Einführung in die Einkommensteuer

Grundlagen für Bilanzbuchhalter und Steuerfachangestellte

Diplom-Kaufmann, Diplom-Finanzwirt (FH) Michael Eifler

3. überarbeitete Auflage 2018


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Vorwort

1. Einführung

1.1. Geschichtliche Entwicklung

1.2. Erhebungsformen und Rechtsgrundlagen

2. Steuerpflicht und steuerbare Einnahmen

2.1. Subjektive Steuerpflicht

2.1.1. Unbeschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 1 EStG

2.1.2. § 1 Abs. 2 EStG Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht

2.1.3. § 1 Abs. 3 EStG fiktive unbeschränkt Steuerpflicht

2.1.4. Beschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 4 EStG

2.2. Objektive Steuerpflicht

2.2.1. Einnahmen

2.2.2. Ausgaben

3. Ermittlung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage

3.1. Überblick

3.2. Summe der Einkünfte § 2 Abs. 1 und 2 EStG

3.3. Horizontaler und vertikaler Verlustausgleich

3.4. Gesamtbetrag der Einkünfte § 2 Abs. 3 EStG

3.4.1. Altersentlastungsbetrag § 24a EStG

3.4.2. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende § 24b EStG

3.4.3. Freibetrag für Land- und Forstwirte § 13 Abs. 3 EStG

3.5. Einkommen § 2 Abs. 4 EStG und Verlustabzug § 10d EStG

3.6. Zu versteuerndes Einkommen § 2 Abs. 5 EStG

4. Gewinnermittlung und Buchführungspflichten

4.1. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich §§ 4, 5 EStG

4.2. Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung § 4 Abs. 3 EStG

4.2.1. Regelmäßig wiederkehrende Zahlungen

4.2.2. Anschaffung von Anlagevermögen

4.3. Unterschiede Betriebsvermögensvergleich zur Einnahme-Überschuss-Rechnung

5. Die Einkunftsarten im Einkommensteuerrecht

5.1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, § 13 EStG

5.2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb

5.2.1. Einkünfte aus § 15 EStG gewerbliche Einkünfte

5.2.2. Begriff des Gewerbebetriebs

5.2.3. Einkünfte aus § 16 EStG Veräußerung eines Betriebes

5.2.4. Einkünfte aus § 17 EStG Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

5.3. Einkünfte nach § 18 EStG – Selbständige Arbeit

5.4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, § 19 EStG

5.4.1. Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit

5.4.2. Die Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG

5.4.3. Vom Arbeitslohn abziehbare Beträge

5.4.3.1. Der Versorgungsfreibetrag § 19 Abs. 2 S. 1, 3 und 4 EStG

5.4.3.2. Werbungskosten §§ 9, 9a EStG

5.4.3.2.1 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG

5.4.3.2.2 Andere berufliche Fahrten § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a EStG

5.4.3.2.3 Aufwendungen im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG

5.4.3.2.4 Auswärtstätigkeit und Verpflegungspauschalen § 9 Abs. 4a EStG

5.4.2.2.5 Arbeitsmittel § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 und 7 EStG

5.4.3.2.6 Arbeitszimmer § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG

5.4.3.3. Abgrenzung zu Kosten der privaten Lebensführung

5.5. Einkünfte aus Kapitalvermögen § 20 EStG

5.5.1 Kapitaleinkünfte im Privatvermögen

5.5.2 Kapitaleinkünfte in einem Betriebsvermögen

5.6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung § 21 EStG

5.6.1. Einnahmen und Ausgaben

5.6.2. Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand

5.6.2.1. Erhaltungsaufwand

5.6.2.2. Zweckbestimmung – Funktionstüchtigkeit – Hebung des Wohnstandards

5.6.2.3. Anschaffungskosten und Herstellungsaufwand

5.6.2.4. Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand

5.6.3. Subsidiarität der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

5.7. Sonstigen Einkünfte nach § 22 EStG

5.7.1. Wiederkehrende Bezüge § 22 Nr. 1 EStG

5.7.2. Unterhaltsleistungen § 22 Nr. 1a EStG

5.7.3. Private Veräußerungsgeschäfte § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG

5.7.4. Sonstige Leistungen § 22 Nr. 3 EStG

6. Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung

6.1. Abschreibung nach § 7 EStG

6.2. Ausnahmetatbestände geringwertiges Wirtschaftsgut und Sammelposten § 6 Abs. 2 und 2a EStG

6.3. Abschreibung von Gebäuden § 7 Abs. 4 EStG

6.4. Vergleich AfA § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 4 EStG

7. Sonderausgaben § 10 – 10c EStG

7.1. Unterhaltszahlungen (Realsplitting) § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG

7.2. Berücksichtigung Zuwendungen im Sinne des § 10b EStG

7.3. Sonderausgabenpauschbetrag § 10c EStG

7.4. Altersvorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG

7.5. Sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG

8. Die außergewöhnlichen Belastungen

8.1. Außergewöhnliche Belastungen der allgemeinen Art § 33 EStG

8.2. Außergewöhnliche Belastung der besonderen Art § 33a und § 33b EStG

8.2.1. Unterhaltsleistungen § 33a Abs. 1 EStG

8.2.2. Ausbildungsfreibetrag § 33a Abs. 2 EStG

8.2.3. Behindertenpauschbetrag und Pflegepauschbetrag § 33b EStG

9. Die Berücksichtigung von Kindern §§ 31, 32 EStG

9.1. Die Abzugsbeträge des § 32 EStG

9.2. Die Günstigerprüfung des § 31 EStG

10. Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer § 32a Abs. 1 EStG und Bestimmung der festzusetzenden Einkommensteuer

10.1. Der Steuertarif in Deutschland

10.2. Der Progressionsvorbehalt § 32b EStG

10.3. Ermittlung der Einkommensteuernachzahlung

10.3.1. Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer § 35 EStG

10.3.2. Haushaltsnahe Dienstleistungen § 35a EStG

11. Veranlagung und Veranlagungsarten

11.1. Einzelveranlagung § 25 EStG

11.2. Ehegattenveranlagung § 26 EStG

11.2.1. Zusammenveranlagung § 26b EStG

11.2.2. Einzelveranlagung § 26a EStG

12. Erhebung der Einkommensteuer § 36 EStG

13. Lohnsteuer, Lohnsteuertabellen und Steuerklassen

WEITERFÜHRENDE LITERATUR

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

LITERATURVERZEICHNIS


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abs. Absatz
AEAO Anwendungserlass zur Abgabenordnung
AEB Altersentlastungsbetrag
AfA Absetzung für Abnutzung
AG Arbeitgeber
AK Anschaffungskosten
AL Arbeitslohn
AN Arbeitnehmer
AO Abgabenordnung
AV Anlagevermögen

BA Betriebsausgaben
BAL Bruttoarbeitslohn
BE Betriebseinnahmen
BFH Bundesfinanzhof
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BMG Bemessungsgrundlage
BStBl Bundessteuerblatt
BV Betriebsvermögen
BVV Betriebsvermögensvergleich

DBA Doppelbesteuerungsabkommen

ELStAM Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale
ESt Einkommensteuer
EStDV Einkommensteuerdurchführungsverordnung
EStG Einkommensteuergesetz
EStR Einkommensteuerrichtlinien
EU Europäische Union
EÜR Einnahme – Überschuss - Rechnung
EWR Europäischer Wirtschaftsraum

FB Freibetrag

GdE Gesamtbetrag der Einkünfte
GewSt Gewerbesteuer

HGB Handelsgesetzbuch
HK Herstellungskosten
Hrsg. Herausgeber

i. H. v. in Höhe von
i. S. d. im Sinne des, im Sinne der

KapESt Kapitalertragsteuer
KapG Kapitalgesellschaft
KG Kommanditgesellschaft
KSt Körperschaftsteuer

LSt Lohnsteuer
LStDV Lohnsteuerdurchführungsverordnung
LStR Lohnsteuerrichtlinien
LuF Land- und Forstwirtschaft

m. w. N. mit weiteren Nachweisen

nAK nachträgliche Anschaffungskosten

PersG Personengesellschaft

R Richtlinie
Rz Randziffer

SdE Summe der Einkünfte

UStG Umsatzsteuergesetz

VG Veräußerungsgewinn
VP Veräußerungspreis
VuV Vermietung und Verpachtung
VZ Veranlagungszeitraum

WG Wirtschaftsgüter
WK Werbungskosten

zvE zu versteuerndes Einkommen

Vorwort

Dieses Buch bietet eine allgemeine Orientierung im Einkommensteuerrecht und kann somit als eine Zusammenfassung der Grundlagen im Einkommensteuerrecht betrachtet werden. Fachbücher, die vom Lehrpersonal empfohlen werden, sind zwar durchaus verständlich verfasst, gehen aber oft zu schnell und zu detailliert in die Tiefe, sodass sie als Erstwerk für Berufseinsteiger oder Studienanfänger mit Detailinformationen zeitweise überfrachtet sind.

An dieser Stelle setzt dieses Buch an und stellt Kernaussagen mit Rechtstand 2015 und 2016 anschaulich und verständlich dar und verdeutlicht sie mit zahlreichen Beispielen.

Es bietet damit eine sehr gute und verständliche Grundlage, sich darauf aufbauend in einzelne Teilgebiete intensiver und umfassender einarbeiten zu können.

Als Zielgruppe für dieses Buch werden insbesondere

Sofern Paragrafen angesprochen werden, folgt die Angabe der Darstellung und Normierung:

§ 1 Abs. 2 S. 2 EStG

§ 1 Paragraf 1

Abs. 2 Absatz 2

S. 2 Satz 2

Michael Eifler

Februar 2016

1. Einführung

1.1. Geschichtliche Entwicklung

Die Einkommensteuer an sich gibt es schon seit dem Bestehen der Menschheit. Antike Völker hatten erkannt, dass der Staat mehr monetäre Mittel zur Verfügung hat, wenn sich die Bürger an der Finanzierung der Staatsfinanzen beteiligten. So mussten die Bürger, in Abhängigkeit von ihrem sozialen Stand, Abgaben an den Staat leisten, die sowohl finanzieller (in Form von Geld) als auch naturaler Art sein konnten. Zölle wurden auf Einfuhren von Waren erhoben und es entstanden erste Berufe, die sich mit dem Erheben von Abgaben und Steuern beschäftigten, z. B. die Benefizianer im antiken Rom[1] .

Aus dem Mittelalter ist die Abgabe des Zehnt bekannt, nach dem jeder den zehnten Teil seines Einkommens an seinen Herrscher abzugeben hatte. Der Begriff Einkommensteuer entsteht dagegen erst Anfang des 19. Jahrhunderts und wurde erstmals 1811 in Preußen als Kopfsteuer erhoben, um unter anderem die benötigten finanziellen Mittel für den Kampf gegen Napoleon zur Verfügung zu haben. Dieser Zeitpunkt steht beispielhaft für Veränderungen und Reformen von Steuersystemen.

Veränderungen von politischen und wirtschaftlichen Situationen und Grundlagen verlangen regelmäßig neue Wege der Staatsfinanzierung. In der Geschichte und der Entwicklung der Systematik der Einkommensteuer ist durchaus die gesellschaftliche und politische Entwicklung eines Staates abzulesen[2] .

1891 wurde unter Finanzminister Miquel eine Einheits-Einkommensteuer eingeführt. Im Mittelpunkt steht die natürliche Person mit ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit.

In dem System von 1891 sind Ansätze unseres heutigen Steuersystems zu erkennen. So werden die Einkommensquellen heute als Einkunftsarten bezeichnet, von denen es insgesamt sieben gibt.

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Abbildung 1, Kernpunkte des Einkommensteuersystems 1891

1920 wurde das Einkommensteuergesetz EStG eingeführt. Dieses enthält im Vergleich zur Einheits-Einkommensteuer folgende wichtige Entwicklungen:

Seit 1969 ist die Einkommensteuer eine Gemeinschaftssteuer und steht damit Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam zu. Der Anteil der Einkommensteuer und der Lohnsteuer 2016 am Steueraufkommen Deutschlands betrug etwa 34% von insgesamt etwa 706 Mrd. Euro Gesamtsteueraufkommen[3]. Sie zählt damit für die öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen zu den wichtigsten Einkommensquellen.

steuerspirale

Abbildung 2, Steuerspirale 2016, www.bundesfinanzministerium.de

[1] Homburg, Stefan: Allgemeine Steuerlehre, Seite 23 ff., 7., erweiterte Auflage, Verlag Franz Vahlen München 2015.
[2] Birk, Dieter/Desens, Marc/Tappe, Henning: Steuerrecht, 18., neu bearbeitete Auflage, Seite 2 ff. C. F. Müller Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2015.
[3] Bornhofen , Steuerlehre 2 Rechtslage 2014, Seite 1, 35., überarbeitete Auflage, Springer Gabler Wiesbaden 2015.

1.2. Erhebungsformen und Rechtsgrundlagen

Grundsätzlich wird die Einkommensteuer durch Veranlagung durch das Finanzamt festgesetzt. Bestimmte, im Laufe eines Jahres gezahlte Steuern, können dabei als Vorauszahlung angerechnet werden, z. B. die Lohnsteuer, die ein Arbeitnehmer jeden Monat zu entrichten und die sofort vom Arbeitgeber an die Finanzbehörden abgeführt wird.

Die Überschusseinkunftsarten nichtselbständige Arbeit und Kapitalvermögen unterliegen einem Steuerabzug (Lohnsteuer bzw. Kapitalertragsteuer) an der Quelle und sind deshalb sogenannte Quellensteuern. Sie sind keine Steuern eigener Art, sondern nur reine Erhebungsformen zur Einkommensteuer.

Die Einkommensteuer ist eine parallel dazu eine Besitzsteuer sowie eine direkte Steuer (Steuerschuldner und Steuerzahler sind identisch).

Wichtigste Rechtsgrundlagen sind

wobei die EStR nur bindend für die Finanzbehörden sind.

Darüber hinaus nehmen auch die Finanzgerichte sowie der Bundesfinanzhof Einfluss auf das Einkommensteuerrecht.

Des Weiteren ist Art. 105 Abs. 2 GG zu beachten, nach dem die Einkommensteuer der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt, d. h., der Bundesrat muss dem EStG und seinen Änderungen zustimmen.

2. Steuerpflicht und steuerbare Einnahmen

Bevor man sich näher mit der Ermittlung der zu zahlenden Einkommensteuer beschäftigt, sind viele Bearbeitungsschritte erforderlich. Die systematische Reihenfolge der Bearbeitung ergibt sich aus § 2 EStG.

Die zuerst zu klärenden Fragen sind,

Es erfolgt eine Unterteilung in die subjektive (persönliche) Steuerpflicht – wer ist steuerpflichtig - und die objektive (sachliche) Steuerpflicht – welche Einnahmen sind steuerpflichtig.

Die Prüfung, ob steuerpflichtige bzw. steuerfreie Einnahmen vorliegen, erfolgt im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte.


2.1. Subjektive Steuerpflicht

Die persönliche Steuerpflicht und damit die Frage, wer einkommensteuerpflichtig ist und damit Einkommensteuersubjekt wird, regelt § 1 EStG. Das Einkommensteuergesetz unterscheidet zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht für natürliche Personen.

Alle Personen, die weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig sind, sind nicht einkommensteuerpflichtig.

2.1.1. Unbeschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 1 EStG

§ 1 Abs. 1 EStG ist der Haupttatbestand der unbeschränkten Steuerpflicht. Alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Demnach beginnt die unbeschränkte Steuerpflicht mit der lebenden Geburt und endet mit dem Tod.

Als Inland zählt gemäß § 1 Abs.1 S. 2 EStG der Geltungsbereich des EStG und damit das Gebiet Deutschlands. Nur Einkünfte, die in diesem Gebiet erzielt wurden, sind inländische Einkünfte und unterliegen der Einkommensteuer. Liegt die unbeschränkte Steuerpflicht vor, gilt darüber hinaus das Welteinkommensprinzip. Nach diesem Prinzip unterliegen alle Einkünfte, auch diejenigen, die im Ausland erzielt werden, der deutschen Einkommensbesteuerung. Mögliche Doppelbesteuerungen werden über bi- oder multilaterale Abkommen vermieden [4] .

Ein Wohnsitz gemäß § 8 AO ist vorhanden, wenn der Steuerpflichtige eine Wohnung unter solchen Umständen hat, die darauf schließen lassen, dass die Räume beibehalten und genutzt werden können. Wohnungskriterien sind dabei rein objektiv auszulegen. Ein Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer Wohnung ist z. B. die melderechtliche Adresse eines Steuerpflichtigen. Wichtig ist dennoch die tatsächliche, nicht die rechtliche Verfügungsmacht.

Der gewöhnliche Aufenthalt ist gemäß § 9 AO der Ort, der nicht nur vorübergehend genutzt wird. Die Beurteilung, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, ist vor allem davon abhängig, ob sich die Person im Inland aufhält oder nicht[5] . Eine nicht nur vorübergehende Nutzung ist ab einem Nutzungszeitraum von länger als 6 Monaten bzw. 183 Tagen gegeben. Kurzfristige Unterbrechungen sind nicht schädlich. Hält sich eine Person an mehreren Orten im Inland auf, und kommt insgesamt auf einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten, ist ein gewöhnlicher Aufenthalt zu bejahen.

[4] Kußmaul, Heinz: Betriebswirtschaftliche Steuerlehre – Lehr- und Handbücher der Betriebswirtschaftslehre, Seite 267 f., 7., vollständig aktualisierte und erweiterte Auflage, Oldenbourg Verlag München 2014. Weiterführend z. B. Fischer, Lutz/Kleineidam, Hans Jochen/Warneke, Perygin: Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Seite 41 ff., 5. neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage, Erich Schmidt Verlag Berlin 2005.

[5] Dazu auch AEAO, zu § 9 AO.

2.1.2. § 1 Abs. 2 EStG Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht

Unbeschränkt steuerpflichtig sind auch Personen,

Darunter fallen z. B. die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes an den Botschaften, Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz und die zum Haushalt gehörenden Angehörigen.

2.1.3. § 1 Abs. 3 EStG fiktive unbeschränkte Steuerpflicht

Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger dies bei einer inländischen Finanzbehörde beantragt. Dieser Antrag ist dabei nur unter der Voraussetzung möglich, dass

Der Hauptanwendungsfall dieser Regelung sind Personen, die im Ausland ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt haben, aber in Deutschland Einkünfte beziehen, die sogenannten Grenzpendler[7]. Die Höhe der ausländischen Einkünfte muss durch die ausländische Steuerbehörde bescheinigt werden, damit entsprechend ein Abzug der ausländischen Steuer von der festgesetzten deutschen Einkommensteuer möglich ist bzw. eine Doppelbesteuerung dieser Einkünfte vermieden werden kann[8].

[6] Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG für 2017 8.820 €.

[7] Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 267. Für Grenzgänger finden diese Regeln keine Anwendung, das Besteuerungsrecht verbleibt im Wohnsitzstaat, dazu weiterführend BMF v. 12.11.2014 „Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen" m. w. N.

[8] Dazu auch BStBl 2012 I, 108 ff.


2.1.4. Beschränkte Steuerpflicht § 1 Abs. 4 EStG

Natürliche Personen, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, aber inländische Einkünfte nach § 49 EStG erzielen, sind nur mit diesen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig. § 49 EStG regelt das sogenannte Ursprungslandprinzip. Folge der beschränkten Steuerpflicht ist, dass bestimmte, im Einkommensteuergesetz enthaltene Fördermaßnahmen und Unterstützungen nicht in Anspruch genommen werden können, z. B.

bzw.

da unterstellt wird, dass diese Tatbestände im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden[9].

[9] Birk , Steuerrecht, S. 210.

2.2. Objektive Steuerpflicht

Ist eine natürliche Person subjektiv einkommensteuerpflichtig, ist im zweitem Schritt die objektive bzw. sachliche Einkommensteuerpflicht zu prüfen.

Eine sachliche Einkommensteuerpflicht liegt dann vor, wenn die natürliche Person steuerbare Einnahmen bezogen hat. Diese sind immer dann vorhanden, wenn Einnahmen einer der sieben Einkunftsart zugeordnet werden können:

2.2.1. Einnahmen

Der Ausgangspunkt jeder einkommensteuerrechtlichen Betrachtung ist die Analyse, ob tatsächlich steuerbare Einnahmen vorliegen. Einnahmen, die nicht einer Einkunftsart zugeordnet werden können, sind nicht steuerbar und können ohne Steuerzugriff vereinnahmt werden, da hierfür sowohl die subjektiven als auch die objektiven Voraussetzungen erfüllt sein müssen[10] .

Zu diesen Einnahmen zählen z. B.

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Abbildung 3, Prüfschema Zuordnung steuerpflichtige Einnahmen

Der Begriff der Betriebseinnahmen ist im EStG nicht ausdrücklich festgelegt. Aufgrund des Einnahmebegriffs des § 8 Abs. 1 EStG im Zusammenhang mit der Definition der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG, wird nach vorherrschender Meinung die Einnahmedefinition des § 8 EStG auf die Betriebseinnahmen analog angewendet[11]. 

Betriebseinnahmen sind also alle Einnahmen in Geld und Geldeswert, die im Rahmen einer Gewinneinkunftsart zufließen.

Einnahmen i. S. d. § 8 EStG sind alle Einnahmen in Geld und Geldeswert, die im Rahmen einer Überschusseinkunftsart zufließen.

Aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen werden bestimmte steuerbare Einnahmen nach § 3 EStG von der Steuer befreit. § 3 EStG kann dabei auf alle Einkunftsarten angewendet werden; Einschränkungen sind aber zulässig[12]. So sind z. B.

Jede Einnahme, die im § 3 EStG aufgeführt wird, muss eine steuerbare Einnahme sein und daher einer Einkunftsart zugerechnet werden, vgl. Abbildung 2.

So sind z. B. Trinkgelder einer angestellten Kellnerin eine steuerbare Einnahme, § 8 Abs. 1 EStG i. V. m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, aber aufgrund § 3 Nr. 51 EStG nur dann steuerfrei, wenn sie ohne rechtlichen Grund und freiwillig gezahlt werden, z. B. von einem Gast.

[10] Kußmaul , Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 271.
[11] Weiter führend z. B. auch BStBl II 1996, S. 273, 274.
[12] Kußmaul , Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 272. § 3 EStG findet für alle Einkunftsarten Anwendung, kann aber durchaus eingeschränkt werden.

2.2.2. Ausgaben[13]

Ausgaben dürfen von steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden, wenn sie mit diesen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Bei den Gewinneinkünften sind dies Betriebsausgaben, bei den Überschusseinkünften Werbungskosten nach § 9 EStG. Sie werden auch als erwerbsbedingte Aufwendungen bezeichnet, da ein Zusammenhang mit einer Erwerbsquelle vorhanden ist.

Werden Ausgaben steuerfreien Einnahmen zugerechnet, dürfen sie nicht bei der Ermittlung der Einkünfte als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden, vgl. § 3c Abs. 1 EStG.

Aufwendungen für die private Lebensführung i. S. d. § 12 EStG dürfen weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden. 

Bei Aufwendungen i. S. d. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG, die sowohl der privaten Lebensführung dienen bzw. als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig wären (gemischte Aufwendungen), darf eine Aufteilung nach objektiven Maßstäben in einen beruflich und einen privat veranlassten Teil erfolgen, sodass der beruflich veranlasste Anteil abzugsfähig ist[14]. Ergibt die Aufteilung, dass ein Teil von untergeordneter Bedeutung ist, werden die gesamten Aufwendungen dem überwiegenden Teil zugeordnet[15]. Kann keine objektive Trennung durchgeführt werden, gilt nach wie vor das ursprüngliche Abzugs- und Aufteilungsverbot.

Kosten der privaten Lebensführung, die unweigerlich anfallen, zählen niemals zu den gemischten Aufwendungen. Diese Aufgaben sind regelmäßig mit dem Grundfreibetrag des § 32a EStG ausreichend berücksichtigt[16]. 

§ 4 Abs. 5 EStG enthält eine Aufzählung von Ausgaben, die als Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern dürfen. Sie werden als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben bezeichnet und werden dem steuerlichen Gewinn außerbilanziell[17] wieder hinzugerechnet.

Über § 9 Abs. 5 EStG gelten einige dieser Regeln auch für die Überschussermittlung im Rahmen der Überschusseinkünfte.

[13] Zur Abgrenzung von abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Ausgaben siehe auch: Eifler, Michael: Die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Einkommensteuerrecht unter dem Einfluss des § 12 EStG, 1. Auflage, Mastering ConceptConsult Januar 2015.

[14] Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 304 und 305.

[15] BFH vom 21.09.2009, BStBl 2010 II S. 672 und BMF vom 06.07.2010, BStBl I S. 614.

[16] Diese Berücksichtigung ist ein Ausdruck des subjektiven Nettoprinzips. Bestimmte private Ausgaben, denen sich der Steuerpflichtige nicht entziehen kann, werden bei der Ermittlung des zvE gesetzlich zum Abzug zugelassen. Über den Grundfreibetrag gelten insbesondere Kosten für Kleidung, Essen etc. als berücksichtigt. dazu auch Birk, Steuerrecht, 191 f., 304.
[17] Diese Anpassung nach § 60 Abs.2 EStDV kann auch schon innerhalb der Gewinnermittlung durchgeführt werden; gängige Buchführungsprogramme halten entsprechende Konten bereit.

3. Ermittlung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage

3.1. Überblick

Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erfolgt nach dem Schema des § 2 EStG. In dieser Norm ist die grundsätzliche Struktur enthalten, in welchen Schritten von den steuerpflichtigen Einnahmen bis zur Berücksichtigung von Kindern das zu versteuernde Einkommen ermittelt wird. Erst das zu versteuernde Einkommen ist die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer gemäß § 32a EStG. Das verkürzte Schema ist nachfolgend dargestellt[18].

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Abbildung 4, Grundschema Ermittlung zu versteuernde Einkommen

[18] Eine detaillierte und ausführliche Darstellung des Schemas ist in R 2 EStR 2012 enthalten.

3.2. Summe der Einkünfte § 2 Abs. 1 und 2 EStG

§ 2 Abs. 1 und 2 EStG normieren die sieben Einkunftsarten und die Summe der Einkünfte. Um die Summe der Einkünfte schemengerecht zu ermitteln, sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft § 13 EStG zuerst zu bestimmen und die sonstigen Einkünfte § 22 EStG zuletzt.

Die Einkünfte bilden die Grundlage für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und sind der Unterschiedsbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben. Es werden also nur die Nettoeinkünfte versteuert.