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Über dieses Buch:

Marie und ihre Freunde sind traurig: Ihre Lieblingslehrerin Frau Süßer soll an eine andere Schule versetzt werden! Zum Abschied will sie mit den Kindern der Klasse Fünf in ein Schullandheim fahren. Dort angekommen, müssen die Schüler feststellen, dass so eine Klassenfahrt ganz schön kompliziert sein kann – die Betten wackeln, das Essen ist eklig, das Wetter spielt verrückt. Und dann passiert etwas, womit wirklich niemand gerechnet hätte: Bei Schülern und Lehrern kommen plötzlich Frühlingsgefühle auf …

Über die Autorin:

Sissi Flegel, Jahrgang 1944, hat neben ihren Romanen für erwachsene Leser sehr erfolgreich zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, die in 14 Sprachen erschienen sind und mehrfach preisgekrönt wurden. Die Autorin ist verheiratet und lebt in der Nähe von Stuttgart.

Die Autorin im Internet: www.sissi-flegel.de

Bei dotbooks erschienen Sissi Flegels Jugendbuch-Trilogie Internat Sternenfels mit den Einzelbänden Wilde Hummeln, Die Superhexen und Die Vollmondparty sowie folgende Kinderbücher:

Gruselnacht im Klassenzimmer

Bühne frei für Klasse Drei

Wir sind die Klasse Vier

Klassensprecher der Spitzenklasse

Klassensprecher auf heißer Spur

Klassensprecher für alle Fälle

Wir sind die Klasse Fünf


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 Neuausgabe August 2014

Copyright © der Originalausgabe © 1998 by K. Thienemanns Verlag in Stuttgart – Wien – Bern

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

978-3-95520-709-0

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Sissi Flegel

Klasse Fünf und die Liebe

dotbooks.

EIN ECHTER MONTAG

Es gibt schöne Tage und spannende Tage, es gibt lustige Tage und vergnügte Tage, es gibt Glückstage und Pechtage, es gibt Weihnachtstage, Ostertage, Geburtstage, Namenstage, Zeugnistage und Krankheitstage, es gibt Jubiläumstage, Todestage und Hochzeitstage und es gibt Montage. Montage haben es in sich; es soll Menschen geben, die montags am liebsten nicht aufstehen würden, weil sie die Montagsüberraschungen fürchten.

Ein solcher Montag war dieser Montag.

Als Frau Süßer in die Klasse kam, sahen ihr alle an, dass dieser Montag in den Eimer wandern konnte.

Erstens grinste sie nicht vergnügt.

Zweitens wünschte sie der Klasse keinen guten Morgen.

Drittens pflaumte sie Theo an, er solle gefälligst seinen Schulranzen an den Haken hängen, da gehöre er nämlich hin und nicht mitten ins Zimmer.

Und viertens setzte sie sich auf den Stuhl, der hinter ihrem Tisch stand. Das war ganz ungewöhnlich; wenn sie sich setzte, dann auf einen Tisch oder auf den Fenstersims.

»Sind Sie krank?«, fragte Marie mitfühlend.

»Nein«, antwortete Frau Süßer.

»Haben Sie schlecht geschlafen?«, wollte Fatma wissen. »Wenn meine Mutter schlecht geschlafen hat, schaut sie genauso aus wie Sie.«

»Ich habe ganz normal geschlafen«, sagte Frau Süßer.

»Dann haben Sie Streit mit Ihrem Freund«, meinte Theo.

»Nein, das ist es auch nicht.« Frau Süßer blickte zur Decke.

»Ist es noch schlimmer?«, forschte Dominik. »Etwas Schlimmeres als einen Streit kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.«

»Es gibt etwas Schlimmeres, etwas, das nicht schnell vorübergeht, etwas, das bleibt.« Frau Süßer stand auf und wanderte zwischen den Tischen hin und her.

»Sie machen mich ganz kribbelig«, beschwerte sich Rastus.

Frau Süßer schaute von einem zum anderen. »Also, es ist Folgendes: Ihr wisst doch, dass vor einigen Wochen euer Klassenlehrer krank geworden ist und ich deshalb seinen Unterricht übernommen habe. Nun ist der Kollege wieder gesund, sodass er wieder zu euch kommen kann. Das heißt, dass ich nur noch vier Wochen hier bin.«

»Und dann?«

»Dann werde ich an einer anderen Schule unterrichten«, sagte Frau Süßer.

»Und wir?«, fragte Theo sachlich.

»Ihr habt wieder bei Herrn Jonathan Unterricht«, antwortete Frau Süßer.

»Kommt nicht infrage«, sagte Marie entschieden.

»Egal, ob ihr das gut findet oder nicht, ich bin nur noch wenige Wochen hier«, meinte Frau Süßer. »Damit es eine schöne Zeit wird, habe ich zwei Überraschungen für euch. Erstens: In drei Tagen bekommen wir Besuch.«

»Besuch?«, wiederholte Justus skeptisch. »Was für einen Besuch?«

»Wartet's ab«, antwortete Frau Süßer. »Die andere Überraschung behalte ich vorerst noch für mich. Einverstanden?«

»Auf die Überraschungen können wir verzichten«, meinte Justus. »Der Schock genügt.«

Als es klingelte, rannten alle nach draußen, nur Justus machte sich noch an seinem Ranzen zu schaffen.

»Ist was?«, fragte Frau Süßer.

Justus nickte. Tieftraurig schaute er Frau Süßer an, dann schlich er schweigend und mit hängenden Schultern aus dem Klassenzimmer.

DIE ERSTE ÜBERRASCHUNG

Am nächsten Tag knallte Frau Süßer einen braunen Karton auf ihren Lehrertisch, öffnete ihn, holte stapelweise Bücher heraus und verteilte sie.

»Das Geheimnis des sauren Apfels«, las Fatma vor. »So ein Schrott. Ich mag keine sauren Äpfel.«

»Ich auch nicht, ich esse nie Äpfel, die haben mir viel zu viele Vitamine. Außerdem gibt's bei uns nur Ökokost, das reicht«, meinte Steffi.

Frau Süßer grinste. »Es gibt solche Äpfel und solche. Es gibt gesunde Äpfel und Äpfel, die eine Überraschung sind. Wenn ihr ...«

»Ich weiß«, schrie Fatma. »Eine Hexe hat Schneewittchens Apfel vergiftet.«

»Quatsch, das war keine Hexe, das war eine Stiefmutter«, stellte Theo richtig. »Aber meine Stiefmutter macht so was nicht – das hoffe ich wenigstens«, fügte er hinzu.

»Also, was ist mit dem Apfelbuch«, wollte Rastus wissen. »Müssen wir das etwa lesen?«

»Das kommt auf euch an«, meinte Frau Süßer geheimnisvoll. »Der Mensch, der dieses Buch geschrieben hat, kommt morgen zu uns in die Schule und liest daraus vor. Das ist meine erste Überraschung für euch«.

Alle schwiegen.

Wenn Frau Süßer helle Begeisterung erwartet hatte, wurde sie mächtig enttäuscht.

»Kommt der morgen früh – oder müssen wir mittags extra in die Schule kommen?«, wollte Theo wissen. »Ich komme nicht extra, mittags habe ich immer etwas vor.«

»Ihr müsst nicht extra kommen, die Lesung findet während der Schulzeit statt«, beruhigte ihn Frau Süßer.

»Einen ganzen Tag in einem Erlebnispark hätte ich als Überraschung viel besser gefunden. So 'ne Lesung ist doch eine uncoole Überraschung«, meuterte Theo.

Frau Süßer lachte. »Wart's ab, am Ende gefällt dir die Sache doch. Und denk mal nach: Ein ganzer Tag im Erlebnispark hätte deine Freizeit auch ganz schön eingeschränkt.«

Am nächsten Tag gingen sie nach der großen Pause in den Musiksaal. Dort wartete schon die Parallelklasse. Als alle auf ihren Stühlen Platz genommen hatten, kam der Rektor.

Er sagte etwas zu Frau Süßer und Frau Holzapfel, warf die Hände in die Luft und meinte laut: »Die Sache ist nicht zu ändern.«

Die beiden Lehrerinnen waren mächtig sauer, das sah man ihren Gesichtern an.

Sie schauten richtig giftig, als die Achter sich auch noch in den Saal drängelten und sich ganz hinten an den Fenstern niederließen.

»So war das nicht ausgemacht«, protestierte Frau Süßer. »Die Achter sind doch viel zu alt für das Buch!«

»Die Klasse muss versorgt werden«, antwortete der Rektor. »Sie beide werden schon Ruhe in den Laden bringen«, sagte er und verließ fluchtartig den Musiksaal.

»Mist«, schimpfte Frau Süßer und stellte sich vor die Klassen. »Ruhe«, rief sie in das Durcheinander. »Haltet den Mund und hört mir mal zu, ja?«

Die beiden Fünferklassen waren ziemlich schnell ruhig, aber die Großen grölten weiter. Ein paar holten Vesperbrote und Getränkedosen aus ihren Taschen und machten es sich gemütlich. Andere spielten Karten, unterhielten sich und lachten so laut sie konnten. Frau Süßer und Frau Holzapfel brachten nur langsam etwas Ruhe in den Laden.

Vollkommen ruhig wurde es erst, als die Tür aufging und ein kleiner dicker Mann hereinkam. Er hatte das Apfelbuch in der Hand, schaute einmal kurz in die Runde und steuerte dann zielstrebig auf den Stuhl am Klavier zu. Dort ließ er sich nieder.

»Hallo«, sagte er und nutzte den Überraschungseffekt, »vor euch steht ein Verrückter.«

»Huch!«, schrie eine aus der Achten. »Sind Sie gefährlich?

»Und wie«, antwortete der kleine Dicke. »Ich kann mit euch machen, was ich will.«

Die Großen lachten ihn aus.

»Glaubt ihr mir nicht?«, fuhr der Mann fort. »Ich kann euch zum Schweigen, zum Weinen und zum Lachen bringen. Ihr müsst mir nur die Chance dazu geben. Fünf Minuten brauche ich dazu und ihr tut das, was ich will. Wenn es mir nicht gelingt, gehe ich nach fünf Minuten. Einverstanden?«

»Der hat 'ne Meise«, stellte Theo fest.

»Einverstanden?«, wiederholte der Dicke.

Er sagte das so, dass alle, auch die Achter, nickten.

»Gut«, sagte der Mann und begann mit ganz, ganz leiser Stimme zu erzählen. »Stellt euch zwei Schüler vor, die finden eines Tages auf dem Schulhof einen Apfel. Als sie den wie einen Fußball herumkicken, fällt er auseinander und sie sehen, dass da, wo normalerweise die Apfelkerne sitzen, ein Papierröllchen in einer Plastikhülle steckt. Sie nehmen das Röllchen heraus, ziehen es auseinander und lesen, was darauf steht. Die Botschaft ist so verrückt, dass sie ihren Augen zuerst nicht trauen wollen.«

»Was haben sie denn gelesen?«, fragte einer aus der Achten.

»Ist doch total egal«, sagte ein anderer und gähnte laut.

»Mich interessiert's«, fuhr ihn der Erste an. »Also?«

»Klaut das rote Huhn und legt es vor die Ampel am Bahnhof«, antwortete der kleine Dicke.

»Das war die Botschaft?«, fragte Justus und lachte. »Das glaube ich nicht.«

»Ehrenwort«, sagte der Mann.

»Und was hat die Botschaft zu bedeuten?«, wollte Rastus wissen.

»Tja«, sagte der Dicke. »Das lese ich euch jetzt vor.« Er rückte den Stuhl zurecht, schlug das Buch auf und begann zu lesen. Seine Stimme war so leise und die Geschichte so spannend, dass alle gebannt zuhörten.

Plötzlich schlug er das Buch zu, stand auf und sagte: »Na, hab ich euch zu viel versprochen? Ihr habt getan, was ich wollte ...«

»Wie geht's weiter?«, rief Marie.

»Das könnt ihr selbst nachlesen«, antwortete der Dicke. »Ihr habt ja das Buch!«

»Mann, das war cool«, sagte Marie. »Findest du nicht auch, Theo?«

Theo nickte gnädig. »Es war echt nicht uncool!

»Haben Sie die Geschichte wirklich selbst geschrieben? Ich meine, haben Sie sich die Geschichte selbst ausgedacht?« Marie war Feuer und Flamme.

Der Dicke lächelte und nickte.

»Wie macht man das?«, fragte Marie.

Der Dicke konnte nicht sofort antworten, weil der Rektor kam, um die Achter abzuholen.

Es dauerte, bis die draußen waren. Als die Tür hinter dem Letzten ins Schloss fiel, wurde es wieder ruhig.

»Gott sei Dank«, seufzte Frau Holzapfel erleichtert.

»Also, wie machen Sie das?«, fragte Marie nochmals. »Ich stell mir das furchtbar langweilig vor, so viele Sätze zu schreiben. Wie lange braucht man denn für ein ganzes Buch? Ein Jahr vielleicht?«

»Quatsch«, widersprach Theo. »An so 'nem Ding sitzt man garantiert zwei bis drei Jahre.«

Der Autor lachte schallend. »Nein, so lange schreibe ich nicht an einem Buch. Und ganz genau kann ich es euch gar nicht sagen. Es kommt ja auch darauf an, wie lange ich täglich daran arbeite.«

»Ich finde Schreiben echt öde«, warf Claudia ein. »Wenn wir einen Aufsatz schreiben müssen, würde ich am liebsten nicht zur Schule gehen. Haben Sie gerne Aufsätze geschrieben?«

Der Mann wiegte den Kopf hin und her. »Ungern hab ich sie auf jeden Fall nicht geschrieben.«

»Wie alt sind Sie eigentlich?«, fragte Dominik. »Haben Sie Kinder? Sind Sie überhaupt verheiratet? Und wo wohnen Sie denn?«