Kasprik_Ich_Cover.jpg

Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten.
Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist nicht gestattet,
dieses Werk oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg
zu vervielfältigen oder in Datenbanken aufzunehmen.

Verlag Neues Leben – eine Marke der
Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

ISBN E-Book: 978-3-355-50047-0

ISBN Buch: 978-3-355-01873-9

1. Auflage 2018

© Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlaggestaltung: Verlag, Karoline Grunske

unter Verwendung eines Fotos von Oren Schmuckler

www.eulenspiegel.com

Kasprik_Ich_aus_dem_Innentitel.jpg

Inhalt

Großes Kino

Kleiner Mann – was nun?

Menschen

Tiere

Sensationen

Vater, das Arbeitstier

Pleite, Pech und Panne

Erste Schritte

Regie oder Schauspiel – das war hier die Frage

Der Kofferträger

Verstolperter Einzug ins Paradies

Ich bin ein Vagabund

Wie konnte das passieren?

Erster Spielfilm. Erstes Festival

Post-Moskau

Diplomschauspielerin

Die Busch-Bande

Esches Ausbruch

Die Farbe Rot

Milchpfeifkessel

Flötentöne

Sachsens Glanz, für mich kein Gloria

Adlershof

»Schwester Carola«

Die Quote, die Quote

Das Pech mit dem Pech

Falscher Jasmin, echter Sarg

9. November 1989

Erster Job im Westen

Arbeitslos

»Gucken Sie jetzt in die Röhre

Von Agenturen und Postboten

Im Leben trifft man sich zweimal. Fast immer

»Das störende Z«

Köln

Miami Vice, nein danke. Schön blöd

Banane und trockenes Brötchen

Herzkrank ins Bordell

Die Troublemaker

Kitschig, aber schön

Billy Wilder

Hildegard Knef

Bin ich die nächste Romy Schneider?

Warum machte es nie »Peng«?

Zu dicht an der Wirklichkeit

Und dann fielen die Hüllen

Ajami

Drogen und andere Erfahrungen

Igitt

Warum immer fliegen?

Nine eleven

Israel

Oren und der Schwiegervater

Eiweißschock in Heidelberg

Einmal in einem Rosamunde-Pilcher-Film spielen

Ich bin ich

Abspann

Filmografie

Bilder

Ich bin zwar ausgezogen, um die Welt zu erobern,

aber nicht, um meine Wurzeln zu verleugnen.

Anne Kasprik, in: FF dabei 32/1993

Großes Kino

Oh! Bananen, Ananas, Mandarinen, Pfirsiche, Weintrauben ... Und da: Hummer, Räucheraal, Fasan … »Meine Fresse«, stöhnt August der Starke entzückt. Das heißt, verzückt ist nicht der Kurfürst, sondern der Schauspieler Dietrich Körner. Er langt nach einer Traube, und sofort trifft ihn ein Knuff der Requisiteurin. Das sei Dekoration.

»Aber echte, keine Pappmaché«, sagt der Getadelte, grient unter seiner Perücke und lutscht die Köstlichkeit.

»Eben deshalb

Mein Blick gleitet über die üppig bestückte Festtafel. Nicht das Geschirr und die Gläser, die Karaffen und Batterien von Bestecken unterm Kronleuchter bringen meine Augen zum Glänzen. Es sind die exotischen Delikatessen. Die Südfrüchte und die Platten mit den Krebsen und Fischen. Barock, 18. Jahrhundert – nicht Realsozialismus, 20. Jahrhundert. Im Konsum kriegt man so etwas nicht. Nicht nur die Stoffe für die Kostüme und das Mobiliar hat man aus Wien geholt. Offenbar auch die Delikatessen. Oder aus dem Ka De We in Westberlin, weil der Weg kürzer ist. Devisen hat die Fresserei auf jeden Fall gekostet. Ich bin erstaunt und auch wieder nicht, es ist irgendwie eine Selbstverständlichkeit. Wenn schon ein üppiges Hofgelage gezeigt werden muss, dann kann es nicht wie in der Adlershofer Betriebskantine zugehen. Ist doch klar.

Dietrich Körner neben mir stibitzt schon wieder eine Weintraube und wirft mir einen ermunternden Blick zu. Gestern hat er mich zu seiner Mätresse gemacht, heute verführt er mich zum Diebstahl. August, August ...

Ich halte mich zurück, ich bin die Tochter des Regisseurs. Der hat das alles angerichtet. Keine Privilegien, bitte, ich will nicht auf diesem Ticket reisen. Auch wenn ich dem Adel zugeschlagen wurde und jetzt Gräfin Dönhoff bin. Die könnte sich doch auch bedienen. Nein, nur wenn es heißt: »Kamera läuft.« Allerdings sind wir gehalten, nicht dem Fasan, sondern dem Goldbroiler die Schenkel auszureißen und hineinzubeißen, denn da ist die Beschaffung des Nachschubs weniger problematisch. Und reichlich trinken sollen wir aus den Pokalen und den Gläsern. Hoch die Tassen, Nachfüllen bereitet keine Schwierigkeit. Das der Platten mit den exotischen Speisen und Früchten hingegen schon. Darum: Finger weg!

Das Problem erledigt sich von selbst.

Die Fressorgie findet in verschiedenen Einstellungen statt. Die sind nicht an einem Tag zu schaffen. Am folgenden Drehtag sieht die Petersilie schon nicht mehr ganz so frisch aus. Auch das Obst beginnt zu schwächeln, es wurde ja nicht erst gestern geerntet. Die Requisite konserviert die Platten mit einem geleeartigen Überzug, damit es wie soeben gepflückt im Scheinwerferlicht funkelt.

Am dritten Tag beginnt ein leicht unangenehmer Geruch über die Tafel zu ziehen. Wir langen ungerührt weiter zu und machen auf heitere Konversation, wie es uns das Drehbuch vorschreibt. Wir essen und trinken und kriegen den nach Vergänglichkeit riechenden Geruch nicht aus der Nase. Die Menschen der Barockzeit, zumal die bei Hofe, waren der Reinigung des Körpers nicht unbedingt zugetan. Sie zogen es vor, mit Duftwässern und Puder die unangenehmen Gerüche zu überlagern. Insofern, so kann man meinen, stinkt’s stilecht bei Tische.

Doch nicht das ist es, was unsere Nasen umweht. Es riechen nicht wir, sondern Hummer und Fisch. Der künstliche Überzug ersetzt nicht den Kühlschrank. Das gleißende Licht der vielen Scheinwerfer tut ein Übriges. Das Verfallsdatum scheint merklich überschritten. Ein Trost: Der Film arbeitet zwar mit vielen Sinnen, nur mit dem Geruchssinn nicht. Zum Glück.

Am vierten Tag – hoch die Kelche und wieder kräftig zugelangt – ist der Geruch intensiver als am Vortag. Auch die gebratenen Fasane beginnen trotz des chemischen Kondoms zu müffeln. Wir rümpfen in den Drehpausen die Nasen, doch sobald die Lichter wieder angehen und die Kamera läuft, umweht uns pure Lust. Wir kichern und zeigen lachend die Zähne. Wir sind schließlich Schauspieler.

Am darauf folgenden Tag ist es kaum auszuhalten. Es riecht nach Fäulnis und Vergängnis. Die Lebensmittel sind verdorben, auch wenn sie dem Augenschein nach frisch sind wie am ersten Tag. Das geht noch, sagt mein Vater, der Regisseur, der den gleichen Gestank atmet, aber auch die Buchhalter im Nacken weiß. Einen weiteren Einkauf im Kaufhaus des Westens gibt das Budget nicht her. August der Starke will schon lange keine Weintrauben mehr. Er hat, wie wir alle, längst die Nase voll. Von wegen »Sachsens Glanz«.

Am sechsten Drehtag, es kann auch schon der siebte an der Tafel gewesen sein – so genau weiß ich das nicht mehr, denn wir waren alle schon ein wenig benebelt –, fällt endlich die letzte Klappe. Der Verwesungsgeruch ist unerträglich. Es stinkt wie in einem Müllraum, dessen Tonnen vergessen wurden zu leeren. Wir raffen unsere Roben und eilen ins Freie. Luft, frische Luft!

Irgendwann ist der Film geschnitten und läuft im Fernsehen. Die Zuschauer sind begeistert, Adlershof hat Hollywood-Niveau, die Illusion ist vollkommen.

Wenn die wüssten ...

Kleiner Mann – was nun?

Auch wenn man bei seiner Geburt zugegen ist, ist man nicht wirklich da. Folglich weiß der Betreffende nur aus den Erzählungen Dritter, was sich an jenem Tag alles zugetragen hat. Von mir hieß es, ich hätte justament an jenem Juni-Tag im Jahr 1963 das Licht der Welt erblickt, als mein Vater am Drehbuch für »Kleiner Mann – was nun?« zu arbeiten begann. Er saß mit seinem Ko-Autor zusammen und schickte diesen nach Hause, als die Nachricht kam. »Ich werde Vater«, sagte er, und fuhr ins Krankenhaus Berlin-Kaulsdorf.

Der Zweiteiler nach Falladas Roman lief Weihnachten 1967 im DDR-Fernsehen. Seinerzeit nahm man sich für Film- und Fernsehproduktionen viel Zeit. Dieser Luxus ist uns inzwischen abhanden gekommen. Es spielte alles mit, was damals Rang und Namen hatte, von Jutta Hoffmann (alias »Lämmchen«) über Arno Wyzniewski, Inge Keller und Wolf Kaiser bis zu Lotte Loebinger, Herbert Köfer, Rolf Ludwig und Rolf Hoppe. Auch Carmen-Maja Antoni war mit dabei. Hin und wieder kann man diesen Film auch im Fernsehen besichtigen. Es gibt im Internet die Plattform www.fernsehenderddr.de mit Monats­kalender, in dem die Wiederholungen von DDR-Fernsehproduktionen angezeigt werden. Man muss nur den mit Rot unterlegten Tag anklicken und erfährt, wo wann welche Sendung zu sehen ist. Es gibt erheblich weniger graue Tage, rot dominiert den Kalender.

Meine Mutter war dreiundzwanzig, als sie mit mir niederkam, und aktuell eine beschäftigungslose Fotografin. Sie war kein »Lämmchen«, also nichts mit »Kleine Frau – was nun?«. Jutta K. war selbstbewusst und souverän und wusste sich stets zu behaupten. Das hing ganz gewiss mit ihrer Herkunft zusammen.

Meine Mutter kam – anders etwa als mein Vater – aus einem bürgerlich-behüteten Hause. Ihr Vater, mein Opa, war Zahnarzt. Natürlich der beste von ganz Berlin-Ost. Er war mit einer gelernten Putzmacherin verheiratet, also mit einer Frau, die Hüte herstellt. Sie übte jedoch viele Professionen aus. Auch gelegentlich die einer Arzthelferin, wenn ihr Mann in einem cholerischen Ausbruch mal wieder die angestellte Assistentin vergrault hatte.

Gemeinsam mit ihrer theaterbesessenen, reiselustigen Schwester Renate hatte Jutta Hartung an der Johannes-R.-Becher-Schule in Weißensee das Abitur gemacht. Sie spielte wunderbar Klavier und träumte von einer Zukunft als Pianistin, doch wurde daraus nichts, weil sie sich bei der Aufnahmeprüfung angeblich im Zimmer geirrt hatte. Sie sei irrtümlich zu den Komponisten gegangen und dort durchgefallen. Im Unterschied zu Renate, die im Westteil Berlins Thea­terwissenschaften zu studieren begann, bekam die Arzttochter Jutta Hartung im Ostteil keinen Studienplatz.

Und erst recht keinen nach 1961, denn nach dem Mauerbau hatte sich Schwester Renate mit ihrem Mann und gefälschten Pässen in den Westen abgesetzt. Ihre Republikflucht fiel meiner Mutter richtig auf die Füße: Sie durfte danach nicht einmal mehr in ihrem erlernten Beruf als Fotografin für Zeitungen arbeiten. Tante Renate hingegen machte sich als Presseverantwortliche im westdeutschen Verlagswesen einen Namen.

Hans-Joachim Kasprzik kam aus dem Westen in den Osten, ging also den umgekehrten Weg. Er stammte aus einer schlesischen Bergarbeiterfamilie und war mit seiner Schwester Christa zum Ende des Krieges aus Beuthen geflohen, als er, keine siebzehn Jahre alt, zum Volkssturm geholt werden sollte. Ihre Eltern kamen aus kinderreichen Familien, es hieß, dass sie jeweils mit zehn, elf Geschwistern aufgewachsen waren. Da lässt sich ahnen, dass dort auch die Armut wohnte. Die Familiensaga berichtet, vor Jahrhunderten hätten Kasprziks dem verarmten Landadel angehört und zur Existenz­sicherung ihren Adelstitel verkauft. Offenkundig begleitete die Not die Familie schon immer. Mein Vater hatte jedoch insofern Glück, als er einen geförderten Platz am Gymnasium in Gleiwitz belegen durfte. Doch aufgrund des Krieges wurde aus dem Abitur nichts, er besaß jedenfalls keinen ordentlichen Abschluss.

Seine Flucht vor Hitlers letztem Aufgebot endete in Franken. In Wirsberg lebten Verwandte, darunter auch ein Cousin, der Pilot bei der Luftwaffe war. Dieser brachte gegen Kriegsende absichtlich seine Maschine auf den Acker bei Wirsberg zu Boden, um nicht an die Ostfront versetzt zu werden. Er desertierte. De facto tauchten die beiden jungen Männer unter und überlebten dadurch den Krieg.

Mein Vater nahm Schauspielunterricht. Dazu wanderte er eine Stunde von Wirsberg nach Kulmbach. Ein schöner Weg, ich bin ihn einmal gegangen. Sein Lehrer hieß Georg Friedrich Buttlar. Gottlob, wie Vater meinte, ging ihm nach einem Jahr das Geld aus, weshalb der Unterricht endete, denn Buttlar war kein sonderlich begabter Schauspiellehrer. Danach zog er nach Berlin, wo die gesamte Familie – aufgrund der Entscheidungen der Siegermächte aus Schlesien ausgewiesen – Unterkunft in Schmöckwitz fand. Ein Vorfahre hatte bei einer Bank gearbeitet und es zu einem gewissen Vermögen gebracht, mit dem er sich am Rande der Reichshauptstadt eine Villa errichten ließ. Diese nun bot auch den Kasprziks aus dem jetzt polnischen Schlesien Obdach.

Mein Wissen über die Biografie meines Vaters ist lückenhaft. Er selbst sprach nie darüber. Und fragte ich ihn, winkte er stets ab. Nach dem Tod meiner Eltern Ende der neunziger Jahre übergab ich seinen Nachlass der Akademie der Künste. Seine Bibliothek, mehrere tausend Bücher, wollte niemand. Ich habe sie Bibliotheken, Krankenhäusern und Knästen angeboten. Dort verlangte man von mir, dass ich zuvor alles katalogisieren sollte, ehe man sich zur Prüfung der Übernahme entschließen würde. Mir fehlte dafür die Zeit. Ich trug die Kartons mit den Büchern in die Garage, weil das Haus renoviert werden musste. Dort standen sie schließlich mehr als zehn Jahre. Danach haben wir sie tränenden Auges entsorgt.

Lesen war Vaters Lebensinhalt. Er versenkte sich zeitlebens in Bücher und hat, wie er mir einmal erzählte, dafür sogar Prügel von seinem Vater bezogen. Der war Bergmann und fand es anstößig, wenn sein Sohn untätig in der Ecke hockte und las, während er und die Mutter körperlich hart arbeiten mussten, um die Existenz der Familie zu sichern. Ganz gewiss haben solche Erfahrungen das Denken und die Haltung meines Vaters bestimmt.

In Berlin begann er an der »Tribüne« als Statist zu arbeiten. Das war ein Theater unweit des heutigen Ernst-Reuter-Platzes, ein traditionsreiches Haus, an dem einst Erwin Piscator und Jürgen Fehling inszenierten und Adele Sandrock, Marlene Dietrich und Heinrich George spielten. In der Nachkriegszeit trat dort auch Herbert Köfer auf – ich vermute mal, dass die beiden sich dort kennengelernt haben.

Vater diente sich an der »Tribüne« bis zum Regieassistenten hoch, als er auf Kurt Maetzig traf oder der auf ihn. Maetzig gehörte zu den Mitbegründern der DEFA und deren Vorstand, bei wichtigen Filmen wie »Ehe im Schatten« und »Der Rat der Götter« hatte er bereits Regie geführt. »Komm zu uns«, sagte er zu meinem Vater, »du fängst als zweiter Regieassistent bei der DEFA an, dann sehen wir weiter.«

Nun, man sah so weit, dass man ihm – so sagt meine Tante Renate – die Regie für den Film »Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse« offerierte. Das Angebot aber lehnte Vater ab. Ich glaube nicht, dass politische Gründe ursächlich waren, vermutlich war’s die Größe der Aufgabe, der er sich noch nicht gewachsen fühlte. Auch den zweiten Teil übernahm Maetzig und Günther Simon die Hauptrolle. Als ich in der Schule zum ersten Mal, und zwar in einem Diktat, den Namen Thälmann vernahm, schrieb ich »Ernstelmann lebte in Hamburg«, denn ich hatte noch nie etwas von ihm gehört.

Warum folgte mein Vater Maetzigs Werben? Er sah für sich im Westen keine künstlerische Perspektive. Die meinte er, im Osten zu finden, bei der DEFA, wo man sich mit der faschistischen Vergangenheit intensiv auseinandersetzte. Dieses Thema beschäftigte ihn sehr. So arbeitete er mit an dem Antikriegsfilm »Betrogen bis zum jüngsten Tag«, der 1957 in die Kinos kam. Mit diesem Film bewarb sich die DEFA in Cannes um die »Goldene Palme«. Die Bundesrepublik intervenierte und beharrte auf ihrem Alleinvertretungsanspruch, weshalb der Film ins Rahmenprogramm verbannt wurde. Der Kalte Krieg machte um die Filmkunst keinen Bogen. Die Fachleute sind sich heute einig: Dieser Streifen – nach einer Novelle von Franz Fühmann – war »einer der überzeugendsten Filme, die die DEFA in den fünfziger Jahren drehte«, ein »Glücksfall unter den antifaschistischen Filmen der DEFA«, so urteilte etwa Ralf Schenk 1994.

In jener Zeit, in den fünfziger Jahren, begegneten sich meine Eltern zum ersten Mal.

Und zwar in »Clärchens Ballhaus« in der Berliner Auguststraße. Mit einem Freund war Vater dort eingekehrt, und als sie gehen wollten, kam meine – künftige – Mutter mit ihrer Freundin ins Lokal, worauf die beiden Männer beschlossen zu bleiben. Man tanzte, flirtete und verabredete sich. Allerdings hatte die achtzehnjährige Jutta dann doch keine Lust mehr, worauf die Mutter ihre Tochter anwies, gefälligst zum Rendezvous zu gehen. Aus Pflichterfüllung, nicht weil man einen Schwiegersohn wollte.

Und so kam denn alles, wie zu vermuten war. Die beiden heirateten am 6. Mai 1961, nachdem mein Vater gerade die Arbeit am Fünfteiler »Gewissen in Aufruhr« abgeschlossen hatte. Dafür erhielt er gemeinsam mit Erwin Geschonneck, Inge Keller und Günter Reisch den Nationalpreis.

Und am 11. Juni 1963 kam ich. Kleine Frau – was nun?

Jahrzehnte später, ich drehte in der Berliner Charité, begegnete mir auf den Gängen eine nicht mehr ganz junge Frau, die sich bei mir nach einem bestimmten Vorlesungssaal erkundigte. »Lämmchen!«, entfuhr es mir.

Jutta Hoffmann starrte mich irritiert an. Sie erkannte mich zunächst nicht.

Dann klärte sich die Geschichte auf.