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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Titelbild und Umschlaggestaltung: Björn von Prollius

Layout: Susanne Junge

© 2016 Michael von Prollius (Hg.)

1. Auflage

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-7412-3235-0

Inhalt

Vorspann

The Standards werden vor allem mit Musik assoziiert. Besonders häufig gespielte Stücke, die immer wieder neu interpretiert werden und die Stilentwicklung überdauern oder sie selbst prägen, gelten als Standards. Beim Jazz ist das beispielhaft der Fall. Weithin sichtbar trifft das auch für das Kino zu. Bemerkenswerterweise gilt: Neuinterpretationen können beliebter sein als die Originale. Auch über die Musik hinaus kennzeichnet Standards, dass die in ihnen verkörperte Art und Weise zu verfahren anerkannt wird, ob beim Tanzen, bei Produktionsverfahren oder bei Währungen. Ein Goldstandard ist beispielsweise eine Währung, die aus Goldmünzen, Goldbarren oder in Gold eintauschbaren Papiernoten besteht.

The Standards II sind in diesem Band Kinofilme, die aus der Freiheitsperspektive betrachtet werden und bedeutende Lehren und Inspirationen für eine freie Gesellschaft bieten. Filme, die nicht unterhalten, haben es in diese Auswahl nicht geschafft. Indes müssen sie im Rahmen einer naturgemäß sehr selektiven Auswahl an Filmen mehr bieten: Filme, die einer Freiheitsperspektive standhalten, unterhalten und inspirieren. Sie bieten Alltagsweisheiten und Lehren. Sie entführen uns in eine andere Welt und weisen auf unser Leben hier, heute und morgen zurück.

The Standards haben in der Musik im Great American Songbook einen Platz gefunden. Herausragende Songs der amerikanischen Unterhaltungsmusik sind dort versammelt, ohne dass ihre Zahl abschließend festgelegt wäre.

„Ein Mann hat das Recht sein Eigentum und sein Leben zu schützen.“

„Wir haben niemals etwas vom Staat gefordert und niemals etwas von ihm erwartet.“

Boss Spearmann

Inhaltlich lassen sich die nachfolgend aus der Freiheitsperspektive betrachteten Kinofilme verschiedenen Themen zu-ordnen: In den Western werden Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen betont. Recht, Gesetz und Ordnung befinden sich in einem prekären Zustand, der zumeist von gewaltbereiten Einzelpersonen destabilisiert und wieder ins Gleichgewicht gebracht wird. Dabei werden autoritäre Machtausübung und deren Folgen anschaulich geschildert. Das gilt sowohl für klassische und moderne Western wie „Alamo“ und „Open Range“ als auch für den Alpenwestern „Das finstere Tal“. In „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“ wird hingegen das facettenreiche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Individuum thematisiert.

Den Hauptteil von The Standards II bilden Rebellionen gegen autoritäre Herrschaften. Möglicherweise sehen die Autoren, die freie Auswahl bei den von ihnen besprochenen Filmen hatten, das Thema Freiheitskampf als herausragend an, cineastisch, aber angesichts herrschender Anmaßungen auch mit Bezügen zur heutigen Zeit. Das Historiendrama „Braveheart“ schildert den Unabhängigkeitskampf als persönlich motivierten Freiheitskampf gegen brutale Unterdrücker. „V wie Vendetta“ ist die Geschichte eines persönlichen Rachefeldzugs zum Sturz einer Tyrannis. „Matrix“ handelt von der Selbstvergewisserung eigener Fähigkeiten und der Befreiung von der Maschinen-Herrschaft. Die „Tribute von Panem“ zeigen eine Rebellion gegen eine atavistische Diktatur in der Zukunft. „Krieg der Sterne“ ist die Inkarnation des Freiheitskampfes gegen eine totalitäre Militärbürokratie, Gut kämpft gegen Böse, die Protagonisten besinnen sich auf ihre eigenen Fähigkeiten.

„Sie mögen uns das Leben

nehmen, aber niemals

nehmen sie uns unsere

Freiheit!“

William Wallace vor der

Schlacht von Stirling

"Ein Volk sollte keine Angst

vor seiner Regierung haben,

eine Regierung sollte Angst

vor ihrem Volk haben."

V

“Furcht ist der Pfad zur

dunklen Seite. Furcht

Führt zu Wut, Wut führt

zu Hass, Hass führ zu

unsäglichem Leid.”

Yoda

Mit „Der Elefantenmensch“ wird das Themenfeld „Individuelle Entfaltung und öffentliche Drangsalierung“ fortgesetzt. Wenn es ein Thema gibt, das alle freiheitlichen Filmperspektiven verbindet, dann ist es das spannungsreiche Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft. Das wird auch in der abschließend betrachteten Serie „Vikings“ deutlich, die menschliches Streben nach Herrschaft mittels Gewalt und Intrigen sehr ambivalenter Charaktere schildert.

The Standards II sind das Ergebnis persönlicher Vorlieben und Schwerpunkte. Die Auswahl der Autoren und Aufsätze folgt keiner Norm. Die Texte sind individuelle Betrachtungen und Interpretationen, die sich hinsichtlich Länge, fachlicher Tiefe und Stil unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen der Standard-Aufbau: Filmthema benennen, dazu Regisseur und Darsteller auflisten, Bedeutung für die Freiheit skizzieren, Inhalt des Films zusammenfassen und Bezüge zur Freiheit herstellen. Zitate schließen jeden Beitrag ab.

Die Phantasie anregen, den Leser zum Nachdenken bringen, vielleicht sogar inspirieren, das ist ein hehres Ziel, mit dem The Standards II verbunden ist. Durch eigenes Nachdenken über das Gelesene und Gesehene zu neuen Erkenntnissen gelangen, das ist das Minimalziel, das die Autoren erreichen möchten. Wenn Sie als Leser nach der Lektüre Filme aus einer anderen Perspektive betrachten, freuen sich die Beitragenden dieses Bandes.

Ein Standard kann formalisiert werden oder in einem nichtformalisierten Regelwerk beschrieben sein. In der Regel ergeben sich Standards indes ungeplant. So verhält es sich auch mit den nachfolgenden Filmbesprechungen. Vorteile von Standards liegen in reduzierten Transaktionskosten – das Rad muss nicht neu erfunden werden, viele Menschen haben sich bereits darauf verständigt, was ein Rad ausmacht – und zugleich in erhöhter Effizienz, zumal Vertragsverhandlungen vereinfacht werden. Sollten einige der nachfolgenden Ansichten zu Standards werden, wäre das für eine freie Gesellschaft hilfreich.

The Standards II möchte einen Einblick in die Vielfalt der freiheitlichen Filmwelt geben. Nachfolgend dominiert die Perspektive der Befreiung und Selbstbestimmung. Zweifellos ließen sich weitere Aspekte hinzufügen – zwei Beispiele: Im Film-Klassiker "Club der Toten Dichter" kämpft Englischlehrer John Keating, gespielt von Robin Williams, leidenschaftlich und mit viel Humor für die Entfaltung der Persönlichkeit seiner Jungs in einem konformistischen Paukinternat. In George Clooneys „Good Night, and Good Luck“ verkörpert der in den USA berühmte Fernsehmoderator Edward Munroe Integrität. In den 1950er Jahren führte er einen couragierten Kampf für Meinungsfreiheit und den zwanglosen Zwang des besseren Arguments. Auf stilistisch und rhetorisch hohem Niveau setzte er sich mit Senator Joseph McCarthy auseinander, der eine landesweite Hexenjagd gegen vermeintliche Kommunisten und Andersdenkende führte. Munroe gelang das Unerwartete, er zwang McCarthy in die Knie. Zugleich konnte er den Niedergang des Fernsehens nicht verhindern.

Die Grundmelodie von The Standards II ist erneut unüberhörbar die der Freiheit. Weniger Macht von Menschen über Menschen und mehr Selbstverantwortung ist ein durchgängiger Erzählstrang. Sie passt zum Freiheitsstreben insbesondere junger Menschen, das ein weltweit wachsendes Phänomen darstellt, wie sich an der Zahl von Organisationen, Publikationen und Studenten für die Freiheit ablesen lässt. Die Menschen in Deutschland und Europa werden von einer Rückbesinnung auf die Freiheit profitieren, weil sie als individuelle Lebewesen wieder in den Mittelpunkt rücken werden. Wer an einer dystopischen Hörwelt interessiert ist, dem sei die Science-Fiction-Krimi-Serie „Jonas, der letzte Detektiv“ empfohlen. Sie vermittelt einen plastischen Eindruck von einer Herrschaft der Staatsbürokratie und mit ihr verflochtener Großkonzerne. Mit seiner fünfundzwanzigjährigen Vorausschau hat der Autor Michael Koser 1983/84 eine extreme Zukunft beschrieben, vor deren autoritären Formen bereits Wilhelm Röpke als konsequentes Endstadium eines pervertierten Wohlfahrtsstaates gewarnt hatte.

Wie schon der erste Band „The Standards. Klassisch liberale Aufsätze neu interpretiert“ stellt auch dieser Band keineswegs den Anspruch, einen Standard zu setzen, und kann nur ein erste Werkschau sein. Gute Unterhaltung wünschen die filmbegeisterten Autoren.

Michael von Prollius

Berlin, im Februar 2016

Alamo

John Wayne

gesehen von Detmar Doering

Filmthema

Western/Historienfilm: Aufopfernder Unabhängigkeitskampf gegen die Diktatur und für eine Republik, die die Freiheit des Einzelnen sichert.

Bedeutung

Visuell eindringliche filmische Umsetzung des Themas „Gut“ gegen „Böse“. Das Gute ist dabei ganz plakativ die Freiheit. Das Böse sind Diktatur und Unterdrückung. Ein ästhetisch hochstilisiertes politisches Bekenntnis des Regisseurs, das universell gedachten amerikanischen Werten Ausdruck verleiht.

Regisseur und Darsteller

Erscheinungsjahr: 1960

Regie: John Wayne

Darsteller Filmfiguren
John Wayne Davy Crockett
Laurence Harvey Colonel Travis
Richard Widmark James Bowie
Frankie Avalon Smitty
Ruben Padilla General Santa Anna
Linda Cristal Flaca

Interpretation

Historienfilm mit Freiheitsbotschaft

John Waynes Regieerstling „The Alamo“ basiert auf einer berühmten Episode der amerikanischen Geschichte: Texas, das zu Mexiko gehört, wird zunehmend von Einwanderern aus den Vereinigten Staaten besiedelt, die in Konflikt mit der Regierung des Diktators Santa Anna geraten und 1836 die Unabhängigkeit von Texas ausrufen. Die Mexikaner drohen, die Texaner militärisch zu besiegen. Deren General Sam Houston muss seine Armee schnell reorganisieren. Er gewinnt Zeit, weil der riesigen Armee Santa Annas eine kleine, zum Fort umgebaute Missionsstation – Alamo – im Wege steht, das von 187 Texanern unter der Führung von Oberst Travis 13 Tage lang gehalten wird. Der chancenlose Kampf der Texaner, die am Ende alle getötet werden (nachdem Santa Anna allen Frauen freies Geleit gewährt hat), verschafft letztendlich den Texanern den siegesnotwendigen Zeitgewinn.

Die zum Heldenmythos gewordene Belagerung der Alamo ist das Thema des Films. Im Zentrum stehen vor allem die drei (historischen) Helden von Alamo: der pflichtbewusste Oberst Travis, der um die Last der Verantwortung dieses Selbstmordkommandos weiß, und der ehemalige Kongressabgeordnete Davy Crockett, der sich ebenso wie der legendäre Jim Bowie mit einem kleinen, eher undisziplinierten Trupp der Besatzung anschließt. Während Travis zwar unter der Pflicht leidet (was er durch einen distanzierten Befehlston zu verbergen sucht), aber keine Sekunde an ihrer Erfüllung zweifelt, hadert der eher unpolitische Individualist Bowie mit dem Sinn der Pflichterfüllung. Er möchte zunächst mit seinen Leuten das Fort verlassen und auf eigene Faust einen Guerillakampf gegen Santa Annas Armee führen. Am Schluss siegt jedoch sein Ehrgefühl; er wird bis zuletzt das Fort verteidigen. Die Rolle des Protagonisten hat sich John Wayne selbst auf den Leib geschrieben. Der politikmüde Crockett begreift als einziger den Krieg als eine Weltanschauungsfrage, die seinem Leben Sinn stiftet, nämlich als Freiheitskampf für sein Land. Für ihn rechtfertigt der Freiheitskampf sogar die Aufgabe privaten Glücks (er wird Flaca, die Frau, die er liebt, nicht heiraten) und die Aufopferung seines Lebens. Crockett ist das Medium, das die Botschaft des Films zum Teil in längeren Monologen transportiert.

Historische Wahrheit versus dramaturgische Leistung

Es fiel manchen Kritikern leicht, in dem Film etliche historische Ungenauigkeiten zu entdecken. Einige Historiker, die Wayne berieten, wollten am Ende nicht mehr im Filmabspann aufgeführt werden. Eine solche Kritik an einem künstlerischen Werk, das die Historie immer nur als Aufhänger für eine theatralische Erzählung mit ihren Eigengesetzlichkeiten benutzen kann, geht letztlich fehl. Man könnte mit gleichem Grund Shakespeares „Hamlet“ als schlechtes Stück kritisieren, weil es den historischen Hamlet (wie er in der mittelalterlichen Chronik des Saxo Grammaticus überliefert ist), faktenwidrig darbietet. Wenn etwa kurz vor dem letzten Ansturm der Mexikaner Oberst Travis die Botschaft erhält, dass die kleine Entsatzarmee unter Oberst Fannin aufgerieben worden sei, bevor sie die Alamo erreichen konnte, vertieft diese Schreckensnachricht das Empfinden der Hoffnungslosigkeit der Belagerten dramaturgisch mehr als die historische Wahrheit. Fannin wurde erst drei Wochen nach dem Fall der Alamo besiegt und getötet. Ein Bestehen auf historischer Korrektheit wäre zulasten der dramaturgischen Leistung gegangen. Wie richtig Wayne lag, nicht auf allzu große historische Genauigkeit zu achten, zeigt das von John Lee Hancock 2004 gedrehte Remake von „The Alamo“ (in dem Billy Bob Thornton den Crockett gibt), das genau diesen Anspruch erhob und prompt von der Kritik als akkurat, aber langweilig verrissen wurde.

Die politische Botschaft

Viele historische Ungenauigkeiten in John Waynes „Alamo“ lassen sich mit der dramaturgischen Absicht erklären, die eigentliche Botschaft herauszustellen. Ein Beispiel ist die Darstellung des Verhältnisses der nordamerikanischen Texaner zu den Einheimischen und den Schwarzen. Obwohl die Spannungen mit den katholisch-spanischen Einheimischen den Urgrund des Konfliktes bilden, sind im Film die Beziehungen von höchstem gegenseitigem Respekt geprägt. Jim Bowie bekommt sogar eine mexikanische Frau angedichtet, die in der Ferne stirbt. Über die Mexikaner sagt er: „Die Leute haben Mut und sie haben auch Würde.“ Die Mexikaner stehen wiederum – außer als Soldaten von Santa Anna – immer auf Seiten der Texaner.

Ähnlich steht es um den einzigen Schwarzen im Film, Bowies Sklaven Jethro. Bowie lässt ihn vor der Schlacht frei, und Jethro beschließt, seine neue Freiheit für den Freiheitskampf einzusetzen und mit den Texanern zu kämpfen. Realiter hätte das für Jethro kein Freiheitskampf sein können, denn die historischen Texaner kämpften für das Recht auf Sklavenhaltung. Während Santa Anna die Sklaverei in Mexiko 1829 endgültig abschaffte, führte das unabhängige Texas sie in seiner Verfassung 1836 explizit wieder ein. Dramaturgisch unterstreicht die Episode mit dem erfundenen Charakter Jethro indes, dass es Wayne nicht um Texas von 1836 ging, sondern um ein aktuelles politisches Programm mit einer universellen Botschaft.

Gegen …

Kern der Filmbotschaft ist die Unabhängigkeit einer freien Republik. Deshalb ist klar, dass es sich aus einer legitimen Handlungslogik heraus keinesfalls um einen Konflikt mit dem mexikanischen Volk handeln darf, und dass auch Sklaverei bei den Texanern keinen Platz hat. Böse ist hingegen das Regime von Santa Anna, das für die Unterdrücker schlechthin steht. Ihm unterstellt Crockett im Film, dass die Eroberung von Texas für ihn nur der erste Schritt gewesen sei beim weiteren Ausgreifen nach Norden. Das stellte eine direkte territoriale Bedrohung der Vereinigten Staaten dar und machte ein Eingreifen erforderlich.

Die Analogie zu Kaltem Krieg und Sowjetkommunismus (die den historischen Santa Anna sehr verwundert hätte) ist offenkundig. Wayne verficht im Film ein manichäisches Weltbild, das von einem inhärenten Expansionismus unfreier Regime ausgeht, dem Einhalt geboten werden muss.

Kein Wunder, dass seinerzeit die Kritik aus dem linken politischen Lager sehr harsch war. „Ein rückhaltslos abgelegtes Credo eines primitiven Rechtsradikalen“, schrieb ein deutscher Kritiker 1965 in der „Filmkritik“.1 Die Nachwelt ist fairer mit dem Film umgegangen, nicht nur, weil die Botschaft des Films eine der Toleranz und Freiheit ist (also kaum rechtsradikal), sondern weil man seit 1989 für verdeckte Absagen an den Kommunismus mehr Verständnis aufbringt.