208 Seiten mit 78 Abbildungen und drei Karten

Titelbild:

Simena, antiker Sarkophag in der Meerenge von Kekova.

Patara, Ehrenbogen für den römischen Statthalter Mettius Modestus.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
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© 2014 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein

ISBN 9783943904871

Gestaltung: Noch & Noch GbR Satz- und Reprotechnik

Lektorat: Carmen Tanzer, Frauke Itzerott

Gestaltung des Titelbildes: Manuela Wirtz, Kommunikationsdesign

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

1. digtale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Kleiner Streifzug durch Geografie und Geschichte

Lykien

Pamphylien und südliches Pisidien

Kilikien

Die Landschaften der Türkischen Riviera in Mittelalter und Neuzeit

Antike Städte und Monumente

Karien

01 Kaunos (Dalyan)  Antike Ruinen beim Schildkrötenstrand

Lykien

02 Telmessos (Fethiye)  Felsgräber überstehen verheerende Erdbeben

03 Kadyanda  Bilder von Krieg und Frieden

04 Oinoanda  Die epikureische Philosophie des Diogenes von Oinoanda

05 Tlos  Erinnerung an den mythischen Helden Bellerophon

06 Pinara  Felsgräber in schwindelerregender Höhe

07 Xanthos  Pfeilergräber als Herrschaftssymbole

08 Letoon  Ein Heiligtum für Leto, Apollon und Artemis

09 Patara  Hauptstadt des Lykischen Bundes

10 Phellos und Antiphellos (Kaş)  Ein Dynastensitz und sein Hafen

11 Kyaneai  Stadt der Sarkophage

12 Simena und Kekova  Antike Ruinen unter Wasser

13 Tyberissos  Monumentales Felsgrab im Holzbaustil

14 Hoyran  Aus dem Felsen geschlagenes Hausgrab mit Familienreliefs

15 Trysa  Ein verlassener Dynastensitz

16 Soura  Das Fischorakel des Apollon Sourios

17 Myra (Demre)  Stadt des hl. Nikolaos

18 Limyra  Residenz des Königs Perikles

19 Arykanda  Kleinstadt in unberührter Gebirgslandschaft

20 Olympos und Chimaira  Hafenstadt und Feuerheiligtum

21 Phaselis  Über Jahrhunderte ein sicherer Hafen

Pamphylien und südliches Pisidien

22 Attaleia (Antalya)  Das Herz der Türkischen Riviera

23 Termessos  Eine Bergfeste trotzt Alexander dem Großen

24 Ariassos  Kleinstadt bei den Taurosgipfeln

25 Kremna  Eine Anfrage beim Würfelorakel des Hermes

26 Evdir Hanı, Kırkgöz Hanı, Susuz Han und İncir Hanı  An anatolischen Lagerfeuern

27 Perge  Stadt der Artemis Pergaia

28 Sillyon  Ein wehrhafter Tafelberg

29 Aspendos  Perlen römischer Baukunst

30 Selge  „Sparta im Taurosgebirge“

31 Side (Selimiye)  Piraten, Kaufleute und Wissenschaftler

32 Lyrbe  Kleinod im Tauros

33 Alara Hanı  Seldschukisches Hotel mit fünf Sternen

34 Korakesion (Alanya)  Piraten, Seldschuken und Osmanen

35 Iotape und Antiocheia am Kragos  Der schwierige Weg zur Romanisierung

Kilikien

36 Anemourion und Mamure Kalesi  Antike Händler und mittelalterliche Ritter

37 Kelenderis  Ein blühendes Hafenstädtchen

38 Seleukeia am Kalykadnos (Silifke)  Ein spätantiker Wallfahrtsort

39 Apadnas  Bei den Mönchen im Taurosgebirge

40 Olba und Diokaisareia  Im Herzen eines Priesterfürstentums

41 Die Korykischen Grotten und Korykos (Kızkalesi)  Am Eingang zur Unterwelt

42 Elaioussa Sebaste und Kanytela  Grabhäuser, Sarkophage und Felsreliefs

43 Soloi/Pompeioupolis  Ein Spaziergang auf der Kolonnadenstraße

44 Tarsos (Tarsus)  Geburtsstadt des Apostels Paulus

45 Adana  Die moderne Großstadt überlagert ihre antiken Vorgänger

46 Sirkeli Höyük  Felsrelief des hethitischen Großkönigs Muwatalli II

47 Yılan Kalesi  Stützpunkt des Königreichs Kleinarmenien

48 Anazarbos (Anavarza)  Umkämpft von Byzantinern und Arabern, Kleinarmeniern und Mamluken

49 Hierapolis Kastabala  Überwachsen und in Vergessenheit geraten

50 Karatepe  Einzigartige Bilder vom Leben in einer späthethitischen Residenz

Glossar

Abgekürzt zitierte Literatur

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Antike Städte und Monumente an der Türkischen Riviera  a) Westteil.

Abb. 1 Antike Städte und Monumente an der Türkischen Riviera  b) Ostteil.

Vorwort

Die Türkische Riviera weckt bei vielen in erster Linie die Vorstellung von einem Urlaub an weißen Sandstränden unter der wärmenden Sonne Anatoliens, doch ist das längst nicht alles, was diese abwechslungsreiche, in den letzten Jahrzehnten immer beliebtere Landschaft zu bieten hat. Da gibt es versteckte Buchten an den zerklüfteten Küsten von Lykien und dem Rauhen Kilikien, weite Baumwollebenen in Pamphylien und im Ebenen Kilikien, großartige Landschaftsbilder des Taurosgebirges mit bis weit in das Frühjahr schneebedeckten Gipfeln und weitere Naturschönheiten wie tief eingeschnittene Canyons mit Wildwasserbächen, romantische Wasserfälle und idyllisch gelegene Stauseen. So bietet die Türkische Riviera die Gewähr für einen erlebnisreichen Urlaub mit der Erholung an herrlichen Stränden und vielen anderen Aktivitäten: Von entspannenden Bootsfahrten auf dem Meer bis zu abenteuerlichen Raftingtouren auf reißenden Gebirgsflüssen, von schönen Wanderungen entlang der lykischen Felsküste (Abb. 2) oder zu abgelegenen Bergdörfern bis zu anstrengenden Trekkingtouren in die unvergleichliche Gipfelwelt des Taurosgebirges.

Nicht weniger reich und vielfältig als die Landschaft präsentiert sich das archäologische Erbe der Türkischen Riviera, das an vielen Orten großflächig und systematisch ausgegraben worden ist. Die meisten dieser Plätze sind als Freilichtmuseen mit erläuternden Plänen, Texten und Wegweisern versehen, eindrucksvolle Ruinen und Rekonstruktionen bedeutender Monumente, von denen das Versammlungsgebäude des Lykischen Bundes in Patara und das Hadrianstor in Antalya hervorzuheben sind, vermitteln ein lebendiges Bild der Antike. Viele andere antike Städte befinden sich, von Bäumen und Gebüsch überwachsen, noch in einem naturbelassenen paradiesischen Zustand und üben gerade deshalb einen besonderen Reiz auf die Besucher aus. Diese sehr unterschiedlichen Bedingungen mussten bei der Auswahl der antiken Städte und Monumente ebenso berücksichtigt werden wie deren Erreichbarkeit und ausgewogene Verteilung über die gesamte Türkische Riviera.

Abb. 2 Die lykische Küste zwischen Kaya Köyü und Ölüdeniz.

Das Hauptproblem aber war die große Zahl sehenswerter Plätze, sodass schon die Aufnahme von nur 50 antiken Stätten manche schwierige Entscheidung erforderte (s. die Karten Abb. 1 a. b, 21). Die Ausführungen zu zahlreichen Orten, die vom Autor bereits in dem Band „Türkei. Südküste. Von Kaunos bis Issos“, 2. Auflage, München 1997, veröffentlicht wurden, konnten für das vorliegende Buch aktualisiert und überarbeitet werden.

Die Palette der für diesen Band ausgewählten antiken Städte reicht von Xanthos, das vor allem dank seiner einzigartigen dynastischen Pfeilergrabmäler in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden ist, über die großen römischen Provinzhauptstädte Patara, Attaleia und Tarsos sowie die reichen pamphylischen Handelsstädte Perge, Aspendos und Side bis zu abgelegenen Orten im Taurosgebirge wie Oinoanda, Arykanda, Selge, Diokaisareia und Karatepe. Alle diese Städte verfügen über eine eindrucksvolle archäologische Hinterlassenschaft; davon wurden in erster Linie die Städte und Monumente der Hethiter, Griechen, Römer und Byzantiner berücksichtigt, aber auch die bemerkenswerten mittelalterlichen Bauten der Kleinarmenier, Seldschuken, Mamluken und Osmanen nicht übersehen. Letztere beschränken sich an der Türkischen Riviera aber nur auf Antalya, Alanya, Silifke, Tarsus und Adana sowie auf die seldschukischen Karawansereien, die an den Handelsstraßen von Antalya in das anatolische Hochland und an der Küstenstraße von Antalya nach Alanya liegen.

Ergänzt werden die Ausführungen zu den antiken Städten und Monumenten durch Hinweise auf die zuständigen Archäologischen Museen, die sich in den türkischen Provinzhauptstädten oder anderen regional bedeutenden Städten befinden, und auf ihre wichtigsten Exponate, die aufgrund der ausgedehnten Zuständigkeitsbereiche dieser Museen von weit voneinander entfernten Fundorten und Grabungsplätzen kommen können. Lediglich das antike Side (Selimiye) verfügt über ein ausgezeichnetes eigenes Museum, das gegenüber der Agora im historischen Ambiente der kaiserzeitlichen Thermen eingerichtet ist.

Kleiner Streifzug durch Geografie und Geschichte

Wie im westlichen Kleinasien finden sich auch an der Türkischen Riviera zahlreiche Denkmäler und Zeugnisse verschiedener eigenständiger Kulturen, die von der Einwanderung erster griechischer Siedler um 1200 v. Chr. bis zur seldschukischen bzw. osmanischen Eroberung und Neugestaltung (12./​15. Jh.) reichen und über die Jahrhunderte ein vielfältiges kulturelles Spektrum bieten. Von den Landschaften und Städten der Südküste ging aber bei Weitem kein so bedeutender politischer, geistiger und kultureller Einfluss aus wie vom westlichen Kleinasien, dessen geografische Brückenlage zwischen Ost und West bis zu den Schlachten des türkischen Unabhängigkeitskrieges gegen die Griechen (1920  1922) immer wieder das politische Schicksal ganz Kleinasiens bestimmte. Demgegenüber lagen die Landschaften der türkischen Südküste, deren geistige und kulturelle Ausstrahlung von Perge, Side und vor allem von Tarsos mit seiner berühmten Philosophenschule ausging, nie im Zentrum, sondern immer an der Peripherie von den Großreichen der Hethiter, Lyder, Perser, Römer, Byzantiner, Seldschuken, Mamluken und Osmanen. Das führte, verstärkt durch die geografisch voneinander abgegrenzte Lage der Teillandschaften Lykien, Pamphylien und Kilikien, immer wieder zur Entwicklung von autonomen und halbautonomen Randstaaten, denen im gleichen Maße wie den wechselnden Großreichen die kulturelle Vielfalt an der Türkischen Riviera zu verdanken ist.

Die unterschiedliche politische Entwicklung ließ es ratsam erscheinen, zumindest für die Zeit der Antike die Geografie und Geschichte der einzelnen Landschaften getrennt darzustellen, wobei das historische Gerüst mit weiteren Einzelinformationen aus den Ortsbeschreibungen aufgefüllt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die Grundzüge der Geschichte der römischen Provinzhauptstädte Patara, Attaleia und Tarsos sowie anderer wichtiger Städte wie Kaunos, Xanthos, Myra, Limyra, Termessos, Perge, Aspendos, Selge, Side und Anazarbos auch für die jeweiligen kleineren Nachbarstädte Gültigkeit haben.

Lykien

Geografie

Östlich von Kaunos, das noch zur südwestkleinasiatischen Landschaft Karien gehört, beginnt am Indos (Dalaman Nehri) das antike Lykien  ein bewaldetes Bergland, das sich mit wunderbaren Stränden, von denen sich die von Ölüdeniz (Abb. 3) und Patara größter Beliebtheit erfreuen, und mit zahlreichen verschwiegenen Buchten, die man vielfach nur mit einem Motor- oder Segelboot erreicht, bis zum Golf von Antalya hinzieht. In Antike und Mittelalter  ja sogar bis zu dem erst 1975 erfolgten Ausbau der landschaftlich grandiosen, aber auch kurvenreichen Küstenstraße  war das gebirgige Lykien, dessen höchste Gipfel in den Ak Dağlar und den Bey Dağları auf über 3.000 m ansteigen und das von wasserreichen Flüssen durchzogen wird, nur schwer zugänglich. In dieser Landschaft gab es keine brauchbare Ost-West-Straßenverbindung, denn wie die Küstenstrecke war auch die Hochlandverbindung über die Ebene von Elmalı sehr schwierig zu begehen. Zwar verzeichnet die Tabula Peutingeriana, die mittelalterliche Kopie einer im 4. Jh. n. Chr. angefertigten Karte der antiken Welt, von Patara über Antiphellos, Korydalla und Phaselis nach Attaleia eine durchgehende Küstenstraße, doch scheint es sich wohl eher um die Stationen einer Schiffsroute zu handeln.

Abb. 3 Der Strand von Ölüdeniz. Ein Hauch von Karibik.

Unter diesen geografischen Voraussetzungen konnten sich Städte überregionaler Bedeutung wie Xanthos, Patara, Myra und Limyra nur in den fruchtbaren Mündungs- und Schwemmlandgebieten entwickeln, die die Flüsse Xanthos (Esen Çayı), Myros (Demre Çayı) und Arykandros (Aykır Çayı) in Jahrtausenden geschaffen haben. Die ansonsten felsige Küste wird von kleinen Häfen bestimmt, die in tief eingeschnittenen Buchten oder hinter vorgelagerten Inseln Schutz fanden wie Telmessos, Patara, Antiphellos, Teimiousa, Andriake und Phaselis. Kleinstädte, Dörfer und Gehöfte des Hinterlandes liegen entsprechend der kleinräumigen Gliederung auf den Anhöhen dieser Berglandschaft und sind in ihrer Entwicklung von der Größe der fruchtbaren, aber meist kleinen Hochtäler und der umliegenden Wälder abhängig (Abb. 4).

Insgesamt muss das antike Lykien erhebliche Überschüsse erwirtschaftet haben, wie anders sind die beiden monumentalen hadrianischen Kornspeicher in Patara und Andriake zu erklären. Bis auf den heutigen Tag sieht man in den landwirtschaftlich geprägten Siedlungen kleinere und größere Speichergebäude, die interessanterweise in ihren Konstruktionsmerkmalen Imitationen alter lykischer Holzhäuser sind: Eine Pfostenkonstruktion mit Längs- und Querbalken, die in den Eckpfosten miteinander verzahnt sind und mit ihren Enden über die Außenwände hinausragen; zwischen den Holzbalken sind die Wände kassettenartig verkleidet. Diese Holzbauweise wurde bei den lykischen Felsgräbern und Sarkophagen bis in die Details imitiert; gleiches gilt wohl auch für das von Rundhölzern getragenen Flachdach vieler Grabhäuser, noch heute in vielen Gebieten die Dachkonstruktion des anatolischen Bauernhauses aus Pappelstämmen. Interessant ist, dass sich die Übernahme der traditionellen Holzbauweise im an Felsgräbern reichen Anatolien auf Lykien beschränkt, wenn wir vom benachbarten karischen Kaunos einmal absehen.

Abb. 4 Phellos, Blick über das Taurosvorland auf die Küste bei Antiphellos (Kaş).

In seiner Gesamtheit bildete Lykien eine in sich geschlossene, nach außen abgeschottete Kulturlandschaft, deren Reiz in der eindrucksvollen Verbindung von rauher, urwüchsiger Natur mit einem großen Reichtum an historischen Monumenten und Ruinenstätten liegt. Die geografisch bedingte Unzugänglichkeit dieser Landschaft war die Voraussetzung dafür, dass Lykien trotz des Druckes auswärtiger Mächte wie der Perser und der hellenistischen Reiche bis zur Integration in das Römische Reich (43 n. Chr.) immer wieder die Kraft zu einem kulturellen und politischen Eigenleben fand. Sichtbarer Ausdruck dafür sind die eigenständige Kunst und Sprache Lykiens, die Bauten und Münzen unabhängiger lykischer Dynasten und der Lykische Bund, ein föderativer Zusammenschluss der lykischen Städte.

Geschichte

Nach antiker Überlieferung sind die Lykier mit dem Volk von Lukka identisch, das mit dem hethitischen Großreich (15.  12. Jh. v. Chr.) Handelsbeziehungen unterhielt; auf den Amarna-Tafeln erscheinen sie als Lukki unter den „Völkern des Meeres“, die im 13. Jh. v. Chr. das pharaonische Ägypten bedrohten. Herodot nimmt an, dass die Lykier, die unter der Führung von Sarpedon und Glaukos im Troianischen Krieg auf Seiten der Troianer kämpften, von der Insel Kreta eingewandert sind. Weitere literarische Nachrichten aus der Frühzeit der Lykier liegen nicht vor, doch konnten im Hochland bei Elmalı Siedlungen einer einheimischen Bevölkerung aus der frühen Bronzezeit (Mitte 2. Jt. v. Chr.) freigelegt werden.

Jahrhunderte haben die Lykier erfolgreich fremden Einflüssen widerstanden, nur an der Ostküste konnten im 7. Jh. v. Chr. Griechen mit der Gründung von Phaselis Fuß fassen. Doch sollte es noch ein weiteres Jahrhundert dauern, bis in den lykischen Hafenstädten neben phönikischen Elementen auch griechische Einflüsse spürbar wurden, die sich an Münzen und Reliefs ablesen lassen. Das ist umso erstaunlicher, als das waldreiche Lykien schon früh einen starken Reiz auf die Griechen ausgeübt haben muss. Wie anders wäre zu erklären, dass sie einige ihrer schönsten Mythen wie die Flucht der Leto mit den göttlichen Zwillingen Apollon und Artemis von Delos zum Letoon und die Heldentaten des korinthischen Helden Bellerophon in die lykische Bergwelt verlegten.

Historisch greifbar werden die Lykier erst wieder Mitte des 6. Jhs. v. Chr., als sie einen Angriff des lydischen Königs Kroisos abwehrten, der mit Ausnahme von Kilikien ganz Kleinasien unter seiner Herrschaft zusammengeführt hatte, sein Reich aber schon 546 v. Chr. an den persischen Großkönig Kyros II. verlor. Die Unterwerfung Lykiens gelang im folgenden Jahr dem persischen Feldherrn Harpagos nach Eroberung von Xanthos, allerdings scheint die persische Herrschaft recht gemäßigt gewesen zu sein. Es blieb keine Besatzung zurück, lykische Dynasten wurden zu Gouverneuren ernannt, die in Grabinschriften als „zweite Befehlshaber“ hinter dem persischen Satrapen in Sardeis betitelt wurden. Auch empfand man die zu zahlenden Tribute nicht als drückend, für die Flotte von Xerxes I., die 480 v. Chr. in der Seeschlacht von Salamis vernichtet wurde, stellten die Lykier nur 50 Schiffe.

Aus dem griechischen Sieg über die persische Großmacht resultierte für die lykischen Städte eine Zwangsmitgliedschaft im Delisch-Attischen Seebund; allein die griechische Kolonie Phaselis schloss sich freiwillig an und diente im Jahre 469 v. Chr. dem Athener Kimon vor der entscheidenden Schlacht am Eurymedon als Flottenstützpunkt. Mit der Abhängigkeit von Athen verstärkte sich der ionische Einfluss auf die lykische Kunst, der besonders deutlich auf Münzen und Reliefs zum Ausdruck kam. Aber schon 429 v. Chr. entlud sich die lykische Reaktion gegen das vordringende Griechentum. Vom Sieg des Dynasten Kherẽi über eine athenische Flottenexpedition unter Melesandros berichtet der berühmte Inschriftenpfeiler von Xanthos, der in lykischer Sprache und unter Verwendung eines griechischen Epigramms die Taten dieses Fürsten verherrlicht.

Eine zweite Phase des griechischen Einflusses ist ab 400 v. Chr. mit dem Nereidenmonument von Xanthos anzusetzen, als attische und peloponnesische Künstler nach der politischen Katastrophe Athens im Peloponnesischen Krieg (431  404 v. Chr.) sich in Karien und Lykien ein neues Betätigungsfeld suchten. Skopas, Leochares und Timotheos standen in Diensten des Maussolos von Halikarnassos, weitere Künstler arbeiteten in den lykischen Residenzen von Xanthos, Trysa und Limyra. Sicher waren es griechische Künstler, die nach den lykischen Münzen mit einem Eber auch die ersten Münzen mit Herrscherporträts schufen: das Bild des Kherẽi von Xanthos (430/​420 v. Chr.) und das eindrucksvolle Porträt des Perikles von Limyra (380  360 v. Chr.).

Perikles von Limyra war der letzte autonome Dynast, der mächtig genug war, einen Zusammenschluss aller lykischen Städte unter seiner Herrschaft ins Auge zu fassen. Zur Erreichung dieses Zieles belagerte er Phaselis und besiegte 372 v. Chr. den persischen Unterstatthalter Arrtum˜ para, der über das Xanthostal und Telmessos herrschte. Nach diesem Sieg nahm Perikles den Königstitel an, wurde aber 366 v. Chr. wegen seiner Teilnahme am unglücklich verlaufenen Satrapenaufstand gegen den persischen Großkönig auf seine Residenz Limyra zurückgeworfen. Die neue Doppelsatrapie „Karien und Lykien“ wurde fortan von Maussolos verwaltet. Die von ihm in Lykien erhobenen Steuern flossen sicher nicht nur in die persische Staatskasse, sondern förderten auch den prunkvollen Ausbau seiner Residenz Halikarnassos. Den Einfallsreichtum des Maussolos belegt die Einführung einer „Bartsteuer“, die der lykische Adel zahlen musste, solange er seine Vorliebe für wallende Haare und wilde Bärte beibehielt.

Vielfach wird angenommen, dass der Lykische Bund, ein föderativer Zusammenschluss aller lykischen Städte, schon bald nach Absetzung der letzten lykischen Dynasten zur bestimmenden politischen Kraft wurde. Dieser Bund hielt sich unter Alexander dem Großen ebenso wie unter den wechselnden hellenistischen Herrschaften von Antigonos Monophthalmos (ab 323 v. Chr.), Lysimachos (ab 301 v. Chr.), den Ptolemäern (ab 288 v. Chr.), den Seleukiden (ab 197 v. Chr.) bis zu den Rhodiern (ab 188 v. Chr.). Den Höhepunkt seiner Macht erreichte der Bund, als er nach zwei vergeblichen Aufständen im Jahre 167 v. Chr. trotz Catos „Rede für die Rhodier“ deren Herrschaft abschüttelte und Rom ihm den Status einer civitas libera zuerkannte.

Im Lykischen Bund konnten die Städte demokratische Einrichtungen verwirklichen, die in der Antike einzigartig waren. Von dem athenischen Redner und Staatstheoretiker Isokrates (436  338 v. Chr.) bis hin zu Montesquieu in seinem 1748 erschienenen Werk „De l’esprit des lois“ fand die lykische Repräsentativverfassung einhellige Anerkennung und wurde auch von den Vätern der amerikanischen Verfassung (1787) als Denkmodell herangezogen. Dennoch darf man die „demokratischen Tendenzen“ der lykischen Bundesverfassung nicht überbewerten, denn es gab keine Primärversammlung und in die Bundesversammlung wurden als Vertreter der Städte natürlich nur Mitglieder der soziopolitischen Elite entsandt.

Über die Anzahl der Mitgliedsstädte liegen in den Quellen widersprüchliche Angaben vor: 23 Städte bei Strabon, 36 Städte bei Plinius. Nach Bedeutung und Einwohnerzahl der Städte verfügten diese in der Bundesversammlung über drei, zwei oder nur eine Stimme. In diesem Verhältnis hatten sie am politischen Entscheidungsprozess Anteil, waren aber auch im gleichen Verhältnis an der Finanzierung der Bundeskasse beteiligt. Drei Stimmen hatten die reichen Städte Xanthos, Tlos, Pinara, Patara, Myra und Olympos, das nach dem Seeräuberkrieg durch Limyra ersetzt wurde, die anderen Städte mussten sich mit zwei oder einer Stimme begnügen. Daneben gab es einige Sympolitien, Zusammenschlüsse von mehreren kleineren Städten, die gemeinsam über eine Stimme verfügten wie Aperlai, Apollonia, Isinda und Simena.

Der Lykische Bund war der Garant für die Selbstständigkeit und die Wahrung eines lykischen Nationalcharakters, doch kündigte sich im Verlauf der römischen Bürgerkriege, als Brutus im Jahre 42 v. Chr. Xanthos zerstörte und Rom immer mehr in die innerlykischen Verhältnisse eingriff, das Ende dieser Tradition an. Im Jahre 43 n. Chr. richtete Kaiser Claudius die Provinz Lycia ein, die von Vespasian (69  79 n. Chr.) mit dem benachbarten Pamphylien zur Doppelprovinz Lycia et Pamphylia zusammengelegt wurde. Diese hatte Bestand bis in die Regierungszeit von Diokletian (284  305 n. Chr.), der die Doppelprovinz mit ihren landschaftlich so unterschiedlichen Teilgebieten, die einem Zusammenschluss in einer gemeinsamen Provinz eher entgegenstanden, wieder in zwei selbstständige Provinzen aufteilte. Unter dieser direkten römischen Herrschaft beschränkten sich die Aufgaben des Lykischen Bundes auf die Pflege des Kaiserkultes, die Verehrung der dea Roma und von Leto, Apollon und Artemis sowie auf die vielfältigen kommunalpolitischen Angelegenheiten, zu denen im Kontakt zum römischen Statthalter in Patara auch Funktionen in der Steuer- und Finanzverwaltung gehörten. Zudem galt der Bund als Schlichtungsinstanz bei Konflikten, insbesondere Grenzstreitigkeiten, zwischen seinen Mitgliedsstädten und konnte durch Gesandtschaften gemeinsame Anliegen dem Kaiser direkt vortragen.

Literatur

Marksteiner, Lykien; Brandt/​Kolb, Lycia et Pamphylia; Hellenkemper/​Hild, Lykien und Pamphylien; Götter, Heroen, Menschen in Lykien, Ausstellungskatalog Schallaburg (1990); Bruns-Özgan, Lykische Grabreliefs.

Pamphylien und südliches Pisidien

Geografie

In der Höhe von Antalya treten die schroff aufsteigenden Ketten des Taurosgebirges von der Mittelmeerküste zurück und umschließen in einem weiten Bogen bis hinter Alanya die gut bewässerte und äußerst fruchtbare pamphylische Küstenebene mit ihren weiten Baumwoll- und Sesamfeldern sowie Orangen- und Zitrusplantagen, die mit langen Sandstränden, wunderbaren Wasserfällen bei Antalya (Abb. 5) und Manavgat und teilweise subtropischer Vegetation das Herz der Türkischen Riviera ist. Maßgeblich gestaltet wurde diese Landschaft von den drei Flüssen Kestros (Aksu), Eurymedon (Köprü Çayı) und Melas (Manavgat Çayı), die über hohen Travertinterrassen, von denen die letzte an der Uferpromenade von Antalya steil zum Meer abfällt, eine etwa 90 km lange und 30 km breite Schwemmlandebene aufgeschichtet haben.

Abb. 5 Antalya, der Obere Düden-Wasserfall.

Diese Ebene bot den ersten griechischen Siedlern, die den Stadtlegenden folgend bereits nach dem Troianischen Krieg in Pamphylien einwanderten, sehr günstige Lebensbedingungen, angebaut wurden nach inschriftlichen Zeugnissen in erster Linie Baumwolle, Oliven und Weizen. Außer zahlreichen kleineren, agrarisch ausgerichteten Siedlungen entstanden die bevölkerungsreichen und recht wohlhabenden Städte Perge, Sillyon, Aspendos und Side, zu denen in der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. noch die pergamenische Gründung Attaleia (Antalya) hinzutrat. Von diesen lagen die stark ummauerten Städte Attaleia und Side direkt am Meer, aber auch die auf markanten Tafelbergen angelegten Städte Perge, Sillyon (Abb. 50) und Aspendos verfügten aufgrund der Tatsache, dass die Küstenlinie weiter landeinwärts verlief und die Flüsse Kestros und Eurymedon in ihrem Unterlauf schiffbar waren, über einen direkten Zugang zum Meer oder im Fall von Sillyon zumindest über eine Hafensiedlung und somit über eine ideale Seeverbindung zum griechischen Mutterland. In ihrer umfangreichen Münzprägung und in vielen Inschriften betonen die pamphylischen Städte die Unabhängigkeit der einzelnen Poleis. Diese kannten keinen Zusammenschluss in Form eines Bundes, sondern pflegten eine zwischenstädtische Rivalität, machten aber bei gleichzeitiger Bewahrung griechischer Kultur Pamphylien zu einem Vorposten der Hellenisierung, sodass sich diese Landschaft kulturell stark vom benachbarten Lykien abhob.

Im Norden wird die pamphylische Küstenebene von den Gebirgszügen des Pisidischen Tauros begrenzt, dessen Hochebenen dem Getreideanbau dienten, während zahlreiche Hochflächen als Sommerweiden genutzt wurden. Der Tauros ließ als steile Barriere kaum Kontakte zwischen der griechischen Bevölkerung Pamphyliens und den einheimischen Pisidern zu. Enger waren lediglich die Beziehungen zu den pisidischen Städten Termessos und Selge, die südlich der Taurospässe liegen und in ihren nahezu uneinnehmbaren Stadtfestungen nicht nur Alexander dem Großen, sondern auch den Angriffen seleukidischer und pergamenischer Könige erfolgreich Widerstand leisteten. Aufgrund ihrer Lage südlich des Tauros waren diese Städte verkehrsmäßig eher auf Pamphylien ausgerichtet und wurden zu Beginn der Kaiserzeit sinnvollerweise zur Provinz Pamphylia geschlagen, Städte wie Ariassos und Kremna, die unmittelbar nördlich des Tauroskammes liegen, kamen zur Provinz Galatia (25 v. Chr.).

Geschichte

Die ältesten Siedlungsspuren in Pamphylien wurden in den Höhlen von Karain und Beldibi entdeckt; in der Höhle von Karain konnten von der Altsteinzeit bis in die römische Kaiserzeit acht Siedlungsschichten festgestellt werden, die durch Stein- und Knochenwerkzeuge sowie durch Keramik Aufschluss über frühe Arbeitstechniken geben. Die erste griechische Einwanderung erfolgte um 1200 v. Chr. nach dem Troianischen Krieg. Teile des siegreichen Heeres erreichten unter der Führung der legendären Seher Mopsos, Kalchas und Amphilochos über das anatolische Hochland die fruchtbare Küstenebene, die die Einwanderer entsprechend ihrer vielfältigen Herkunft Pamphylia („Land aller Stämme“) nannten. Der größte Teil von ihnen fand hier eine neue Heimat, kleinere Splittergruppen sind der Überlieferung zufolge bis nach Kilikien gelangt. Mopsos und Kalchas wurden später von den Bewohnern von Perge als Stadtgründer verehrt; die Städte Sillyon und Aspendos führten ihren Ursprung auf Mopsos, die Stadt Selge auf Kalchas zurück.

Sprachwissenschaftliche Untersuchungen haben eine Bestätigung für diese frühe Besiedlung durch griechische Einwanderer erbracht. Bei der in weiten Teilen Pamphyliens gesprochenen Sprache, die uns von Münzlegenden und Inschriften aus Perge, Sillyon, Aspendos und Side bekannt ist, handelt es sich nämlich um einen aus kyprischem und arkadischem Sprachgut gemischten frühgriechischen Dialekt. Hinzu kommen noch geringe dorische Einflüsse, die auf die in einer zweiten Wanderungswelle um 700 v. Chr. nach Side eingewanderten Kymaier aus der Aiolis zurückzuführen sind. Allein die Bewohner von Side haben diesen pamphylischen Dialekt zunächst nicht angenommen, sondern weiterhin eine einheimische anatolische Sprache gepflegt, die uns durch Münzen und einige wenige Inschriften überliefert ist. Alle bisher bekannten sidetischen Inschriften sind linksläufig geschrieben, darunter befinden sich auch zwei kurze griechisch-sidetische Bilinguen; dennoch ist es bisher nicht gelungen, die Lautwerte aller sidetischen Schriftzeichen zu bestimmen.

Aus dem Dunkeln der Geschichte trat Pamphylien  wie das benachbarte Lykien auch  erst im 7. Jh. v. Chr., als das Land zum Königreich der Lyder gehörte. Bereits 546 v. Chr. wurde es von den vordringenden Persern erobert, unter deren Herrschaft es bis zur Befreiung durch Alexander den Großen im Jahre 334 v. Chr. blieb. Nach Alexanders Tod fiel Pamphylien in der Reichsteilung von Triparadeisos (321 v. Chr.) an Antigonos Monophthalmos und gehörte bis zur Schlacht von Ipsos im Jahre 301 v. Chr. zu dessen kleinasiatischem Großreich. Im folgenden Jahrhundert beanspruchten sowohl die Ptolemäer als auch die Seleukiden Pamphylien für sich. Schließlich wurde auch Rom in diesen Konflikt verwickelt, nachdem der Seleukide Antiochos III. im Jahre 204 v. Chr. Pamphylien und Kilikien erneut zurückgewonnen und sich sogar in die inneren Angelegenheiten Griechenlands eingemischt hatte. Im Jahre 191 v. Chr. wurde er bei den Thermopylen von den Römern besiegt, die mit ihren Verbündeten Pergamon und Rhodos in den Seeschlachten vor Phokaia und Side den Übergang nach Kleinasien erzwangen und Antiochos III. bei Magnesia am Sipylos eine vernichtende Niederlage bereiteten (190 v. Chr.).

In dem Friedensvertrag von Apameia (188 v. Chr.) wurden die Seleukiden endgültig hinter den Tauros zurückgeworfen und die pamphylischen Städte dem Königreich Pergamon zugesprochen. Doch verweigerten diese ihre Unterwerfung, sodass die Pergamener erst 165 und 159/​158 v. Chr. auf zwei Feldzügen mit den westpamphylischen Städten Perge, Sillyon und Aspendos wenigstens einen Teil dieser „Kriegsbeute“ eintreiben konnten. Die ostpamphylische Hafenstadt Side und das südpisidische Selge widerstanden aber den pergamenischen Eroberungsversuchen, sodass Attalos II. (159  138 v. Chr.) mit der Gründung von Attaleia einen neuen Hafen anlegen musste.

Literatur

Brandt/​Kolb, Lycia et Pamphylia; Hellenkemper/​Hild, Lykien und Pamphylien; H. Brandt, Gesellschaft und Wirtschaft Pamphyliens und Pisidiens im Altertum, Asia Minor Studien 7 (1992).

Im Jahre 133 v. Chr. vermachte der letzte pergamenische König Attalos III. sein Reich testamentarisch der Römischen Republik, die daraus die Provinz Asia konstituierte,   ohne gleichzeitig auch Lykien und Pamphylien in diese neue Ordnung einzubinden. Die Städte beider Landschaften genossen als civitates liberae Freundschaft und Schutz des Römischen Volkes, konnten sich aber allein  nach Zurückdrängen der Seleukiden und vor allem nach der Dezimierung der seleukidischen Flotte  nicht mehr der isaurischen und kilikischen Seeräuber erwehren. Handel und Verkehr erlitten großen Schaden, das Wirtschaftssystem des hellenistischen Ostens brach zusammen und Städte wie Olympos, Phaselis und Side mussten ihre Häfen und Märkte den Seeräubern öffnen. Als Rom dem Prätor des Jahres 102 v. Chr., Marcus Antonius, dem Großvater des späteren Triumvirn, den Auftrag gab, militärisch gegen die Seeräuber vorzugehen, zeitigte dieses halbherzig durchgeführte Unternehmen keinen dauerhaften Erfolg.

Die Piraten standen auf dem Höhepunkt ihrer Macht, als Mithradates VI. Eupator von Pontos (121  63 v. Chr.), einer der letzten großen Gegner Roms, während des 1. Mithradatischen Krieges (88  85 v. Chr.) mit ihnen ein Bündnis schloss. Erst in diesem Krieg erkannte man in Rom die Seeräubergefahr in ihrer vollen Tragweite, und P. Servilius Vatia führte nach großen Rüstungsanstrengungen einen dreijährigen Feldzug (79  77 v. Chr.) gegen die ostlykischen, pamphylischen und isaurischen Piraten, dessen erfolgreicher Ausgang ihm den Ehrennamen Isauricus eintrug. Die endgültige Niederwerfung der Seeräuber gelang schließlich dem mit außerordentlichen Vollmachten ausgestatteten Pompeius, der 67 v. Chr. in einer großangelegten 40-tägigen Kampagne das ganze Mittelmeer durchkämmte und die letzte Piratenflotte vor der Festung Korakesion vernichtete.

In der Folgezeit gehörte Pamphylien kurz zur neuen pompeianischen Großprovinz Cilicia, wurde aber in den frühen 40er Jahren von M. Antonius dem römischen Klientelkönig Amyntas von Galatien übertragen, der in Side Münzen prägte. Nach dem Tode des Amyntas im Jahre 25 v. Chr. wurden seine galatischen, lykaonischen und nordpisidischen Besitzungen in die Provinz Galatia umgewandelt, die pamphylischen Städte bildeten zusammen mit den südpisidischen Städten Termessos und Selge die Provinz Pamphylia. Kaiser Vespasian (69  79 n. Chr.) legte Pamphylien mit dem benachbarten Lykien zu einer Doppelprovinz zusammen, doch wurde diese von Diokletian wieder in zwei selbstständige Provinzen aufgeteilt, die bis in byzantinische Zeit bestanden.

Kilikien

Geografie

Das antike Kilikien gliedert sich in zwei geografische Gebiete, wie sie verschiedener kaum sein können: im Westen das Rauhe Kilikien von Syedra bis zum Lamos (Lamas Çayı) mit den bis unmittelbar an die Küste heranreichenden, dicht bewaldeten Gebirgszügen des Tauros, die nur für kleine Küstenebenen Raum geben (Abb. 6), und im Osten das Ebene Kilikien vom Lamos bis zum Amanosgebirge, dessen weite fruchtbare, von den Flüssen Saros (Seyhan Nehri) und Pyramos (Ceyhan Nehri) durchflossene Ebene im Norden vom Tauros, im Osten von Amanos abgeschirmt wird. Erst im Jahre 1975 wurde im Rauhen Kilikien die Küstenstraße ausgebaut, die in endlosen Windungen die Städte Alanya, Anamur und Silifke miteinander verbindet. Eine Fahrt auf dieser Strecke ist besonders reizvoll, da sie traumhafte Ausblicke auf türkisfarbene Buchten mit weißen Sandstränden und umbrandeten Felsen sowie auf kleine Schwemmlandebenen bietet, in denen alle nur denkbaren Arten von Obst und Gemüse sowie sehr geschmackvolle süße Bananen gedeihen. Die moderne Stadt Mersin mit einer schönen Uferpromenade, hübschen Stadtvierteln und einem bedeutenden Hafen liegt bereits im Übergang zum Ebenen Kilikien. Nur wenig östlich öffnet sich bei Tarsus die nahezu baumlose Çukurova, in der mit Hilfe künstlicher Bewässerung eine intensive Landwirtschaft, vor allem Baumwollanbau, betrieben wird, der die Grundlage für den Aufschwung von Adana legte. In der Antike gab es dort noch größere Olivenplantagen, die Araber legten bei Anazarbos sogar Palmenhaine an.

Abb. 6 Küstenlandschaft im Rauhen Kilikien unterhalb der Tokmar Kalesi.

Die geografische Lage macht verständlich, warum das Rauhe Kilikien mit einer Steilküste, die bis zum Kap Anamur Hochgebirgscharakter hat, zu allen Zeiten schwer zugänglich war und bis in die römische Kaiserzeit in Kleinfürstentümer und unabhängige Stammesgebiete zerfiel. Kleinere Städte wie Anemourion entstanden meist im Bereich der Schwemmlandebenen, doch sind auch manche Städte in die Steilküste hineingebaut wie Iotape und in beeindruckender Weise Antiocheia am Kragos. Als letzte der südanatolischen Landschaften konnte das Rauhe Kilikien erst im Jahre 72 n. Chr. in das Römische Reich integriert werden. Demgegenüber war das Ebene Kilikien, von Norden über die Kilikische Pforte und von Südosten über die Syrische Pforte gut zugänglich, ein Durchzugsgebiet zwischen Kleinasien und Syrien/​Mesopotamien und deshalb über Jahrhunderte heftig umkämpft.

Geschichte

Bereits das hethitische Großreich (15.  12. Jh. v. Chr.) nutzte das Ebene Kilikien als Aufmarschbasis gegen die nordsyrischen Fürstentümer und die nach Syrien vorgestoßene zweite Großmacht der Zeit, das ägyptische Pharaonenreich. Etwa zeitgleich mit dem Untergang des hethitischen Großreiches um 1200 v. Chr. erreichten die Spitzen der griechischen Einwanderungswelle unter den Sehern Mopsos und Amphilochos das Ebene Kilikien. Dort gründeten sie die Städte Mallos und Mopsouhestia, die im späthethitischen Königreich Qu‘e aufgingen. Als dessen Vasall Azatiwada in der 2. Hälfte des 8. Jhs. v. Chr. seine Residenz auf dem Karatepe errichten ließ, stand das Ebene Kilikien aber politisch wie kulturell bereits unter starkem assyrischen Einfluss: 715 v. Chr. eroberte Sargon II. das Königreich Qu‘e, zwei Jahrzehnte später zerstörte Sanherib nach einem Aufstand die Stadt Tarsos. Seit dem Jahre 546 v. Chr. gehörte das Ebene Kilikien zu einer persischen Satrapie, die von Tarsos aus verwaltet wurde, bis 333 v. Chr. Alexander der Große mit seinem Sieg über den Großkönig Dareios III. beim kilikischen Issos der Weltgeschichte eine neue Richtung gab.

In den folgenden Jahrhunderten stand Kilikien unter seleukidischer Herrschaft, die für das Rauhe Kilikien zeitweilig nur nominellen Charakter hatte. Als aber die Römer im Frieden von Apameia (188 v. Chr.) die Seleukiden hinter den Tauros zurückdrängten und deren ehemals mächtige Flotte auf 10 Schiffe reduzierten, wurde das Gleichgewicht der Mächte im östlichen Mittelmeerraum entscheidend gestört. Es entstand ein Machtvakuum, in das die kilikischen Piraten hineinstießen. Rom war diese Entwicklung zunächst nicht unangenehm, sorgten doch die Piraten dafür, dass die von der römischen Wirtschaft benötigten Sklaven in immer größerer Zahl auf den Märkten von Delos und anderer Städte wie Side zum Verkauf standen. Erst als sich die Piraten zu größeren Geschwadern zusammenschlossen, mit dem römischen Feind Mithradates VI. Eupator von Pontos (121  63 v. Chr.) paktierten und sogar Sizilien und den römischen Hafen Ostia sowie die küstennahen Straßen Italiens wie die Via Appia unsicher machten, reagierte Rom mit umfassenden Flottenrüstungen.

Im Jahre 67 v. Chr. säuberte der mit einem außerordentlichen Kommando ausgestattete Pompeius das Mittelmeer so gründlich von den Piraten, dass diese erst wieder in byzantinischer Zeit zu einem Problem wurden. Den auf dem Triumphzug des Pompeius mitgeführten Tafeln war zu entnehmen, dass 700 Schiffe erbeutet, 120 Festungen geschleift und 20.000 Piraten gefangen wurden. Über diesen militärischen Erfolg hinaus bewies Pompeius ein gutes Gespür für die von Rom mitverschuldeten sozialen Missstände, die Ursache dafür gewesen waren, dass immer mehr Bauern zu Piraten wurden. Daher siedelte er die gefangenen Piraten im griechischen Dyme und in den kilikischen Städten Soloi, Adana, Mallos und Epiphaneia an, die im Jahre 91 v. Chr. von Tigranes dem Großen weitgehend entvölkert worden waren, als dieser die Bewohner dieser Städte in seine neue Residenz Tigranokerta deportierte.

Nach seinen Siegen über Mithradates VI. Eupator von Pontos und Tigranes den Großen von Armenien richtete Pompeius 64 v. Chr. die beiden Provinzen Pontus et Bithynia und Cilicia ein. Zur letzteren gehörte nominell auch das Rauhe Kilikien, doch zeigte sich Rom noch nicht in der Lage, der kriegerischen Bergstämme Herr zu werden. Aus diesem Grunde behielten auch die Priesterfürstentümer von Olba und Hierapolis Kastabala ihre Unabhängigkeit, die für die Dynastie von Hierapolis Kastabala aber nur bis zum Jahre 17 n. Chr. andauerte. Im Jahre 38 n. Chr. wurde das Rauhe Kilikien dem Klientelkönig Antiochos IV. von Kommagene übertragen, der 52 n. Chr. einem Angriff der Kieten auf Anemourion mehr durch geschickte Diplomatie als durch Waffengewalt erfolgreich begegnete und seine Herrschaft gegenüber den Taurosstämmen durch die Gründung neuer Städte wie Iotape, Antiocheia am Kragos, Germanikopolis und Klaudiopolis festigte. Als 72 n. Chr. Kaiser Vespasian die Ostgrenze des Römischen Reiches an den Euphrat vorschob, verlor Antiochos IV. nicht nur sein Stammland Kommagene, sondern auch seine kilikischen Besitzungen. Das Rauhe Kilikien und das Ebene Kilikien wurden in der Provinz Cilicia zusammengefasst.

Die neue Provinz erlebte wie ihre Nachbarprovinz Lycia et Pamphylia unter der pax Romana eine knapp zweihundertjährige Blütezeit, zollte aber ihrer vorgeschobenen Durchgangslage Tribut, als im Jahre 260 n. Chr. der Sasanide Shapur I. mit Ausnahme von Pompeioupolis alle wichtigen Städte Kilikiens eroberte und plündern ließ; im Jahre 269/​270 n. Chr. drangen die aufständischen Palmyrener unter ihrer Königin Zenobia über Mopsouhestia, Adana und Tarsos bis nach Ankyra vor. Auch regten sich gegen Ende des 3. Jhs. n. Chr. wieder die isaurischen Bergstämme, sodass Kaiser Diokletian die Großprovinz Cilicia in drei Verwaltungseinheiten aufgliederte: Isauria mit der Hauptstadt Seleukeia am Kalykadnos, Cilicia prima um Tarsos und Cilicia secunda um Anazarbos. Allerdings konnte auch diese Straffung der zivilen und militärischen Verwaltung nicht verhindern, dass Anemourion und Seleukeia am Kalykadnos in der 2. Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. von isaurischen Stämmen geplündert wurden.

Literatur

Hild/​Hellenkemper, Kilikien und Isaurien; H. Hellenkemper/​F. Hild, Neue Forschungen in Kilikien (1986); Budde, Antike Mosaiken.

Die Landschaften der Türkischen Riviera in Mittelalter und Neuzeit

Trotz der von Konstantin dem Großen (305  337 n. Chr.) de facto in West und Ost getrennten Reichsverwaltung war das Römische Reich weiterhin als Einheit anzusehen, bis 476 n. Chr. der Germanenfürst Odoaker den letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus absetzte und die Teilung des Reiches auch de iure besiegelte. Das Byzantinische Reich war nicht mehr in der Lage, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, auch wenn Kaiser Iustinian (527  565 n. Chr.) noch einmal Italien und Teile von Nordafrika eroberte. Schon unter Kaiser Herakleios (610  641 n. Chr.), der das Griechische zur offiziellen Reichssprache erhob, begann der Siegeszug der Araber; im Jahre 636 n. Chr. mussten nach der Niederlage am Yarmuk nicht nur Ägypten und Syrien, sondern auch die kilikischen Festungen Anazarbos und Tarsos aufgegeben werden.

Die Schwäche des Byzantinischen Reiches zeigte sich auch bei arabischen Flottenüberfällen auf die Küstenstädte; Perge und Aspendos wurden im 8. Jh. aufgegeben, andere Städte suchten durch Reduzierung ihres Stadtgebietes und Anlage neuer Mauern zu überleben wie Xanthos, Limyra und Side. Im Jahre 672 n. Chr. blockierte eine arabische Flotte von April bis September sogar Konstantinopel. Den Höhepunkt erreichten die Kämpfe unter Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos (912  959 n.