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E-ISBN 978-3-415-05218-5
Print-ISBN 978-3-415-05215-4
© 2014 Richard Boorberg Verlag
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Gastbeitrag – Vernetzt euch!

von Franz-Reinhard Habbel
Es zeigt sich immer mehr, dass die Herausforderungen, vor denen Gesellschaften und Wirtschaft weltweit stehen, wie Klimawandel, Versorgung mit Energie, Migration, Integration, Bildung, Gesundheit und Mobilität, von den Nationalstaaten nur noch eingeschränkt bewältigt werden können. Insbesondere für viele europäische Staaten kommen der demografische Wandel, Schuldenbremsen und die Haushaltskonsolidierung als wichtige Aufgabenstellung hinzu. Fest­zuhalten ist, dass Probleme vor Ort entstehen und damit auch lokal und ­regional gelöst werden müssen. Damit wächst die Verantwortung der Städte, Gemeinden und Regionen.
Wir stehen vor einem Jahrhundert der Kommunen. Das bedeutet, dass die Städte, Gemeinden und Regionen rasant an Bedeutung gewinnen. Damit sind nicht nur die Politik und die Verwaltungen gemeint, sondern die Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen. Smarte Städte, smarte ­Regionen und smarte Villages sind nicht nur eine neue Metapher für die bisherige Politik, sie stellen einen Neustart dar, vom „Vater Staat zum Bürger­staat“ ist ein Politikwechsel, der weit über die Verbesserung der Effizienz von Verwaltungsabläufen und einer Optimierung bestehender Strukturen und Aufgaben hinaus geht. Es ist ein Mindset in den Köpfen von Politikern und Führungskräften der Verwaltung. Noch stehen wir am Anfang einer Transformation. Sie wird angetrieben durch die Globalisierung und durch neue Technologien wie das Internet. Transparenz, Offenheit und Partizipation beschleunigen diesen Prozess der Veränderung. Er macht vor den Türen der Rathäuser nicht halt, die Black Box Verwaltung wird ihre Schubladen öffnen. Bürgerwissen, Bürgerdienstleistungen und Bürger­kapital auf der einen Seite ergänzen sich mit neuen Berufsbildern der Verwaltung von morgen wie Potenzialentdecker, Wandelgestalter und Beziehungsmanager auf der anderen Seite.
In den nächsten Jahren kommt es darauf an, die Lebenswelt und politische Systemwelt besser zu synchronisieren. Um das zu erreichen, müssen wir uns in Politik und Verwaltung stärker mit der Lebenswelt auseinandersetzen. Wir müssen verstehen, wie sich zum Beispiel die Arbeitswelt verändert, wie neue Lebensstile insbesondere der Generation Y unsere Beziehung zur Umwelt, zum Verbrauch von Ressourcen wieder in ein neues Gleichgewicht der Dinge bringen. Nutzen statt Besitzen ist keine Mode­erscheinung, sondern tief verankert im Bestreben der Menschen nach Gemeinschaft und nach Teilhabe.
Die Bezeichnung „Smart“ setzt sich zusammen aus den Begriffen Sustainable, Mobility, Accountability, Resilience und Technology. Es ist ein integrativer Ansatz und damit ein aktives Momentum der Gestaltung auf der Basis einer neuen Politik, der die Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich mit einbezieht. Smart City setzt auf den Dialog. Gerade in einer Wissensgesellschaft ist eine offene, wertschätzende und respektvolle Kommunikation ein wichtiger Schlüssel, eine Art Basis-Infrastruktur für den Zusammenhalt, für Innovation und Gerechtigkeit.
Smart City ist Vernetzung der Menschen, der Institutionen, der Lebensbereiche, der Infrastrukturen mit ihren Dingen in den Städten und Regionen. Es stellt die Silos der Organisationen ins Museum und baut auf Netzwerke. Alles steht mit allem in Verbindung.
Smart City schafft Vertrauen, weil Strukturen und Abläufe transparent werden. Im Zeitalter des Internets ist Vertrauen der neue Goldstandard in Wirtschaft und Gesellschaft.
Smart City macht Hoffnung, die Lebensqualität zu verbessern, den Standort zu stärken und dabei nicht nur die eigene Stadt oder Region im Blick zu haben, sondern die ganze Welt.
Das Buch „Die smarte Stadt“ von Willi Kaczorowski ist eine ausgezeichnete Bestandaufnahme und Analyse, wo wir in den Kommunen in den zentralen Politikfeldern am Anfang des neuen Jahrzehnts stehen. Es ist beeindruckend, welche Projekte in Deutschland und in Europa, aber auch weltweit zur Entwicklung unserer Städte und Regionen bereits auf den Weg gebracht sind. Das Ausmaß der Dynamik ist enorm. Es bestätigt die These des Bedeutungsgewinns der Kommunen auf anschauliche Weise. Darüber hinaus macht die Veröffentlichung die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes in der Entwicklung unserer Städte deutlich.
Franz-Reinhard Habbel ist Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes mit Sitz in Berlin. Er gehört als Herausgeber von Sachbüchern, Redner und Mitglied hochkarätiger Fachgremien zu den führenden Köpfen der Einführung von E-Government in Deutschland.
Er ist Gründer und Leiter des Innovators Clubs des DStGB. Etwa 40 Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte sowie Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beschäftigen sich darin interdisziplinär mit strategischen Zukunftsthemen der Kommunen.
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titelei
Persönliches Vorwort
Gastbeitrag – Vernetzt euch!
1. Einführung
1.1 Grundlagen einer smarten Stadt
1.1.1 Technologieunternehmen waren Vorreiter
1.1.2 Smarte Städte auf der grünen Wiese in Asien und im Mittleren Osten
1.1.3 Europa forciert smarte Städte
1.1.4 Smarte Städte in Deutschland
1.1.5 Auch „mittlere“ Städte können „smart“ werden
1.1.6 Vision der Wirtschaftsförderung: Urban Tech Republic
1.2 Dimensionen und Ziele einer smarten Stadt
1.2.1 Die politische Dimension
1.2.2 Die gesellschaftliche Dimension
1.2.3 Die technologische Dimension
1.2.4 Die stadtplanerische Dimension
1.2.5 Die wirtschaftliche Dimension
1.3 Leitziele einer smarten Stadt
1.4 Aufbau des Buches
1.5 Zielgruppen des Buches
2. Die Zukunft hat schon begonnen
2.1 Internetnutzung in Deutschland
2.1.1 Digital Outsiders (39%)
2.1.2 Digital Immigrants (20%)
2.1.3 Digital Natives (41%)
2.2 „Das Internet verändert die Art, wie wir leben, arbeiten,­ lernen und spielen“
2.2.1 Digitales Leben
2.2.2 Digitales Arbeiten
2.2.3 Digitales Lernen
2.2.4 Digitales Spielen (Gaming)
3. Herausforderungen
3.1 Demografische Entwicklung
3.2 Nachhaltige Entwicklung der Kommunen
3.2.1 Sozio-ökonomische Struktur des Arbeitsmarktes
3.2.2 Energiewende und klimaneutrale Umweltpolitik
3.2.3 Bewältigung der kommunalen Haushaltskrise
3.3 Förderung politischer und sozialer Teilhabe
3.4 Internationaler Standortwettbewerb und Innovationsfähigkeit
4. Technologietrends für eine smarte Stadt
4.1 Die Wellen der Basisinnovationen
4.2 Sieben Mega-Technologietrends
4.3 Explodierendes Datenvolumen
4.4 Breitband und Internet – überall und superschnell
4.4.1 Wie viel Bandbreite ist nötig?
4.4.2 Mobiles Internet unabdingbar
4.5 Web 2.0, Soziale Netzwerke und Kollaboration
4.5.1 Web 2.0
4.5.2 Soziale Netzwerke
4.5.3 Kollaboration – Virtuelle Zusammenarbeit
4.6 Internet aus der Wolke (Cloud Computing)
4.7 Mobiles Internet
4.8 Big Data
4.9 Internet aller Dinge und Sensortechnologie
4.10 Vernetzte IT-Sicherheit
4.10.1 Datenschutz
4.10.2 Datensicherheit
4.10.3 IT-Netzsicherheit
5. Smarte Handlungsfelder
5.1 Smarte Verwaltung und Politik
5.1.1 e-Government der nächsten Generation
5.1.1.1 Smarte Prozesse
5.1.1.2 Sichere und vertrauliche Abwicklung von Verwaltungsprozessen
5.1.1.3 Multi-Kanal-Zugang
5.1.1.4 Persönliche Interaktion unabhängig vom Rathaus
5.1.2 Verfahrenstransparenz
5.1.2.1 Mitgestaltung bei öffentlichen Dienstleistungen
5.1.2.2 Verwaltungslabore
5.1.3 Offene Daten
5.1.3.1 Vernetzte, offene Verwaltungsdaten – Warum?
5.1.3.2 Zunehmender Einfluss von „Analytik“
5.1.4 Partizipation im Verwaltungsverfahren
5.1.4.1 Formelle Beteiligung
5.1.4.2 Informelle Beteiligung
5.1.4.3 Datenaufbereitung mitentscheidend
5.1.4.4 Bürgerhaushalte
5.1.5 Politik in einer smarten Stadt
5.1.5.1 „Liquid Friesland“
5.1.5.2 Transparenz
5.1.6 Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern
5.2 Smarte Bildung
5.2.1 Herausforderungen
5.2.1.1 Der Einfluss der demografischen Entwicklung
5.2.1.2 Finanzielle Nachhaltigkeit
5.2.1.3 Mehr Bürgerbeteiligung
5.2.2 Status der Digitalisierung in den Schulen
5.2.3 Vier Aufgabenfelder betroffen
5.2.3.1 Vernetzte Bildungslandschaft
5.2.3.2 Ausbau des e-Learnings – Einsatz digitaler Medien
5.2.3.3 Erwerb von digitalen Kompetenzen
5.2.3.4 Integration von Migranten
5.2.4 Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern
5.3 Smarte Wertschöpfung in einer globalen Wirtschaft
5.3.1 Von der Produktions- zur Wissensgesellschaft
5.3.2 Der Arbeitsplatz der Zukunft
5.3.2.1 Mobil
5.3.2.2 Gemeinschaftlich
5.3.2.3 Visuell
5.3.2.4 Virtuell
5.3.2.5 Personalisiert
5.3.3 Neue Aufgaben der Wirtschaftsförderung
5.3.3.1 Schaffung der Technologiebasis
5.3.3.2 Infrastrukturen für die „Kreative Klasse“
5.3.4 Innovationsstimulierung
5.3.5 Wahrnehmung der Orchestrierungsrolle
5.3.6 Forcierung von Social-Media-Nutzung und Offene Daten
5.3.6.1 Apps für Wirtschaftsförderung
5.3.6.2 Open-Data-Angebote
5.3.7 Unterstützung bei der Einwerbung von Risikokapital
5.3.8 Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern
5.4 Smarte Mobilität
5.4.1 Multimodale Integration aller Verkehrsträger
5.4.2 Ausbau der nichtmotorisierten Mobilität
5.4.3 Ausbau der Elektromobilität
5.4.4 Vernetzte Fahrzeuge
5.4.4.1 Connected Cars
5.4.4.2 Assistenzsysteme
5.4.4.3 Infotainment
5.4.4.4 Bedienkonzepte
5.4.4.5 Selbstfahrende Fahrzeuge
5.4.5 Integriertes Verkehrsmanagement
5.4.6 Kapazitätsoptimierung
5.4.7 Verhaltensänderung durch Transparenz
5.4.7.1 Umfassende Vernetzung nötig
5.4.7.2 „Teilen statt besitzen“
5.4.8 Grüne Stadt- und Regionalplanung
5.4.9 Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern
5.5 Smarte Gesundheit und Pflege
5.5.1 Probleme im Kranken- und Pflegesystem
5.5.2 Herausforderungen für den Gesundheits- und Pflegebereich
5.5.2.1 Demografischer Wandel
5.5.2.2 Soziale Inklusion
5.5.2.3 Operative Exzellenz
5.5.2.4 Standortsicherung/Innovation
5.5.3 Vernetzung der Akteure auf lokaler und regionaler Ebene
5.5.4 Förderung des eigenständigen Lebens in der Wohnung
5.5.4.1 „Ambient Assisted Living“
5.5.4.2 „Smart Senior“
5.5.5 Sicherstellung ärztlicher Versorgung im ländlichen Raum
5.5.6 Nachhaltiges Krankenhaus im 21. Jahrhundert
5.5.7 IT-Unterstützung in Pflegeheimen
5.5.8 Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern
5.6 Smarte Energie und Umwelt
5.6.1 Status Quo Energieerzeugung und -verteilung
5.6.2 Neue Vorgaben für Klima- und Umweltpolitik
5.6.3 Bausteine im Handlungsfeld „Energie und Umwelt“
5.6.3.1 Strategien zur Energievermeidung
5.6.3.2 Verlagerung auf erneuerbare Energien
5.6.3.3 Intelligente Infrastrukturen – effizientes Energiemanagement
5.6.3.4 Ausbau der Partizipation im Planungsprozess neuer Infrastrukturen
5.6.3.5 Forcierung von nachhaltigen Energie- und Umwelt­verhaltensweisen
5.6.4 Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern
6. Das „Smart City Cockpit“
6.1 Was ist das City Cockpit?
6.2 Bandbreite eines „Smart City Cockpits“
6.3 Best Practices für City Cockpits
6.3.1 Verwendungszwecke
6.3.2 Analytics
6.3.3 Effizienterer interner Informationsaustausch in der Verwaltung
6.3.4 Grundlage für Ko-Produktion öffentlicher Dienstleistungen
7. Einführung und­ Umsetzung der smarten Stadt – Strategieüberlegungen
7.1 Ganzheitliche Vision und Strategie
7.2 Frühzeitige Entscheidung über Umfang des­ Innovationsprogramms
7.3 Politisch-strategisches Innovationsprogramm zur Chefsache erklären
7.3.1 Politisch-administrative Hindernisse beseitigen
7.3.2 Kommunikation im Inneren
7.3.3 „Smarte Beschäftigte“
7.4 Bürgerschaft, Kommunikation, Partizipation und Transparenz
7.4.1 Stakeholder und deren Interessen identifizieren
7.4.2 Wichtige Interessensträger
7.5 Erfolgsfaktoren im Veränderungsdreieck „Kulturveränderung – Prozessveränderung – Technologieveränderung“
7.5.1 Kultur
7.5.2 Prozesse
7.5.3 Technologie
7.6 Iteratives Programmmanagement statt traditionelles Projektmanagement
7.7 Neue Organisations- und Finanzierungsformen
7.8 Transfernetzwerke von Städten und Fördermöglichkeiten
7.9 Fazit
8. Kritik am Konzept der „smarten Stadt“
8.1 Dominanz der Technologiekonzerne
8.2 Datenschutz
8.3 Anfälligkeit gegenüber Störungen
8.4 Risko-Nutzen-Bewertung
9. Zusammenfassung
These 1: Aktuelle Herausforderungen erfordern ein intelligentes Umsteuern
These 2: Es gibt sieben technologische Megatrends
These 3: Die smarte Stadt agiert in fünf Dimensionen
These 4: Die smarte Stadt: Antwort auf den notwendigen Umbau der Kommunen
These 5: Entwicklung einer smarten Stadt ist ein politisch-strategisches Umbauprogramm
These 6: Sechs Handlungsfelder dominieren das­ Innovationsprogramm
These 7: Steuerung smarter Städte erfolgt über ein „kommunales Cockpit“
These 8: Umsetzung der Vision einer smarten Stadt ist­ ein­ langer Prozess
These 9: Trotz aller Kritik: Die smarte Stadt ist das Konzept für die Zukunft
Stichwortverzeichnis

1. Einführung

1.1 Grundlagen einer smarten Stadt

Städte sind wieder „in“ und erleben eine Renaissance. Weltweit werden in den nächsten Jahrzehnten 70% der Bevölkerung in Städten leben. In Deutschland sind das bereits 80% der Einwohner. Gerade die großen Städte sind es, die eine Abstimmung mit den Füßen erleben. War es im 20. Jahrhundert noch schick, die Stadt zu verlassen und sich im städtischen Umland anzusiedeln, erleben wir im 21. Jahrhundert einen gegenteiligen Trend. Die Menschen ziehen wieder in die Städte. Das erhöht den Druck auf die Verantwortlichen, eine Stadt zu schaffen, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügt.
In unseren Städten und Gemeinden entscheidet sich deshalb unsere Zukunft. Hier schaffen Unternehmen Arbeitsplätze und Kinder und Jugendliche werden ausgebildet. Hier benötigen Senioren Gesundheits- und Pflegeleistungen oder suchen soziale Zuwendung. In den Städten und Gemeinden entscheidet sich, ob die Energiewende gelingen wird und die Staatsverschuldung gesenkt werden kann. Hier wird in Infrastruktur investiert, die Deutschland zukunftssicher machen soll. Kommunen waren immer schon ein Ort der Kommunikation und des sozialen Zusammenhalts. Die Beteiligung am politischen Geschehen erfolgte für viele Mandatsträger zuerst in der Gemeinde, im „überschaubaren örtlichen Wirkungskreis“, wie die Juristen sagen.
Die Aufgaben der Städte und Gemeinden werden in der globalisierten Welt eher zunehmen. Think global – act local – diese Formel aus den letzten Jahren wird in den nächsten Jahrzehnten immer wichtiger werden. Deshalb wurde gar vorgeschlagen, die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer-Regierungschefs (G20) zu einer C 40 Gruppe auszubauen. Neben den traditionellen G 20 Teilnehmern sollten auch 10 Vorstandsvorsitzende der wichtigsten Unternehmen und die Bürgermeister der 10 bedeutsamsten Städte einbezogen werden. In dieser C 40 Gruppe würden Städtevertreter auf Augenhöhe mit Regierungs- und Unternehmensverantwortlichen agieren können.
Allerdings wird sich für jede Kommune die Möglichkeit ergeben, diesen örtlichen Wirkungskreis jenseits von existierenden Städtepartnerschaften zu verlassen. Mit der zunehmenden Digitalisierung des städtischen Lebens gibt es auch die Chance, die eigene, real existierende Stadt virtuell mit anderen Städten zu verbinden, von deren Erfahrungen zu lernen und eigene kreative Ideen weiterzugeben. Leitbild ist dabei die smarte Stadt, die digitale Infrastrukturen bewusst auf- und ausbaut, sich ihrer bedient und die verschiedenen Bereiche der städtischen Daseinsvorsorge untereinander vernetzt und steuert.
Städte werden nicht mehr nur als eine Ansammlung von Menschen und Gebäuden, als ein Angebot von unterstützenden Infrastrukturen wie Straßen, Brücken, Energieleitungen und Ampeln angesehen. Sie sind nicht nur ein Wirtschaftsraum, in dem Menschen Einkommen erzielen und konsumieren und Unternehmen Gewinne erwirtschaften. Über all diese wichtigen städtischen Strukturen hinaus muss die Stadt von morgen als ein besonders komplexes System begriffen werden, in dem die einzelnen Teile besondere Wirkung nur dann erzielen, wenn sie aufeinander bezogen sind. Die einzelnen Bestandteile des städtischen Systems werden dann durch vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologie zusammengehalten. Ein weiteres Merkmal dieses komplexen Stadtsystems ist es, dass es zwar ein hohes Maß an Stabilität und Sicherheit aufweist, zugleich aber auch immer wieder von Neuem auf neue Situationen und Herausforderungen schnell reagieren muss.
Für diese Stadt von morgen gibt es viele Bezeichnungen: Smart City, digitale Stadt, intelligente Stadt, Morgenstadt oder die englische Kunstwortkombination „Smart and Connected Cities and Communities“.

1.1.1 Technologieunternehmen waren Vorreiter

Es waren zuerst Technologieunternehmen, die konzeptionelle Entwürfe vorlegten und erste Produkte entwickelten, die helfen sollten, die Digitalisierung der städtischen Infrastruktur auf einer gemeinsamen Plattform voranzutreiben. Nicht zuletzt hatten sie ein Eigeninteresse daran, dass die Städte ihre Netze ausbauten, mehr Hard- und Software für die städtische Entwicklung einsetzten und mehr in IT-Sicherheit investierten.
Das Technologieunternehmen IBM machte den Anfang. Mit seiner im Jahre 2008 entwickelten Kampagne „Smarter Planet“ wurde eine Vision für eine „smart City“ entworfen. Der Technologiekonzern Cisco stand dem nicht nach und sprach seit 2009 von einer „Smart and Connected City and Community (S+CC)“, die es in den Städten zu schaffen gelte.
Zuvor gab es bereits die weltweite Initiative „Connected Urban Development“, die von Cisco ins Leben gerufen wurde. Im Rahmen der weltweiten „Clinton Global Initiative“, vom früheren US-Präsidenten Bill Clinton gegründet, arbeitete Cisco zunächst mit drei großen Städten wie Seoul, Amsterdam und San Francisco daran, Konzepte und Projekte zu entwickeln, die ihren Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen unter Verwendung von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie leisten sollten. Nach und nach stiegen alle großen Technologieunternehmen auf diesen Zug auf – zuletzt hat auch Microsoft mit dem Programm „CityNext“ die Fahrkarte dafür gebucht.

1.1.2 Smarte Städte auf der grünen Wiese in Asien und im Mittleren Osten

Diese konzeptionellen Überlegungen richteten sich in erster Linie an die schnell entstandenen und sich rasant entwickelnden neuen Städte im asiatischen Raum. SongDo in Korea, Masdar in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Lavasa in Indien standen beispielhaft für diesen Boom. In China wurden kürzlich gar 193 Städte ausgewählt, um das Konzept einer smarten Stadt umzusetzen.
In der Wüste der Vereinigten Arabischen Emirate soll in Masdar bis 2016 eine autofreie Stadt für 50.000 Einwohner entstehen. Durch das Zusammenspiel von neuesten High-Tech-Lösungen für Gebäude und Verkehrssysteme und Glasfasereinsatz soll die Stadt vollkommen CO2-frei sein. Die Planung für Masdar ist ein Meisterstück des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster. Seine Häuser beschatten die öffentliche Wege und sich gegenseitig, sodass sie die durchschnittliche Temperatur um 20 Grad Celsius gegenüber den ansonsten in der Wüste befindlichen Temperaturen senken. In Masdar entsteht das größte Solarkraftwerk der Welt und für die Mobilität der Bewohner steht eine elektrische Kabinenbahn zur Verfügung, die vollautomatisch ihre Ziele ansteuert. Außerdem ist ein unterirdisches Personal-Rapid-Transit-Netz mit automatischen Einzelkabinen, eine Hochbahn und eine U-Regionalbahn geplant. Masdar baute aber auch eine Wissenschaftsstadt, in der an umweltfreundlicher Gebäudetechnik, CO2-neutraler Energie und Netzen für die Energieversorgung gearbeitet wird. Sie wurde in 2012 in Betrieb genommen.
Konzepte für smarte Städte entstanden bisher hauptsächlich für die rasant wachsenden Städte in Asien und dem Mittleren Osten. Weniger Beachtung bei den Visionären der smarten Stadt fanden dabei die bereits vorhandenen Städte, die revitalisiert werden müssen, weil sich die produzierende Industrie aus ihnen zurückzieht oder die ihre Infrastruktur aufgrund des demografischen Wandels umbauen müssen. Der Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung in Hamburg bezeichnet sie als innenstadtnahe Metrozonen1, die es umzubauen gelte.
Neben dem asiatischen Raum gibt es die Vision einer smarten Stadt auch in Nordamerika und Europa. In Nordamerika sind besonders die Städte San Francisco, Chicago und der Osten der USA sowie die kanadischen Großstädte Vancouver und Toronto zu erwähnen. Diese Aufzählung kann beliebig erweitert werden; nahezu täglich gibt es Meldungen über neue gestartete Stadtinitiativen, die auf Internetplattformen oder über soziale Netzwerke verbreitet werden.

1.1.3 Europa forciert smarte Städte

Auch in Europa sollen „auf dem Reißbrett“ weitere Städte neu entstehen und durch smarte Technologien entwickelt und gesteuert werden.
Im Norden Portugals wird mit Paredes2 eine Stadt aufgebaut, die später über 200.000 Einwohner haben soll. Diese Stadt soll ein Benchmark für die smarte Stadt sein. In ihr werden neue Gebäude intelligent mit dezentraler Energieerzeugung und -management errichtet, vernetzte Verkehrskonzepte mit Sensorsteuerung ausprobiert oder neue Formen des Zusammenlebens in smarten Stadtgemeinschaften entwickelt. Das Projekt kann ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von städtischer digitaler Infrastruktur, Software und neuen Dienstleistungen sein. Interessant ist es vor allem auch im Hinblick auf die beabsichtigte Einwohnerzahl, die die bisherige Kleinräumigkeit von Smart City Ansätzen in Europa überwinden kann. Paredes soll ein Entwicklungslabor für die Stadt von morgen und für die Entwicklung von smarten Technologien werden.
In der spanischen Provinzhauptstadt Santander3 finden wir ein weiteres Projekt, das eine smarte Stadt zum Ziel hat. Hier wurde die gesamte Stadt mit 20.000 Sensoren ausgerüstet, die sich unter dem Asphalt, an Straßenlaternen oder auf dem Dach von Bussen befinden. Sie erfassen umfangreiche Daten und senden sie in Echtzeit an die Verwaltung. Diese Sensoren messen den Feuchtigkeitsgehalt des Bodens und steuern auf diese Weise die Bewässerung. Der Abfallentsorgung wird signalisiert, wann die Behälter voll sind und die Straßenbeleuchtung wird automatisch gedimmt, wenn kein Auto oder Fußgänger in der Nähe ist. Im Santander-Projekt steht vor allem die klimafreundliche Mobilität im Mittelpunkt. Das Projekt wurde von der EU mit neun Millionen Euro finanziert.
Die EU gehört generell zu den Treibern des politisch-strategischen Umbaus für eine smarte Stadt. Im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ sind Projekte für Smart Cities recht prominent angesiedelt. Das 7. EU-Forschungsprogramm unterstützte bis 2013 die Forschung, die Entwicklung und den Aufbau von smarten Städten. Insbesondere der aus klimapolitischen Gründen erforderliche Umbau der Energieerzeugung und des Energiemanagements wird durch ein Programm des EU-Energiekommissars Günther Oettinger gefördert.
Innerhalb Europas arbeiten darüber hinaus die einzelnen Mitgliedstaaten an nationalen Programmen für den Umbau zu einer smarten Stadt. Besonders hebt sich hier Österreich hervor. Eine eigene Plattform www.smartcities.at, die durch den österreichischen Klima- und Energiefonds aufgebaut wurde, unterstützt Städte beim Erfahrungsaustausch und Beantragungsprozess für EU- und nationale Fördermittel. Ebenso aktiv ist Großbritannien, das bei smarten Städten vor allem auf den Einsatz von offenen Daten setzt.
Etliche große Städte haben sich in unseren europäischen Nachbarländern auf den Weg gemacht, sich zu einer smarten Stadt zu entwickeln. Zu nennen sind insbesondere Amsterdam, Kopenhagen, Barcelona, London, Nizza, Wien oder das russische Skolkovo.

1.1.4 Smarte Städte in Deutschland

In unserem Land finden wir erste Wegbereiter einer smarten Stadt bereits im Jahre 2005. Hier rief die Deutsche Telekom AG – unterstützt vom Deutschen Städte- und Gemeindebund – im Jahre 2006 sogar einen Wettbewerb ins Leben, bei dem sich Städte mittlerer Größenordnung um den Titel einer „T-City“ bewerben konnten. In der Gewinnerstadt Friedrichshafen sollte die Lebens- und Standortqualität durch den Einsatz von modernster Informations- und Kommunikationstechnologie sowie durch die Vernetzung der Stadt erhöht werden.4 Heute sind nach eigenem Bekunden Städte wie Hamburg, Köln, München, Berlin, Bad Wiesloch oder Freiburg dabei, das Profil einer smarten Stadt zu schärfen und umzusetzen. Die Stadt Heidelberg vereinbarte eine Partnerschaft mit Palo Alto, um so gemeinsam an Lösungen für eine smarte Stadt zu arbeiten.
Die Deutsche Telekom hat im Jahre 2013 verkündet, mit ihrem Engagement bei der Stadt Hamburg eine weitere Zukunftswerkstatt einrichten zu wollen. Die zweitgrößte Stadt Deutschlands soll als „HotSpot City“ großflächig mit WLAN versorgt werden. Geplant ist, etwa 500 Hotspots anzubieten, die eine Stunde lang kostenlos genutzt werden können. Dabei werden insbesondere die touristischen Zentren und die Einkaufsbereiche in der Innenstadt einbezogen. Eine besondere Bedeutung kommt dem Hafengebiet zu. Hier sollen auf der Basis eines umfassenden WLAN -Angebotes smarte Stadtangebote wie intelligente Parkplatzsuche und Verkehrssteuerung großflächig erprobt werden.

1.1.5 Auch „mittlere“ Städte können „smart“ werden

Die Mehrzahl der Städte, die sich zu einer „smarten Stadt“ entwickeln wollen, sind Großstädte. Allerdings bietet die Vision der smarten Stadt auch für Städte unterhalb von 100.000 Einwohnern genügend Potenzial. Dies wurde bereits bei der Bewerbung um die T-City deutlich.
Vielleicht sind bei mittleren und kleineren Städten sogar bessere Voraussetzungen gegeben. Denn die Interessensträger liegen nicht so weit auseinander und die Diskussionen innerhalb der Bürgerschaft verlaufen persönlicher und kompromissbereiter, da sie sich durch eine hohe Orientierung am Gemeinwohl auszeichnen.
Zur Vorbereitung der Bewerbung im T-City Wettbewerb war ich 2007 in die Stadt Arnsberg eingeladen. An einem Abend kamen in der Stadthalle nahezu 1000 engagierte Bürgerinnen und Bürger, die wichtigsten Vertreter von Unternehmen sowie die Spitze von Politik und Verwaltung zusammen. An diesem Abend wurde an der Vision gearbeitet: Wie kann mithilfe von Breitbandtechnologie die Lebens- und Aufenthaltsqualität in Arnsberg verbessert werden, wie können bürgernähere und effizientere Verwaltungsservices angeboten werden und welche wirtschaftlichen Impulse kann eine Breitbandinitiative der Stadt Arnsberg verleihen? Die Stadthalle vibrierte förmlich bei dem Gedanken, demnächst die smarte T-City in Deutschland zu werden. Es wurde deutlich, dass nicht die Größenklasse einer Gemeinde darüber entscheidet, ob sie innovative und zukunftsgerichtete Visionen und Strategien entwickeln kann. Entscheidend ist der Wille zur Veränderung – in Politik, Verwaltung und Bürgerschaft.
Darüber hinaus gibt es ein weiteres Argument, warum auch kleine und mittlere Gemeinden sich die Konzeption einer smarten Stadt noch einmal genau ansehen sollten: Jede Stadt ist mit ihrem Umland räumlich verwoben. Daraus ergeben sich Anforderungen für den öffentlichen Personennahverkehr genauso wie für die Krankenhausversorgung. Die gemeinsame interkommunale Steuerung von öffentlichen Infrastrukturen sollte deshalb in der gesamten Region die politische Tagesordnung beherrschen.
Die Fraunhofer Gesellschaft leistet mit dem Projekt „Morgenstadt“ einen Beitrag zur Diskussion, mit welchen grundlegenden Technologien in einer smarten Stadt gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Probleme gelöst werden können. Nach Auffassung der Fraunhofer Gesellschaft ist die Morgenstadt CO2-neutral, energieeffizient und klimaangepasst. Im März 2013 wurde eine „Nationale Plattform Zukunftsstadt“ ins Leben gerufen. Sie ist eine breite Initiative von 35 Vertretern aus Städten, Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“. Sie soll die Akteure, die an der Konzeption einer smarten Stadt arbeiten, zusammenbringen, die Themen zubereiten und für einen entsprechenden Ergebnistransfer sorgen. Im Januar 2015 will sie nach eigenen Angaben eine strategische und themenübergreifende Forschungs- und Umsetzungsagenda vorlegen.

1.1.6 Vision der Wirtschaftsförderung: Urban Tech Republic

Neben den Technologieunternehmen haben sich die Stadtplaner und Wirtschaftsförderer der Idee der smarten Stadt verschrieben. Wenn der Berliner Flughafen Tegel aufgegeben wird, soll dort eine Plattform für eine „Urban Tech Republic Berlin“ entstehen. Auf der Webseite wird der ambitionierte Anspruch so beschrieben:
„Zunehmende Urbanisierung, Globalisierung, demografischer Wandel, Ressourcenverknappung und Klimawandel sind absehbare und tiefgreifende Veränderungen, die unsere Ansprüche an ein wirtschaftliches, soziales und ökologisches Zusammenleben neu definieren. Dadurch entstehen Märkte mit erheblichem Investitionspotenzial. Sich den Herausforderungen in den Bereichen der Mobilität, Energie, urbaner Versorgungsstrukturen und Ressourcenschutz zu stellen, wird zunehmend zu einer gesellschaftlichen Schlüsselfrage. In Berlin TXL entstehen in einem dichten Netzwerk von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrie Antworten, um diese Herausforderungen zu bewältigen – Lösungen für die Stadt von morgen.“5
Innerhalb Europas ist die vorgesehene Urban Tech Republic sicherlich das größte Projekt, das auch internationale Außenwirkung auf die Konzepte zur smarten Stadt, die in anderen Kontinenten entstehen, haben dürfte.

1.2 Dimensionen und Ziele einer smarten Stadt

Smarte Städte stehen mithin ziemlich weit oben auf der Tagesordnung von Politik, Verwaltung, Stadtplanung und vor allem Technologieunternehmen. Was aber ist eine smarte Stadt? Ist es ein neues Modewort, bei dem sich jeder alles, aber niemand etwas Gemeinsames vorstellen kann? Eine allgemeinverbindliche wissenschaftliche Definition gibt es nicht. Stattdessen müssen die Merkmale einer smarten Stadt aus den vorliegenden Konzeptionen herausdestilliert werden, damit sie operationalisierbar bleiben. Eine für unsere Zwecke sehr hilfreiche Definition findet sich in einem Konzeptpapier der Wiener Stadtwerke, die sich seit längerem sehr intensiv mit der smarten Stadt beschäftigen.
„Smart City bezeichnet eine Stadt, in der systematisch Informations- und Kommunikationstechnologien sowie ressourcenschonende Technologien eingesetzt werden, um den Weg hin zu einer postfossilen Gesellschaft zu beschreiten, den Verbrauch von Ressourcen zu verringern, die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Wirtschaft dauerhaft zu erhöhen, mithin, die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu verbessern. Dabei werden mindestens die Bereiche Energie, Mobilität, Stadtplanung und Governance berücksichtigt. Elementares Kennzeichen von Smart City ist die Integration und Vernetzung dieser Bereiche, um die so erzielbaren ökologischen und sozialen Verbesserungspotenziale zu realisieren. Wesentlich sind dabei eine umfassende Integration sozialer Aspekte der Stadtgesellschaft sowie ein partizipativer Zugang.“6
Damit bietet es sich an, fünf Dimensionen voneinander zu unterscheiden, die in der Summe die wesentlichen Merkmale einer smarten Stadt darstellen. Diese Dimensionen sind nachfolgend dargestellt.

1.2.1 Die politische Dimension

Sie baut auf umfassende Transparenz von Verwaltungs- und Politikprozessen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen auf. Die Steuerung der Stadt durch City Cockpits, die sowohl für politisch Verantwortliche als auch für Bürgerinnen und Bürger zugänglich sind, wird ein wesentliches Werkzeug sein.

1.2.2 Die gesellschaftliche Dimension

Diese umfasst das Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger, die Integration auch von Minderheiten in das Stadtleben, die Überwindung der digitalen Spaltung sowie das Engagement der Zivilgesellschaft bei sozialen Innovationen unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie. Dabei begegnet der Staat Bürgerinnen und Bürgern zunehmend auf Augenhöhe und aktiviert sie zum selbständigen Handeln.

1.2.3 Die technologische Dimension

Sie beruht vor allem auf superschnellen Breitbandnetzen. Auf dieser Grundlage ist die Vernetzung und Echtzeit-Steuerung aller städtischen Infrastruktur durch digitale Netze, Infrastrukturkomponenten wie beispielsweise Sensoren und Anwendungen ein wesentliches Merkmal einer smarten Stadt.

1.2.4 Die stadtplanerische Dimension

Dort zeigt sich vor allem, wie die in den meisten Städten knappen Flächen und ihre Nutzung ökologisch nachhaltig gestaltet werden können, sodass die Lebens- und Aufenthaltsqualität für die Stadtbevölkerung verbessert oder signifikant gesteigert werden kann.

1.2.5 Die wirtschaftliche Dimension

In einer smarten Stadt werden für bestehende Unternehmen und anzuwerbende Investoren attraktive Rahmenbedingungen im Hinblick auf qualifizierte Arbeitskräfte, attraktiv entwickelte Gewerbeflächen oder einzuwerbendes Risikokapital geschaffen, damit sie im globalen digitalen Standortwettbewerb erfolgreich sind.
Smarte Städte werden also innovative Orte mit effizienten, wirksamen und nachhaltigen Dienstleistungen, wo Menschen eine hohe Lebensqualität genießen können. Es sind Städte, die sich durch ihren „digitalen Herzschlag“, einen hohen Vernetzungsgrad und intelligente Dienste zugunsten ihrer Bevölkerung und der Unternehmen auszeichnen.

1.3 Leitziele einer smarten Stadt

Im Kontext der Wiener Definition lassen sich für eine smarte Stadt vier Leitziele definieren. Diese sind:
– Gesellschaftliche Teilhabe und sozialer Zusammenhalt
– Nachhaltige Entwicklung
– Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsstärkung
– Operative Exzellenz
Die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und des sozialen Zusammenhalts bekommt angesichts der globalisierten Wirtschafts- und Sozialstrukturen und der zunehmenden virtuellen Kommunikation einen immer größeren Stellenwert. Eine smarte Stadt wird ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen so gestalten, dass alle Bewohner – egal in welcher Altersgruppe, mit welcher Aus- und Vorbildung, in welcher Einkommenskategorie und mit welchen Kenntnissen über die Funktionsweise der Online-Welt – von ihnen profitieren können.
Die Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung, sei es in ökologischer, ökonomischer oder sozialer Hinsicht, wird für das Leben in der smarten Stadt von existenzieller Bedeutung sein. Zur Verhinderung bzw. Eindämmung des für Menschen und Natur schädlichen CO2-Ausstoßes mit den Folgen einer steigenden Erderwärmung werden in einer smarten Stadt die Infrastrukturen geschaffen werden müssen, die das nachhaltige Weiterleben auch für die nächsten Generationen sichern.
Deutschland ist ein Land, das nur über wenige eigene Rohstoffe verfügt. Unser wichtigster Rohstoff ist das Wissen und die Möglichkeit, in einem Veredelungsprozess aus diesem Rohstoff ständig neue Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen. Deshalb werden in einer smarten Stadt – durch den Einsatz neuer Technologien – die Infrastrukturen geschaffen und genutzt, die die Wissensgesellschaft von morgen benötigt. Die Schaffung und der Erhalt von Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit ist deswegen ein weiteres wichtiges Leitziel einer smarten Stadt.
Schließlich muss auch in einer smarten Stadt mit den vorhandenen Ressourcen, seien sie finanzieller oder personeller Natur, pfleglich umgegangen werden. Deshalb steht die Schaffung von Voraussetzungen für operative Exzellenz ganz oben im Zielkatalog.
Im Grunde handelt es sich hier um die gleichen Ziele, die auch herkömmliche Städte, die nicht als „smart“ gelten, zu erreichen versuchen. Auch wenn sich die Ziele gleichen, in einer smarten Stadt werden sie durch den systematischen Einsatz von intelligenter vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie in einem integrierten Ansatz und auf einem höheren Niveau realisiert. Die Schaffung einer smarten Stadt ist ein politisch-strategisches Innovationsprogramm, das Politik, Unternehmen, Bürgerschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen fordert. Dies soll in diesem Buch analysiert und an zahlreichen Beispielen aus dem In- und Ausland aufgezeigt werden.

1.4 Aufbau des Buches

Das Buch enthält drei Hauptteile:
1. Eine kurze Erörterung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die die Städte von morgen zu meistern haben, und eine Darlegung der wesentlichen Technologietrends, die helfen können, diese Herausforderungen zu bewältigen.
2. Eine Darstellung der wichtigsten sechs Handlungsfelder einer smarten Stadt und der Bausteine, die in jedem dieser Handlungsfelder grundlegend sind. Es wird aufgezeigt, dass auch in einer smarten Stadt bereits die Optimierung jedes einzelnen Handlungsfeldes unter Einsatz von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie schon einen wesentlichen Beitrag für die Stadt von morgen leisten kann. Dass die Chancen für mehr Wachstum, Beschäftigung, Lebensqualität, Nachhaltigkeit und politische Legitimität deutlich erhöht sind, wenn die Schnittstellen dieser Handlungsfelder in einem übergreifenden Ansatz in den Blickpunkt genommen werden, wird überdies erläutert.
3. Eine Erörterung wichtiger Elemente einer Umsetzungsstrategie, die sich besonders mit Aufgaben befasst, die die Politik und die Verwaltung auszufüllen hat.

1.5 Zielgruppen des Buches

Dieses Buch wendet sich an drei Zielgruppen:
– An aktive Kommunalpolitikerinnen und -politiker und natürlich auch an diejenigen, die es werden wollen. Im Jahre 2014 finden in 10 Bundesländern Kommunalwahlen statt. Zudem eine Wahl zur Bezirksversammlung in Hamburg. Den neuen Ratsmitgliedern soll eine Vorstellung davon vermittelt werden, wie eine smarte Stadt aussehen kann und welche Weichen bereits heute für ein politisch-strategisches Innovationsprogramm gestellt werden müssen.
– An Beamte und Angestellte in Kommunalverwaltungen und regionalen Gebietskörperschaften wie auch für kommunale und regionale Unternehmen. Sie sind die Vorbereiter der Umsetzung einer smarten Stadt.
– An alle Bürgerinnen und Bürger, die eine Vorstellung davon bekommen wollen, wie sich unser Leben, Arbeiten, Lernen und Spielen in einer Stadt, die bewusst auf einen umfassenden Einsatz von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie setzt, gestalten wird und welche Chancen daraus für alle erwachsen. Für diese Zielgruppe kann das Buch die Messlatte bilden, damit sie diejenigen wählen, die ihnen die Chancen, die diese digitale Zukunft ihrer Stadt bereitstellt, auch eröffnen.
Dieses Buch richtet sich somit nicht in erster Linie an Technologen – Beschäftigte in Technologieunternehmen mit einem tiefen technologischen Wissens- und Erfahrungshintergrund. Ihnen werden etliche Argumentations- und Darstellungslinien zu vereinfachend vorkommen. Das nimmt der Autor bewusst in Kauf.
Denn genauso wie der Wurm dem Fisch und nicht dem Angler schmecken soll, wird es bei der Gestaltung der smarten Stadt heute auf einen Dialog ankommen. An diesem politisch-strategischen Dialog sollen alle teilnehmen können, die interessiert und guten Willens sind. Damit richtet sich das Buch vor allem an Menschen, die sich nicht als „Techies“ bezeichnen.

2. Die Zukunft hat schon begonnen

In unseren Städten und Gemeinden hat die Zukunft schon begonnen. Die Menschen, die hier leben, stellen hohe Anforderungen an die Infrastruktur der „Stadt der Zukunft“.
Die heute neugeborenen Kinder werden viele Jahre in der Stadt verbringen. Wenn sie hier endgültig sesshaft werden, besteht die Chance, dass sie in der Stadt auch noch im nächsten Jahrhundert leben werden. Sie wachsen in eine Welt hinein, die von digitalen Daten, Anwendungen und mobilen digitalen Endgeräten geprägt ist. Ihr natürlicher Lebensraum sollte so wenig wie möglich schadstoffhaltige Luft oder gesundheitsschädlichen Lärm enthalten.
Auch für die jungen Erwachsenen ist es selbstverständlich, dass es keine künstliche Trennung zwischen realer und virtueller Welt gibt. Sie organisieren ihr Leben mit Hilfe des Internets und des Smartphones. Auch wenn sie vielleicht später die Stadt verlassen, erwarten sie heute, dass sie in der smarten Stadt ein erstklassiges Bildungsangebot bekommen, das digital unterstützt wird.
Die jungen Mütter und Väter suchen Kinderbetreuungsangebote für ihren Nachwuchs und erwarten, dass der dafür erforderliche Verwaltungsprozess so einfach wie möglich abläuft. Sollten die Kitas nicht ausreichend angeboten werden, verbinden sie Familie und Beruf durch Telearbeit, die durch Hochgeschwindigkeitsbreitband unterstützt wird. Bei der Auswahl der Schule für ihre Kinder erwarten sie ein Höchstmaß an Transparenz im Hinblick auf die Qualität der Lehrer oder des Schulangebotes.
Der kreative Mann oder die kreative Frau in den dreißiger Jahren sieht die Zukunft eher als Unternehmer oder Freiberufler. Für diese Gruppe ist entscheidend, Infrastrukturen vorzufinden, die es ihnen ermöglichen, aus ihrer Kreativität und ihrem Ideenreichtum neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Dazu wollen sie auf offene Daten zurückgreifen. Ihre umfangreichen Pläne und CAD-Zeichnungen müssen sie digital übersenden. Sie messen sich dabei vielleicht mit jungen asiatischen Start-Up- Gründern aus Korea, die dort eine hervorragende technologische Basisinfrastruktur in Anspruch nehmen können.
Der 45-jährige Familienvater ist es leid, sein halbes Berufsleben auf der Straße zu verbringen. Wenn er wenigstens zeitweise Angebote wie Smart Work Center oder Videokonferenzen zuhause nutzen kann, sieht er seine Familie wesentlich häufiger und hat mehr von seinen Kindern. Außerdem entlastet er die Umwelt, indem er sein Auto in der Garage lässt und seine Mobilität über PC und Smartphone organisiert.
Die 60-jährige Frührentnerin, die an Herzmuskelschwäche leidet, wird froh darüber sein, dass sie künftig nicht mehr so häufig zur ärztlichen Untersuchung fahren muss, weil die Ärzte im Telemedizinzentrum regelmäßig über Sensoren ihren Gesundheitszustand überprüfen und bei Bedarf sofort eingreifen können.
Der 65-jährige pensionierte Verwaltungsbeamte hat jetzt Zeit, sich in sozialen Netzwerken auszutauschen. Er hilft innovativen Start-Up-Unternehmen, die VerwaltungsApps schaffen wollen, die Echtzeitdaten zu verwenden und daraus Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Gruppe der sogenannten Silver Surfer ist in der Internutzung übrigens die am schnellsten anwachsende Altersgruppe.
Bereits heute leben diese Bürgerinnen und Bürger in unseren Städten und Gemeinden, rufen Dienstleistungen ab und beteiligen sich am Gemeinwesen. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass eine smarte Stadt, die in wesentlichen Handlungsfeldern Technologie bereitstellt und anwendet, auch ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit leistet.
Die wesentlichen Budgets einer Stadt werden heute für das Meistern der Gegenwartsaufgaben ausgegeben. Dagegen sinken die Investitionen in die Zukunft immer mehr.7 Eine funktionierende städtische Infrastruktur, die sowohl die klassischen Infrastrukturen wie Straßen, Wasser, Elektrizität als auch die vernetzten Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen auf Grundlage eines superschnellen Internets umfasst, ist unerlässlich. Mit dem politisch-strategischen Innovationsprogramm zur smarten Stadt wird für sie die Grundlage geschaffen, um ihre Zukunft zu sichern.

2.1 Internetnutzung in Deutschland

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