Regionale Morde - Tod eines Wikingers

Tomos Forrest

Published by BEKKERpublishing, 2019.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Regionale Morde – aus dem Braunschweiger Land und der Region Nordfriesische Inseln: | Tod eines Wikingers | Tomos Forrest

Klappentext:

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Ende | Folgende Krimis aus der Reihe „Regionale Morde“ sind bereits erschienen, oder befinden sich in Vorbereitung:

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Regionale Morde – aus dem Braunschweiger Land und der Region Nordfriesische Inseln:

Tod eines Wikingers

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Tomos Forrest

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IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: unsplash mit Kathrin Peschel, 2019

Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel

© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Klappentext:

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IM STÄDTISCHEN MUSEUM Braunschweig wurden aus einer wenig gesicherten Vitrine bedeutende Fundstücke entwendet; unter anderem eine Handöx (Handaxt), die ein Braunschweiger Forscher in Dänemarks Norden ausgegraben hatte – natürlich nur den Axtkopf ohne Stiel. Eine Besonderheit: Ein weiterer, identischer Axtkopf wurde bereits im 18. Jahrhundert bei Kanalarbeiten in Braunschweig gefunden, zusammen mit Bruchstücken von Silbermünzen aus der Zeit König Harald Blauzahns und auch dieser wurde geraubt.

Eine Replika (Nachbildung) dieser Axt, allerdings mit Stiel, wurde gleichermaßen gestohlen, und mit dieser Replika wurde in Braunschweig noch am selben Tag jemand ermordet, der sich für die Geschichte der Nordmänner interessierte.

Bei seinen Recherchen entdeckt Kriminalrat Thomas Faust, der als Kriminalist mehr aus privatem Interesse an dieser Zeit in die Ereignisse verwickelt wird, Hinweise zum Tathergang. Auf der „grünen Insel“ Föhr stößt er auf ein weiteres Gegenstück der Axt und begegnet dabei einem verschrobenen, alten Mann, der ihm Geschichten aus der Zeit der Nordmänner erzählt, als wäre er dabei gewesen und entgeht selbst nur knapp einem Anschlag ...

***

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WIR SCHREIBEN DAS 21. Jahrhundert.

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1.

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EINEN MOMENT LANG BLIEB Thomas Faust im Eingangsbereich stehen und atmete die Museumsluft tief ein. Auf eine merkwürdige Weise schien sie sehr vertraut zu sein und weckte lange zurückliegende Erinnerungen. Er war als junger Familienvater zum letzten Mal hier gewesen, gefühlt eine Ewigkeit. Kurz hatte er seine Augen geschlossen und schwelgte in den vorüberziehenden Bildern. Da war die nachgestellte Zinnfigurenwerkstatt. Liebevoll aufgebaute Rohlinge standen zwischen den Gussformen, allerlei Werkzeugen und alten Möbeln, die das Diorama einer alten Werkstatt in einem der für die Stadt typischen Fachwerkhäuser bildete. Und dann diese unheimliche Uhr, vor der sich früher alle Kinder gefürchtet hatten, mit einem Gerippe, das zur vollen Stunde mit einem Knochen gegen eine Glocke schlug.

Faust wurde jäh aus seinen Träumen gerissen, als eine lärmende Schulklasse durch die große Tür hereinkam, Jacken und Taschen auf den Boden der Garderobe schleuderten und mit viel Geschrei und Gelächter sich auf einen Museumsbesuch vorbereitete.

„Handys bleiben aus! Sehe ich einen von euch damit herumspielen, gibt es Ärger!“, kam die Stimme einer Lehrerin. Faust nickte ihr zu, und die resolute, etwas ältere Dame im gelben Strickpullover und knielangem grauen Rock warf die langen, blonden Haare mit einer bedeutungsvollen Geste zurück, als sie ihn mit einem kühlen Blick streifte. „Alle Sachen werden hier an den Haken so aufgehängt, wie ihr das in der Schule macht. Ich will hier nichts mehr herumliegen sehen! Und die Mappen kommen ordentlich hier an die Wand!“

„Wo geht es zu den Sauriern, Frau Frank?“, meldete sich einer der Jungen mit topmodischem Haarschnitt. Faust konnte dieser Art wenig abgewinnen. Zu seiner Zeit nannte man das verächtlich „Rundschnitt“, wenn die Haare im gesamten Nacken ultrakurz waren und nur auf der Schädeldecke längeres Haar stand. Aber wie so vieles andere hatte sich auch hier der Geschmack gewandelt.

„Hier gibt es keine Saurier!“, antwortete Frau Frank mit verächtlichem Gesichtsausdruck. „Wir gehen in das Städtische Museum, nicht in das Naturhistorische!“

„Herr Faust?“

Er drehte sich zu der Stimme um und erblickte eine junge, sportlich gekleidete Frau, die ihm fröhlich lächelnd die Hand entgegenstreckte.

„Ja, Thomas Faust!“, erwiderte er und versuchte gleichzeitig, mit der anderen Hand seinen Dienstausweis aus der Tasche zu ziehen.

„Lassen Sie ruhig, Herr Faust, ich brauche keinen Ausweis von Ihnen zu sehen. Schließlich war Ihr Bild ja oft genug in der Zeitung!“

„So, na dann folge ich Ihnen doch einfach!“, antwortete er der jungen Frau, die auf einen Fahrstuhl im Hintergrund deutete.

Sie zog einen Schlüssel heraus und öffnete damit die Türen, ließ Faust den Vortritt und sagte dann mit einem schelmischen Lächeln: „Wie man so sagt, folgen Sie mir ganz unauffällig!“

Pflichtschuldig lächelte Faust über diesen abgestandenen Scherz und schwieg, während der Fahrstuhl sanft anruckte und dann ein kurzes Stück nach oben schwebte. Dort angekommen ging seine Begleiterin wieder voraus, hielt die gegenüberliegende Tür auf und Faust erkannte die Kollegen, die offenbar noch bei der Spurensicherung tätig waren. Dezent verabschiedete sich die Museumsangestellte von ihm.

„Herr Faust, das ist aber eine Überraschung! Sind Sie privat hier?“, erkundigte sich ein junger Beamter in Zivil, der Faust noch von den Vorlesungen auf der Polizeischule kannte und inzwischen zum Fachkommissariat 2, Raub- und Erpressungsdelikte, gehörte.

„Privat?“, antwortete Faust und grinste dazu. „Könnte man fast annehmen, wenn es um einen Gegenstand aus der Zeit der Nordmänner geht, nicht wahr, Herr Jürgens? Aber ich muss Sie enttäuschen, ich bin genau wie Sie dienstlich hier.“

Jürgens, der eben noch in der Hocke über Glassplittern saß, richtete sich auf und sah dem Kriminalrat erstaunt ins Gesicht.

„Aber – das ist doch nur ein Einbruch, noch dazu mit deutlichen Hinweisen auf den oder die Täter! Warum hat man Sie dazu gerufen?“

Faust nickte ernst, während sein Blick rasch über die aufgebrochene Vitrine glitt, kurz die verbliebenen Gegenstände musterte und dann auf einen halbmondförmigen, schwarzen Gegenstand in der Größe eines Fingernagels wies.

„Eine Silbermünze?“

Jürgens blickte überrascht zur Vitrine und zuckte die Schultern.

„Kann sein, ich kenne mich damit nicht so aus. Wir haben es hier wohl mit der Tat Jugendlicher zu tun. Die Eingangstür wurde ziemlich unprofessionell aufgebrochen, die Vitrine rücksichtslos mit dem Eisenrohr zerstört – da drüben liegt es – und die Gegenstände mitgenommen. Ich tippe auf Drogensüchtige, die sich von den alten Dingen aus dem Museum wohl eine gute Einnahme versprachen.“

„So, meinen Sie?“

Etwas im Ton des Kriminalrates ließ den jungen Polizisten innehalten.

„Ja, so etwas hatten wir doch in den letzten Wochen mehrfach, wenn auch, zugegeben, nicht in einem unserer Museen!“

„Was ja auch aufgrund der Alarmanlagen kaum denkbar wäre, nicht wahr, Jürgens?“

Oha! Wenn der Alte diesen Ton anschlägt, hält man sich besser zurück – wenigstens das habe ich bei ihm gelernt!, schoss es dem Beamten durch den Kopf.

Faust nahm behutsam den kleinen, geschwärzten Gegenstand in die Hand und hielt ihn hoch, um durch das Deckenlicht mehr zu erkennen. Schließlich rieb er es zwischen einem Stück Stoff von seiner Jacke und prüfte es erneut.

„Was haben Sie denn da entdeckt?“, erklang eine wenig melodische Stimme hinter ihm, und als sich Faust überrascht umdrehte, blickte er in das strenge Gesicht der Museumsdirektorin. Dr. Mathilde von Grüneberg war eine auf den ersten Blick sehr männlich wirkende, herbe Frau, mit breiten Schultern und einem Anflug von Damenbart auf der Oberlippe. Zu diesem herben Aussehen schien ihr etwas zu eng sitzender Pullover und der kurze Rock überhaupt nicht zu passen, viel weniger ihre breiten Schuhe mit einem ungewöhnlich dicken und hohen Absatz.

„Vermutlich einen Rest einer Silbermünze, die vom Täter wohl übersehen wurde!“, antwortete der Kriminalist und präsentierte das Bruchstück auf der flachen Hand. Dr. von Grüneberg warf einen etwas pikierten Blick darauf, rümpfte die Nase und musterte mit strenger Miene die Polizisten, die noch immer an der zerstörten Vitrine beschäftigt waren. Die Museumsdirektorin schien keine Antwort geben zu wollen, war mit einem raschen Schritt neben Jürgens und herrschte ihn an: „Wie lange soll das hier noch gehen?“

Der junge Polizist lächelte sie freundlich an und antwortete schließlich:

„Bis wir fertig sind, Frau Doktor. Da müssen Sie noch etwas Geduld haben!“

„Unglaublich, Sie sind doch schon seit zwei Stunden hier beschäftigt, was gibt es denn an einer aufgebrochenen und zerstörten Glasvitrine so lange noch zu sehen?“

Da kam sie bei Jürgens an den Richtigen. Er blieb weiterhin freundlich und sprach mit ruhiger Stimme, aber seine Worte konnten der Direktorin trotzdem nicht gefallen.

„Unglaublich, Frau Dr. Grüneberg, ist eigentlich nur, wie leicht Sie es den Tätern gemacht haben, hier hereinzukommen!“

Von Grüneberg, ja, so viel Zeit muss sein. Und warum haben wir es den Tätern leicht gemacht? Wissen Sie eigentlich, in welchem Zustand ich dieses Haus übernommen habe? Zu dem Zeitpunkt dauerten die Renovierungsarbeiten schon Jahre, und wenn ich nun in der Endphase noch ein paar wichtige Ergänzungsarbeiten durchführen lasse, so wird damit nur nachgeholt, was mein Vorgänger versäumt hat!“

Damit wollte sie sich wieder abwenden, blieb aber bei der Antwort des Polizisten erstaunt stehen.

„Das ist doch aber kein Grund, die Baustelle im Eingangsbereich nur mit einer einfachen Bautür aus Holz zu sichern! Jedes Kind wäre in der Lage, mithilfe eines ordentlichen Schraubendrehers das Vorhängeschloss zu knacken – und genau das ist ja auch geschehen. Ich denke mal, Sie können sich darüber freuen, dass die Täter keine größere Beute gemacht haben!“

„Ha, Sie wissen ja überhaupt nicht, wovon Sie sprechen, junger Mann! Hier befanden sich zwei wertvolle, fein ziselierte Axtblätter, dazu eine Replika dieser Waffen und einige Silbermünzen, alles aus der Zeit des 10. oder 11. Jahrhunderts! Und eine dieser Äxte wurde hier in Braunschweig gefunden, als Herzog Carl I. vermutlich mit der Vertiefung der Oker beginnen ließ, um die Schifffahrt wieder neu zu beleben! Man fand diese Axt in einem uralten Brunnenschacht, und das Besondere daran ist ja die Tatsache, dass ... – ach, was erzähle ich Ihnen das eigentlich alles, Sie haben ja ohnehin keine Ahnung von diesen Dingen! Sehen Sie also zu, dass Sie hier fertig werden, damit wir mit den Renovierungsarbeiten fortfahren können!“

Jürgens hatte sich aufgerichtet und mit einem jungenhaften Lächeln erwiderte er:

„Und dieser Fund einer Wikinger-Axt wurde von Professor Thomas Alexander Faust, einem Vorfahren unseres Kriminalrates Dr. Thomas Faust, den Sie hier stehen sehen, entdeckt, untersucht und seine Herkunft bestimmt! Und keineswegs bei der Vertiefung der Oker, sondern beim Ausheben einer Baugrube an der Langen Straße!“

Frau Dr. von Grüneberg stand mit geöffnetem Mund und drehte ihren Kopf vom Sprecher hinüber zum Kriminalrat und wieder zurück.

Doktor Faust? Und ... und Professor Thomas Alexander ...?“

Faust verbeugte sich leicht und ergänzte:

„Professor Dr. Dr. mult. Thomas Alexander Faust, um genau zu sein, gnädige Frau. Leiter der Ausgrabungen einer Siedlung der Nordmänner nahe Skagen im Norden Dänemarks, Autor des noch heute gültigen Sachbuches über die dort siedelnden Menschen, ihre Kulturen und ihre Kriegszüge. Ehrendoktor von drei Universitäten.“

„Das ist Ihr ...?“

„Urgroßvater, um genau zu sein. Seit dem Polizeiagenten Thomas Faust, geboren 1873 und in unserer schönen Stadt vor allem bekannt durch einen Kriminalfall, bei dem er einem bekannten englischen Detektiv assistieren konnte (vgl. Sherlock Holmes: Geheimakte Braunschweig) ist es in der Familie Tradition geworden, den Erstgeborenen mit dem Vornamen Thomas zu taufen.“

Die Direktorin sah ihr Gegenüber noch einen Augenblick mit leicht zweifelnder Miene an, dann gab sie sich einen Ruck und erwiderte säuerlich: „Es ist vielleicht sinnvoller, wenn wir uns in meinem Büro unterhalten.“