Cover

Kurzbeschreibung:

Die drei Kurzgeschichten entführen einen aufs Meer.
Bei Sophia Farago auf ein Segelboot im Jahre 1817und als Sophie Berg in die Jetztzeit, wo sich auf der Queen Mary 2 Träume erfüllen.


Sophia Farago
Sophie Berg

Liebe auf hoher See


Drei Geschichten


Edel Elements

Das dritte Rad am Wagen
Sophia Rauchberg

Sie möchten wissen, wie es mir geht? Wenn Sie mich das an einem guten Tag fragen, dann antworte ich: danke, ganz hervorragend! Ich bin stellvertretende Marketingleiterin von Ferstl Boote & Equipment und habe damit genau den Job, den ich schon immer wollte. Ich komme viel in der Welt umher, treffe die spannendsten Leute und kann mir eine Dachgeschosswohnung in München-Schwabing leisten. Nicht groß, aber immerhin. Da mein Fitnessstudio im Firmengebäude untergebracht ist, schaffe ich es regelmäßig zu trainieren und bin in letzter Zeit sogar mit meiner Figur zufrieden. Meine Nase könnte kleiner sein und mein Busen größer. Aber bitte, nobody is perfect.

Erwischen Sie mich mit dieser Frage an einem schlechten Tag, dann werde ich wohl seufzen und Ihnen etwas vorjammern. Wie soll es mir schon gehen? Ich bin sechsunddreißig, noch immer Single, und nachdem mich mein herzallerliebster Verlobter vor zwei Jahren quasi vor dem Altar hat stehen lassen, ist kein Mann mehr auf der Bildfläche erschienen, der auch nur halbwegs zu mir zu passen schien. Sie wissen ja, wie das ist: In diesem Alter sind alle guten Kerle längst vergeben. Und die Geschiedenen haben sich erst von ihrer Ehefrau getrennt, als die Neue schon an ihrem Arm hing. Darum werde ich nie einen Geschiedenen finden, denn ich bin nicht bereit, etwas mit einem Mann anzufangen, der bereits einen Ring am Finger stecken hat. Und auf die wenigen noch Ledigen, die sich entweder vor einer Beziehung fürchten oder noch bei ihrer Mutter wohnen, habe ich ebenfalls nicht die geringste Lust. Auch nicht, wenn sie in der Souterrainwohnung leben, Mutti einen separaten Eingang hat und ihnen „eh nur die Wäsche macht“.

Heute ist ein guter Tag, ein sehr guter sogar. Ich bin in New York, die Sonne scheint, rund um mich braust der Lärm der Großstadt. Derzeit stehe ich am Eingang der U-Bahn-Station am Times Square und versuche, meinen Chef zu verstehen, der mittels Handy in mein linkes Ohr spricht. Die letzten Tage waren eine Herausforderung, die Verhandlungen mit unserem neuen amerikanischen Kunden hart. Doch jetzt steckt ein höchst erfreulicher Vertrag in meiner Aktentasche und ich habe Lust zu feiern. Leider ist niemand in der Stadt, mit dem ich auf meinen Erfolg anstoßen könnte. Allerdings jubelt Herr Ferstl vor Begeisterung an meinem Ohr, und das ist schließlich das Wichtigste.

„Guten Rückflug“, wünscht er mir zum Abschied. „Und natürlich auch noch einen schönen Urlaub! Den haben Sie sich wirklich verdient.“

Urlaub? Ach ja, Urlaub.

Und schon beginnt sich der gute Tag ein wenig einzutrüben. Was habe ich mir bloß dabei gedacht, jetzt, Ende Oktober, um Urlaub anzusuchen? Da fällt es mir wieder ein, ich habe mir gar nichts gedacht. Die Personalabteilung hat mich mehr oder weniger dazu gezwungen. Ich habe viel zu viele Urlaubstage angesammelt und zumindest vierzehn davon müssen noch in diesem Jahr verbraucht werden. Widerstand war zwecklos.

Ich habe keine Ahnung, was ich in vierzehn langen Tagen zu Hause unternehmen soll. Meine Freundinnen sind alle im Verkauf tätig. Da ist im Herbst am meisten los, denn seit September steht Weihnachten vor der Tür. Keine hat Zeit, um mit mir in den Süden zu fliegen. Aber eines weiß ich, ich werde aus Amerika die passende Dekoration für Halloween mitnehmen und eine ordentliche Party schmeißen. Mein Geschäftspartner hat mir einen der angesagtesten Einrichtungsläden der Stadt empfohlen. Dorthin werde ich mich auf den Weg machen. Ich ziehe den Zettel mit der Adresse und der passenden U-Bahn-Linie aus der Jackentasche. Die Aussicht auf die Party macht mich so fröhlich, dass ich beschwingt die langen Treppen zur U-Bahn hinunterhopse. Als ich um die Ecke biege, steht ein Musiker im langen grauen Gang und schlägt mit Hingabe in die Saiten seiner Gitarre.

„You’ll find the man of your life!“, höre ich ihn singen. Ich lächle und nehme die Botschaft als gutes Zeichen. Auch wenn ich nicht daran glaube. Bitte, wer glaubt schon einem Sänger in einem U-Bahn-Schacht?

Am Columbus Circle tauche ich aus dem Untergrund wieder auf und in das rege Treiben auf den Straßen Manhattans ein. Im Frühherbst ist New York besonders malerisch. Die Blätter im Central Park haben sich schon zu färben begonnen, so als wollten sie den Großstädtern einen kleinen Indian Summer bescheren. Die Ampel, an der ich stehe, hat anscheinend für die anderen Fußgänger nur Hinweischarakter. Die Leute überqueren seelenruhig die breite Straße, obwohl sich eine Reihe Taxis mit hoher Geschwindigkeit nähert. Ich beschließe, brav zu warten, bis die Hand an der Ampel einladend grün leuchtet.

Im Warner Building ist es angenehm ruhig. Ich steuere auf das exquisite Geschäft zu, das man mir genannt hat. Da lachen mir auch schon die ersten Kürbisköpfe aus Porzellan entgegen und schaurige Spinnweben tanzen im Luftstrom der Klimaanlage. Vierzehn Tage Urlaub. Ich kann es immer noch nicht glauben, beginne mich aber mit dem Gedanken anzufreunden. Morgen geht es zurück nach Deutschland. Die Party vorzubereiten wird die ersten Tage in Anspruch nehmen. Was ich dann tue, lasse ich einfach auf mich zukommen. Manchmal ist es doch ganz schön, nichts geplant zu haben. Mein Handy spielt die Kennmelodie von „Desparate Housewives“. Das kann nur eines bedeuten, meine Mutter ist in der Leitung. Hilfe, die wollte ich doch schon längst zurückrufen! Sie hat in den letzten Tagen mehrfach versucht, mich zu erreichen, aber da habe ich stets in wichtigen Besprechungen gesessen.

„Hallo, Mama!“

Das ist der Augenblick, in dem ich lerne, dass auch Ungeplantes völlig ungeplant über den Haufen geworfen werden kann.