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G.F. Barner
– Staffel 4 –

E-Book 31-40

G.F. Barner

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-724-0

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Stadt ohne Gesetz

Der Westen braucht Männer wie Allen Clanton

Roman von G. F. Barner

Es sind Büsche, die die Reiter verdec­ken. Es sind auch ein paar kleine Felsen, hinter denen man Deckung finden könn­te.

Und der Mann, der auf einem dieser Felsen hockt und durch die Zweige des Busches herab auf den Rauch, den Cor­ral und das schiefe Haus blickt, sagt hei­ser:

»Jetzt ißt er, Mike. Ich kann ihn sehen. Er stopft sich den Bauch voll, dieser ver­dammte Bursche.«

»Ja«, sagt der Mann, der keine zehn Yard weiter zwischen vier anderen Männern sitzt. »Man sagt, mit einem vol­len Bauch hat man mehr Schmerzen, was?«

Er ist semmelblond, sein Haar ist strähnig und glatt und zwei seiner Zähne ragen über die Oberlippe. Sie sind etwas zu lang, um ganz von der Unterlippe be­deckt zu werden, wenn er lächelt. Er mag hundertsiebzig Pfund wiegen, seine Nase ist scharf und leicht gekrümmt wie ein Adlerschnabel. Und seine Augen se­hen bei näherer Betrachtung grau aus, mit einem kleinen Kreis gelber Punkte in der Iris. Die Augenbrauen sind farblos, und die Lippen voll.

Wenn jemand, der Erfahrung in diesen Dingen hat, sein Gesicht sieht und die Lippen studiert, dann wird er wissen, was Mikel Todhunter ist: Ein Mann, der seinen wilden Gelüsten lebt und ihnen nachgeht.

Er hat kaum Feinde, denn niemand wäre so wahnsinnig, sich ihn zum Feind zu machen. Dafür hat er viele Freunde. Zum Beispiel diese fünf Männer, die für die Flying-H-Ranch reiten.

Im Augenblick rauchen sie alle.

Und das sagt genug, denn sie rauchen seine Zigarren. Man kann sich auf diese Art Freunde machen, wenn der Boß keine besseren Zigarren raucht als seine Leute, wenn er keinen besseren Whisky trinkt als sie. Und wenn er ihre Streiche lächelnd hinnimmt. Es fragt sich nur, ob man etwas aus Freude verschenkt, oder ob man dabei berechnend ist. Mikel Todhunter ist berechnend. Er weiß, wie man sich Freunde macht, wie man Feinde behandelt und unbeliebte Burschen klein bekommt. Es kostet Lächeln, Geschenke und Reden. Und jetzt redet er.

»Budd, wo hat er das Brandeisen gelassen?« fragt er sanft, und seine blassen Augenbrauen ziehen sich leicht hoch. »Hast du den Brand wirklich nicht erkennen können?«

»Es ist selbst für mein Glas zu weit, Mikel«, sagte der Mann an dem Busch ruhig. »Aber sein Brandeisen hat er in den Stall gebracht. Rechts, gleich neben der Tür, ist ein Brett. Da hat er es hingelegt. Nun ißt er sich den Bauch voll. Und dann wird er das tun, was er jeden Mittag macht. Er wird sich hinlegen und seinen Bauch ausruhen, die Augen zumachen und schlafen. Und sicher wird er von Ireen träumen.«

»Danach hatte ich nicht gefragt«, sagt Mikel Todhunter heiser.

Und als er das sagt, klingt die Gereiztheit eines eitlen Mannes mit, der glaubt, jede Frau wird ihm nachlaufen. Er ärgert sich seit über zwei Jahren. Und der Ärger war wie ein schleichendes Gift, das sich in sein Blut fraß.

Er denkt an Ireen Dunhart, wie sie damals hieß. Er denkt an ihre Kostüme, die sie auf der Bühne trug. Und er brannte beinahe lichterloh. Sie war kein Backfisch, sie war das, was man eine Frau nennt.

Und als er zu wild und zudringlich wurde, gab sie ihm zwei Ohrfeigen.

Jetzt wird er wieder ärgerlich, beinahe wild.

»Dieser Hundesohn!« sagt er bissig und scharf. »Steven Clay hat gegrinst, als er mich sah und er sie geheiratet hatte. Er hat mich nur angegrinst. Fast hätte ich mich auf ihn gestürzt. Aber ich war allein. Und er hat Kräfte wie ein Bär.

Auch mit seinem Colt war und ist er schneller als ich. Der Teufel soll ihn holen, ich werde ihn zerbrechen, diesen Viehdieb. Jeder Mann hier weiß, daß er vier Brandzeichen hat. Welcher anständige Mann hat schon vier Zeichen, heh? Und sicher hat er gerade eins meiner Rinder umgebrannt.«

Er wirft seine Zigarre zu Boden und zertritt sie zu einem Torso von Blättern und Asche.

»Reiten wir hinten herum«, sagt er grimmig. »Ich werde den Burschen besuchen. Und wenn er uns nicht beweisen kann, daß es nicht unser Rind ist…«

Den Rest dieser rauhen und gewalttätigen Drohung verschluckt er. Er geht zu seinem Pferd, seine Männer folgen ihm.

Nun ja, sagt sich Mikel Todhunter. Sundown ist Deputy. Und sicher könnte ich ihn herschicken, wenn er nicht schon zweimal hier gewesen wäre! Er hat nie ein Rind von mir gefunden, so schlau ist dieser verdammte Clay! Warte, ich kann es auch ohne Sundown, was? Der muß ohnehin machen, was der Alte will. Er hat einen bequemen Job und Dad bezahlt ihn. Verdammt, wenn er nur nicht immer so ruhig wäre, daß man nicht weiß, was er denkt. Der Bursche lächelt zuviel, als daß es schön ist und leicht, seine Gedanken zu erraten! Sundown, du hast aber auch gar nichts von den Todhunters weg! Gar nichts, verdammt!

In diesem Augenblick, in dem sie hoch über der Sohle des Canyons reiten und den Weg nach Westen nehmen, um den Canyon von hinten zu erreichen und sich dem Haus auf dieselbe krumme Art zu nähern, sagt Budd Sharp:

»Mikel, wirst du auch keinen Ärger mit Allen Clanton bekommen?«

Diese Frage klingt lauernd und irgendwie gespannt. Und Mikel sieht die teils neugierigen Gesichter seiner Reiter und sagt sanft:

»Mein Vetter ist ein Trottel. Er wird alles machen müssen, was Dad von ihm verlangt. Wozu haben ihn die Todhunters zum Deputy-Sheriff vorgeschlagen, wenn er nicht vernünftig ist. No, Allen, macht alles, was der Alte will.«

Und dann schweigt er, denn Clanton, der Herumtreiber und arme Hund, den James Brian Todbunter aufnahm und zu essen gab, dessen Schwester das Brot der Flying-H ißt, wird gar nichts tun. Er wird zusehen, denn er hat einen prächtigen Job, ein Haus, zwei Pferde und immer zu essen und zu trinken.

Sie reiten zehn Minuten schweigend, bis sie den letzten Grat erreichen, der steil abfällt. Es ist eine Halde aus Geröll unter diesem Grat, die tief abfällt und die die Pferde vorsichtig herabsteigen.

Dann sind sie unten und biegen nach links. Vor ihnen glitzert der Nebenarm des Penasco Rivers, der sein Wasser durch den Canyon strömen läßt und so für ein wenig Fruchtbarkeit sorgt.

»Heh, Mikel«, sagt Clem Tuttle brummend und kommt neben ihn. »Wie konnte dieser Bursche das Land hier kaufen, wenn ihr doch gewußt habt, wie prächtig hier tausend Rinder weiden können? Wie konnte er das denn?«

»Yeah, wie konnte er?« fragt Mikel lahm. »Er war schließlich auf unserer Ranch der beste Mann. Und Dad hat Weide genug. Clay erkannte seine Chance, kaufte sich hier an, weil wir das Land nicht brauchten und die Laidlaws es auch nicht haben wollten. Er hat eine gute Gegend erwischt. Gut für Viehdiebe.«

Vor ihnen macht der Canyon eine leichte Krümmung nach Süden. Und hinter der Krümmung, keine hundert Yard entfernt, liegt der Corral und das Haus.

Budd Sharp hält an und blickt sichernd um die Ecke. Der Rauch steigt nur noch in einer dünnen Fahne aus dem Schornstein. Die Rinder dösen in der Mittagshitze, und die beiden Pferde im kleinen Pferdecorral neben dem Haus lassen die Köpfe hängen.

»Nun?« fragt Mikel Todhunter von hinten. »Heh, Budd, ist was?«

Sharp dreht sich um und grinst wie ein Uhu. Er nimmt die rechte Hand vom Sattelhorn, packt seinen Colt an und zieht ihn heraus.

Und dann sagt er grinsend:

»Sie schlafen wohl alle. Es ist nichts zu sehen, auch nichts zu hören bis auf die Rinder. Wollen wir hin?«

Er reitet langsam an und wartet die Antwort erst gar nicht ab. Hier stehen Büsche, dann kommt zur Riverseite hin Gras und direkt am Ufer wieder Büsche. So reitet er vor Mikel Todhunter her, der sich völlig ruhig verhält, wie auch die anderen Männer. Sie haben nur jetzt jeder den Revolver in der Hand.

Langsam und im Schritt, durch trockenes Gras, nähern sie sich dem Rindercorral und dem Stall.

Sie kommen dicht hinter dem Stall her und noch immer rührt sich nichts. Bis zum Haus mögen es dreißig Yards sein. Sie halten an und Mikel sagt zischend:

»Runter, Leute. Budd, links herum. Sieh durch das Hinterfenster in den Bau. Clem, rechts herum. Die anderen kommen mir nach. An dieser Seite ist nur ein Fenster. Vielleicht merkt er es gar nicht, was?«

Er grinst hämisch, als er absteigt und Clem Tuttle sagt:

»Der Narr wird auf seinem Bett liegen. Und ich denke, die Fenster sind offen, was? Will er an seinen Colt, stehe ich am Fenster und passe auf.«

Und dann ist er schon herunter und überall knarrt nun das Sattelleder leise und mißtönig. Eins der Pferde schnaubt, aber auch eine Kuh brüllt im Corral, und das Geräusch geht in dem Muhen unter. Dreißig Yards bis zum Haus.

Clem Tuttle huscht los, den Colt in der Faust und geduckt fast am Boden dahingleitend. Er nähert sich dem Haus von der Giebelseite, die Stangen des Corrals sind links von ihm, und die beiden Pferde in ihm heben träge und matt die Köpfe. Sie schnauben nicht einmal in der brütenden Hitze des Canyons.

Tuttle sieht das Fenster vor sich und bückt sich noch weiter. Er kommt herunter und lauscht.

Aus dem Haus dringt leiser Gesang. Irgendwo in der Küche singt Ireen Clay. Sie singt rauchig und tief mit einem Ton, der sich nach der letzten Saite einer alten Geige anhört.

Und Tuttle denkt, daß sie nur singen soll, desto besser ist es für ihn und seine Partner.

An ihm vorbei, auch geduckt unter dem Fenster hergleitend, schiebt sich Budd Sharp.

Und der große und harte, muskelbepackte Owen Walburn ist schon am Corral vorbei und an der Giebelwand des Hauses. Er huscht auch geduckt weiter, und man sieht unter dem angespannten Stoff des Hemdes deutlich seine Muskeln.

Hinter ihm huscht Mikel Todhunter los.

Und nun stehen sie alle still, denn innen klappert es leise. Es hört sich an, als wenn ein Eimer hochgehoben wird.

Dann taucht Ireen Clays helles Haar auf, und schließlich ist sie auf dem Hof.

Sie geht zu jenem Bottich hin, der einen Deckel hat und den Steven Clay jeden Morgen mit Wasser aus dem River füllt.

Niemand weiß, ob sie einen der Männer gehört hat, ob sich einer zu scharf bewegte und dabei ein Geräusch machte.

Ireen Clay ist vielleicht acht Schritte von der Tür weg, als sie anhält und sich langsam umblickt.

Das Schaukeln des Eimers, der hin und her schwingt, endet jäh. Ihre Augen weiten sich, und da sieht sie auch schon Walburns breiten Körper um die Türfüllung gleiten.

Ireen Clay macht jäh den Mund auf und ruft scharf und laut, trotz des drohenden Revolvers von Mike Todhunter:

»Steven, Steven! Schnell, vorsichtig! Mikel ist hier und hat einen Revolver! Steven…«

»Verdammtes Weibsbild!« sagt Mikel wütend und springt los. »Was hast du zu schreien, wenn du keine Erlaubnis dazu hast? Ich werde dich lehren…«

Er wirft sich mit einem wilden Fluch vor, ihr Eimer fliegt scheppernd über den Boden und rollt bis an den Bottich, und dann holt er aus, und sie taumelt.

»Ich war dir noch eine Kleinigkeit schuldig, Fünf-Dollar-Lady!« sagt Mikel Todhunter wild. »Harry, paßt auf!«

Ireen Clay sieht Mikel Todhunters Hand kommen, sie kann nicht mehr ausweichen; aber sie fühlt auf einmal, daß sie wütend und wild wird. Sie taumelt, bückt sich nach dem Eimer und reißt ihn hoch.

Mikel will sie packen, und Gott allein mag wissen, was geschehen wird.

In diesem Augenblick poltert es innen. Und im gleichen Mornent, als Mikel sich nach diesern Gepolter umsieht, reißt Ireen Clay den Eimer hoch. Vielleicht denkt sie gerade an einige wilde Burschen, die in noch wilderen Saloons alles auf den Kopf stellten und die man rauh behandeln mußte.

Sie holt mit dem Eimer aus, und es ist Mikels Pech, daß er seinen Colt eingesteckt hat.

Der Eimer schießt zwischen den zugreifenden Händen Mikels durch, prallt ihm mitten ins Gesicht, und der runde und scharfe Rand des Eimers setzt auf seiner schon krummen Nase auf.

Mikel Todhunter sieht ein Feuerwerk und brüllt gräßlich. Er schleudert heulend den Eimer weg und will sich auf Ireen stürzen. Aber in der Zwischenzeit sind einige Dinge passiert, die auch Mikel Todhunter nicht ahnen kann.

Da ist Clem Tuttle, und Tuttle ist hinter dem Fenster. Dieser Clem

Tuttle, der zu den schnellsten Revolverschwingern aus der Flying-H-Mannschaft zählt, richtet sich langsam auf und blickt über das Fensterbrett hinweg in das Zimmer hinein.

Clem Tuttle sieht Clay auf dem Bett liegen. Clay hat die Stiefel ausgezogen, die Hose oben zwei Knöpfe weit offen und keinen Gurt um.

Und Tuttle, der den Mann sieht, dessen Augen geschlossen sind, beginnt wild und gefährlich zu grinsen. Er spürt, daß Budd Sharp zu ihm hinsieht und blickt sich um. Sharp steht genau an der anderen Ecke, Tuttle nickt, und Sharp gleitet weg. Er verschwindet vor den Augen seines Partners hinter der Ecke. Er braucht keine acht Schritte zu machen, dann ist er an der jenseitigen Giebelwand des Hauses vorbei und muß in den Hof kommen, der sich vor dem Bau ausbreitet.

Ruhig hebt Tuttle seinen Revolver. Er zaudert einen Augenblick, ob er schießen soll, wenn sich Clay auf dem Bett bewegt. Dann zieht er sich hoch und steigt sacht in den Raurn hinein.

Und in derselben Sekunde hört er das Singen draußen verstummen. Er hört einen schwachen Ausruf, und dann ruft Ireen Clay.

Tuttle ist nahe daran, lauthals zu fluchen. Er hört Mikel Todhunter grimmig fluchen, und dann klappert es gewaltig.

Tuttle ist keine zwei Schritte mehr vom Bett entfernt und stürzt los. Er reißt den Revolver grimmig fauchend hoch, als sich Clay aufrichtet.

Und Clay, der sich blitzschnell und hellwach umsieht, erkennt kaum den Mann, sieht jedoch den Revolver.

Tuttle schlägt zu, aber er hat Pech. So schön Clay auch geschlafen haben mag, er handelt in dieser einen Sekunde.

Clay rollt sich nach links ab. Er landet auf dem Boden. Er hat seinen Gurt an den Stuhl gehängt, der in der anderen Ecke des Zimmers steht. Dort stehen auch seine Stiefel, und Clay rollt sich blitzschnell über die Dielen.

Fluchend prallt Tuttle mit den Knien gegen das Bettgestell und fliegt vornüber. Er landet auf dem Bett, und das ist der Augenblick, in dem Steven Clay genau auf die Fußbank zurollt.

Steven Clay starrt auf die Fußbank und streckt nur seine linke Hand aus. In der gleichen Sekunde hat er auch schon die Bank gepackt, dreht den Arm und schleudert die Bank gerade in dem Moment los, als sich Tuttle fluchend aufrichtet.

Die Bank ist aus bestem Eichenholz. Tuttle richtet sich wutentbrannt auf und sieht die Bank erst im letzten Augenblick kommen.

Dieser Augenblick reicht nicht aus, wieder nach unten zu kommen. Tuttle bekommt die schwere Fußbank vor den Kopf.

Und dann sieht er zwei Engel, die ihn an der Hand fassen und absolut mit ihm tanzen wollen. Auf einmal verwandeln sich die Engel in zwei Teufel, und der eine spuckt sogar Feuer. Dieses Feuer blendet Tuttle schrecklich. Aber dann wird es wieder ganz hell, und Tuttle beginnt zu grinsen. Das Grinsen wird immer breiter und fröhlicher.

Er liegt der Länge nach ohnmächtig auf dem Bett.

Steven Clay hört Mikel draußen wild sagen:

»Fünf-Dollar-Lady!«

Steven Clay springt hoch und sieht Tuttles Colt auf dem Boden liegen. Und er hat, ehe er es begreift, den Colt in der Hand und läuft los.

Mit dem Revolver in der Faust, das wilde Keuchen seiner Frau in den Ohren, stürmt Steven Clay durch das Zimmer und rast in den Hof. Er will in den Hof, aber da sieht er links von sich, dicht neben der Außentür, den Schatten. Und der Schatten stürzt sich grollend auf ihn.

Steven Clay knickt ein, er schießt nicht, er sieht den dicken Stiel in Walburns Hand, der sonst im Waschkessel Ireens steckt. Und Walburn holt mit dem Stiel aus.

»Hundesohn!« sagt Walburn giftig. »Ich werde ihn dir über den Kürbis schlagen.«

Steven Clay kämpft nicht zum erstenmal. Er springt aus vollem Lauf nach links, hechtet los und schiebt seine linke Schulter vorwärts und den rechten Arm mit dem Colt heraus.

Zu überraschend für Walburn springt er Walburn mitten in den Bauch, und Walburn taumelt ächzend zurück. Knurrend holt Clay mit dem Revolver aus, sieht Walburns Bauch und schiebt den Revolver mit aller Gewalt mitten in den Bauch hinein. Sicher könnte er abdrücken, aber Clay war noch nie wild darauf, jemand umzubringen.

Er kämpft immer ehrlich, und Walburn, der taumelt, bekommt den Hieb in den Magen. Dann, während Walburn ächzend an den Tisch in der Küche fällt, abrutscht und zu Boden geht, fliegt Clay mit einem Satz aus der Tür.

Was er sieht, bringt ihn in wilde Raserei. Man darf ihn nicht ärgern, dann wird er wild. Und genau das hat man nun mit ihm gemacht.

Steven Clay springt zu. Er sieht seine Frau fallen, er sieht Mikel Todhunter sich auf sie stürzen und selbst für Budd Sharp und Meehan ist Clay zu schnell draußen.

Sharp würde schießen, aber er tut es nicht, denn sein Colt rast zu schnell herum und die Kugel trifft vielleicht Todbunter.

Statt dessen stürzen Meehan und Sharp los.

Sie kommen zu spät, denn Clay ist schon bei Todhunter, streckt die Hände vor, krallt sie in Todhunters Nacken und reißt Mikel hoch.

»Du dreckiger Halunke!« sagt Clay fauchend. »Du verdammter Bandit! Ich werde dir helfen, dich an meiner Frau vergehen zu wollen! Paß auf, du Schuft!«

Und in derselben Sekunde setzt er die linke Faust rammend ein. Er steckt so voller Wut, daß er nur den Mann vor sich sieht. Und dem gibt er das, was er an Kraft in seinen Armen hat, gnadenlos zu spüren.

Todhunter erkennt erschreckt und verstört etwas, womit er niemals zu rechnen wagte.

Steven Clay ist aus dieser Falle heraus und bei ihm. Und er bekommt die linke Faust tief unter die Gürtellinie. Ächzend krümmt er sich zusammen, preßt beide Hände vor den Bauch, und Clay sagt grimmig vor Wut:

»Da hast du es, du Warzenschwein! Ich werde dir zeigen, wie groß du bist! Da, schluck es!«

Der nächste Schlag trifft Todhunters Kinnspitze, und für Mikel geht die Welt fast unter. Der andere Hieb saust auf seine Nase, bricht seinen einen Vorderzahn ab und verbiegt die Nasenspitze.

Clay sollte hinter sich sehen, dieser wilde und bis auf sein Blut gereizte Mann.

Dort kommt Meehan heran. Ein geduckter und stiernackiger Mann, der seinen Boß umfallen sieht.

Meehan hat den Colt in der rechten Hand. Er schlägt zu. Clay fliegt vornüber, stolpert über den zu Boden gehenden Todhunter und sieht vor sich zwei Stiefel.

Auf einmal weiß er, daß er mitten in einem Männerzirkus steckt. Dann trifft ihn Budd Sharp mit dem Revolver.

Und sie alle, auch der junge Art Ford, starren auf Clay, der krachend zu Boden stürzt und keinen Laut von sich gibt.

Sie übersehen alle etwas. Sie übersehen die Lady am Boden. Und sie achten nicht auf den Colt Tuttles, den Clay einmal hatte und wegwarf. Dieser Colt liegt genau vor Ireen Clay.

Sie bewegt nur die Hand blitzschnell, dann hat sie den Colt auch schon gepackt, richtet ihn auf Sharp, und in diesem Augenblick ist es Art Fort, der Sharps Leben rettet.

Art Ford sieht die winzige Bewegung aus den Augenwinkeln.

»Budd, rechts, Vorsicht!«

Sein wilder Schrei reißt den eiskalt grinsenden Sharp aus der Erstarrung, und Sharp wirbelt herum. Er sieht den Revolver, starrt entsetzt auf den Hammer, und der Hammer steht schon hoch. In derselben Sekunde stößt die Coltmündung eine Feuerlanze aus. In das Rollen des Schusses hinein sagt Ireen Clay schneidend:

»Ihr lumpigen Kuhtreiber, ich will euch schon…«

Der Colt ist zu schwer für sie, der Rückstoß reißt ihre Hand nach hinten hoch, und der Colt kommt aus der Bahn.

Der junge Art Ford läuft los. Er wagt es nicht, auf die Lady zu schießen, er sieht nur aus den Augenwinkeln, wie Sharp zusammenzuckt, sich an die linke Hüfte packt und taumelt. Dann ist er auch schon bei Ireen Clay, hat beide Hände ausgestreckt und bekommt ihren hochfliegenden Arm zu packen.

»Sie verdammte Närrin!« sagt Art Ford grimmig. »Sie werden ihn noch töten.«

Ireen schreit einmal grell auf, als ihr die Hand nach hinten gerissen wird und der Arm sich verbiegt. Dann ist sie den Colt los, Art Ford kniet neben ihr und hält sie eisern fest.

Keine acht Schritte weiter taumelt Budd Sharp gegen die Rundung des Bottischs und hält sich am Deckel fest. Er keucht scharf, denkt nicht an eine Schießerei und sieht starr auf sein linkes Hüftgelenk. Er starrt auf seine Hand und sieht Blut. Und ihm wird übel. Dann jedoch probiert er das linke Bein, und es läßt sich ohne Schmerz bewegen. Nur der leichte Stich in der Hüfte ist da und erinnert daran, daß die Kugel ihn gestreift hat.

»Verdammt, verdammt«, sagt Harry Meehan knurrend. »Das Weib hat den Satan im Blut. Halte sie fest, Art, sie ist ja wilder als eine Raubkatze. Zum Teufel, sie hätte mich getötet.«

»Wenn ich es nur hätte«, sagt sie keuchend. »Ihr Lumpen, was fallt ihr über uns her, als wenn ihr Banditen seid? Wer hat euch eingeladen, auf unser Land zu kommen? Steven.«

Sie will hoch, kommt auch auf die Knie, aber da reißt ihr schon Meehan den anderen Arm auf den Rücken und drängt sie gegen die Hauswand ab. Dort steht sie still und kann Steven nicht helfen. Neben ihr kommt Owen Walburn grollend und seine Hände auf den Bauch haltend aus der Tür und lehnt sich keuchend an die Wand.

»Oah«, sagt Walburn und seufzt schlimm. »Dieser verdammte Kerl ist mir in den Bauch gesprungen und hat mir mit dem Colt fast die Rippen eingedrückt. Da liegt er, nun gut. Art, paß auf die Frau auf.«

Er dreht sich um und starrt auf den zweijährigen Jungen, der aus der Tür tritt und hinter dem Tuttle ankommt. Tuttle hat den Jungen am Kragen und sagt kalt, wenn auch noch stockend und anscheinend nicht im Vollbesitz seiner Kräfte:

»Jetzt habe ich genug. Wenn sie nicht friedlich ist, werde ich mit diesem Bengel…«

»Sie!« sagt Ireen Clay verächtlich. »Lassen Sie den Jungen in Ruhe. Sie verdammter Schuft, Steven hat Ihnen was an den Kopf geworfen, was? Nun, Rim, komm her.«

»Langsam!« knurrt Meehan. »Langsam, Lady, der Junge kann zu Ihnen, aber ich sage Ihnen, es wird ihm etwas passieren, wenn Sie nicht friedlich sind. Dies ist eine verdammte Viehdieb-Ranch. Wir werden das sehen und auf unsere Art behandeln. Owen, paß auf Clay auf, der Bursche hat Dynamit in sich. Vorsichtig mit ihm, nur vorsichtig, er ist noch lange nicht fertig.«

Tuttle bleibt in der Tür, sieht sich in der Küche um und nimmt dann das Gewehr von der Wand. Er wirft es ins Zimmer, feuert die schwere Schrotflinte hinterher und sagt knapp und giftig:

»Art, bring sie und den Jungen rein. Und dann paß auf, daß sie sich nicht rührt.«

Art Ford zieht die Lady ins Haus, und Tuttle deutet auf die Ecke hinter dem Tisch und die Ofenbank. Dort muß sich Ireen Clay setzen und zieht den Jungen an sich. Sie sieht auf die Tür, sie kann Steven am Boden liegen sehen, und nun kommt Walburn heran und hat ein Lasso in der Hand.

Der junge Art Ford steht an der Wand. Es ist das erste Mal in seinem Leben, daß er derartige Dinge mitmacht. Ihm ist etwas übel, und die Trockenheit sitzt in seinem Hals. Und dann sagt er gepreßt:

»Ich werde die Tür besser schließen, Lady. Ich bin nur mitgenommen worden, weil wir jemand für Sie haben mußten. Wirklich, es tut mir verdammt leid, daß Sie es sehen sollen, ich werde die Tür…«

»Bleiben Sie von der Tür weg, Sie Lump!« sagt Ireen heiser. »Lassen Sie sie nur auf. Ich will das alles sehen, genau sehen, damit ich es nicht vergesse. Was wollen Sie von ihm, in den Boden treten, oder was sonst? Erschießt ihn besser gleich, denn Steven ist unschuldig.«

»Hören Sie, ich sagte doch schon, ich habe damit nichts zu tun«, erwidert Ford unbehaglich. »Es ist nicht meine Sache. Ich soll nur auf Sie achten. Er hat Rinder von uns umgebrannt. Es gibt einen Beweis. Er hat seine Rinder bei Avra Fregus drüben in Zaragoza verkauft. Wir waren da, das heißt der Boß und Owen. Und es waren drei Rinder mit unserem Brand dabei. Der Brand war zu erkennen, sie rasierten das Fell ab. Er ist ein Rinderdieb, Madam.«

»Was?« fragt sie schwer atmend. »Steven hat niemals ein Rind von eurer Weide geholt. Kann sein, daß sich ab und zu mal ein Rind verlief, aber geholt hat er keins. Und wer will es so haben, daß er zehn Meilen ein Rind treiben muß, damit ihr es zurückbekommt? Der alte James Brian würde es nicht wollen. Das ist alles nur meinetwegen. Ich habe Mikel meine Meinung gesagt, und er will sich an Steven rächen. Was seid ihr doch für Schufte!«

Sie sieht aus der Tür in den Hof, und sie sieht nun, daß sich Owen Walburn wieder aufrichtet und Steven die Hände und Beine gebunden sind. Er hat um jedes Bein ein Stück Riemen wie jenes Rind, das er brannte. Zwischen diesen beiden Riemen ist ein Stück von etwa dreißig Zentimeter Länge. Er kann also gehen, aber nur in Trippelschritten.

Und auf einmal weiß sie, daß es hart werden wird, zu hart, denn sie kennt Steven.

Sie sieht, wie Mikel Todhunter von Clem Tuttle etwas Wasser auf den Kopf bekommt und sich ächzend erhebt.

Und der erste Satz, den Mikel Todhunter spricht, ist eine Kette von Flüchen.

Er steht schwankend und von Tuttle gehalten auf und blickt auf Steven Clay hinab, dessen rechtes Ohr blutet und der am Kopf eine Beule hat.

Steven Clay liegt auf dem Rücken, und Mikel steht mit geballten Händen über ihm. Und Mikel Todhunter wendet ganz langsam den Kopf und sagt heiser:

»Ireen, willst du was? Gefällt es dir nicht, was ich mit einem Viehdieb anstelle? Nun los, was willst du?«

Sie atmet keuchend und schluckt. Ihre Augen schimmern feucht vor Scham und Zorn. Und dann sagt sie bitter:

»Du kannst alles haben, was du willst, aber laß ihn in Ruhe. Um mich ist es nicht schade, aber er… Laß ihn in Ruhe.«

»Was?« fragt er spröde und jäh ernüchtert. »Sagtest du alles?«

Er starrt sie einen Augenblick an, und jeder sieht, wie er nachdenkt, aber dann spuckt er aus und sagt knirschend:

»Hätte er mich nicht geschlagen, würde ich ihn schonen. So nicht mehr. Dieser Narr wird es bezahlen. Und wenn ich etwas von dir will, dann bekomme ich es immer noch. Vielleicht bist du eines Tages froh, wenn ich mich um dich kümmere. Fangt an, macht den Kerl munter. Und dann seht die Kuh da nach.«

Er deutet auf den Corral, und Meehan geht hin und sagt ruhig:

»Boß, der Brand ist nicht mehr zu erkennen! Der Brand kann ein Hammer gewesen sein, aber ich bin nicht sicher!

Vor drei Tagen zog hier eine Herde durch, die das Zeichen hatte. Soll ich weiter nachsehen?«

»Geh mit, Budd!« sagt Mikel Todhunter scharf. »Seht alle Rinder nach. Und dann rasiere ihnen das Fell, wenn du meinst, du findest etwas, Meehan. Los, fangt an! Owen, weckt ihn auf!«

Draußen klatscht Wasser auf Steven Clay. Und die Lache auf dem Boden verwandelt sich in ein sumpfiges und schmutziges Etwas.

Steven Clay bewegt die Beine.

»Er wacht auf!« sagt jemand grollend. »Gebt ihm noch einen Schuß, damit es schneller geht.«

Und eine andere Stimme sagt krächzend:

»Wenn er nur bald aufwacht, damit ich ihm zeigen kann, was es heißt, mich fast totzuschlagen. Weckt ihn auf, den Kerl!«

Auf einmal merkt Clay, daß der Boden leise zittert. Und dann klatscht es kalt auf ihn. In seinen Ohren ist der Schrei eines Rindes, brüllend und laut.

Und da macht er die Augen auf. Zugleich spürt er den brennenden Schmerz am rechten Ohr, das dumpfe Pochen in der Gegend des Hinterkopfes, und seine Augen sehen einen Schleier.

Es sieht aus, als wenn er durch eine Scheibe sieht, die voller Spinnweben ist und die Spinnweben bewegt der Wind.

Zweimal, dreimal zwinkert er mit den Augen. Und jedesmal wird das Bild ein wenig klarer.

Aus dem Nebel taucht das Gesicht von Mikel Todhunter auf, und Todhunters Bein hebt sich.

Er stellt es auf den hochkommenden Steven Clay. Er fällt in die Brühe zurück.

»Langsam«, sagt Mikel Todhunter krächzend. »Mach nur langsam, Bursche. Wir fangen erst mit dir an. Wir werden dich in deine Einzelteile zerlegen, mein Freund, hörst du mich auch?«

»Vielleicht«, sagt Steven Clay.

Und auf einmal weiß er alles. Er weiß nun genau, was passiert ist und daß man ihn niedergeschlagen hat. Er erinnert sich an Todhunter und seine Frau. Und er sagt schwach und leicht keuchend:

»Ireen, bist du heil?«

Sie sitzt in der Küche, und der Junge liegt mit dem Gesicht an ihrer Brust. Der Junge kann seinen Vater nicht sehen, und das ist gut so.

»Ja«, sagt sie gepreßt zurück. »Ja, Steven. Verliere den Willen nicht.«

Sie senkt den Kopf, als Mikel Todhunter sich umdreht und sie mit seinen funkelnden Augen anstarrt.

»Genug geplärrt!« sagt Todhunter scharf. »Jetzt wird es rauh.«

*

Die Sonne sieht herab auf das Land. Sie bescheint ein Stück weiter die kleine Ranch, auf der es kaum ein Leben zu geben scheint.

Dort ist Ireen Clay dabei, ihren Mann zu verbinden.

Es ist Nachmittag, als sie mit ihm fertig ist und sich daran macht, die Sachen wieder aufzuräumen.

Im Haus ist es ruhig, auf dem Hof spielt der Junge in seiner Spielecke am Sandhaufen und ruft manchmal krähend nach seiner Mutter.

Und sie geht dabei und macht die Schranktüren ganz ab, daß nur noch die leeren Fächer zu sehen sind. Sie räumt ein und sieht alle Zeitlang nach ihrem Mann, aber der liegt still und atmet nur leise.

»Er wird sich erholen«, sagt sie heiser. »Er wird sich ganz sicher erholen. Nur keinen Doc, jetzt nur kein Aufsehen, es wird noch Ärger und Geschrei genug geben.«

Sie weiß, daß Steven Clay zäh ist, zäh wie eine Katze. Man hat ihn zertrümmert, aber aus diesem Zustand wird er sich wieder erheben, das ist sicher. Sie macht ihm wieder einen kühlenden Wickel auf der Stirn, und als sie sich umdreht und das Tuch auswringt, hört sie ihn scharf keuchen. Sie sieht sich um, er hat die Augen offen, und der Spalt seiner Lider schließt sich gleich wieder.

»Bald«, sagt der zerschlagene Mann auf dem Bett keuchend. »Bald. Ich bringe – ihn – um.«

Und danach ist er wieder fertig, aber er hat wenigstens gesagt, was er denkt und was er tun wird.

Sie kennt ihn, sie kennt ihn gut genug und weiß, daß er das macht, was er sich vorgenommen hat.

Dieser Mann ist fertig, aber er wird keine Minute an etwas anderes denken als daran, was er tun wird, wenn er wieder heil ist.

Ireen Clay seufzt bitter, als sie hinausgeht und Wasser holt, mit dem sie aufwischen will. Sie weiß, er wird schießen. Und sicher ist er starrköpfig genug, auch gegen fünf oder sechs Mann loszugehen.

Sie bringen ihn um, denkt sie verstört. Er hat doch allein niemals eine Chance. Sie werden ihn umbringen. Vielleicht erwischt er Mikel trotzdem, aber der alte Mann wird seine Mannschaft auf ihn hetzen! Ich muß es ihm ausreden, ich muß es einfach tun. Und wenn ich der Preis dafür bin, aber er darf nicht zu schießen beginnen.

Sie taucht den Eimer in den Bottich und sieht die drei Kugellöcher in ihm. Der Stimme nach war es Sharp, der den Bottich zerschoß, damit das Wasser auslief. Er hat nur etwas zu hoch geschossen, am Grund des Bottichs ist noch genug.

Und sie hat den Eimer gerade hoch, als sie den Kopf hebt und lauscht.

Von links kommen die harten Tritte eines Pferdes. Von links nähert sich Hufschlag, und das Pferd scheint ziemlich schnell zu laufen.

Sie richtet sich auf und blickt um die Ecke des Schuppens. Und dann sieht sie den schwarzhaarigen und breitschultrigen Reiter, der in lockerer Haltung auf seinem Braunen sitzt und langsam herankommt.

Nun zügelt der Mann sein Pferd zum langsamen Trott. Er hat den Hut nach hinten geschoben, und sein weißes Hemd leuchtet hell in der letzten Sonne.

Er hat ein ruhiges und vierkantiges Gesicht, auf dem an der linken Wange irgendwo am Kinn eine gezackte und kaum sichtbare Narbe ist. Ein fester Mund, kühle und graue Augen und eine starke und kräftige Nase. Der Mann lächelt eingefressen.

»Hallo!« sagt der Mann auf dem Pferd und hält vor ihr an. Er blickt einen Augenblick auf Ireen und sieht dann über den Hof. Er sieht alles, aber er lächelt immer noch auf seine seltsame Art.

Und erst, als er sie wieder voll anblickt, verschwindet dieses Lächeln langsam und macht einem Ausdruck des Widerwillens Platz.

»Hallo«, sagt Clanton träge. »Was hat es hier gegeben, Madam? Ich war sechs Meilen weiter südlich und hörte es knallen. Es schien aus dieser Richtung zu kommen. Was ist passiert, Mrs. Clay?«

Er sitzt ruhig im Sattel und sieht den Zorn und den Zug des Hasses um ihre Mundwinkel. Und dann wandert sein Blick, denn sie gibt ihm keine Antwort, langsam zu dem Rind hin. Er sieht das einzelne Rind am Boden liegen und das Rind ist tot.

Jemand hat der Kuh den Revolverlauf hinter das rechte Ohr gehalten und abgedrückt. Die Beine der Kuh sind steif aufgereckt und die Seite, auf der man das Fell rasierte, ist oben.

Nun steigt Allen Clanton ab. Er läßt seinen Braunen stehen und geht gleitend auf das Rind zu. Dort beugt er sich über den Brand und fährt ihn mit dem Finger nach.

Und dann sieht er hoch und sagt kurz:

»Flying-H. Jemand hat es umgebrannt. War es Steven?«

Er sieht sie forschend an, und nichts in seinem Gesicht verrät, was er gerade denken mag.

»Ja, es war Steven«, sagt Ireen abwehrend und kalt. »Die Kuh hat sich im Badland verlaufen und war schon mager und das Fell verfilzt. Sie war keine drei Dollar mehr wert, als Steven sie fand. Er nahrn sie trotzdem mit und brannte sie um. Sie war auf unserem Land.«

Clanton antwortet nicht. Er befühlt nachdenklich die Rippen der Kuh und dreht sich dann jäh um.

»Es ist wahr«, sagt er kurz. »Sie ist noch immer nicht fett. Well, er hätte sie zurückbringen sollen, aber auf eine magere Kuh legt James Brian keinen Wert. Well, wer war hier und wo ist Steven?«

»Im Haus«, antwortet sie kühl. »Er wird schlafen, denke ich.«

Sie sieht den jähen Funken Mißtrauen in seinen Augen. Und seine kühlen Augen richten sich nachdenklich auf die vielen Spuren im feuchten Sand.

Der Hilfssheriff von Elk geht langsam auf die Pfützen zu. Er blickt auf die Spuren, dann auf den Baum und die abgescheuerte Stelle an dem Ast des Baumes.

Und dann bewegt er sich schneller, geht mit langen Schritten auf die Haustür zu und zuckt zurück.

Allen Clanton blickt auf die Trümmer und bleibt jäh stehen. Er hebt dann langsam das Bein ein, steigt über Unrat und Trümmer hinweg und kommt in das Wohnzimmer.

Und dann atmet er erleichtert auf, als er den Mann auf dem Bett sieht.

»Ich dachte schon…«, sagt er heiser. »Die Scheuerstelle am Ast, das zerschnittene Lasso, ich dachte schon…«

Und hinter ihm sagt Ireen Clay mit plötzlich ausbrechender Wildheit:

»Sie denken wirklich mal, was? Nun gut, es hätte Ärger für Sie gegeben, wenn man ihn aufgehängt hätte, was? Das paßt Ihnen nicht, Clanton. Ist das noch nicht genug? Haben sie ihn nicht fast totgeschlagen, einen Trümmerhaufen zurückgelassen und sich wie wilde Indianer benommen? Sie haben ihn gebunden, mit dem Colt niedergeschlagen, und er griff sie trotz der Fesseln noch an. Er brauchte nur frei gewesen zu sein und eine Chance gehabt zu haben mit seinen Fäusten, dann würde Mikel jetzt so aussehen und seine Burschen noch besser.«

Clanton wendet sich um und hockt sich auf die Bank, denn ein Stuhl ist nicht mehr heil.

Er sieht sich langsam um und antwortet nicht. Und dieses Schweigen macht sie noch wilder und zorniger.

»Es waren Ihre Leute«, sagt sie fauchend. »Ihr Vetter, die Mannschaft der Flying-H. Sie können gar nichts tun, Deputy. Sie sind genauso ein Schuft wie die anderen. Was wollen Sie hier noch, heh? Scheren Sie sich zum Teufel, ich erwarte von Ihnen keine Hilfe und Steven auch nicht.«

Ihre Tränen kommen wieder. Und nun schluchzt sie auf und hält sich am Türbalken fest.

Der Deputy sieht sie an und schweigt, bis sie sich beruhigt hat.

»Ich lasse mich gehen«, sagt sie zitternd. »Aber wer ist so gemein, daß man alles mit Petroleum übergießt? Das ist Mikels prächtige Idee und sein Wolf Walburn macht es auch alles genauso, wie Mikel es haben will. Sie können stolz sein, mit diesen Wölfen noch verwandt zu sein. Machen Sie, daß Sie wegkommen! Niemand hat Sie gerufen. Wir werden damit auch allein fertig. Sie sind ein gekaufter Mann, den James Brian Todhunter bezahlt und als Deputy vorschlug. Sie werden noch in hundert Jahren Deputy sein, sollten Sie so lange leben.«

Allen Clanton schweigt. Er sieht sie nur an. Und er denkt, daß diese Frau die Wahrheit sagt. Vielleicht sollte er sich schämen, denn es ist wirklich so. Der alte Todhunter hat ihn vorgeschlagen zum Deputy. Er hat ihm ein Haus zur Verfügung gestellt, zwei Pferde gegeben und zahlt seinen Monatssold. Er zahlt dafür, daß Allen seine Stadt ruhig hält und auf die Herden achtet, die hier durchziehen und manchmal Schaden auf der Weide der Flying-H anrichten.

Clanton will etwas sagen, aber die Bitterkeit dieser Frau, die Düsternis der Umgebung und das leise Stöhnen des zerschlagenen Mannes lassen ihn schweigen.

Die Lady starrt ihn an und sagt bissig:

»Sie haben doch noch etwas wie Anstand, was? So ganz und gar schlecht können Sie nicht sein, aber es ist bequem, für einen großen Mann zu reiten, sein Hund zu sein, dem er nur zu pfeifen braucht. Sie haben ja nichts auszustehen. Sie bekommen Ihren Sold, pünktlich das Essen, wann immer Sie es haben wollen. Und Sie brauchen nur ein wenig den Ärger

James Brians zu verhüten. Jeder Mann würde sich alle Finger nach diesem Job ablecken. Manchmal ist so ein Mann ein Lump. Und was sind Sie, Allen Clanton?«

Er starrt sie an und seine grauen Augen schließen sich fast. Dann macht er sie wieder auf und sagt langsam: »Was wissen Sie von mir, Lady? Ich habe noch nie beweisen müssen, daß ich mehr kann, als nur einige rauhe Burschen zwingen, das Land der Flying-H zu verlassen. Sicher, ein paarmal mußte ich schießen, aber es war nie besonders hart. In der Stadt gab es einige Male Ärger mit Rauhreitern. Vielleicht bin ich nicht abhängig?«

Sie starrt ihn an und verzieht verächtlich die Mundwinkel.

»Nun«, sagt sie gallenbitter. »Nun, Sie sind groß und stark. Sie haben zwei Revolver, und man sagt, Sie wären einmal ein bekannter Revolverkämpfer gewesen. Jetzt können Sie versuchen, ob Sie noch etwas taugen, aber sicher wollen Sie nichts als nur Ihre Trägheit und Ruhe, Mr. Clanton. Nur keinen Ärger mit der Flying-H. Sie werden sich ducken und blind sein. Sie werden gar nichts tun, was dieser Alte nicht will. Sie sind ein Feigling.«

Clanton steht langsam auf und geht zum Fenster. Er stößt den zerschlagenen Flügel aus den Angeln, daß er klirrend im Hof landet und blickt sich nicht um. Und mit dem Gesicht nach draußen gewendet, sagt er heiser:

»Sie beschimpfen mich, Madam, obwohl ich Ihnen nichts getan habe. Sie stellen mich als einen Feigling hin. Nun gut, vielleicht kann ich auch etwas dazu sagen, wie?«

»Immer los«, erwidert sie dunkel. »Verteidigen Sie sich nur in meinen Augen. Suchen Sie sich eine bequeme Entschuldigung, Deputy. Soll ich Ihnen sagen, was ich tun werde? Ich werde mich an Ben Braddock, den Richter in Alamogordo wenden. Ich werde ihm sagen, was dies für ein Land ist, wenn Sie nichts tun. Mein Mann wird aufstehen. Wann, das mag Gott allein wissen, aber es wird so kommen. Und Steven ist kein schlechter Mann mit seinen Eisen. Soll ich sagen, was passieren wird, wenn er glaubt, daß er wieder gesund ist.«

Er starrt sie an, und auf einmal fühlt er die Unausweichlichkeit einer Entscheidung auf sich zukommen. Sicher, er ist Deputy, der Richter kann ihn absetzen, wenn er die Genehmigung des Sheriffs aus Alamogordo hat. Und vielleicht ist es besser, er läßt sich absetzen, ehe es zum Ärger zwischen Steven Clay und jenem Rudel kommt, das über ihn herfiel.

Es ist schlecht für ihn, gegen den alten Mann, Mikel und die halbe Mannschaft zu kämpfen. Und er müßte jetzt etwas tun, wenn er seinen Orden zu Recht tragen will.

»Was sollte er machen?« fragt er kurz. »Meinen Sie, er hat eine Chance gegen die Flying-H? Das wäre Wahnsinn, er wird dabei mit Sicherheit umkommen. Und auch der Richter könnte nicht helfen.«

»Wenn das nur kein Irrtum ist«, sagt sie scharf. » Ich brauche nur eine Anzeige bei dem Richter zu machen, und Sie werden den Befehl bekommen, den Vorfall zu untersuchen und Mikel einzusperren. Dies war kein Rinderdiebstahl, und Sie wissen das auch gut und richtig. Gehen Sie hin und sperren Sie Mikel ein. Jeder andere Mann würde das tun. Jeder Mann, der einen Orden nicht nur zur Verzierung trägt.«

»Lady, Sie werden scharf«, sagt er grimmig. »Ich habe diesen Stern nicht angenommen, um mich vor etwas zu drücken. Aber ich könnte Mikel nicht einsperren. Der alte James Brian wird seinen Sohn in jedem Fall decken. Solange es kein Mord ist, wird er das tun. Dann hat er ihn sogar mit einem Auftrag hergeschickt, Steven die Hölle an den Hals zu jagen. In seinen Augen wird Steven im Notfall nichts sein als ein dreckiger Viehdieb, den er bestrafen ließ. Dies ist die andere Seite der Medaille.«

»Ach, zum Teufel!« sagt sie bitter. »Clanton, es war kein Diebstahl.«