Charles W. Leadbeater: Die Mentalwelt

Charles W. Leadbeater

DIE MENTALWELT

Aquamarin Verlag

Voglherd 1 • D-85567 Grafing

Umschlaggestaltung: Annette Wagner

Satz: Sebastian Carl

ISBN 978-3-96861-151-8

Inhalt

Einleitung

I. Allgemeine Charakteristik

Eine inspirierende Erzählung

Die Glückseligkeit der Himmelswelt

Eine neue Methode der Wahrnehmung

Die Umgebung

Die großen Wellen

Die niedere und die höhere Himmelswelt

Die Wirkung des Denkens

Gedankenformen

Die Unterebenen

Die Aufzeichnungen der Vergangenheit

II. Die Bewohner

Menschliche Bewohner

Die Verkörperten

In Schlaf oder in Trance

Die Entkörperten

Die zum Himmelsleben nötigen Eigenschaften

Wie ein Mensch zum ersten Mal das Himmelsleben erlangt

Die siebte Unterebene – der niederste Himmel

Die sechste Unterebene – der zweite Himmel

Die fünfte Unterebene – der dritte Himmel

Die vierte Unterebene – der vierte Himmel

Die Wirklichkeit des Himmelslebens

Der Verzicht auf den Himmel

Die höhere Himmelswelt

Die dritte Unterebene – der fünfte Himmel

Die zweite Unterebene – der sechste Himmel

Die erste Unterebene – der siebte Himmel

III. Die nicht-menschlichen Bewohner

Die Elementalessenz

Was ist sie?

Das Einhüllen des Geistes

Die Elementalreiche

Wie die Essenz sich entwickelt

Das Tierreich

Die Devas oder Engel

IV. Künstliche Wesen

Schlusswort

Einleitung

In einem früheren Band1 wurde der Versuch unternommen, einigermaßen die Astralwelt zu beschreiben – den niederen Teil des riesigen unsichtbaren Reiches, in dessen Mitte wir leben und uns bewegen, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein. Diese Abhandlung hat die noch schwierigere Aufgabe übernommen, zu versuchen, eine gewisse Vorstellung von der nächsthöheren Stufe zu geben – der Mentalwelt oder Himmelswelt, die in der theosophischen Literatur auch Devachan oder Sukhavati genannt wird.

Obgleich wir damit, dass wir diese Ebene als Himmelswelt bezeichnen, im Besonderen ausdrücken wollen, dass sie die Wirklichkeit in sich schließt, die den besten und spirituellsten Vorstellungen vom Himmel zugrunde liegt, die in verschiedenen Religionen verkündet wurden, so darf man sie doch nicht allein von diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Sie ist ein Bereich der Natur, der von außerordentlicher Wichtigkeit für uns ist – eine weite, herrliche Welt von regem Leben, in der wir uns gegenwärtig ebenso befinden wie in den Zeiten zwischen unseren physischen Inkarnationen. Es ist nur der Mangel an Entwicklung, nur die uns von diesem Kleid aus Fleisch auferlegte Beschränkung, die uns daran hindert zu erkennen, dass alle Herrlichkeit des höchsten Himmels uns hier und jetzt umgibt und die Einflüsse, die aus dieser Welt kommen, ständig auf uns einwirken, wenn wir sie nur verstehen und aufnehmen würden. So unmöglich dies einem weltlichen Menschen erscheinen mag, für den Sehenden ist es die klarste Wirklichkeit, und für jene, die diese grundlegende Wahrheit noch nicht erfasst haben, können wir nur den Rat wiederholen, der von einem buddhistischen Lehrer gegeben wurde: »Klage, jammere und bitte nicht, sondern öffne deine Augen und schaue! Das Licht umgibt dich von allen Seiten, wenn du nur die Binde von deinen Augen streifen und um dich blicken würdest. Es ist wundervoll, so schön, so weit erhaben über alles, was ein Mensch je erträumt oder erfleht hat, und es ist für alle Zeit.«

Es ist absolut notwendig, dass jeder, der die Theosophie studiert, die große Wahrheit erfasst, dass es in der Natur verschiedene Ebenen oder Abteilungen gibt, jede mit ihrer eigenen Materie von entsprechendem Dichtigkeitsgrad, die in jedem Fall die Materie der nächstniedrigeren Ebene durchdringt. Man muss sich auch darüber klar sein, dass die Ausdrücke »niedriger« und »höher« im Zusammenhang mit diesen Ebenen sich in keiner Weise auf ihre örtliche Lage beziehen (denn sie nehmen alle denselben Raum ein), sondern nur auf den Grad der Feinheit der Materie, aus der sie bestehen, oder (mit anderen Worten) auf das Ausmaß, in dem ihre Materie unterteilt ist – denn alle Materie, die wir kennen, ist ihrem Wesen nach dieselbe und ist nur hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Unterteilung und der Geschwindigkeit ihrer Schwingungen verschieden.

Daraus folgt, dass auch dann, wenn man sagt, ein Mensch sei von einer dieser Ebenen zu einer anderen gegangen, damit in keiner Weise irgendeine Bewegung im Raum gemeint ist, sondern einfach eine Veränderung im Bewusstsein. Jeder Mensch hat Bewusstsein und jeder Mensch hat Materie in sich, die zu jeder dieser Ebenen gehört; und er besitzt in jeder dieser Ebenen entsprechende körperliche Träger, durch die er in ihnen wirken kann, sobald er gelernt hat, wie dies getan werden kann. Von einer Ebene in eine andere überzugehen, bedeutet also nur, den Brennpunkt seines Bewusstseins aus einem dieser Körper in einen anderen zu verlegen und zeitweilig den astralen oder mentalen Körper statt des physischen zu gebrauchen. Jeder dieser Körper reagiert natürlich nur auf die Schwingungen seiner eigenen Ebene, und während das Bewusstsein eines Menschen in seinem Astralkörper konzentriert ist, wird er nur die Astralwelt wahrnehmen, ebenso wie wir, wenn unser Bewusstsein nur die physischen Sinne benützt, nichts anderes als die physische Welt wahrnehmen – obwohl diese beiden Welten (und noch manche andere) die ganze Zeit gleichzeitig vorhanden sind und uns in voller Tätigkeit umgeben. Alle diese Ebenen bilden in Wirklichkeit ein mächtiges, lebendiges Ganzes, wenn auch unsere schwachen Kräfte vorläufig nur fähig sind, gleichzeitig jeweils nur einen sehr kleinen Teil davon zu sehen.

Wenn wir diese Frage der Ortsbestimmung und wechselseitigen Durchdringung betrachten, müssen wir uns vor möglichen Fehlauffassungen hüten. Wir müssen verstehen, dass keine der drei niederen Ebenen die gleiche Ausdehnung wie das Sonnensystem hat, ausgenommen ein besonderer Zustand der höchsten atomischen Unterabteilung derselben. Jeder physische Globus hat seine eigene physische Ebene (einschließlich ihrer Atmosphäre) und seine eigene Astral- und Mentalebene, die einander alle durchdringen und daher dieselbe Lage im Raum einnehmen, alle aber sind völlig gesondert und ohne Verbindung mit den entsprechenden Ebenen eines anderen Weltkörpers.

Dennoch gibt es einen Zustand der atomischen Materie einer jeder dieser Ebenen, der eine kosmische Ausdehnung aufweist, so dass man von den sieben atomischen Unterebenen unseres Systems, gesondert von den übrigen betrachtet, sagen kann, dass sie zusammen eine kosmische Ebene bilden – die niederste, die manchmal die kosmisch-natürliche (prakritische) genannt wird. Der interplanetarische Äther zum Beispiel, der sich durch den ganzen Raum zu erstrecken scheint, ja erstrecken muss, zumindest bis zu den entferntesten sichtbaren Sternen, denn sonst würden unsere physischen Augen sie nicht wahrnehmen können, ist aus physischen Ur-Atomen in ihrem normalen, nicht zusammengepressten Zustand zusammengesetzt. Alle niedrigeren und komplexeren Formen des Äthers gibt es aber (soweit uns bis jetzt bekannt ist) nur in Verbindung mit den verschiedenen Himmelskörpern, ebenso um sie angesammelt wie ihre Atmosphäre, nur erstrecken sie sich wahrscheinlich weiter in den Raum hinaus als die letztere.

Genau dasselbe gilt von der Astral- und Mentalebene. Die Astralebene unserer eigenen Erde durchdringt diese, ihre Atmosphäre erstreckt sich aber noch beträchtlich über unsere Atmosphäre hinaus. Es mag daran erinnert werden, dass diese Ebene von den Griechen die „sublunare Welt“ genannt wurde. Die Mentalebene durchdringt ihrerseits die astrale, erstreckt sich aber wiederum noch weiter in den Raum hinaus als diese.

Nur die atomische Materie jeder dieser Ebenen hat die gleiche Ausdehnung wie der interplanetarische Äther – und selbst diese nur in vollkommen freiem Zustand – und daher kann keine Wesenheit in ihrem Astral- oder Mentalkörper sich von einem Planeten zu einem anderen bewegen, ebenso wenig wie sie dies in ihrem physischen Körper vermag. Im Kausalkörper ist dieses Unternehmen möglich, wenn er sehr hoch entwickelt ist, aber auch in diesem keineswegs mit jener Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit denen dies von jenen, denen es gelungen ist, ihr Bewusstsein zu dieser Ebene zu erheben, auf der geistigen, buddhischen Ebene vollbracht werden kann.

Die Mentalebene, auf der das Himmelsleben zugebracht wird, ist die dritte der fünf großen Ebenen, die für die Menschheit gegenwärtig Bedeutung haben; unter ihr befinden sich die astrale und die physische Ebene, über ihr die buddhische und die nirvanische. Die Mentalebene ist jene, auf welcher der Mensch, wenn er nicht noch in den ersten Stadien seiner Entwicklung steht, den größten Teil der Zeit während der Dauer seiner Evolution verweilt. Außer im Fall eines völlig unentwickelten Menschen, ist das Zeitverhältnis zwischen dem physischen und dem himmlischen Leben selten größer als eins zu zwanzig. Ist jedoch der Mensch ziemlich gut entwickelt, so ist das Verhältnis manchmal wie eins zu dreißig. Die Mentalebene ist tatsächlich die wahre und bleibende Heimat des reinkarnierenden Egos des Menschen, und jeder Abstieg in die Inkarnation ist nur eine kurze, wenn auch wichtige Episode in seiner Evolution. Deshalb ist es für uns sehr wohl der Mühe wert, schon während wir im physischen Körper weilen, möglichst viel Zeit und Aufmerksamkeit dem Studium dieser Ebene zu widmen, um ein gründliches Verständnis von derselben zu erlangen.

Unglücklicherweise haben wir bei unserem Bemühen, diese dritte Ebene mit den uns zu Gebote stehenden Worten zu beschreiben, mit unüberwindlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das ist ganz natürlich; denn wir finden in unserer Sprache schon oft keine passenden Worte, um irdische Empfindungen und Ideen zum Ausdruck zu bringen. Der Leser der »Astralwelt« wird sich erinnern, dass wir bezüglich derselben schon erwähnten, wie unmöglich es sei, jemandem einen vollen Begriff von den Wundern dieser Ebene beizubringen, dessen Erfahrungen noch nicht über die physische Welt hinausragen. Wir können jetzt nur hinzufügen, dass alle dort in dieser Richtung gemachten Bemerkungen mit zehnmal größerer Stärke für die Bemühungen gelten, die wir in der vorliegenden Abhandlung unternommen haben. Nicht nur ist die Materie, die wir beschreiben wollen, deutlich unterschieden von der Astralmaterie, sondern es ist auch das Bewusstsein dieser Ebene unendlich viel ausgedehnter, als wir es uns hier auf Erden vorstellen können. Ihre Zustände sind so ganz verschieden von den unsrigen, dass der sie Erforschende, wenn er aufgefordert wird, dieselben mit gewöhnlichen Worten zu beschreiben, sich in der allergrößten Verlegenheit befindet und nur hoffen kann, dass seine Leser die unvermeidlichen Mängel und Unvollkommenheiten seiner Beschreibung durch ihre eigene Intuition ersetzen werden.

Um nur eines von den vielen Beispielen besagter Schwierigkeiten anzuführen: Es scheint uns, als existierten Raum und Zeit auf dieser mentalen Ebene nicht; denn Ereignisse, die sich hier nacheinander und an weit auseinander liegenden Orten abspielen, scheinen sich dort zu gleicher Zeit und an derselben Stelle zu ereignen. Dies ist wenigstens der Eindruck, den das Bewusstsein des Egos empfängt, wenn auch Umstände vorhanden sind, die vermuten lassen, dass absolute Gleichzeitigkeit das Attribut einer noch höheren Ebene ist und diese Empfindung in der Himmelswelt nur das Resultat einer so raschen Aufeinanderfolge der Bilder ist, dass man sie nicht voneinander zu unterscheiden vermag. Wir können uns dies an einem optischen Experiment klar machen. Wenn wir einen Stab mit glühender Spitze im Kreis herumschwingen, so empfängt das Auge den Eindruck eines ununterbrochenen Feuerkreises, sobald der Stab mehr als zehnmal in einer Sekunde rotiert. Wir sehen das aber nicht so, weil ein ununterbrochener Kreis wirklich vorhanden ist, sondern nur, weil das gewöhnliche Auge nicht imstande ist, Eindrücke zu unterscheiden, die schneller als eine Zehntelsekunde aufeinander folgen.

Wie immer dies auch sei, der Leser wird leicht verstehen, dass, wenn wir einen Zustand, der so ganz verschieden ist von allem, was im physischen Leben vorkommt, zu beschreiben versuchen, wir nicht umhin können, manches zu sagen, was zum Teil unverständlich ist und für jene, die dieses höhere Leben noch nicht selbst erfahren haben, sogar ganz und gar unglaubhaft erscheinen mag. Dies ist aber, wie ich schon früher sagte, ganz unvermeidlich, und daher müssen Leser, die den Bericht unserer Forscher nicht annehmen können, auf eine zufriedenstellendere Beschreibung warten, bis sie imstande sein werden, selbst solche Beobachtungen zu machen. Ich kann nur die schon im Abschnitt über die Astralebene gegebene Versicherung wiederholen, dass die größtmögliche Vorsorge getroffen worden ist, um die Genauigkeit der Angaben zu sichern.

Hier wie dort können wir sagen, dass: »Keine Tatsache, sei sie alt oder neu, in diese Abhandlung aufgenommen wurde, wenn sie nicht durch das Zeugnis von mindestens zwei voneinander unabhängigen, geschulten Forschern bestätigt und darüber hinaus noch von älteren Forschern als richtig erkannt wurde, deren Wissen über diese Gebiete notwendigerweise viel größer ist als das unsere. Es ist daher zu hoffen, dass dieser Bericht, wenn er auch nicht als vollständig betrachtet werden kann, doch als verlässlich befunden werden wird, so weit er reicht.«

Die allgemeine Einteilung des Werkes über die „Astralwelt“ wird, so weit es geht, auch in diesem beibehalten, damit diejenigen, welche die besprochenen Zustände beider Ebenen miteinander vergleichen wollen, es nach der Reihenfolge der einzelnen Punkte tun können.


I. Allgemeine Charakteristik

Um an dieses äußerst schwierige Thema heranzugehen, wird es vielleicht die beste Methode sein, sich sofort mitten hinein zu versetzen. Wir wollen deshalb versuchen (wenn auch mangelhaft), das zu beschreiben, was der geschulte Forscher sieht, wenn die Himmelswelt sich das erste Mal vor ihm öffnet. Wenn ein Mensch nicht in einem Verhältnis zu einem „Meister der Weisheit“ steht, ist wenig Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass er mit vollem Bewusstsein in jenes herrliche Land der Seligkeit Eintritt erlangt und zur Erde mit klarer Erinnerung an das, was er gesehen hat, zurückkehrt. Von dort kommt kein gefälliger »Geist«, um wohlfeile Flachheiten durch den Mund eines berufsmäßigen Mediums zu äußern. Bis dahin gelangt kein gewöhnlicher Hellseher, obgleich einige der Besten und Reinsten Zutritt dorthin erlangten, wenn sie in tiefster Trance der Kontrolle des Hypnotiseurs entschlüpften. Doch auch sie brachten nur selten mehr als eine vage Erinnerung einer intensiven, unbeschreiblichen Glückseligkeit zurück, welche meistens stark von ihren eigenen religiösen Überzeugungen gefärbt war.

Wenn einmal die Seele nach dem Geschehnis, das wir Tod nennen, sich in sich selbst zurückgezogen und diese Ebene erreicht hat, dann können sie weder sehnsüchtige Gedanken ihrer trauernden Freunde noch die Lockungen eines spiritistischen Zirkels mehr in eine Verbindung mit der physischen Erde zurückziehen, um Mitteilungen auf derselben zu machen, ehe alle geistigen Kräfte, welche sie im Leben in Bewegung setzte, sich in vollem Maße ausgewirkt haben und sie bereit steht, eine neue fleischliche Hülle anzulegen. Selbst wenn sie vorher zur Erde zurückkehren könnte, würde der Bericht ihrer Erfahrungen keine richtige Vorstellung von jener Ebene geben; denn wie man bald sehen wird, sind nur solche, die bei vollständig wachem Bewusstsein eintreten, imstande, sich dort frei zu bewegen und die wunderbare Herrlichkeit der Himmelswelt einzuatmen. Dies wird später weiter erklärt werden, wenn wir die Bewohner dieses himmlischen Reiches näher zu beschreiben versuchen.

Eine inspirierende Erzählung

In einem Brief aus früherer Zeit wird von einem hervorragenden Esoteriker die folgende schöne Stelle zitiert. Ich bin leider nie imstande gewesen zu entdecken, woher dieses Zitat stammt; aber wir finden eine andere Version desselben, doch bedeutend ausgedehnter, in Beals »Catena buddhistischer Schriften.«

»Unser Herr, der Buddha, spricht:

Viele tausend Myriaden Weltsysteme jenseits dieser Welt liegt ein Reich der Seligkeit namens Sukhavati. Dieses Reich ist durch sieben Zaunreihen begrenzt, durch sieben Reihen großer Vorhänge und sieben Reihen hoher, wogender Bäume. Dieser heilige Aufenthalt der Arhats wird durch die Tathagatas regiert und gehört den Bodhisattvas. Dieses Reich hat sieben kostbare Seen, in deren Mitte kristallene Wasser fließen, welche sieben Eigenschaften und dennoch eine Eigenschaft und Eigentümlichkeit besitzen. Dies, o Sariputra, ist Devachan. Seine heilige Udambara-Blume schlägt in dem Schatten jeder Erde Wurzel und blüht für jeden, der sie erreichen kann. Denen, die in dieser gesegneten Region geboren werden, die die goldene Brücke überschritten und die sieben goldenen Berge erreicht haben, wird wahre Glückseligkeit zuteil. In diesem Zyklus gibt es für sie keine Trauer mehr und kein Leid.«

Obgleich diese Beschreibung durch üppige orientalische Phantasie ausgeschmückt ist, können wir darin doch einige der Hauptmerkmale finden, die auch in den Beschreibungen unserer modernen Forscher hervortreten. Die »sieben goldenen Berge« können nur die sieben Unterabteilungen der Mentalebene sein, die voneinander durch unfühlbare, aber doch tatsächlich vorhandene Grenzen getrennt sind, die sich auch wie »sieben Zaunreihen« oder wie »sieben Reihen großer Vorhänge« zeigen oder wie »sieben Reihen hoher, wogender Bäume« es auf Erden bezeichnen würden. Die »sieben Arten kristallklarer Gewässer«, von denen jedes seine besonderen Eigenschaften hat, vertreten die verschiedenen Geisteszustände mit den ihnen entsprechenden Kräften und Beschaffenheiten, während die eine allen gemeinsame Eigenschaft die ist, dass sie allen dort Lebenden die intensivste Seligkeit sichert, die zu erleben sie fähig sind. Die »Udambara-Blume« schlägt tatsächlich Wurzeln im Schatten jeder Erde; denn von jeder Welt tritt der Mensch in das ihm entsprechende Devachan ein, und eine Glückseligkeit, die zu beschreiben unsere Sprache unfähig ist, ist die Blume, die jedem blüht, der so lebt, dass er sich fähig macht, sie zu erlangen. Dann hat er »die goldene Brücke überschritten«, die über den Strom führt, der dieses Reich von der Welt des Begehrens trennt. Für ihn ist der Kampf zwischen der höheren und der niederen Natur vorüber, für ihn ist daher »keine Trauer und kein Leid mehr in diesem Zyklus«, bis der Mensch aufs Neue zur Wiederverkörperung herabsteigt und die himmlische Welt wieder eine Zeit lang verlässt.

Die Glückseligkeit der Himmelswelt

Diese Intensität der Glückseligkeit ist die Hauptvorstellung, die den Hintergrund für alle unsere weiteren Begriffe von der Himmelswelt bilden muss. Wir haben es jetzt nicht nur mit einer Welt zu tun, deren Beschaffenheit an sich das Böse und den Jammer absolut ausschließt; auch ist sie nicht nur eine Welt, in welcher jedes Geschöpf glücklich ist, sondern die Tatsachen gehen weit darüber hinaus. Sie ist eine Welt, in welcher jedes Wesen allein durch seine Gegenwart dort die höchste geistige Seligkeit genießt, die es zu genießen fähig ist – eine Welt, deren Fähigkeit, allen unseren höchsten Sehnsüchten zu genügen, nur begrenzt wird durch die eigene Kraft unseres Sehnens und Strebens.

Hier beginnen wir zum ersten Mal etwas von der wahren Natur der großen Quelle des Lebens zu erfassen. Hier erlangen wir zum ersten Mal einen fernen Blick auf das, was der LOGOS sein muss und was ER wünscht, dass wir sein sollen. Wenn die ungeheure Wirklichkeit von all dem auf unsere staunende Schau hereinbricht, dann können wir nur empfinden, dass mit dieser Kenntnis der Wahrheit das Leben für uns nie mehr wieder so aussehen kann wie zuvor. Wir können uns nur über die hoffnungslose Unangemessenheit aller Vorstellungen des weltlichen Menschen vom Glück wundern; denn wir können nicht umhin zu sehen, dass die meisten davon in absurder Weise verkehrt und unverwirklichbar sind. Der Mensch hat dem eigentlichen Ziel, das er sucht, größtenteils praktisch den Rücken zugekehrt. Aber hier existiert eine Schönheit und Wahrheit, die alles weit übersteigt, was je ein Dichter erträumte. Im Lichte ihrer alles übersteigenden Herrlichkeit erscheint jede andere Freude als blass und schwach, als unwirklich und unbefriedigend.