Meer

Die Flut kam, langsam, aber unaufhaltsam. Erst waren es nur winzig kleine Rinnsale, die in den Prielen strandwärts trieben, das weitverzweigte Adernetz mählich mit Wasser füllten. Dann begann es zu strömen, immer breiter werdend. Noch lagen die Sandbänke trocken. Aber das Wasser stieg weiter. Da und dort leckte es schon über die sandigen Ränder.

Robbi sah auf. Ein leises Erschrecken spiegelte sich in seinen großen Augen. Das war wieder etwas Neues, Unbekanntes. Und es drang auf ihn ein. Einzelne flache Wellen näßten sein Fell. Es wurde kühl an seinem kleinen Bauch. Unbeholfen platschte Robbi mit seinen winzigen Vorderflossen. Wasser spritzte ihm ins Gesicht und perlte von seinem Schnurrbart.

Beunruhigt blickte er zu seiner Mutter hinüber. Aber sie rührte sich nicht, sah ihn nur aufmerksam an, während die Wellen um ihren massigen Körper schwappten. Sie schien das alles nicht zu stören. Robbi beruhigte sich wieder.

Doch dann wurde es ihm unheimlich. Plötzlich spürte er keinen Sand mehr unter seinem Bauch. Sein kleiner Körper sank hilflos ab. Luftblasen stiegen gurgelnd auf. Und eine Welle klatschte über seinen Kopf.

Als er auftauchte, stieß seine Mutter ihn mit der Flosse erneut unter Wasser. Er kam hoch, schnappte verzweifelt nach Luft, versuchte sein Köpfchen über Wasser zu halten und ruderte instinktiv mit den Flossen. Und wieder bekam er einen leichten Flossenschlag, der ihn unter Wasser drückte – immer wieder. Robbi bekam panische Angst. Doch jedesmal unterstützte ihn seine Mutter rechtzeitig, damit er genug Luft holen konnte. So lernte Robbi schwimmen, auf eine etwas rabiate Weise. Doch das war notwendig, denn es mußte ja schnell gehen, damit er in der auflaufenden Flut nicht ertrank.

Und es gelang. Robbi schwamm. Zwar noch unbeholfen, aber er schwamm: zum ersten Mal in seinem Leben, schwamm auf den sanft schaukelnden Wellen. Es war ein seltsames Gefühl, und noch machte es ihm keinen Spaß.

Jetzt war auch seine Mutter dicht bei ihm, glitt neben ihm vorbei in das tiefere Wasser des Priels und schob sich unter seinen kleinen Körper. Und Robbi folgte ihr, ganz nah über ihrem Rücken und klammerte sich mit seinen winzigen Vorderflossen an ihr fest. So fühlte er sich sicherer. Und auch die anderen Seehunde kamen. Das Rudel blieb zusammen und schwamm gemeinsam der Flut entgegen.

Robbi beobachtete sie. Und er sah, wie ihre runden, dunklen Köpfe plötzlich im Wasser verschwanden und an anderer Stelle wieder auftauchten, nun ein zappelndes Etwas zwischen den Zähnen haltend. Nach der langen Ruhepause im Watt gingen die Seehunde auf Jagd nach Fisch.

Nur Robbis Mutter jagte nicht. Sie wachte über ihr Junges, ließ es keinen Moment aus den Augen. Erst wenn es etwas selbständiger geworden war, würde sie es für kurze Jagdausflüge allein lassen. So lange lebte sie von ihrer Speckschicht. Doch das alles wußte Robbi noch nicht.

Inzwischen war die Sonne hinter den Wolkenbänken hervorgekommen. Das Wasser schimmerte hell über dem sandigen Meeresboden. Robbi wurde neugierig. Er sah nach unten, spürte, wie die Wellen über seinem Kopf zusammenschlugen. Und er bemerkte, daß er unter Wasser viel besser sehen konnte als draußen. Schatten glitten unter ihm hinweg und seltsame Tiere. Er hätte gern damit gespielt, aber noch traute er sich nicht. Alles war so fremd. Und er brauchte die Nähe seiner Mutter.

Plötzlich verfing sich etwas in seinem Bart, klebte ihm an der kleinen Schnauze. Robbi erschrak. Aber es war nur ein abgerissenes Stückchen Blasentang. Und die nächste Welle bereits spülte es weg. Seine Schnauze kam frei. Er hatte wieder eine neue Erfahrung gemacht.

Robbi lernte noch eine ganze Menge an diesem ersten Tag. Er lernte, daß es große Wellen gab und kleine, daß man nur außerhalb des Wassers Luft holen konnte und daß man sehr vielen verschiedenartigen Dingen im Meer begegnete: lebendigen, die ihm auswichen, und anderen, denen man ausweichen mußte.

Diese Erfahrung war ein wenig schmerzhaft. Als Robbi wieder einmal einen Wellenkamm durchteilte, stieß er mit dem Kopf gegen etwas längliches Durchsichtiges. Das war sehr hart. Und es tat weh über seinem rechten Auge. Es war eine treibende Glasflasche. Und sie trieb achtlos weiter. Robbi sah ihr nach; dieses Ding mochte er gar nicht.

Stunden schon schwamm Robbi, festgeklammert auf dem Rücken seiner Mutter, durch die endlosen Weiten des Meeres. Ein paarmal rutschte er von ihrem naßglatten Fell ab, wenn er sich gegen den Druck einer größeren Welle nicht halten konnte. Dann mußte er selber schwimmen, zappelnd und noch ein wenig ängstlich. Doch seine Mutter hielt sofort an, wandte ihm ihren Kopf zu. Tröstend und zärtlich rieb sie ihre Nase an der seinen und ließ ihn dann wieder aufreiten. Erst wenn er Halt gefunden hatte, schwamm sie weiter.

Allmählich spürte Robbi ein beunruhigendes Gefühl in seinem Bauch. Sein Magen knurrte vor Hunger. Und er wollte trinken. Aber er sah keine Möglichkeit, an seine mütterliche Milchquelle zu kommen. Überall war nur Wasser, wellenbewegtes, endloses Wasser. Und darüber gleitende Wolken vor einem blaßblauen Himmel. Nirgendwo zeigte sich Land, nirgendwo eine trockene Sandbank für eine nahrhafte Rast.

Robbi mußte schwimmen, mit knurrendem Magen, immer weiter schwimmen. Und er wurde müde.

Ein unheimliches Geräusch

Als die Sonne sich dem fernen Horizont zuneigte, strömten die Wasser langsam seewärts. Zwischen den kräuselnden Wellen erhoben sich vereinzelt schmale Sandstreifen.

Robbis Mutter war die erste ihres Rudels, die sich auf dem naß schimmernden Sand niederließ und seitwärts rollte. Neben ihr lag Robbi. Ungestüm stieß er sie mit seiner weichen Schnauze vor den Bauch. Und er trank, bis sein Bäuchlein sich rundete und ein Bart aus Milchschaum auf seinen Lippen klebte. Dann fiel er erschöpft in einen tiefen Schlaf.

Auch seine Mutter spürte die Müdigkeit. Noch hatte sie die Anstrengung der Geburt nicht ganz überwunden. Sie genoß die letzten wärmenden Strahlen der Abendsonne, und sie sehnte sich nach der Ruhe der Nacht, in der nichts Fremdes die Stille des Watts störte.

Plötzlich horchte sie auf. In der Ferne erklang ein eigenartiges Geräusch: das langsam sich nähernde Dröhnen eines Motors. Dieses Geräusch kannte sie. Ein verspätetes Sportboot kehrte zurück, suchte seinen Weg durch die Priele. Es bedeutete Gefahr, Gefahr auch für ihr Junges, das arglos neben ihr schlief und noch nichts von der Bedrohung ahnte. Aufmerksam sicherte sie nach allen Seiten. Falls das Boot noch näher kam, blieb nur die Flucht in den rettenden Priel. Und es mußte sehr schnell gehen.

Ringsum hoben die Seehunde wachsam ihre runden Köpfe. Einige robbten schon dichter an den Prallhang, um sofort abtauchen zu können. Unruhe erfaßte das Rudel. Aber noch verharrte es in vorsichtiger Gespanntheit. Dann ließ Harrso, ein altes erfahrenes Männchen, den Kopf sinken. Das Motorengeräusch entfernte sich. Die Gefahr war vorüber.

Aufatmend legte Robbis Mutter sich nieder. Das Junge durfte weiterschlafen, mußte nicht gewaltsam geweckt werden, seine noch schwachen Kräfte durch die Flucht verbrauchen. Es brauchte die Ruhe auf der nur für wenige Stunden trockengefallenen Sandbank. Und es brauchte den Schlaf.

Endlich versank die Sonne hinter dem Horizont. Dämmerung fiel über das Watt, wich allmählich dem Dunkel der Nacht. Robbi schlief noch immer. Und er schlief, bis der Mond das Watt in seinen blassen Schein tauchte.

Es war der Hunger, der Robbi weckte. Neugierig blickte er sich um. Alles sah anders aus. Am nachtschwarzen Himmel funkelte das kalte Licht der Sterne, und die mageren Strahlen des bleichen Mondes wärmten nicht. Robbi suchte die schützende Nähe seiner Mutter. Und er trank, bis er vor Müdigkeit einschlief.

Doch lange blieb ihm nicht mehr für seinen Verdauungsschlaf. Die Flut kehrte zurück, trat unaufhaltsam über die Ränder der Priele und glitt die Sandbänke hinauf. Das steigende Wasser näßte Robbis Bauch; sein hell schimmerndes Haar färbte sich dunkel. Er spürte die Kühle der Wellen. Und er blickte auf seine Mutter, die ihn aufmerksam beobachtete.

Sie wartete, bis er seine winzigen Flossen bewegte und zu schwimmen begann. Und sie folgte ihm und überwachte jede seiner Bewegungen. Robbi schwamm hinaus in das weite nächtliche Meer. Er hatte schnell gelernt. Die umsorgende Nähe seiner Mutter machte ihn sicher. Und die See war friedlich, hob und senkte sich nur in einer schwachen Dünung.

Allmählich verblaßten die Sterne. Der Horizont bekam ein orangenes Fell. Morgenröte überflutete das Meer, tauchte die flachen, langrollenden Wogen in ein unwirkliches Licht.

Robbis zweiter Tag begann.

Lehrzeit

Tage und Nächte vergingen im ewigen Wechsel von Ebbe und Flut. Robbi war gewachsen, größer und schwerer geworden. Aber noch war er ein Baby, blieb auf seine Mutter angewiesen. Und das würde er auch noch eine Weile bleiben.

Doch er war schon ein wenig selbständiger. Das Schwimmen machte ihm Spaß, auch bei Nacht, unter dem fernen Glitzern der Sterne. Pfeilschnell schoß er dann durch die dunklen Fluten, dicht bei seiner Mutter.

Wenn eine Welle ihn abtrieb und er für Augenblicke den Kontakt zu ihr verlor, heulte er kläglich auf. Einsamkeit konnte er nicht ertragen. Erst wenn seine Mutter herbeischwamm und ihm einen tröstenden Nasenkuß gab, fühlte er sich beruhigt.

Dafür war er auf der trockenen Sandbank um so neugieriger. Hier konnte er seine Mutter nicht verlieren. Auf jedes unbekannte Wesen robbte er vertrauensvoll zu, um damit zu spielen.

Inzwischen wußte er, daß die Strandkrabben viel schneller waren als er. Trotzdem mußte er es immer wieder versuchen. Aber es gab ja noch mehr seltsame Tiere im Watt: Muscheln und Einsiedlerkrebse, die mit ihrem Hinterleib im Gehäuse einer Wellhornschnecke steckten. Die waren längst nicht so schnell. Und in den angespülten Tanghaufen trieben sich Sandhüpfer und Strandflöhe herum und verfingen sich mitunter in seinen Barthaaren.

Robbi stutzte und robbte weiter. Ein heller Schlangenstern, der mit seinen fünf Armen in einer flachen Wasserpfütze langsam dahinkroch, interessierte ihn. Den mußte er genauer betrachten. Vorsichtig stieß er ihn mit seiner kleinen Nase an. Seine Mutter ließ ihn gewähren.

Aber nicht alle Tiere waren für den kleinen Robbi so harmlos. Bei Ebbe kamen auch allerlei Vögel, um mit ihren spitzen Schnäbeln im Watt nach Nahrung zu stochern: Austernfischer und Säbelschnäbler, Lachmöwen und Strandläufer. Gegen die hatte Robbis Mutter nichts einzuwenden. Wenn er sich aber den großen Silbermöwen nähern wollte, hielt sie ihn mit ihrer Vorderflosse energisch zurück. Diese riesigen Vögel waren kein Spielzeug für kleine Seehunde.

Nicht immer aber fiel das Watt trocken, bei bewegter See oft tagelang nicht. Und wenn kurz nach Neu- und Vollmond die Springtiden kamen und ein Windstau vor der Küste das Hochwasser nicht ablaufen ließ, blieben auch die großen Sandbänke überflutet. Dann gab es keine Ruhepausen in der wärmenden Sonne. Auch das mußte Robbi lernen. Zwar konnte er sich, wenn er müde war, mit seinen kleinen Flossen auf dem Rücken der Mutter festklammern, doch auch sie mußte irgendwann einmal schlafen. Das ging, wie Robbi bald merkte, auch im Wasser. Seine Mutter legte sich dann waagerecht flach zur Wasseroberfläche und hob zum Atmen nur ab und zu die Nase. Und das tat Robbi dann auch. Hauptsache, seine Mutter war bei ihm.