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Über dieses Buch:

Endlich: Emil und Emilia dürfen mit ihren Freunden ihre Ferien auf einer Burg verbringen. Gemeinsam mit der Nichte des Burgherrn erkunden die Freunde hohe Türme, riesige Hallen und das verwinkelte Verlies. Dabei entdecken sie eine große Schatztruhe – doch sie lässt sich nicht öffnen. Um hinter das Geheimnis der Truhe zu kommen, müssen die Freunde eine aufregende Mutprobe bestehen!

Über die Autorin:

Sissi Flegel, Jahrgang 1944, hat neben ihren Romanen für erwachsene Leser sehr erfolgreich zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, die in 14 Sprachen erschienen sind und mehrfach preisgekrönt wurden. Die Autorin ist verheiratet und lebt in der Nähe von Stuttgart.

Die Autorin im Internet: www.sissi-flegel.de

Bei dotbooks erschienen Sissi Flegels Jugendbuch-Trilogie Internat Sternenfels mit den Einzelbänden Wilde Hummeln, Die Superhexen und Die Vollmondparty sowie folgende Kinderbücher:

Gruselnacht im Klassenzimmer

Bühne frei für Klasse Drei

Wir sind die Klasse Vier

Klassensprecher der Spitzenklasse

Klassensprecher auf heißer Spur

Klassensprecher für alle Fälle

Wir sind die Klasse Fünf

Klasse Fünf und die Liebe

Zum Geburtstag Gänsehaut

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Neuausgabe März 2015

Copyright © der Originalausgabe 2002 by K. Thienemanns Verlag, Stuttgart — Wien

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

ISBN 978-3-95520-893-6

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Sissi Flegel

Mutprobe im Morgengrauen

dotbooks.

SIEGMUND HÄLT WORT!

»Liebe Emilia, lieber Emil! Ich lade euch ein auf meine Burg Dottelfingen. Kommt am ersten Ferienwochenende. Es wartet eine Überraschung auf euch.«

Das hatte Siegmund an Emil und Emilia geschrieben. Und nun war es so weit. Zusammen mit Paul und Paulina, Emils Cousin und Cousine, standen sie mit klopfendem Herzen vor dem Burgtor.

»Da seid ihr ja!«, rief Siegmund. »Willkommen auf der Burg. Kommt herein, es ist alles für euch vorbereitet!«

Die vier griffen nach ihren Rucksäcken und folgten Siegmund, dem Burgherrn. Nach wenigen Schritten standen sie im Innenhof.

»Beim Stadtfest«, sagte Emil, »waren wir nur auf dem Platz vor der Burg.«

»Und auf dem Friedhof dahinter«, ergänzte Paul grinsend und knuffte Emil in die Seite. »Weißt du noch, wie wir über die eiserne Pforte geklettert sind und wie wir dem Gespenst ohne Kopf gefolgt sind?«

»Und wie du den Stein die Treppe hast runterpoltern lassen und wie wir dann entdeckt wurden«, fügte der hinzu.

Siegmund drehte sich lachend zu ihnen um. Er war groß und massig, trug ein blaugrün kariertes Hemd mit Lederflecken an den Ellbogen, und der dicke Bauch hing ein ganzes Stück über den Gürtel seiner Jeans; die roten Haare standen wild vom Kopf ab und wuchsen sogar aus seinen großen Ohren heraus.

»Diesmal haben wir kein Gespenst ohne Kopf!«, verkündete er.

»Welche Überraschung hast du dann für uns vorbereitet?«, wollte Emilia wissen.

»Geduld, Geduld«, antwortete Siegmund grinsend.

Emilia hob die Schultern und rümpfte die Nase. »Wir kennen doch schon alles: das kopflose Gespenst, das sich auf dem alten Friedhof herumtreibt; das Skelett, das bei einer Lesenacht in der Schule kurz vor Mitternacht vor unserem Klassenzimmer gegen die Fensterscheibe baumelte, und über Vampire wissen wir auch Bescheid. Uns kannst du nicht mehr erschrecken, Siegmund.«

»Sogar Vampire kennt ihr?«, fragte Siegmund erstaunt.

»Ja, aus Geschichten, die uns unsere Lehrerin vorgelesen hat«, erklärte Emilia. Sie sah sich im Burghof um und legte den Kopf in den Nacken. »Die Wände sind aber hoch«, meinte sie beeindruckt. »Siehst du die Fenster, Emil? Die sind alle krumm und schief. Warum wohl?«

»Na, weil sie so alt sind«, erklärte Paul. »Ich wette, wenn du mal so alt bist wie die Burg, Emilia, bist du auch krumm und schief.«

»Quatsch«, widersprach Paulina. »So alt wie ‘ne Burg wird kein Mensch.«

Inzwischen hatte Siegmund eine schwere Tür mit vielen eisernen Beschlägen geöffnet. »Kommt«, forderte er sie auf. »Aber passt auf, die Steinstufen der Wendeltreppe sind ziemlich ausgetreten.«

Einige Waffen und bunt bemalte Wappen hingen an den Treppenwänden; die Kinder hielten sich am Geländer fest und betraten gleich darauf eine große Halle. Auch hier war der Boden aus Stein, wölbte und senkte sich und war ganz uneben.

Emilia blieb vor einem riesigen Schrank stehen und zeigte auf die vielen Schnitzereien. »Der macht aber ‘ne Menge Arbeit«, stellte sie fest.

»Warum?«, fragte Siegmund erstaunt. »Was meinst du mit ›’ne Menge Arbeit‹?«

»Ist doch klar: Wenn meine Mutter den abstauben müsste, würde sie jammern ohne Ende.«

»Ach so!« Siegmund lachte. »Wir nehmen es nicht so genau; wir finden, ein bisschen Staub schadet nicht.«

»Du hast dich vielleicht daran gewöhnt. Aber meine Mutter …« Emilia wiegte besorgt den Kopf.

»Die muss ja hier nicht wohnen«, sagte Paulina und legte den Arm um ihre Freundin. Sie folgten Siegmund in ein Zimmer, in dem ein großer Kamin stand. »Das kennen wir schon!«, rief Paulina und ließ sich sofort aufs Sofa sinken. »Huch!«, fuhr sie hoch, als hätte sie versehentlich auf einem Bienenschwarm Platz genommen. »Wer bist denn du? Warum versteckst du dich?«, rief sie aus.

»Ich – mich verstecken?«, wiederholte das Mädchen lachend, das mit einem Buch in der Hand auf dem Sofa saß. »Ich lese. Kannst du lesen? Oder bist du noch zu klein dazu?«

»Lesen? Zu klein zum Lesen? Na hör mal!«, begehrte Paulina auf – und verstummte, während das Mädchen spottete: »Aha. Dachte ich es mir doch gleich – du kannst nicht lesen.«

Wortlos und verblüfft starrten die vier das Mädchen an. Das klappte sein Buch zu und sprang auf. »War nur ein Späßchen. War nicht ernst gemeint.«

Emilia bemerkte sofort bewundernd die langen blonden Haare und zupfte an ihrer krausen schwarzen Mähne.

Paul schubste seine Brille gerade, schielte angestrengt auf den Buchrücken und stellte fest, dass es ausgerechnet das Buch war, das er sich schon längst gewünscht, aber nicht bekommen hatte. Ob das Mädchen es ihm wohl ausleihen würde?

Paulina zog ihre Jeans hoch. Das Mädchen schien ganz schön frech zu sein. Und wie es gekleidet war! Ihre Mutter würde ihr niemals einen so ausgefallenen Pulli kaufen. Quietschgrün war der, mit langen Ärmeln, die oben an den Schultern große Löcher hatten. Absichtliche Löcher. Das sah vielleicht aus! Total ausgeflippt! Paulina runzelte die Stirn. Sie bekam immer nur Jeans und praktische Oberteile. Solche Kleidung hielt ihre Mutter für den Alltag und zum Spielen für völlig ungeeignet. Und dann auch noch Löcher im Pulli …

Und Emil? Emil stand nur da und schaute bewundernd auf das Mädchen. Wie schön sie war! Und wie die blonden Haare glänzten! Er seufzte leise.

»Das ist meine Nichte Felicia«, sagte Siegmund. »Sie wartet schon den ganzen Tag auf euch.«

»Stimmt«, entgegnete das Mädchen cool. »Mir ist schon langsam langweilig. Onkel Siegmund hat mir eine Überraschung angekündigt. Erst, wenn ihr da seid, würde er das Geheimnis lüften, hat er gemeint. Aber nun seid ihr ja endlich hier. Jetzt kann’s losgehen, oder, Onkel Siegmund?« Sie hängte sich bei ihrem Onkel ein. »Ach, fast hätte ich es vergessen. Willkommen auf der Burg. Ich heiße wie gesagt Felicia. Ich verbringe meine Ferien immer auf der Burg Dottelfingen.«

»Ist es dir wirklich langweilig?«, fragte Paul und deutete auf das Buch.

Felicia grinste. »Es ist mein Lieblingsbuch«, erklärte sie. »Dreimal hab ich’s schon gelesen, jetzt kann ich es fast auswendig. Kennst du es?«

Paul schüttelte den Kopf. »Ich hätte es gerne.«

»Hier!« Felicia drückte ihm das Buch in die Hand. »Wenn du es gelesen hast, gibst du es mir wieder zurück, okay?«

»Na klar! Und danke!« Paul hätte sich am liebsten in eine ruhige Ecke zurückgezogen, aber damit wären die anderen nicht einverstanden gewesen. Schließlich waren sie alle neugierig auf das Geheimnis.

Siegmund zog seine Hosen, die ein Stück weit heruntergerutscht waren, hoch und sagte: »Kommt, Kinder, ich zeige euch eure Zimmer.«

DIE BURG DOTTELFINGEN

Siegmund schritt einen langen Gang entlang. Überall standen geschnitzte Stühle, Truhen, Schränke und Tische, sodass Emilia aus dem Naserümpfen gar nicht herauskam und immer wieder flüsterte: »Wenn meine Mutter hier putzen müsste!«

»Warum? Ich stelle mir das nicht schlimm vor«, meinte Paul. »Ich würde einfach mit dem Staubsauger die Möbel absaugen. Geht doch schneller als mit ‘nem Lappen herumzuwedeln.«

Siegmund hatte ihn nicht gehört. Er blieb vor einem großen hölzernen Bottich stehen, in dem mehrere lange Stangen steckten, die am oberen Drittel eiserne Platten trugen.

»Wisst ihr, was das ist?«, fragte Siegmund. Alle schüttelten den Kopf.

»Oben sehen sie ein wenig aus wie Äxte«, meinte Paul langsam. »Aber eine Axt mit einem so langen Stiel macht keinen Sinn.«

»Gut überlegt«, lobte Siegmund. »Mit diesen langen Stangen trieb man früher ein Wildschwein vor sich her. Wenn es sich umdrehte und den Jäger angreifen wollte, lief es in die hölzerne Spitze und das Eisen rammte sich in seine Brust – jedenfalls, wenn es sich so verhielt, wie es der Jäger wünschte!«

»Grausig«, sagte Emilia, schüttelte sich und zeigte auf die vielen Bilder an den Wänden. »Was für Leute sind das, Siegmund?«

»Das sind einige unserer Vorfahren. Ihre Bilder wurden vor sehr langer Zeit gemalt«, erklärte Siegmund und ging langsam weiter.

»Halt, Onkel Siegmund, warte mal!«, rief Felicia und hob den Deckel einer Truhe. »Die Vorfahren sind ja schon lange tot«, erklärte sie eifrig, »aber manche haben ihre Kleider oder Hüte zurückgelassen. Schaut doch mal!«

Sie griff in die Truhe und zog ein kleines Hütchen heraus, das sie sich auf den Kopf setzte, streifte lange schwarze Handschuhe über, die bis weit über die Ellbogen reichten, und hängte sich schließlich noch ein perlenbesetztes Täschchen ans Handgelenk. »Toll, was? Ich sag euch, hier in der Burg haben wir eine Menge alter Klamotten!« Sie stolzierte den Gang auf und ab und machte vor Emil eine tiefe Verbeugung. Der schluckte und wurde rot.

»Nun kommt schon«, sagte Siegmund. Er ging weiter und öffnete die zweitletzte und die letzte Tür am Ende des Ganges. »Wir sind am Ziel. Hier schlafen die Mädchen, da die Buben.«

»Wow …!« Das war alles, was Emilia herausbrachte.

»Das ist ein Himmelbett, nicht wahr?«, fragte Paulina. »Ist das für uns?«

»Für dich und Emilia.«

»Das ist schön«, meinte Paulina ehrfürchtig. »Wofür sind die Vorhänge an den Stangen?«

»Die halten die kalte Luft ab«, antwortete Siegmund. »Wisst ihr, in so einer alten Burg zieht es immer.«

»Klar«, unterbrach ihn Emilia eifrig. »Alle Fenster sind krumm und schief. Bestimmt schließen sie nicht dicht.« Sie deutete auf eine Schale mit Schokoladentäfelchen. »Hier hat jemand seine Schokolade vergessen.«

»Die ist für euch zum Naschen«, erklärte Siegmund und zeigte ihnen noch den Kleiderschrank und das Bad.

Emil und Paul hatten sich inzwischen ihr Zimmer angeschaut. »Wir haben auch ein Himmelbett«, verkündeten sie. »Und viele Gummibärchen. Und eine große Taschenlampe. Wofür ist die Taschenlampe?«