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Über dieses Buch:

Was schenkt man einer Frau, die schon alles hat? Cordula und Katrin überraschen ihre reiche Freundin Linda zum 40. Geburtstag mit einem Stripper. Berauscht von der aufgeheizten Stimmung, beginnen die Freundinnen, sich gegenseitig von ihren geheimsten sexuellen Sehnsüchten zu erzählen. Schließlich fassen sie den Entschluss, dass fortan jeden Monat eine von ihnen mit einem jungen Liebhaber beglückt werden solle. Was als harmlose Spielerei beginnt, entwickelt bald eine Eigendynamik, die keine der Frauen mehr kontrollieren kann. Bis schließlich anonyme Drohbriefe auftauchen und Linda plötzlich wie vom Erdboden verschluckt ist.

Gefährliche Leidenschaft – ein erotischer Roman voller Spannung!

Über die Autorin:

Katalin Sturm, geboren 1965 in Süddeutschland, studierte Germanistik und arbeitet als Lehrerin an einem Gymnasium. Seit ihrer Kindheit widmet sie jede freie Minute dem Schreiben. Katalin Sturm ist außerdem eine leidenschaftliche Malerin und liest alles, was ihr unter die Hände und auf ihren Reader kommt.

Katalin Sturm veröffentlichte bei venusbooks bereits ihre Romane:

Provinzprinzen

Kleinstadthengste

Sexy Secretaries. Schreibtischspiele

Sexy Secretaries. Ein heißer Job

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eBook-Neuausgabe Februar 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2015 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Sabine Thiele

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © iconogenic/iStockphoto.de

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95885-100-9

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Katalin Sturm

Verstohlene Blicke

Erotischer Roman



venusbooks

Prolog

Es ist ein Spiel, hoffte Linda, da haben sich die zwei wieder etwas Besonderes ausgedacht. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass die Wahrscheinlichkeit dieser selbst beruhigenden Vermutung gegen Null tendierte. Der Knebel ließ sie würgen, und die Lederfesseln schnitten schmerzhaft in ihre Handgelenke. Hinter der Augenbinde war es dunkel. Seit gefühlten Stunden drängte ihre übervolle Blase, doch Linda ahnte, dass dies jetzt ihr geringstes Problem war.

Sie fror. Die Luft roch muffig. Wie in einem Kellerverlies ohne Fenster. Unter ihren nackten Fußsohlen spürte sie grob behauene Steine. Die Kälte kroch an ihren Beinen hoch auf das Herz zu. Was war geschehen? Wer hatte sie hier auf diesem Holzstuhl, dessen splitternder Sitz sich schmerzhaft durch ihr Seidenhöschen drückte, festgebunden?

Die Tür knarrte. Lindas Atemnot wurde schlimmer, und sie fürchtete, zu ersticken. Würde sie jetzt erlöst? Käme jetzt ihr Gebieter, der ihre wunden Handgelenke zärtlich massieren, ihre kalten Füße zwischen seinen Schenkeln wärmen würde? Der ihr Blut wieder zum Fließen brächte?

Er stand direkt vor ihr. Sie konnte ihn atmen hören. Schwer und erregt. Was würde geschehen? Seine Hand ließ ihren Kopf zur Seite fliegen. Beim zweiten Schlag schien in ihrem Ohr etwas gerissen zu sein. Schmerzwellen durchfluteten sie. Aufhören, dachte sie. Dann nichts mehr.

Geburtstag

Sie hatten sich etwas Besonderes ausgedacht. Was schenkt man einer Frau, die alles hat? Linda wurde vierzig. Und sie war reich. Reich und gelangweilt. Reich und unzufrieden. Ein bisschen Pep konnte nicht schaden, hatte Katrin gedacht. Cordula war derselben Meinung gewesen, und sie hatten einen Stripper gebucht. Dieser war gerade dabei, seine Hüften lasziv zu den Klängen von Joe Cockers You Can Leave Your Hat on kreisen zu lassen. Seine Figur war fitnessstudiogestählt, das Sixpack zeichnete sich deutlich ab. Nachdem er sich seiner Klamotten bis auf den Slip entledigt hatte, begannen sie, ihn anzufeuern. Cordula pfiff sogar auf ihren Fingern, was Katrin erstaunte.

»Weiter!«, rief sie und nuckelte wie immer, wenn sie aufgeregt war, an einer Haarsträhne. Die Wangen der anderen beiden waren auffällig gerötet. Dies lag, wie Katrin vermutete, nicht nur am Champagner, von dem sie bereits die zweite Flasche leerten. Der Stripper, der sich als Jean vorgestellt hatte, drehte ihnen nun seinen Rücken zu und wackelte mit dem knackigen Hintern. Während er die Hüften seitwärts bewegte, schob er sich mit einer Hand den schwarzen Retroslip Stück für Stück nach unten. Als der blanke Po zu sehen war, ließ er den Slip an seinen Beinen herunterrutschen und stieg schließlich heraus.

»Umdrehen!«, skandierten sie mit energischen Stimmen, und der Stripper folgte ihrer Aufforderung. Allerdings hielt er, schelmisch und gleichzeitig herausfordernd lächelnd, beide Hände vor sein Geschlecht.

»Zeigen!«, riefen sie nun wie aus einem Mund, und der Adonis nahm die Hände weg. Zum Vorschein kam ein glatt rasierter Schambereich, in dessen Mitte ein halb erigierter stolzer Penis zu sehen war. Die Eichel glänzte im schwachen Licht der angezündeten Kerzen.

Noch ein paar Hüftschwünge und der Stripper verbeugte sich. Katrin klatschte ebenso begeistert wie ihre beiden Freundinnen. Der Mann sammelte seine Sachen auf und verschwand mit ihnen unterm Arm im Nebenraum.

»Danke, ihr Lieben, das war wirklich mal eine tolle Idee!« Linda stand auf und umarmte Cordula und Katrin.

»Sollen wir ihn fragen, ob er noch mit uns essen will?« Katrin schaute die beiden Freundinnen abwartend an.

»Warum nicht?« Linda ging hinaus, um den Stripper zu fragen. »Haben Sie Lust, noch mit uns zusammen etwas zu essen?«

Die Tür zum Flur stand offen, und Katrin hörte, wie Jean antwortete: »Leider habe ich gleich meinen nächsten Termin.«

»Schade.« Lindas Stimme klang enttäuscht.

Der Stripper betrat hinter Linda das Wohnzimmer, wo er sich von ihnen mit Handschlag verabschiedete. »Hat mir Spaß gemacht, vor Ihnen zu strippen, Ladies.«

»Uns hat es auch gefallen!« Katrin kicherte.

Linda begleitete ihr Geburtstagsgeschenk bis zur Tür.

Als Linda ins Wohnzimmer zurückkam, war Katrin mit Cordula schon mitten in der Auswertung.

»Hm, was hättest du denn am liebsten mit ihm angestellt?«, wollte Cordula von Linda wissen.

»Bevor wir ins Detail gehen, würde ich sagen, wir holen mal was zum Essen, oder wie seht ihr das?«

»Ja, ich habe wirklich einen Riesenappetit bekommen«, meinte Katrin vieldeutig.

Sie trugen die Platten mit den Köstlichkeiten, die Linda vom besten Caterer der Stadt besorgt hatte, ins Esszimmer und stellten sie auf dem großen Eichentisch ab. Linda hatte bereits mit gestärktem Leinen, Kerzen, feinem Porzellan und schwerem Silberbesteck eingedeckt. Blumen vervollständigten das farblich dezent aufeinander abgestimmte Arrangement. Wieder einmal musste Katrin neidvoll eingestehen, dass Linda nicht nur die Mittel, sondern auch das Geschick hatte, mit derlei Dingen Eindruck zu erwecken. Las sie etwa heimlich diese unsäglichen Zeitschriften? Living at Home, Schöner Wohnen, Zu Hause Wohnen oder wie sie alle hießen.

Nachdem Linda noch das Baguette aus der Küche geholt hatte, setzten sie sich an den Tisch und langten kräftig zu. Dazu hatte Linda einen perfekt temperierten Chablis eingeschenkt. Die Wangen glühten. Während der nächsten Minuten waren nur die begeisterten Kommentare über den Geschmack der Leckereien zu hören. Trüffelpastete, Wild- und Edelfischterrine, Lachscarpaccio, italienisches Grillgemüse und französische Rillettes. Sogar Sushi hatte Linda aufgefahren. Es war wirklich für jeden Geschmack etwas dabei. Als zum guten Schluss noch eine Riesenschüssel braune und weiße Mousse au Chocolat serviert wurde, kam das Gespräch schnell wieder auf den Überraschungsgast.

Katrin leckte genüsslich ihren Löffel ab und verdrehte die Augen. »Hm, damit würde ich gern seinen Body einstreichen und ihn hinterher ablecken«, tat sie kund.

Cordula ging gleich darauf ein. »Und ich würde ihn vorher ans Bett fesseln, dass er sich nicht wehren kann.«

Linda lächelte still in sich hinein. »Und was würdet ihr sonst noch mit ihm tun – außer Ablecken und Fesseln?«

Katrin sah Cordula an, und nahm noch einen kräftigen Schluck aus ihrem Weinglas, bevor sie antwortete: »Ich würde mich dann auf sein Gesicht setzen. Mitten drauf auf seinen Mund. Und wehe, er könnte nicht gut lecken!«

Cordula prustete los. »Ich ziehe einen Platz auf seinem Schniedel vor!«

Linda beschwichtigte die Freundinnen, die laut kreischten. »Langsam, langsam, und was bleibt für mich übrig?«

Eine Weile herrschte ratlose Stille.

»Wir wechseln uns halt ab«, lenkte Katrin ein. »Hoffentlich hat er genug Stehvermögen für uns drei!«

Linda lehnte sich zurück. »Sagt mal, was sind eigentlich so eure geheimsten Wünsche – mal abgesehen von der Schokoladensauerei?«

Erstaunte Blicke. Meinte Linda das jetzt wirklich ernst? Sollten sie über das reden, was sich nur in ihren Köpfen abspielte? Wozu sollte das gut sein? Sie waren jetzt seit zehn Jahren befreundet, aber über derart Intimes hatten sie sich eigentlich noch nie ausgetauscht. Na ja, ab und zu, nach reichlich genossenem Alkohol, mal eine hingeworfene Bemerkung zur Unlust oder zum mangelnden Steh- oder Einfühlungsvermögen des Göttergatten oder des jeweiligen Liebhabers, aber vertieft wurden derartige Themen nicht.

Linda unterbrach das Schweigen. »Okay, ich versteh ja, dass es euch schwerfällt, so einfach darüber zu reden. Aber mir kommt da gerade eine Idee, und vielleicht fällt es euch leichter, wenn ich sie euch erzählt habe.«

Jetzt war Katrin ganz Ohr, und auch Cordula schien gespannt auf Lindas nächste Worte zu warten.

»Schieß los, wir können’s kaum erwarten!« Katrin hatte die Haarsträhne aus dem Mund genommen und zwirbelte sie zwischen den Fingern. Cordula schob ihre Brille auf der Nase zurecht.

Linda ließ sich nicht länger bitten. »Also, vermutlich gibt es Agenturen, bei denen man nicht nur leckere Geburtstagsüberraschungen bestellen kann, sondern auch Männer für spezielle Vorlieben und Wünsche. Und da ich euch gern habe und möchte, dass eure Wünsche, wenn möglich, auch in Erfüllung gehen, würde ich das nötige Geld in die Hand nehmen, um dazu beizutragen.«

Katrin prustete los und verschluckte sich prompt an ihrem Wein. Als sie wieder zu Atem gekommen war, fragte sie mit tränenden Augen: »Du meinst, wir suchen uns einen Kerl aus dem Katalog aus und machen mit dem, wovon wir schon immer träumen?«

Cordula schüttelte ungläubig den Kopf, schwieg aber.

»Das wäre zu einfach, wo bliebe da der Spaß für die anderen beiden? Nein, ich habe mir etwas anderes überlegt.«

Katrin und Cordula hingen an den Lippen der Freundin, die nun erst mal einen Schluck aus ihrem Weinglas nahm und die Pause genüsslich in die Länge zog. Endlich sprach sie weiter: »Wir treffen uns einmal im Monat, und immer ist eine andere von uns dran, ihren geheimen Wunsch zu erzählen. Dann suchen die anderen beiden einen geeigneten Kandidaten aus und bereiten ein Treffen vor. Diejenige, die dran ist, weiß aber nicht, wann und wo dieses Treffen stattfindet. Das heißt, irgendwann während des Monats wird ihr geheimer Wunsch erfüllt. Wenn wir das nächste Mal zusammenkommen, berichtet dann die Beschenkte ausführlich von ihrem Erlebnis. Damit die anderen auch was davon haben.«

Jetzt kicherte Cordula ungeniert los. Der Gedanke schien ihr zu gefallen.

Katrin wiegte unentschlossen den Kopf. »Und wenn mir der Typ nicht gefällt, den ihr für mich ausgesucht habt?«

»Du musst ihn nicht nehmen. Wenn er dir nicht gefällt oder dir nicht danach ist, kannst du ihn wegschicken. Kein Problem. Niemand wird zu was gezwungen. Du hast dir nur eine Chance auf ein besonderes Erlebnis verscherzt.«

Cordula bekam plötzlich ganz rote Wangen. »Ich finde die Idee klasse! Endlich mal etwas Pep in meinem langweiligen Leben!«

Linda intervenierte. »Langweiliges Leben? Liebste Cordula, wenn du da nichts dagegen tust, wer dann? Du bist doch nicht gebunden und somit allein dafür verantwortlich, was du mit deinem Leben machst!«

Cordula nahm die Brille ab und drückte mit Daumen und Zeigefinger gegen ihre Augenwinkel.

»Na, ich glaube nicht, dass Bernd davon begeistert sein wird«, meldete sich Katrin zu Wort. Gleichzeitig dachte sie aber an die Lieblosigkeit, die schon seit Monaten in ihrer Ehe Einzug gehalten hatte. Sie sahen sich kaum noch an, geschlafen hatten sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr miteinander. Selbst Schuld, wenn ich mir meine Selbstbestätigung woanders hole!

»Du wirst ihm doch nicht etwa was davon erzählen wollen, oder?« Cordula schaute sie zweifelnd an.

»Mädels, jetzt denkt einfach mal in Ruhe darüber nach. Wir treffen uns in drei Wochen, da ist der Achtundzwanzigste, und beschließen, wie es weitergeht. Ob wir es machen wollen oder nicht. Ist das okay für euch?«

Katrin

Wie sie ins Bett gekommen war, wusste sie nicht. Sie musste wohl ziemlich viel gebechert haben an Lindas Geburtstag. Ihre Träume in der Nacht waren sehr erotisch gewesen. Daran hatte sicher Lindas ausgefallener Vorschlag seinen Anteil gehabt. Bernd war darin jedenfalls nicht vorgekommen. Zum Glück konnte sie am nächsten Tag, einem Sonntag, ausschlafen. Ausnahmsweise hielt sich sogar ihr Sohn Patrick zurück und weckte sie nicht mit den hämmernden Rhythmen und enervierenden Schreien seiner Lieblingsmetalband.

Katrin schenkte sich noch eine große Tasse von dem schwarzen Gebräu ein, das in der Glaskanne, die wohl schon seit Stunden auf der Heizplatte stand, eingekocht war. Bernd war sicher noch beim Joggen. Wo der immer die Energie hernahm, fragte sich Katrin in letzter Zeit oft. Schließlich war er auch nicht mehr der Jüngste mit seinen bald fünfzig Jahren. Oder wollte er irgendwem mit seinen neuerdings exzessiv betriebenen Sportarten etwas beweisen? Hatte er vielleicht sogar eine heimliche Geliebte, für die er sich in Form bringen musste? Katrin war erstaunt, wie wenig dieser plötzlich aufkommende Gedanke in ihr auslöste. Lag das am gestrigen alkoholschwangeren Abend oder doch eher daran, dass ihre Ehe längst nur noch auf dem Papier bestand? Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Wäre besser, er würde seine Energie in unser Liebesleben investieren!

Die Tür zur Küche öffnete sich und eine verstrubbelte Doro schlich herein. Katrin musste innerlich lächeln, als sie den rosa Schlafanzug mit dem Aufdruck von Prinzessin Lillifee sah. Ihre Tochter war eben manchmal doch noch ein richtiges Kind; die Pubertät klopfte nur ab und zu in Form von Verweigerungshaltung an die Tür. Sie wünschte sich für ihre Kleine, dass sie sich Zeit ließe mit dem Erwachsenwerden. Die Schmerzen kommen noch früh genug!

»Morgen, Mam«, nuschelte Doro und setzte sich an den Esstisch.

Aha, jetzt soll ich wohl springen und der Dame auftischen! Manchmal hatte Katrin diese Bedienmentalität so satt. »Hast du mein schwarzes T-Shirt mittlerweile gewaschen?« Doro sah sie fragend an.

Na prima, da weiß ich ja wieder, welcher Platz mir hier zugewiesen ist. Wieder einmal kam sie sich vor wie eine Dienstmagd. Alle erwarteten von ihr, dass die Wäsche stets frisch gebügelt an ihrem Ort lag, das Essen pünktlich und lecker auf den Tisch kam, die Wohnung blitzte, und sie darüber hinaus auch noch bester Laune war und stets ein offenes Ohr für die kleinen und großen Nöte ihrer Lieben hatte. Es ist ein Klischee! Die frustrierte und nicht genügend gewürdigte Mutter und Ehefrau. Wie viele Filme hatte sie darüber schon gesehen!

Erstaunt sah Doro sie an. Fragte sie sich bereits, was mit ihr los war? Warum sie nicht, wie sonst, sofort aufsprang, um dem Töchterchen ihre Müslizutaten herbeizuholen, einen Apfel oder eine Orange zu schälen und ihr einen Kakao zu kochen? Katrin sah ihre Tochter ebenfalls an. Forschend, als könnte sie in dem Kindergesicht, das nur allzu gern aussehen wollte wie die der Mädels aus Germanys next Topmodel, Antworten auf Fragen finden, die sie sich bisher noch nie gestellt hatte. Für die es aber allmählich wirklich Zeit wurde. Sie hatte nämlich ganz deutlich das Gefühl, dass sie sich selbst mit der Zeit abhanden gekommen war.

»Was ist los mit dir, Mama?« Doro schien zu fühlen, dass etwas anders war als sonst.

»Nichts, was soll sein? Ist halt wieder sehr feuchtfröhlich gewesen bei Linda gestern.«

»Ach, Linda, was findest du nur an der?« Schmollend sah Doro ihre Mutter an.

Linda ist die einzige, die ich kenne, die nichts von mir will. Keinen Anspruch auf mich erhebt. Das wollte sie sagen, doch ihre Tochter würde sie nicht verstehen.

»Was ist jetzt mit meinem T-Shirt? Ich will es heute unbedingt anziehen!«

Katrin schwankte zwischen einer Entschuldigung und einer Zurechtweisung. Bevor sie sich entschieden hatte, hörte sie, wie die Haustür klappte. Das war sicher Bernd. Wieder einer, der etwas wollen würde. Sie hatte es so satt!

Er steckte seinen verschwitzten Kopf zur Küchentür herein. »Hallo, ihr beiden, ich spring nur schnell unter die Dusche, dann leiste ich euch beim Frühstücken Gesellschaft.« Weg war er.

Katrin war unfähig, sich zu erheben. Sie sollte vielleicht neuen Kaffee machen, Eier kochen, Wurst und Käse aus dem Kühlschrank nehmen. Ihre Beine waren bleischwer. Hatte sie wirklich so viel getrunken am vergangenen Abend. Brütete sie etwa eine Erkältung aus? »Nimm’s mir nicht übel, aber ich lege mich noch mal hin. Du kannst ja deinem Pa beim Frühstück Gesellschaft leisten.« Sie erhob sich und schlich wie eine alte Frau hinaus.

Cordula

Wieder ein Sonntag! Warum gab es nur so viele Sonntage? Ob sie einen kurzen Besuch in der Kanzlei einlegen sollte? Da ließen sich doch bestimmt noch ein paar Akten aufstöbern, die sie noch nicht bearbeitet hatte. Zum Beispiel den neuen Scheidungsfall, Schneider gegen Schneider. Sie sollte noch einmal die Vermögensaufstellung überprüfen, da waren ihr doch schon beim ersten Überfliegen Unstimmigkeiten aufgefallen.

Bei dem Wetter konnte sie ja in ganz München keinen Platz finden, an dem sie nicht von glücklichen Paaren oder Familien mit Kind, Kegel und Hund heimgesucht wurde. Im Englischen Garten würden sie ihre Decken ausbreiten und an der Isar oder im Hirschgarten ihre Grills anwerfen. Die Luft würde erfüllt sein vom Rufen und Lachen Ball und Frisbee spielender Kinder, von den Düften der Kebabs und Koftas vom Grill. Auch die Biergärten waren am Sonntag den Familien vorbehalten. Mutti freute sich darüber, einmal nicht kochen zu müssen, Vati zischte ein kühles Blondes nach dem anderen und schaute den vollbusigen Kellnerinnen in den Ausschnitt. Cordula schüttelte sich. Nur die Aussicht darauf, dass sich eine Hälfte von manchem der heute glücklichen Paare irgendwann ihr gegenüber am Schreibtisch einfinden würde, vermochte ihre Stimmung ein wenig aufzulockern. Cordula, du bist ein missgünstiges, von Neid zerfressenes Weibsstück!

Nur gut, dass es da noch Linda gab, Linda, die genug Geld hatte, sich ihr Singleleben angenehm zu gestalten, und die sowohl ihr als auch Katrin mit ihrem Langweiler ab und zu durch ihre verrückten Ideen und Aktionen eine Ahnung davon verschaffte, wie schön das Leben doch sein konnte. Auch ohne Mann! Oder doch wenigstens ohne die Verwicklungen, die normalerweise zusammen mit einem Mann in den Alltag eindrangen. Cordula hatte gewiss nichts gegen eine heiße Affäre, davon gab es in den letzten Jahren mehr als genug. Was sie jedoch ganz sicher nicht wollte, waren die Probleme, die in der Regel dann begannen, wenn der Endorphinschub der ersten Monate langsam abebbte. Nein, in ihr Leben und in ihre Wohnung ließ sie keinen Kerl mehr dauerhaft. Das brachte nur Probleme, gegen die der kurzzeitige Austausch von Körperflüssigkeiten absolut überbewertet war.

Doch so sehr Cordula auch an diesem Morgen die sattsam bekannten Argumente vor sich herbetete, so wenig schenkte sie sich selbst Glauben. Ja, ja, dir geht es wie dem Fuchs mit den Trauben in der bekannten Fabel. Wenn es dir so gut geht in deiner selbst gewählten Einsamkeit, wieso erträgst du es dann so schwer, andere glückliche Paare zu sehen? Da hatte ihre innere, und wieder mal viel zu kritische Stimme recht. Lediglich hinter ihrem Schreibtisch, wenn sie der davor sitzenden schluchzenden Frau ein Tuch aus ihrer Box reichen konnte, fühlte sie sich wohl. Hatte das Gefühl, das richtige Lebenskonzept gewählt zu haben. Gewählt? Lüg dir doch nicht in die Tasche! Der Not gehorchend, sonst nichts!

Wie sollte sie über die neueste Idee Lindas denken? Ihre heimlichsten sexuellen Fantasien offenlegen? Okay, damit hatte sie vor ihren Freundinnen kein Problem, auch wenn dieses Thema nicht gerade oft tangiert wurde. Aber dann zulassen, dass die beiden jemanden aussuchten, der ihr diese Fantasien erfüllen sollte, wollte sie das wirklich? Und anschließend auch davon erzählen, wie es war? Cordula war unschlüssig. Sie war es gewohnt, ihr ganzes Leben, egal ob beruflich oder privat, strukturiert und planmäßig anzugehen. Vielleicht ist gerade das dein Fehler! Versuch doch mal etwas ganz anderes, vielleicht ist es genau das, was du brauchst!

Aber was wäre denn überhaupt ihr geheimster sexueller Wunsch? Wovon träumte sie, ohne an die Erfüllung des Traumes zu glauben? Cordula machte es sich mit einer Tasse Ingwertee auf ihrer Couch bequem. Wenn sie ihre Ex-Männer vor ihrem geistigen Auge Revue passieren ließ, stellte sie fest, dass deren Repertoire doch ziemlich beschränkt gewesen war. Und im Prinzip hatte sie schon Lust, mal etwas Neues auszuprobieren. Zum Beispiel würde sie gern einmal Sex an öffentlichen Orten haben. Die Furcht vor Entdeckung würde sicherlich einen starken Kick verschaffen. Könnte sie überhaupt mit einem vollkommen Fremden vögeln? Cordula beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Vielleicht würde ihr vorausschaubares, durchorganisiertes Leben endlich einmal um eine Nuance reicher werden.

Linda

Als die beiden Freundinnen Lindas Wohnung verlassen hatten, ließ sie alles stehen und liegen und legte sich sofort ins Bett. Sie hatte eindeutig zu viel getrunken. So ein Schmarrn! Wie war sie nur auf solch eine verrückte Idee gekommen! Katrin und Cordula mussten sie doch für völlig durchgedreht halten! Sex auf Bestellung. Und total unvorbereitet. Man stelle sich vor, Katrin kommt mit den Anzügen von Bernd auf dem Arm aus der Reinigung, da taucht Mister Ich-werd-dich-gleich-beglücken auf und verführt sie auf dem Rücksitz ihres Corsas. Linda kicherte. O Frau, du bist unverbesserlich! Oder Cordula kommt gerade, mit der Robe und Aktenbergen kämpfend, aus dem Gerichtsgebäude und Mister Ich-werd-dir-gleich-deine-geheimsten-Wünsche-erfüllen rempelt sie an und verschwindet mit ihr ins nächste Hotel. Wie war sie bloß auf diese Schnapsidee gekommen! Linda setzte in Gedanken auf ihre morgige To-do-Liste »die Mädels anrufen und zurückrudern!«

Doch irgendwie machten sich ihre Gedanken selbstständig und lockten und provozierten. Was sind denn deine geheimsten Wünsche? Wolltest du nicht immer schon mal etwas Kontrolle abgeben, dich so richtig dominieren lassen? Träumst du nicht ständig von dem starken besitzergreifenden Mann? Von einem Mann, der das genaue Gegenteil von dem ist, was Lutz gewesen war?

Linda spürte, wie sie zwischen den Beinen feucht wurde. Wie von selbst fanden ihre Finger die Stelle, die nach ihrer Berührung schrie. Innerhalb weniger Minuten bäumte sich ihr Körper auf. Schwer atmend starrte sie in die Dunkelheit ihres Zimmers.

Wann hatte sie das letzte Mal einen Mann aus Fleisch und Blut im Bett gehabt? Linda konnte es nicht sagen. Sie war vierzig geworden, ein wichtiger Abschnitt ihres Lebens war zu Ende gegangen. Was erwartete sie von den restlichen Jahren? Bei ihrem Mann hatte sie gesehen, wie schnell es gehen konnte. Schmerzen in der Brust, deren Ursache kein Arzt gefunden hatte, und plötzlich hatte er leblos im Bett gelegen. Neben ihr. Er war gerade einmal fünfzig geworden. Die Blumensträuße der Gratulanten waren noch nicht verwelkt gewesen. Und von einem auf den anderen Tag hatte sie ohne jegliche Vorwarnung allein dagestanden. Fünfunddreißig und Witwe. Vermögende Witwe, das schon, aber das Geld war auch die Krux gewesen. Immer hatten sie da bei neuen Männerbekanntschaften im Hintergrund Zweifel geplagt: Liebt mich dieser Mann wirklich oder ist er nur auf mein Geld scharf? Sie schaffte es einfach nicht, zu vertrauen. Dafür hatte sie auch nicht genügend Selbstwertgefühl. Weder mochte sie ihren etwas zu fülligen Körper, noch ihre etwas zu dünnen Haare. Dass sie schon seit einiger Zeit grau wurden, und sie den Ansatz nachfärben lassen musste, mochte sie noch weniger. Wie also sollte sie an Sex kommen? Sollte sie einen Callboy anrufen? Orgasmus auf Bestellung? Nein, das kam für sie nicht infrage. Sie würde sich vorkommen wie eine bedürftige Frau, die auf andere Art keinen Mann mehr findet. Ja und, genau das bist du doch!

Linda drehte sich auf die Seite. Auf dem Nachttisch stand noch immer das Foto ihres Mannes, aufgenommen wenige Tage vor seinem Tod. Sie konnte im schwachen Licht der Außenbeleuchtung nur den Umriss seines Gesichtes erkennen, doch sie kannte seine Züge auswendig. Warum hast du mich so früh verlassen? Warum wolltest du keine Kinder mit mir? Jetzt bin ich ganz allein. Das war das Einzige, was sie ihm vorwerfen konnte. Dass er ihren Kinderwunsch nicht erfüllt hatte. Warum, verstand sie bis heute nicht.

Linda drückte ein paar Tränen zwischen ihren geschlossenen Lidern hervor. Soll das wirklich schon alles gewesen sein? Würde sie nie mehr in ihrem Leben dieses berauschende Gefühl haben: Dieser Eine, auf den hab ich gewartet, dieser Eine ist die Ergänzung zu meinem unvollkommenen Ich? Und, meinst du jetzt etwa, bei dieser verrückten Aktion läuft dir dieser Eine über den Weg? Sicher nicht, aber ein wenig Pep kann auch in meinem Leben nicht schaden.

Sie beschloss, abzuwarten, was Katrin und Cordula beim nächsten Treffen zu ihrem Vorschlag sagen würden. Vielleicht hatte sich die Sache dann ohnehin erledigt. Mit warmen Gefühlen dachte sie an ihre beiden Freundinnen, denen es so ungleich schlechter ging als ihr. Katrin mit ihrem lieblosen Ehemann und den nervenden Kids, Cordula mit ihren ewigen Diäten, die doch nichts brachten, so wenig wie ihre exzessiven Fitnessstudiobesuche. Während sich Linda mit ihrer Figur angefreundet hatte, betrachtete Cordula ihren Körper immer noch als ihren Feind, den sie bei jeder Gelegenheit kasteite.

Vielleicht sollte ich uns dreien mal wieder ein paar Tage in einer Wellnessoase spendieren! Mit diesem Gedanken senkte sich endlich der Schlaf über Linda.

Beratung

»Also, ihr wollt es wirklich?« Linda sah ihre Freundinnen forschend an.

Katrin hatte rote Flecken im Gesicht, Cordula konnte ihre Erregung nur schwer verbergen und nestelte an ihrer Brille. »Ja!«, riefen sie gleichzeitig aus.

»Na, gut, dann schlage ich vor, wir losen, um die Erste zu bestimmen.« Sie ging nach nebenan in ihr Arbeitszimmer und riss drei Zettel von ihrem Notizblock ab. Auf jeden Zettel schrieb sie einen Namen und faltete ihn mehrmals zusammen. Dann warf sie sie in eine Schale und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Katrin und Cordula aufgeregt auf der Couch herumrutschten. Linda hielt die Schale Cordula hin, die nach langem Zögern eines der Papierfitzelchen herausnahm. Gespannt warteten sie, bis Cordula das Papier entfaltet hatte. Die verkniff sich ein Lachen, als sie sah, was für ein Name darauf stand.

»Na sag schon, mach’s nicht so spannend!«, drängte Katrin.

»And the winner is«, Cordula machte eine bedeutungsschwere Pause, während der sie sich an den gespannten Gesichtern der Freundinnen weidete, »the winner is Katrin!«

Katrin schlug die Hände vors Gesicht. In Cordulas Zügen meinte Linda, so etwas wie Erleichterung zu sehen. War sie genauso froh, wie sie selbst, dass sie nicht den Anfang machen musste?

»Wie soll es jetzt weitergehen?« Katrins Stimme klang verzagt und ängstlich.

»Ganz einfach«, antwortete Linda. »Du erzählst uns jetzt, welchen geheimen Wunsch wir dir erfüllen können. Dann gehst du nach Hause, und wir suchen jemanden für dich aus.«

Katrin griff nach ihrem Weinglas. Ihr Gesicht überzog sich mit einer leichten Röte.

»Na sag schon, da muss es doch irgendwas geben, was du gern mal ausprobieren würdest!«, versuchte Cordula, sie zum Reden zu animieren.

»Hm, na ja, ich würde gern mal mit zwei Männern gleichzeitig …«