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ANDI LAPATT

 

DIE SIEGEL ASINJAS

IM AUGE DES DRACHEN

 

Roman

Ein Buch aus dem FRANZIUS VERLAG

 

Cover: Jacqueline Spieweg

Bildlizenzen: Shutterstock

Korrektorat/Lektorat: Petra Liermann

Verantwortlich für den Inhalt des Textes ist die Autorin Andi LaPatt

Satz, Herstellung und Verlag: Franzius Verlag GmbH

Druck und Bindung: Bookpress.eu

 

ISBN 978-3-96050-102-2

 

 

Alle Rechte liegen bei der Franzius Verlag GmbH

Hollerallee 8, 28209 Bremen

 

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Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah …

1. Der Auftrag

2. Training

3. Das Tor

4. Feuer frei

5. Ungeschminkt

6. Unter der Erde

7. Zeichen

8. Überrascht

9. Rabenrat

10. Nachrichten

11. Aufbruch

12. Reue

13. Verwirrt

14. Der Zirkel der mutigen Fünf

15. Schatten

16. Freiheit

17. Das Turmzimmer

18. Die Töchter der Disen

19. Mandinas erste Schlacht

20. Auf dem Weg nach Brintesia

21. In der Zwischenzeit in Asinja …

22. Brutschau

23. Zwischenfälle

24. Träume

25. Aya way

26. Zu Gast bei Hofe

27. Kontakt

28. Um ein Haar

29. Die neuen Kinder Gebohans

30. Gebohan sucht sich eigene Wege

31. Die Herrin der Raben

32. Wiedersehen

33. Wer den Sturm sät …

34. Erkenntnisse

35. Die Rache der Weissberottener

36. Schmerz

37. Richtig oder falsch?

38. Strategiewechsel

39. Die Dracheninsel

Über die Autorin

Weitere Veröffentlichungen der Autorin Andi LaPatt

Veröffentlichungen des Franzius Verlages:

 

 

 

Gib dich hin deinen Träumen und flieg

Erhebe dich mit den Drachen und befreie deine Seele

Dein Herz gefangen im Dickicht der Stadt

Sehnt sich nach den Sternen der Freiheit

Lass los und flieg

 

 

Für das Kind in uns

Gewidmet Cheyenne, meiner ungeborenen Tochter, die mit den Drachen fliegt

 

Was bisher geschah …

 

Nyella lebt mit ihrer Mutter Gerda und ihrem Stiefvater Hangar, unter dem sie sehr leidet, auf dem Schierlingshof. Mehr durch Zufall lernt sie eine seltsame, alte Frau im Wald kennen, als sie Katzenkinder in Sicherheit bringen will, damit Hangar den Tieren nichts antun kann. Wenig später gibt ein kleiner Zwischenfall Anlass zu einem Eklat und es überstürzen sich die Ereignisse. Mitten in der Nacht brennt der Hof nieder und die Familie flüchtet nach Breithorien, wo sie bei Freunden unterkommt. Doch auch dort kommt Nyella nicht zur Ruhe, sondern wird mit den anderen Mädchen des Landes von der selbstgekrönten Königin Walrivia entführt. Nachdem die Mädchen einen Komplott geplant haben, gelingt Nyella die Flucht.

In Breithorien neu gefundene Freunde begleiten sie auf ihrem Weg zu der alten Frau im Wald unweit vom Schierlingshof, die ihnen Zuflucht gewährt. Dort sieht sie sich mit einem Mal ihrer eigenen Großmutter gegenüber und entdeckt, dass es die längst in Vergessenheit geratenen Drachen noch immer gibt, denn neun Dracheneier gilt es, vor dem Norden zu schützen.

Die Insel des Nordens, von der auch Walrivia stammt, hat nach mehreren Kriegen die magischen Wesen, insbesondere die Hohepriesterinnen von der Insel des Lichts Gebohan, verdammt, sodass die meisten sehr versteckt leben. Erschwerend kommt hinzu, dass Gebohans Kinder an ihrem auffälligen Aussehen leicht zu erkennen sind und sich im Untergrund aufhalten oder nur noch als Attraktionen arbeiten, so auch eine Gauklertruppe, die von Kianno angeführt wird.

Die Gaukler werden Teil der Verschwörung von Nyella gegen das Böse und wenig später gelangen sie in die Stadt in den Bäumen: Asinja. Weitere neue Freunde finden den Weg ins Leben von Nyella und auch die Liebe schleicht sich ein. Allerdings sind es gleich zwei Männer, die ihr Herz schneller schlagen lassen und die junge Frau verwirren. Nyella wird mit der Tatsache konfrontiert, dass sie magischer Abstammung ist, über bestimmte Fähigkeiten verfügen soll, die sich partout nicht dann zeigen wollen, wenn sie es möchte, und dass sie zwei Geschwister hat, von deren Existenz sie noch nie etwas gehört hat. Gemeinsam beschließen die Gaukler und die Nachfahren Gebohans, die entführten Mädchen zu befreien, und ihre Reise in die Hauptstadt Brintesia beginnt.

In der Zwischenzeit sind die ersten Drachenkinder geschlüpft und bringen Aufregung in die Baumhäuser. Keiner kennt sich mit der Erziehung von solchen Tieren aus. So bleibt ein Teil der Asinjaner im Dorf, um die Drachen großzuziehen und sie zu schützen, doch in einem Umfeld von so viel Holz sind feuerspeiende Tiere nicht unbedingt gut aufgehoben. Die restliche Truppe macht sich auf den Weg nach Brintesia und die Reise dorthin wird gefährlich, denn die Schattenreiter aus dem Norden haben sich aufgemacht, Walrivias Herrschaft auf Gedeih und Verderb umzusetzen und um das Mädchen zu finden, das während der Entführung ausgebüchst ist. Walrivia scheint etwas zu wissen, was noch nicht für alle sichtbar ist. Doch neben Tod und Flucht lernt Nyella ihre neue Familie besser kennen und wächst mit ihnen zusammen. Die Stärke der Gemeinschaft sichert das Überleben und stärkt den gemeinsamen Plan. Doch nicht alle kommen in Brintesia lebend an.

Gemeinsam gelingt es ihnen schließlich mit List und viel Geschick, die Màdchen zu befreien, doch dabei stirbt Nyella, weil sie sich für ein Ablenkungsmanöver opfert. Das jedenfalls glauben ihre Freunde. Aber Nyella ist magischer Abstammung und hat einen heimlichen Freund, der ihr hilft, wohlbehalten nach Asinja zurückzukehren, ausgerechnet an dem Tag, an dem sich die Asinjaner in einer Beerdigungszeremonie von ihr verabschieden wollen. Schließlich eröffnen sich den drei mächtigen Drei – Nyella und ihren Geschwistern – die Prophezeihung der Siegel Asinjas, doch deren Inhalt wirft mehr Fragen auf als Antworten, welche es gilt, im weiteren Verlauf der Geschichte zu klären.

Vodano, Schöpfer aller Länder und Wesen der ersten Tage, überwacht die Geschichte mit seinen Kundschaftern, den Raben Raven und Crow. Er weiß, dass nun die Zeit der mächtigen Drei anbricht, die altes Unrecht wiedergutmachen müssen …

 

1. Der Auftrag

 

»Er ist tot«, sagte Arlindo knapp und blickte auf, seinen Blick in Abscheu getränkt. Abscheu für ein Land, das er nicht kannte, Abscheu für eine Gegend, die er mit jeder Faser seines Herzens ablehnte.

»Für einen Zentauren bist du ganz schön dumm«, antwortete Reidarius.

»Was soll das?«, entgegnete Arlindo und stupste mit seinem rechten Huf die leblosen Körper an, die wahllos übereinandergestapelt vor ihnen lagen. Neben den Leichen war der Boden bereits von dem schleichenden Tod infiziert.

»Glaubst du ernsthaft, sie würden uns den weiten Weg hierherschicken, wenn er wirklich schon tot wäre?« Reidarius’ Miene war eingefroren, sein Blick steinhart. In seiner Stimme schwang unausgesprochener Ärger mit.

»Warum beleidigst du mich?«, fragte sein Gegenüber gereizt und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Im Gesicht huschten kurz Anzeichen von Arroganz über die Augenbrauen.

»Herrje, sei nicht so empfindlich. Es geht heute einmal nicht um dich«, funkelte ihn Reidarius an. Dann holte der ältere der beiden tief Luft. Er wusste, dass ein Konflikt sie nicht weiterbringen würde. In sanfterem Ton fuhr er fort: »Sieh noch einmal genauer nach. Er muss noch leben.« Damit senkte er sein Kinn, als wollte er die Situation beschwichtigen. Der anmutig wirkende Zentauer stand aufrecht neben dem jungen Arlindo, stolz, etwas steif und schüttelte ungläubig seinen Kopf mit den gleichmäßig gewundenen Hörnern. Die langen Haare seines Fells reichten ihm bis zur Hüfte, darüber zeigte sich ein muskulöser, gebräunter Männerkörper, geschmückt mit einem kantigen und attraktiven Gesicht, dessen Mimik von einem bewegten Leben erzählte, ohne auch nur ein Wort davon auszusprechen. Langes braunes Kopfhaar, die Schläfen in erstes Grau getunkt, hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Arlindo seufzte genervt. Er war müde, er war erschöpft, streiten wollte auch er nicht mehr. Dazu hatte er weder Lust noch die Kraft. »Ich glaube, wir brauchen eine Pause. Es war eine lange Reise«, schlug der Jüngere daher vor, ausgelaugt und ausgezehrt. Es klang beinahe wie ein Friedensangebot.

»Mag sein, Bruder, doch wir haben keine Zeit zu rasten. Es ist hier gefährlich«, entgegnete Reidarius und sah sich beinahe gehetzt um, so als würde ein Feind hinter jeder Hecke auf sie warten. Er ging dennoch auf den versöhnlicheren Ton ein. Wie gerne wäre er Arlindo entgegengekommen, denn er war selbst am Ende seiner Kräfte.

Der junge Zentauer nickte, als könnte er Reidarius‘ Gedanken hören und beugte sich abermals zu den Leichen hinunter. Er riss die Nasenlöcher auf, bemühte sich ehrlich, schnüffelte wieder und wieder an den leblosen Leibern.

»Ich kann kaum einen vom anderen unterscheiden«, meinte Arlindo und rümpfte angewidert die Nase. Der Gestank schlängelte sich die Nasenwände hoch, unbarmherzig und grauenvoll.

»Diese Männer hier waren jahrelang in einem dunklen Verlies eingesperrt. Und dort, wo sie waren, übertünchten Schimmel und Fäkalien ihren eigenen Geruch«, erklärte ihm Reidarius. Alte Geschichten drängten sich in seine Erinnerung, er würgte die schlimmsten davon wieder hinunter und schüttelte den Kopf.

Arlindo war ein noch sehr junger, unerfahrener Zentauer, ungestüm, kraftvoll und voller Tatendrang, der ihn manchmal unvorsichtig werden ließ. Oft bewunderte er Reidarius um seine Ruhe, manchmal machte ihn seine altklug wirkende Art jedoch wütend, weil er alles besser zu wissen schien. Das Schlimme an der ganzen Sache war, dass er auch so gut wie immer recht behielt. Arlindo kam sich einmal mehr sehr dumm vor.

Als ob Reidarius seine Gedanken lesen könnte, meinte dieser: »Es ist in Ordnung, nicht alles zu wissen und nicht alles zu können, Arlindo. Du bist noch jung. Gib dir die Zeit, Dinge zu erlernen. Und gib dir die Zeit, Fehler zu machen. Das ist der Lauf des Lebens. Doch gerade jetzt können wir uns keine Fehler erlauben und es wäre klug, einen Rat anzunehmen. Ich weiß, dass du müde und erschöpft bist, aber du gibst zu schnell auf.«

Arlindo sah ihn an, er wusste nicht, ob er wütend werden oder Reidarius bewundern sollte. Immer fand der Ältere die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Verlegen klapperte er mit dem Vorderhuf an einem Stein und sah betreten zu Boden.

»Komm, lass mich dir helfen«, machte Reidarius.

Das war genau das, was Arlindo hatte vermeiden wollen. Die Druiden hatten ihm im Namen Vodanos den Auftrag erteilt, diesen Mann zu finden und zu retten. Und sie hatten Reidarius gebeten, ihn nur zu begleiten, weil er dieses fremde Land am Fuß des Gletscherteiches schon kannte und früher einmal bereist hatte. Kaum einer, der bei Sinnen war, wäre freiwillig ins Land der Eiskönige und der Nordlichter gegangen. Reidarius sollte lediglich zu seinem Schutz an dieser Reise teilnehmen und nun schaffte es der junge Zentauer nicht einmal, diesen einen Mann unter den vielen Toten zu erkennen. Dabei war er zu Hause in Hortensien dafür bekannt, dass er einen unvergleichbaren Geruchssinn besaß. Zentauren waren berühmt für ihre fein ausgeprägten Sinne, doch seiner war schon fast legendär. Nur er konnte die tausend Sorten von Hortensien geruchlich unterscheiden. Keinem anderen gelang es, die Feinheiten der ätherischen Öle, die diese Blumen verbreiteten, so genau auseinanderzublättern. Ganz zu schweigen von den vielen Gerüchen, die Menschen, Tiere und andere Wesen in der Luft hängend hinterließen als Etiketten ihrer Launen und Herkunft, als Hinweise dafür, wo sie herkamen und wo ihre Reise sie hinführte. Mit diesem außergewöhnlichen Talent, das er seit Kindeshufen an besaß, war er in der Heimatherde zu einem wertvollen Berater geworden, oft sogar zu einem Lebensretter.

Doch da stand er nun, beinahe hilflos wirkend, und konnte nicht einmal die leichteste seiner Übungen bewältigen. Normalerweise roch er Menschen meilenweit im Voraus, lange bevor sie in sein Blickfeld traten. Ihr ganz eigener süßlicher Geruch, den ihr Fleisch verströmte, verriet so offenkundig, wer sie waren. Arlindo befürchtete mit einem Mal, dass die Operation scheitern könnte, wenn er versagte. Er war benebelt von so vielen Gerüchen, die sein Hirn und seine Nase verstopften. Mehrere dutzend tote Männerkörper lagen stinkend vor ihm, eingehüllt in einen Nebel von Gewalt, Niedertracht und Abschaum. Der Verwesungsgeruch hätte unter normalen Umständen jeden einzelnen Duft individuell verstärkt, aber hier war noch so viel mehr, was Gerüche freisetzte, dass er nichts mehr einordnen konnte. Der tote Haufen vor ihm lebte dennoch auf erschreckende Weise, Käfer und Insekten hatten das Aas entdeckt und sich zu einem Festschmaus versammelt. Ihre widerliche Duftnote vermischte sich mit dem Cocktail an Gestank.

Reidarius räusperte sich. »Und?«, fragte er. Es war schon wieder zu viel Zeit verstrichen, sie mussten sich langsam aber sicher beeilen.

»Was ›und‹?«, fragte Arlindo leicht gereizt.

»Soll ich dir jetzt helfen oder nicht? Ich rede mit dir, aber du bist irgendwo anders mit deinen Gedanken. Die Gerüche hier scheinen deinen Geist zu vernebeln«, entgegnete Reidarius. Er schubste Arlindo sanft, denn er wollte den jungen Zentauren nicht vor den Kopf stoßen. Zu gut wusste er, wie es sich anfühlte, sich behaupten zu wollen. »Ich möchte dir gerne helfen. Wir müssen hier weg«, sagte er etwas nachdrücklicher.

Arlindo trat einen Schritt zurück, er wusste, dass sein Kompagnon recht hatte.

»Wahrscheinlich ist es so, weil du zu viel riechen kannst«, sinnierte Reidarius und begann, selbst an den leblosen Körpern herumzuschnüffeln. Mit einem seiner Hufe schob er die vor ihm liegenden Körper auseinander und machte sich an die Arbeit. Nach einigen Momenten stockte er und blickte auf.

»Hier«, er zeigte auf einen der Männer. »Ich glaube, der hier hat noch schwachen Puls.«

Das kaum noch pumpende Blut hatte über der Schläfe des Mannes verzweifelt einen dunstigen Todesruf freigesetzt, der Reidarius die Nasenschleimhäute hochgekrochen war, um dort nach Hilfe zu schreien. Für andere Tiere oder gar Menschen unmöglich auszumachen, dass in diesem Aashaufen noch jemand leben könnte, verfügten nur Zentauren über einen derart außergewöhnlich feinen Geruchssinn. Mit ein Grund, warum die beiden für diese Mission ausgewählt worden waren.

»Ich glaube, er lebt. Das muss er sein. Los, schnell, wir müssen ihn hier wegbringen«, sagte Reidarius eilig, zog an einem Mann mit langem Bart und langen schwarzen, filzigen Haaren, die Haut dunkel gefärbt vom Dreck, in dem er lag. Arlindo holte tief Luft und nickte, während er den Atem anhielt, um sich nicht übergeben zu müssen. Er hätte alles dafür gegeben, endlich wieder richtig durchatmen zu können. Doch auf ihrer aktuellen Prioritätenliste stand »Fliehen« ganz oben. Sie befanden sich mitten im Land des Feindes.

Reidarius zerrte an dem leblosen Menschenkörper, um ihn auf einen großen Stein zu ziehen, den er in der Nähe gesichtet hatte. Arlindo konnte seine Gedankengänge nachvollziehen. Der jüngere Zentauer sollte den Mann auf den Rücken nehmen, um ihn zu tragen. Arlindo ging auf ihn zu und stellte sich neben den Stein, damit Reidarius den Menschen auf seinen Rücken zerren konnte.

Kurz darauf hing die Hülle des Mannes mit dem Gesicht nach unten über dem Rücken des jungen Zentauren. Die Gliedmaßen baumelten Richtung Boden, als wäre er längst tot. Arlindo schwenkte seinen Kopf auf die andere Seite. Der Mann stank erbärmlich. Er konnte genau sagen, in welcher Phase des Lebens und des Todes eine Kreatur war, er kannte jeden einzelnen Geruch. Er war in der Lage zu sagen, in welcher Stimmung sich jemand befand, und er konnte sogar die Gezeiten bestimmen. Jeder aufkommende Orkan kündigte sich in seinen Nasen an, ebenso wie der eiskalte Schnee oder die Dürre, wenn sie den Sommer heimsuchte. Damit war er groß geworden, die Welt präsentierte sich ihm in Gerüchen. Er roch, wann der Mond sich wandelte und wann sich die Jahreszeiten ablösten. Seine Welt bestand aus Duftwellen, die ihm seine gesamte Orientierung gaben und auch nahmen, so wie in diesem Moment.

»Los, wir müssen gehen«, forderte Reidarius und sah sich abermals gehetzt um.

Arlindo blickte noch einmal zurück, während er Reidarius eilig folgte. Hinter ihnen lag ein einsamer Wald am Fuße des Gletscherteichs. Ein letzter Blick auf den Haufen menschlicher Leichen, die ineinander zu verschmelzen schienen, die den Anschein machten, als wären sie achtlos dort entsorgt worden. Doch der Schein trog. Diese Männer waren über Jahre in den Kerkern der Nordlichter gefangen gehalten worden. Viele von ihnen hatte der Hungertod ereilt, doch die meisten hatten die Folter der Wärter in den Kerkern nicht überlebt oder die eiskalten Nächte hier oben im Norden. Neben dem Gestank der dunklen Verliese mischte sich die bittersüße Schwere des Todes, gepaart mit Angst und Gewalt. Unterlegt wurde dieser beißende Gestank von dem seltsamen Odeur dieses Landes, dessen Kälte einem in die Glieder fuhr und sich dort einnistete wie eine unheilbare Krankheit. Arlindo wollte gar nicht wissen, was die Nordlichter mit diesen Männern alles angestellt hatten. Der Geruch verriet ihm die Qualen, die die Männer hatten erleiden müssen.

Es war diese eine Mission, die ihnen die Druiden aufgetragen hatten. Die Mission, die sie hierhergeführt hatte, die Mission, diesen einen Mann zu retten. Man fragte nicht nach Einzelheiten, wenn die Druiden einen auserwählten, um für eine wichtige Mission sein Leben aufs Spiel zu setzen. Vielleicht wusste Reidarius mehr darüber, doch Arlindo war sich nicht sicher. Es war eine Ehre, dem Rat der Ältesten zu folgen, vor allem in Zeiten wie diesen.

Arlindo trottete Stunden später neben Reidarius auf den steinigen Pfaden her, die durch ödes Land führten. Mit seinem dunklen Fell ähnelte er Reidarius ein wenig, wenngleich er nicht so lange Haare hatte.

Mortenso hatte ihn unbedingt begleiten wollen. Wie froh wäre er jetzt gewesen, seinen besten Freund an seiner Seite zu haben. Aber Mortenso war mit seinem schneeweißen Fell für eine Reise in den Norden nicht infrage gekommen. Trotz der unauffälligen Farbe machte sich Arlindo Sorgen um die Makellosigkeit seines Fells. Ob er den Gestank je wieder loswerden würde? Bei den Damen der Schöpfung war er bisher immer gut angekommen, nicht zuletzt, weil er großen Wert auf die Fellpflege und sein Äußeres legte. Sein Erscheinungsbild war das typische eines Zentauren. Der Körper eines Hengstes bis zum Halsansatz, von dort an aufwärts zierte ein stattlicher, männlicher Oberkörper ohne Brusthaar ihn. Das Gesicht war noch jung, aber überdurchschnittlich attraktiv, ja schon beinahe schön anzusehen. Seine Hörner waren im Gegensatz zu denen von Reidarius von gerader Form und einem hellen Braun. Das Kopfhaar war noch nicht so lang gewachsen, aber es reichte, um es offen zu tragen und den Wind darin zu spüren.

Arlindo hing seinen Gedanken nach, wie naiv er die Reise angetreten hatte. Vielleicht hatte er wirklich daran geglaubt, einfach bei den Nordmännern einzumarschieren, diesen Mann vorzufinden und wieder nach Hause zu traben. Doch er hatte unterschätzt, welche Angst ihm dieses Land einjagen würde. Darauf konnte man sich nicht vorbereiten. Dieses Land war die Angst selbst, so öde, so still, so karg und so gefährlich, dass es einen beinahe aufzufressen drohte. Das alles war zu viel für den jungen Zentauren. So viele tote Menschen, verwest; die Insekten, die die Leiber auffraßen. Er konnte die Geschichten hinter den Qualen riechen. Und dann diese Furcht. Bei jedem Schritt begleitete ihn diese Furcht. Sie schlich sich von dem modrigen Boden durch seine Hufe und grub sich in sein Fell, beinahe giftiger als der Gestank.

Arlindo dachte zurück an die Abreise, wie wichtig er durch die Straßen stolziert war, als er erfahren hatte, für diese Mission auserkoren worden zu sein. Bewundernde Blicke, verstohlene Lächeln, da und dort ein hinreißender Augenaufschlag: Ein bisschen hatte er sich wie ein König gefühlt. Wie ein Pfau war er an der Seite von Reidarius aus Hortensien hinausstolziert. Für einen Moment hatte er wirklich geglaubt, etwas Besseres zu sein als die jungen, dummen Kollegen, die ihm missgünstig hinterhergeschaut hatten. Ein Held hatte er sein wollen, so wie Reidarius. Doch die Wahrheit hatte ihn eingeholt, hatte ihm Angst gemacht. Mehr als einmal hatte Reidarius sie beide beschützen müssen. Wohingegen er nur daneben gestanden und sich um sein Leben gefürchtet hatte. Ein Held zu sein, war gefährlich, die Narben auf Redarius` Rücken sangen ein Lied davon, das er kaum jemandem auf die Nase band, im Gegensatz zu ihm, Arlindo, der den Mund etwas zu voll genommen hatte. Aber gegenwärtig gab es kein Zurück mehr. Sie waren im Land der Nordlichter, im Land der Eiskönige. Niemand wagte sich hier freiwillig hin, es sei denn, er hatte Todessehnsucht. Arlindo sehnte sich nur zurück nach Hause.

Neben Reidarius hertrabend, trug er einen Mann auf dem Rücken, von dem er nicht wusste, wer er war, aber von dem er glaubte, dass die Nordlichter keinen Moment lang zögern würden, ihn für dessen Diebstahl zu töten. Während er in Gedanken versunken neben seinem Begleiter herlief, bemerkte er nicht, wie dieser die Augen zusammenkniff und seinen Schritt verlangsamte. Jeder Meter brachte sie weiter weg von dem stinkenden Haufen und Arlindo konnte endlich wieder durchatmen, seine Lungen mit frischer Luft füllen.

Abrupt blieb Reidarius stehen, so dass Arlindo beinahe in ihn geprallt wäre.

»Was ist los?«, wollte er wissen, aber Reidarius erwiderte: »Ruhig, sei still«, und legte den Zeigefinger vor den Mund.

Arlindo zog die Augenbrauen zusammen, legte seine Stirn in Falten und wollte seinem Ärger gerade Luft machen, als er plötzlich ein Rascheln vernahm. Mit einem Mal verhielt er sich still und sah Reidarius besorgt an. Dieser blickte in die entgegenkommende Richtung. Mit den Augen fixierte er kurz Arlindo und zeigte mit dem Kinn zu einem Baum, der unweit von ihnen stand. Reidarius schlich sich beinahe lautlos dorthin und Arlindo folgte ihm so geräuschlos wie möglich. Der Baum war ein perfektes Versteck für sie. Arlindo hob seine Nase in die Luft, um sich Orientierung zu verschaffen.

»Kannst du sie auch riechen?«, fragte Reidarius flüsternd.

Arlindo nickte. Er hatte sich an das Odeur dieses Landes bereits gewöhnt, wenngleich auch sehr widerwillig. Nun konnte er die anderen Duftwellen wieder ein wenig besser einordnen. Der Wind ging in die andere Richtung, sodass er den Männerkörper auf seinem Rücken mit seinem beißenden Geruch ausblenden konnte. »Wer ist das?«, wollte er besorgt wissen.

Reidarius riss die Augen kurz auf und flüsterte: »Das sind Wachen der Nordlichter, ungemütliche Zeitgenossen.«

Arlindo versuchte zwischen den Ästen des Gebüsches hindurch zu spähen, um etwas erkennen zu können, aber das Gebüsch gab keinen Blick preis.

»Verhalt dich ruhig«, ermahnte ihn der Ältere.

Arlindo spürte die Angst stärker denn je in sich aufsteigen und nickte nur. »Die stinken bestialisch.« Dabei weiteten sich seine Nasenlöcher kurz, um dann die Nase zu rümpfen.

Reidarius nickte nur wortlos. »Ich weiß, aber so wissen wir wenigstens, wo sie sich gerade aufhalten«, entgegnete der ältere Pferdemann mit der Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht.

Die Angst ließ den jungen Zentauren erstarren, als ihm bewusst wurde, dass eine Flucht im gestreckten Galopp nicht infrage kommen würde, wenn es hart auf hart käme. Das Atmen fiel Arlindo sichtlich schwer, innerlich zerrissen von Panik. Der Rat der Ältesten hatte ihnen die Mission übertragen, diesen Mann zu ihnen zu bringen, koste es, was es wolle.

»Wir sollten die Leichen endlich verbrennen«, hörten die beiden Zentauren eine raue Stimme rufen und Schritte kamen näher. Zu der Stimme ertönte ein rauchiges, unappetitliches Husten.

»Wozu all die viele Arbeit? Die Wildtiere hier draußen werden sie schon noch früh genug fressen«, entgegnete eine zweite heisere Stimme. Das Stampfen kam näher.

»Bei dem Gestank?«, erwiderte die erste Stimme.

Die zweite lachte böse. »Das stimmt auch wieder, kein vernünftiges Viech würde so etwas freiwillig fressen«, lachte dieser. »Außer vielleicht ein Hianthus.«

»Also los, komm, lass uns unsere Arbeit machen«, war wieder die erste Stimme zu hören.

»Ach, ich hab keine Lust. Wen stört es schon, ob die faulen Säcke noch ein paar Tage länger liegen bleiben«, gähnte die zweite Stimme.

»Ich will das hinter mich bringen, danach gehen wir zum Fischen.«

Die Gestalten waren nun in Sichtweite. Sie waren groß und trugen lange Schwerter bei sich, die an ihren massigen Körpern herunterbaumelten. Zwar besaßen sie lange, dunkle Umhänge, doch edel wirkten diese nicht. Die Stoffe waren verblichen, verfilzt und ihre Haare wirkten ungepflegt. Die Beiden waren ungewöhnlich groß und ihre runden, schwammigen Gesichter zierten düstere Mienen. Es waren alte und verbrauchte Antlitze und ihr Umgang miteinander war rau wie das Land selbst. Die Gestalten verhießen nichts Gutes. Arlindo konnte sie nun endlich sehen, wie sie vor dem Gebüsch an ihnen vorbeischlenderten. Ihre Faulheit stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

Arlindo hielt den Atem an, als die zwei trägen Missgeburten vorüberwankten, keine zehn Meter von ihnen entfernt. Der Gestank der toten Männer war schlimm genug gewesen, aber die Wachen der Nordlichter stanken lebend noch viel penetranter.

Reidarius folgte den Beiden aufmerksam mit seinen Augen, ihm entging keine Regung. Der jüngere Zentauer beobachtete ihn für einen kurzen Moment. »Wie eine Raubkatze«, durchfuhr ihn der Gedanke.

Die beiden Wächter waren in ein Gespräch verwickelt und ihr Geplänkel dauerte an. Nach einer gefühlten Ewigkeit verschwanden die Beiden mitsamt ihrer eigenwilligen Duftwellen endlich aus dem Blickfeld der Zentauren.

Reidarius schubste Arlindo an: »Atmen nicht vergessen.«

Und dieser ließ den Kopf vornüber fallen, atmete laut aus und schnaubte. Reidarius blickte auf seinen jungen Begleiter, studierte sein Profil, denn er machte sich Sorgen um ihn. Ob sie ihm wohl zu viel zugemutet hatten? Doch die Alten waren sich sicher gewesen, dass er der Richtige für dieses Unterfangen war. Unmerklich schüttelte er den Kopf, er hatte nicht das Recht, die Entscheidung der Weisen anzuzweifeln.

»Du bist ganz schön blass geworden«, sagte er besorgt.

Arlindo sah ihn schweigend an.

»Los, lass uns diesen Pfad hier hinter uns bringen«, forderte Reidarius ihn schließlich auf. Dann prüfte er mit seinem Blick, ob noch jemand in der Nähe war.

»Können die uns denn nicht riechen?«, fragte der Junge verwundert, denn die beiden Wachen standen genau gegen den Wind.

»Nein, ihre Intelligenz ist genauso beschränkt wie ihr Geruchssinn«, erklärte Reidarius.

Arlindo musste nun doch ein wenig grinsen, langsam schien er sich wieder etwas mehr zu entspannen. Als die Luft im wahrsten Sinne des Wortes rein war, setzten sie ihre Reise fort.

Der junge Zentauer trottete hinter Reidarius her und beobachtete ihn. Wie viel er wohl schon erlebt hatte? Er würde sicher ganze Abende füllen mit Geschichten seiner Reisen. Die Narben an Arlindos Körper erzählten von wilden Kämpfen, über die Reidarius nicht sprach. Er war mehr ein Zentauer der Taten und nicht der Worte.

Während der Menschenkörper auf seinem Rücken hin und her ruckelte, begleitete ihn dessen bestialischer Gestank bei jedem Schritt. Arlindo spürte, wie das Gewicht des Menschen ihm die Blutzufuhr zu den Hinterläufen abzuschneiden drohte. Stunden waren sie schon unterwegs. Die Kargheit dieses Landes wollte kein Ende nehmen. Keine Blume säumte den Weg, keine Sonne am Himmel, nur das braune, vertrocknete Gras, das wie Unkraut neben den Steinen die Pfade entlangkroch. Ein paar große Findlinge begegneten ihnen dann und wann und bald lagen die Wälder hinter ihnen. Schier endlos weitläufig schien dieses Land und mit jedem Schritt schwand Arlindos Hoffnung, dass sie je die Grenze erreichen würden.

Stunden war es nun her, dass ihnen die letzte lebende Kreatur begegnet war, und doch war ihnen nicht bewusst, dass sie einen heimlichen Begleiter hatten, der nichts Gutes im Schilde führte. Er folgte den beiden schon seit einer Ewigkeit; schließlich waren sie einfach auszumachen mit dem stinkenden Menschen auf dem Rücken.

Den Leichenhaufen hatte er oben schon im Wald gerochen und war dabei über diese seltsamen Pferdewesen gestolpert. Zu gerne hätte er sich sattgefressen an den Leichen im Wald, aber die beiden seltsamen Gestalten hatten ihn gestört und dabei seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie rochen besser als die toten Menschen, lebendiger und saftiger. Der große Hunger ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, er hatte schon lange nichts mehr gefressen und ihm war egal, was sie waren. Hauptsache, sie waren genießbar und stopften das große Loch im Magen. In seinen Augen waren sie saftige Beute – mehr nicht. Der stinkende tote Mensch könnte ebenfalls köstlich sein, aber das eilte nicht. Der rannte nirgendwo mehr hin. Außerdem hatte er genügend Zeit, er würde den beiden Pferdewesen einfach folgen.

Arlindo schnaubte laut. »Können wir denn keine Pause machen? Ich kann nicht mehr.«

»Wir haben keine Zeit zu rasten. Sei froh, dass wir vor Angreifern flüchten müssen. Es geht uns verhältnismäßig gut.« Reidarius machte sich nicht die Mühe, ihn anzusehen.

»Gut?«, fragte Arlindo ungläubig und schaute nach irgendeinem Anhaltspunkt, den er als »gut« hätte bezeichnen können. Es war alles andere als gut hier.

»Arlindo, ich weiß nicht, wo du gerade mit deinen Gedanken bist. Wir sind im Land des Feindes. Bisher hatten wir ungeheures Glück und wir leben, aber das könnte sich jederzeit ändern. Gerade sind wir zwei Wachen der Nordlichter entkommen und wer weiß, wer oder was uns als Nächstes begegnet. Wohl kaum ein Freund. Und ich möchte es nicht darauf ankommen lassen, nicht mit dieser wichtigen Fuhre auf deinem Rücken«, erklärte Reidarius.

Ungern gab Arlindo seinem Begleiter recht, er seufzte tief und gab sich geschlagen. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er am Ende seiner Kräfte war. Schließlich musste er Energie für zwei aufbringen, im Gegensatz zu Reidarius.

»Sollen wir tauschen?«, fragte dieser und blickte auf den hinunterhängenden Leib auf dem Rücken seines Begleiters.

Arlindo hätte zu gerne getauscht, aber sein Stolz ließ das nicht zu, also verneinte er.

»Wir sollten uns um ihn kümmern.« Arlindo blickte über seine Schulter zu dem Mann.

»Die Druiden haben gesagt, wir müssen ihn lebend in die Goldhöhlen bringen, von Versorgen haben sie nichts gesagt«, entgegnete Reidarius.

»Aber wenn er es nicht bis in die Höhlen schafft?«

»Wenn er die Kerker der Nordlichter so viele Jahre lang überlebt hat, wird er diese Reise auch noch überstehen«, erklärte Reidarius knapp. Also trottete Arlindo weiter hinter ihm her.

»Außerdem, was willst du tun? Verstehst ausgerechnet du etwas von Menschenmedizin? Ich nicht«, wandte sich Reidarius erneut an ihn.

Arlindo gab sich wieder geschlagen. Reidarius hatte einmal mehr recht. Dieser Mensch, wer auch immer er sein mochte, musste überleben, er musste einfach. Die Druiden hatten gesagt, sie müssten diesen Mann aus Moqurien herausschaffen – um jeden Preis.

Die beiden Zentauren waren durch den Wald am Fuß des Gletscherteichs gewandert und gelangten nun ins Land der schwarzen Moore. Eine lange und ungemütliche Reise lag hinter ihnen. Sie waren vorher durch die unterirdischen Gänge der Goldhöhlen bis nach Moqurien gekommen. Viele Nächte und ebenso viele Tage waren sie unterwegs gewesen, bis sie zum Fuß des Gletscherteichs gelangt waren, wo die Siedlungen und Kerker der Nordlichter lagen. Arlindo hatte früher davon gehört, wie karg das Land Moqurien war, aber die Realität traf ihn hart. Ihn, der nur an die Herrlichkeiten von Hortensien gewohnt war, einer Insel, die vor Blumenpracht strotzte und auf der jeder Grashalm saftiger und grüner war als an jedem anderen Ort. Die Stimmung dieses für Arlindo neuen Landes drückte auf sein Gemüt, es machte ihn traurig und mutlos. Doch neben der kaum vorhandenen Fauna und Flora wohnten hier die übelsten Kreaturen und diese zeigten sich selten offen bei Tage. Die beiden Zentauren hatten aufgrund ihres außergewöhnlichen Geruchssinns bisher die Nächte gut überstanden und Gefahren frühzeitig erkannt. Nur zweimal war es für sie brenzlig geworden, nicht zuletzt einer Prise Glück hatten sie es zu verdanken, dass sie noch lebten. Der heutige Tag verstrich auffallend langsam und zu allem Überfluss kroch auch noch mehr von der üblen Kälte übers Land.

 

Der Hianthus schlich ihnen auf leisen Pfoten hinterher, angetrieben von Hunger und Neugierde, nicht zuletzt aber auch von seiner Verschlagenheit. Weit weg war er inzwischen von seinem Revier, von seinem Wald, und langsam verlor er die Geduld. Warum wurden die Beiden nicht müde? Er wollte endlich fressen, seine Zähne ins Fleisch des einen saftigen Wesens rammen und ihn verspeisen, bis nur noch die Knochen übrig waren für die Aasfresser. Schon früher hatte er Besucher entdeckt, die das Land besucht hatten. Fast alle hatten lecker geschmeckt, das war das Einzige, was ihn interessierte. Keiner hatte das Land lebend verlassen. Keiner.

Er war ein guter Jäger. Dafür war der Hianthus bekannt. Speichel tropfte von seinen Lefzen.

Arlindo gab nicht auf nachzufragen, ob und wann sie endlich Rast machen würden. Reidarius war es leid, er wollte ihm nicht zum wiederholten Mal erklären, warum das nicht ging. Bisher hatten sie großes Glück gehabt.

»Also gut, dann lass uns ein wenig rasten«, erklärte er Arlindo. Dieser spazierte zu einem großen Stein und ließ seine Vorderläufe nach unten sinken.

»Was tust du da?«, fragte Reidarius unsanft.

»Ich brauche eine Pause, mein Rücken braucht eine Pause. Er wird langsam schwer.« Arlindo ließ den Menschenkörper auf den Stein gleiten. Dann zog er ihn mit den Armen wieder höher auf den Stein, damit der Mann es bequem hatte. Arlindo war sich nicht sicher, ob dieser das überhaupt spürte.

Reidarius war außer sich vor Wut. »Du bringst uns alle noch in Lodurs Küche.«

»Beruhige dich, bis jetzt ist auch nichts passiert«, sagte Arlindo und legte sich hin.

Reidarius schüttelte den Kopf und schritt hin und her. Langsam wurde er nervös, es war einfach zu ruhig. Irgendetwas stimmte nicht.

Nach Gernots Tod war das Land in eine einzige Starre verfallen. Es hieß, die Wege nach Gebohan seien nun vollkommen versperrt. Nach der Selbstkrönung hatte Walrivia alle Mädchen im gebärfähigen Alter entführen lassen und ein Mädchen, das entkommen war, hatte dafür gesorgt, dass alle anderen wieder befreit werden konnten, nachdem sie in Brintesia eingesperrt worden waren. In jedem Dorf machte die wilde Geschichte die Runde, sogar von Drachen war die Rede.

Die Altenräte hatten alle Weisen des Landes zusammengerufen, denn ein weiteres Gerücht zog übers Land, nämlich dass Wernot gar nicht der rechtmäßige König gewesen sein sollte. Gedanken kreisten unablässig in Reidarius’ Kopf. All die vielen Geschichten, die man sich bei Met und Feuer erzählt hatte. Wahrscheinlich war nur die Hälfte davon wahr. Ein Mädchen, das ein ganzes Heer von jungen Frauen befreit haben sollte, das war doch alles Bardenhumbug.

Und doch … Die Druiden hatten nach ihnen, den Zentauren, schicken lassen, um einen mysteriösen Mann zu retten. Was sollten Zentauren wohl für eine Rolle spielen im Netz der Disen?

Und dieses Mädchen? Wer war sie?

Reidarius spürte, dass auch seine Kräfte schwanden. Die Vorderläufe taten ihm weh, der eine Huf schmerzte unablässig. Er lehnte sich an den großen Stein, auf dem der Mann lag, und betrachtete ihn lange. Viel Leben strömte nicht durch diesen Körper, so viel war sicher. Die Qualen der letzten Jahre konnte man seinem Gesicht ablesen. Reidarius roch an ihm. Doch neben dem bestialischen Gestank war da noch ein anderer Geruch.

Ein Geruch nach dem Hunger des Lebens. Dieser Mann musste einen unglaublichen Lebenswillen besitzen. Reidarius riss verblüfft die Augen auf, dann wurde er andächtig.

»Was haben sie nur mit dir gemacht?«, fragte er leise. Der Zentauer fuhr dem Mann beinahe zärtlich über das verfilzte Haar und betrachtete ihn weiter im Halbdunkeln. Noch immer rührte dieser sich nicht. Reidarius atmete tief durch.

»Ach herrje, ich hoffe nur, du überlebst, bis wir in den Goldhöhlen angekommen sind und die Elbwesen dich in Empfang genommen haben.«

Dann er hob er seinen Blick, schaute ins Land und kämpfte gegen die Müdigkeit, die ihn zu übermannen drohte. Um den eigenartigen Geruch des Verfolgers wahrzunehmen, der sich durch die Nacht an ihnen vorbeischlängelte, hatte Reidarius keine Kraft mehr. Dazu war er viel zu erschöpft.

 

Der Hianthus hatte im Dunkeln die Augen aufgerissen. Zuvor hatte er sich an die beiden Fremdlinge herangeschlichen. Um die beiden zu töten, hatte er eine todsichere Strategie gehabt. Nahe genug hatte er sich an sie herangepirscht, nur noch einige Meter war der große Zentauer von ihm entfernt.

Doch dann stutzte er, als er vernahm, was dieser zu dem leblosen Körper sprach. Das hier waren keine üblichen Reisenden. Wozu wollten sie dieses Ding zu den Goldhöhlen bringen? Irgendetwas stank hier doch bis zum Himmel. Und das war nicht der halb tote Körper dieses Menschen. Der Hianthus ärgerte sich maßlos, denn er hatte sich so sehr auf sein Abendmahl gefreut und jetzt musste er noch länger hungern. Aber das hier war besser als jedes Fressen. Offenbar hatten die Fremden einen guten Grund zu glauben, sie würden den Eingang in die Goldhöhlen finden. Und wer diesen Zugang kannte, hatte das Tor zu den Elbwesen und zum Goldschatz von Vodano. Außerdem schien es, als ob dieser leblose Menschenkörper wichtig zu sein schien für irgendjemanden da draußen. Möglicherweise könnte er dann für Walrivia und seinen Meister auch interessant sein, das würde ihnen bestimmt gefallen. Er musste herausfinden, warum diese Pferdewesen nach Moqurien spazierten, um einen Halbtoten zu retten und ihn in die Goldhöhlen zu schleppen. Deshalb beschloss er, weiter zu hungern und den beiden zu folgen. Also änderte er seine Strategie und versprach sich, die Drei zu beschützen, damit ihnen nichts passierte. Nicht um ihretwillen, nein, sondern einzig und allein um seinetwillen. Wenn er dieses Geheimnis lüften konnte, würde der Meister ihn möglicherweise reich belohnen, und fressen konnte er immer noch.

 

2. Training

 

»Nyella, kleine Schwester, du musst dich besser konzentrieren«, forderte Shastro mich auf. Die Sonne schien auf seinen Rücken, die Luft war klar und leicht und doch waren die Temperaturen tief.

»Ich brauche eine Pause«, quengelte ich. Mein Nacken schmerzte, ich war todmüde.

»Nyella, du bist noch nicht einmal ansatzweise dort, wo du sein solltest«, sagte Shastro ernst, der sich breitbeinig vor mir aufgestellt hatte.

Der Duft von Harz lag in der Luft. Ein Specht klopfte in der Nähe sein Konzert auf einen Baumstamm. Nachdem ich trotzig geseufzt hatte, lächelte mich mein Bruder aufmunternd an. Er nickte mir zu, was mich motivieren sollte weiterzumachen, aber ich verdrehte nur die Augen. Meistens schaffte er es, mich zum Lächeln zu bringen, aber heute nicht. Ich sah hoch zum blauen Himmel und schürzte die Lippen. Es mochte ja sein, dass Shastro es gut meinte. Aber wir waren seit Sonnenaufgang ununterbrochen beim Training. Ich hätte mich so gerne an der Sonne erfreut, wäre gerne barfuß übers Gras gelaufen und hätte am liebsten einfach nur den Tag genossen.

Nach so vielen Stunden schmerzten meine Arme. Dieses Schwert war riesig. Hier draußen war es kalt, selbst wenn die Sonne schien. Vielleicht fror ich aber auch, weil ich zu wenig Schlaf bekommen hatte. Ich schaute vom Boden zu den Baumwipfeln hinauf, zu den Holzbauten Asinjas. Das Dorf hatte ich immer noch nicht bis in seine letzten Ecken erkunden können. Es erstreckte sich verstohlen in den Bäumen bis schier ins Unendliche.

Die langatmigen Schwertkampfübungen begannen mich zu nerven. Aber ich kam an dem Training nicht vorbei, ich musste Schwertkampf üben, Tag für Tag. Ich sollte lernen zu kämpfen und Strategien richtig anzuwenden. Also nahm ich das Eisen wieder fest in beide Hände, atmete tief durch und ging leicht in die Knie, so wie es Shastro mir gezeigt hatte.

Ich erinnerte mich noch an die ersten Trainingseinheiten mit meinem Bruder und musste unwillkürlich lächeln. Das war ein absolutes Desaster gewesen. Dass ich niemanden geköpft hatte, grenzte an ein Wunder. Ich kam nicht umhin, Shastro kurz zu beobachten, wie er hingebungsvoll erklärte, worauf ich zu achten hatte. Mein großer Bruder war total in seinem Element, wenn es um den Kampf mit den langen Eisen ging. Mit einem Leuchten in seinen Augen hatte er versprochen mir zu zeigen, wie man mit dem Schwert tanzen würde. Wenn er vom Schwertkampf sprach, ging sein Herz auf und sein Mund schäumte über. Er meinte, es wäre, als wenn man seine Liebste auffordern würde, sich mit ihr zu vereinen. Dabei hatte er sein Schwert angesehen wie seine erste große Liebe. Seine Leidenschaft zu dieser Art Kampfsport hielt mich am Leben und das half mir, mich immer wieder in der Hoffnung zu motivieren, ich könnte mich je genauso dafür begeistern wie er. Ich dagegen musste mit diesem langen Ding darauf achten, dass ich mich nicht laufend selbst verletzte oder zur Gefahr für mein Umfeld wurde.

»Also dann …«, sagte ich resigniert und schaute meinen Bruder fordernd an.

»Na, geht doch«, sagte er lachend und schritt auf mich zu. Dabei hob er seine Waffe, machte einen Schritt zur linken Seite und drehte sich kunstvoll. Er ließ das Schwert auf das meine hinabsausen und ich vermochte den Schlag gekonnt abzuwehren. Sogleich drehte ich mich, um meinen Bruder herauszufordern, der meine Taktik durchschaute und sich vorher um seine eigene Achse gedreht hatte. So fand ich mich nach meiner Drehung mit einem Schwert am Hals wieder. Verängstigt blickte ich meinem Bruder in die Augen, das eiskalte Eisen bohrte sich leicht in meinen Hals. Leer schluckend blinzelte ich in die Sonne hinauf.

»Du bist nicht bei der Sache, liebe Schwester.« Shastro nahm die Klinge von meinem Hals und senkte sie zu Boden.

»Ich kämpfe noch nicht so lange wie du«, sagte ich patzig. Dabei griff ich mir an den Hals, wo ich noch immer den Druck des Eisens nachspürte.

»Ausreden«, hörte ich plötzlich Zeldas Stimme, die von einem Baum heruntergesprungen kam und sich neben Shastro auf den Boden stellte. Wie eine Raubkatze hatte sie sich lautlos an uns herangeschlichen. Rabea saß in ihrer gefiederten Gestalt derweil in einem Baum und krächzte laut, als wollte sie meiner Schwester beipflichten. Ich bedachte sie beide mit einem bösen Blick.

»Das sind keine Ausreden.« Ich verzog mein Gesicht und blinzelte erneut zum Himmel hinauf. Dünne Wolken zogen an uns vorbei, als wollten sie auf uns herunterlächeln.

»Nyella, du bist ein Naturtalent mit jeder Waffe, die man dir in die Hand gibt«, erklärte meine Schwester. »Da wird man ja neidisch«, ergänzte sie lachend.

Das Gefühl hatte ich allerdings überhaupt nicht. Zelda und Shastro waren begeistert gewesen, als ich mit dem Training angefangen hatte. Immer wieder hatten sie betont, wie talentiert ich sei. Ich dagegen hatte das Gefühl, zwei linke Hände zu haben. Außerdem konnte ich die Freude einfach nicht teilen, die Shastro für diesen Sport empfand.

»Du musst härter trainieren«, ergänzte sie.

Ich verdrehte abermals die Augen.

»Du brauchst die Augen gar nicht so zu verdrehen, Nyella. Es ist mein Ernst. Du gibst viel zu schnell auf.« Zelda hatte einen bestimmten Unterton in ihrer Stimme, den ich überhaupt nicht leiden konnte. Meine Geschwister hatten so viel Zeit miteinander verbracht, kannten die Wälder, kannten die Strategien des Kämpfens und waren mir um Jahre voraus. Ich dagegen sollte alles in wenigen Wochen lernen.

Ich drehte mich um und äffte meine Schwester nach, ohne ein Wort laut auszusprechen. Dabei wackelte ich mit meinem Kopf hin und her und musste über mich selbst grinsen.

Gimle, der sich kaum ein Training entgehen ließ und sich auf einem Baumstrunk niedergelassen hatte, um uns wie so oft beim Training zuzusehen, musste das Lachen unterdrücken und biss herzhaft in sein Sandwich. Das Fleisch und die Soße trieften zwischen seinen Lippen hervor und er wischte sich mit dem Handrücken den Mund sauber. Unschöne Flecken breiteten sich auf seinem Kittel aus, während er weiterschmatzte. Seine kurzen Beine baumelten in der Luft. Gimle war einfach immer als Beobachter und Stratege dabei, wenn es darum ging, meine Techniken zu durchleuchten. Auch wenn es mich gelegentlich nervte: Er konnte mir klar aufzeigen, wo ich Fehler machte, und er hatte eine angenehme Art, mir das zu sagen, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

»Daf ift ganz fön intereffant«, brummelte er mit vollem Mund. Soße tropfte weiter auf sein Gewand.

»Mit vollem Mund spricht man nicht, du klingst ein bisschen wie Herr Eusebius«, maßregelte ihn Shastro und lachte ihn aus. »Und du, Fräulein, konzentrierst dich bitteschön wieder auf das Training«, sagte er zu mir und schwang das Schwert kunstvoll in einer Acht. Ich sah in den Himmel hinauf. Der Unwille, weiter zu trainieren, war mir deutlich anzusehen. Wieder stellte ich mich in die Ausgangsposition und nahm das Schwert fest in die Hände. Wenn es doch nur schon vorbei wäre. Ich seufzte.

»Denk dran …«, fing er an.

»Jaja, eines Tages werde ich nur noch eine Hand brauchen und besser kämpfen als du«, unterbrach ich ihn patzig.

»Ganz genau«, bestätigte mir mein Bruder.

Er hatte mir das schon so oft gesagt. Vielleicht würde ich es eines Tages sogar glauben. Shastro begab sich ebenfalls in Position und gab mir zu verstehen, dass ich dieses Mal beginnen sollte.

Mir fielen wieder die Zeichen Gebohans auf, die sein Gesicht zierten. Insgeheim erhoffte ich mir dieselben, aber auf meinem Körper war nichts zu sehen. Meine Haut war langweilig leer geblieben. Lange hatte ich mich immer wieder beim Wasserfall im Wasser gespiegelt und gehofft, dass an dem See etwas Magisches sein würde. Vielleicht würden die blauen Zeichen sich zeigen, wenn ich nur lange genug in dem See badete. Aber nichts … Da war rein gar nichts auf meiner Haut zu sehen. Doch bevor ich abdriftete in andere Gedanken, schüttelte ich meinen Kopf, um wieder klar zu sein und das Eisen zum Tanz einzuladen.

Ich spielte die Desinteressierte, ging gelangweilt auf Shastro zu, der etwas entgegnen wollte, und schleifte das lange Schwert am Boden hinter mir her. Gerade wollte er mich erneut zur Konzentration mahnen, da erhob ich auch schon das Eisen und stieß es auf Shastro nieder. Mein Bruder musste ruckartig einen Schritt zur Seite machen, weil er mit seinem Schwert in der Hand nicht schnell genug reagiert hatte.

»Bei allen heiligen Disen«, schrie er mich an. »Was war das denn?« Er schaute auf den Platz, wo er noch kurz zuvor gestanden hatte und ich nun das Schwert lässig auf den Boden aufstützte. Dann schaute er mich empört an. Ich konnte seine Irritation deutlich an seinen Augen ablesen und das amüsierte mich.

»Willst du mich umbringen?«, fragte er erbost.

Zelda lachte und klatschte Beifall. »Herrlich, Nyella, herrlich.«

»Nein, aber wir wollten doch trainieren«, sagte ich zu ihm und lächelte schelmisch. Dann lehnte ich mich auf den Griff des Schwertes, stützte mein Kinn ab und stellte meinen rechten Fuß vor meinen linken und hob theatralisch die Augenbrauen.

»Nyella wird ihre Gegner nicht mit einem Schwert schlagen, sondern mit ihrer Schauspielkunst«, lachte Zelda und verbeugte sich spielerisch. »Gute Vorstellung.«

»Das hätte ganz schön ins Auge gehen können«, meinte Shastro ernst und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war ehrlich überrascht worden und sichtlich beeindruckt.

»Dann musst du dich besser konzentrieren«, lachte ich und äffte den Tonfall meines Bruders nach.

Zelda grinste. »Gerissen ist sie ja, die Kleine«, meinte sie. »Sie schlägt dich mit deinen eigenen Waffen.«

»Ich bin nicht klein«, rief ich dazwischen.

»Nein, natürlich nicht. Gimle ist klein, du bist nur noch nicht ganz so groß«, lachte Zelda.