Danksagung

Wir danken den vielen Schülerinnen und Schülern, die uns bereitwillig und mit großer Aufrichtigkeit Auskunft darüber gaben, was ihnen an ihren Lehrern und an ­ihrer Schule gefällt und was nicht. Die Beispiele aus Schülersicht stammen von ihnen.

Pädagogen und Bildungsverantwortliche, die an unserem Institut NLP lernten, haben uns viele praktische Impulse geschenkt. Die Beispiele aus Lehrersicht stammen von ihnen. Vielen Dank dafür!

Eingeflossen sind auch Erfahrungen aus unseren Fallsupervisionen in einer psychi­atrischen Kinderklinik und einer Suchtklinik. Für ihre Hilfe und ihre ­liebevolle ­Zuwendung den Patienten gegenüber kann den Teams aus Schwestern, Pflegern, Ärzten, Therapeuten und Sozialpädagogen gar nicht genug gedankt werden.

Vorwort

Ein Buch für Lehrer. Eines, das wirklich Neues bringt. Das anfängt, wo andere aufhören. Das unsere Methode – das Neurolinguistische Programmieren (NLP) und seinen lösungsorientierten, systemischen Ansatz – für den Schulalltag nutzbar macht. Das ist unser Anspruch an dieses Buchprojekt.

Damit das gelingt, muss zuvor eine Wahl getroffen werden. Das Buch könnte den Schüler in den Fokus nehmen und Lehrern pädagogische Methodik an die Hand geben, die darauf abzielt, den Schüler, sein Verhalten, seine Motivation zu verändern. Auch dafür bietet NLP zahlreiche Ansätze. Doch darüber haben Kollegen bereits viel Hilfreiches geschrieben.

Ein anderer Ansatz wäre, den Lehrer in den Fokus zu nehmen: seine Persönlichkeit, seine Sicht auf Schule, Schüler, Eltern, Kollegen, Umfeld und sein Potenzial, die Dinge zu verändern. Dafür haben wir uns entschieden. Denn als Lehrtrainer und Coaches für NLP sind wir überzeugt: Wir können das Verhalten anderer Menschen nicht ändern – unsere Reaktion darauf sehr wohl.

Alle Veränderung beginnt bei uns selbst

Wer dieser Sichtweise folgt, reflektiert Fragen wie diese:

In dieser Sichtweise blickt der Lehrer auf sich selbst, auf sein Inneres, auf seine Vor­annahmen und auf seine Wirkung. Der Lehrer wird zum Objekt seines eigenen Veränderungsprozesses. Dieses Buch ist also ein Veränderungsbuch für Lehrer. Sie erfahren viel über sich selbst, Ihre Erfolgs- und Misserfolgsstrategien, Ihre inneren Coaches und Ihre inneren Saboteure. Wie Sie das Wesen eines Ihnen anvertrauten Kindes oder Jugendlichen erkennen und eine tragfähige Beziehung aufbauen können. Wie Sie das nachhaltige „JA“ der Schülerin erwerben, das die Bedingung für jede erfolgreiche Lernbeziehung ist. Wie Sie Ihren Unterricht magnetisieren, sodass Ihre Schüler gespannt und mit Vorfreude auf die Zeit mit Ihnen warten. Und wie Sie in Ihrem Beruf langfristig glücklich und gesund werden und bleiben.

Wenn sich dabei Schüler, Schule – und überhaupt: das Leben an sich – verändern, dann geschieht das weder beabsichtigt noch versehentlich. Es ist unvermeidlich.

Wir wünschen Ihnen viel Freude und gute neue Erkenntnisse.

Ihre

Petra & Ralf Dannemeyer

P. S.: Wir wechseln im Text zwischen den Geschlechtern, sprechen also mal von Lehrerinnen, mal von Lehrern oder mal von Schülerinnen, mal von Schülern. Gemeint sind Männer und Frauen, Mädchen und Jungen.

P. P. S.: Zu diesem Buch ist ein Begleitheft erschienen: Das „NLP-Übungsheft für Lehrer“. Darin finden Sie ein Trainingsprogramm aus 66 Aufgaben zu jedem Thema dieses Buches. Ideal für die sofortige Anwendung Ihres neuen Wissens.

(ISBN 978-3-95571-337-9)

Einführung

Was ist NLP?

Die in diesem Buch vorgestellten Methoden, Interventionen und Ideen zur Erleichterung des pädagogischen Alltags basieren auf dem Modell des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), ergänzt durch die Weiterentwicklungen an unserem „perspektiven – Institut für Mentaltraining“ in Weimar. Wir präsentieren Ihnen also eine der zahlreichen Anwendungsgebiete des NLP, speziell zugeschnitten auf Ihre Bedürfnisse als Lehrer und Pädagogen. Da macht es Sinn, zunächst einmal zu erläutern, was NLP eigentlich ist und auf welchen Theorien, Ideen und Idealen dieses Modell basiert.

NLP ist ein Forschungsfeld aus dem Bereich der Verhaltens- und Kognitionswissenschaften. Die Aufmerksamkeit gilt dem subjektiven Empfinden von Menschen und dessen Veränderbarkeit. Ausgehend von den Erkenntnissen der modernen Systemtheorie, Linguistik, Neurophysiologie und Neurobiologie sowie Psychologie beschreibt NLP, wie Menschen

Wie alles begann

Die frühen 70er-Jahre in Kalifornien. Die Woodstock-Generation rüttelt an den Grundfesten gesellschaftlicher Vorstellungen. Der Zeitgeist ist geprägt von Flower Power, Bewusstseinserweiterung, Spiritualität und Aufbruch. Die jungen Menschen haben die Auswüchse einer autoritären, mitunter menschenverachtenden Pädagogik erlebt. Sie stehen zudem unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und des Vietnamkriegs. Sie haben den Glauben daran verloren, von den Repräsentanten alter Weltbilder das Richtige lernen zu können. In dieser kreativ-wilden Zeit entsteht NLP. Es ist sozusagen ein Kind dieser Zeit.

Kinder dieser Zeit sind auch Richard Bandler, John Grinder und Frank Pucelik, die im Umfeld der University of California in Santa Cruz (USA) das NLP „erfinden“. Sie sind brennend an der Frage interessiert, wie bestimmte „Zauberer“ in der Psychotherapie ihre Klienten so beeinflussen, dass Zwänge, Ängste und psychosomatische Beschwerden in kurzer Zeit geheilt werden. Warum schaffen das einige Therapeuten, während die große Mehrheit diese Erfolge nicht erzielt? „Gute“ wie „schlechte“ Therapeuten verfügen doch über die gleichen theoretischen Erkenntnisse – was also ist der Unterschied, der den Unterschied macht?

Ein wissenschaftliches Forschungsprojekt ist geboren. Grinder, Bandler und Pucelik analysieren die Arbeit dreier Startherapeuten:

Perls’ († 1970) Vermächtnis waren umfangreiche Live-Transskripte seiner Sitzungen, deren Essenz das Projekt bereichert. Virginia Satir und Milton Erickson beteiligen sich gern an dem interessanten Experiment und laden die NLP-Begründer in ihre Therapiesitzungen und Seminare ein. Grinder, Bandler und Pucelik untersuchen die Sprache ihrer „Modelle“, ihr nonverbales Verhalten und ihre mentalen Prozesse. Sie beobachten, filmen, vergleichen: Wie verhalten sich Satir und Erickson? Wie rea­gieren sie? Wann und wie sagen sie etwas? Und wie bewegen sie sich dabei? Dann trennen sie „Zufälle“ von wiederholbaren Mustern des Erfolgs – also Strategien, mit denen Satir und Erickson immer wieder gute Ergebnisse erzielen: Diese Suche nach Exzellenz führt zu ebenso verblüffenden wie faszinierenden Ergebnissen. Was Satir, Perls und Erickson tun, geschieht intuitiv, denn sie selbst haben dafür (noch) keine theoretische Begründung. Gleichwohl gibt es eine Grammatik. Denn die drei Therapeuten – die verschiedene Richtungen vertreten und voneinander kaum wissen – machen in bestimmten therapeutischen Kontexten das Gleiche – immer wieder, scheinbar unbeabsichtigt, meist mit Erfolg. Bandler, Pucelik und Grinder wird klar, was sie hier entdeckt haben: Spezifische Muster des Erfolgs, die nun standardisiert, gelernt und gelehrt werden können. Sie haben die „Struktur der Magie“ entdeckt1.

Die Erfolge aus Kalifornien verbreiten sich in Fachkreisen wie ein Lauffeuer. Mit brennenden Herzen reisen Menschen von überall her an, lernen und entwickeln mit Bandler, Pucelik und Grinder deren Ideen weiter. Auch die bei der Beobachtung von Satir, Erickson und Perls angewandte Informationssammlung wird systematisiert und unter der Bezeichnung „Modelling“ in die NLP-Schatzkiste aufgenommen. Damit gelingt es, unbewusste Fertigkeiten von „Modellen“ nicht nur zu beschreiben, sondern diese auch auf eigenes Verhalten zu übertragen: Eine Grundlage für eine neue Sicht auf Lernen, Erfolgsorientierung und Mentaltraining. Die Strategien von Menschen mit exzellenten Fähigkeiten auf ihrem Gebiet können nun erforscht und praktisch jedem zugänglich gemacht werden, der dies möchte. Doch damit nicht genug. Die zweite Sensation ist diese: Auch Limitationen wie etwa Zwänge, einschränkende Glaubenssätze, Phobien, innere Widersprüche können bald besser erklärt werden – NLP liefert die Grundlagen für kurzzeittherapeutische Konzepte (Bandler & Grinder, 2013). Ausschlaggebend dafür ist die Fähigkeit, sich im Gespräch sowohl körperlich als auch sprachlich präzise in die subjektive Erlebenswelt des anderen hineinzuversetzen. Dabei gewinnt der NLP-Kundige Informationen, um zu verstehen, wie der andere sein inneres Erleben – und somit auch seine Möglichkeiten und Einschränkungen – bewusst und unbewusst organisiert und aufrechterhält. Auf dieser Basis können dann – für den Klienten maßgeschneidert – neue Alternativen und Lösungen für Probleme, Konflikte, unerwünschte Zustände oder Verhaltensweisen gefunden werden.

Was NLP den Lehrern schenken kann

Was hat das alles mit Ihrem Beruf als Lehrerin oder Lehrer zu tun? Was können Sie damit im Klassenzimmer anfangen? Diese Fragen beantworten wir, indem wir noch einmal an die ersten „Modelle“ von Bandler, Pucelik und Grinder erinnern: Fritz Perls, Virginia Satir und Milton H. Erickson. Deren herausragende Bedeutung bestand in ihren Grundüberzeugungen, mit denen sie die damaligen Grenzen der Psychologie sprengten – und die auch heute noch viele Antworten für den Lehrerberuf bereithalten:

Fritz Perls, Virginia Satir und Milton Erickson glaubten fest daran, dass jeder Mensch das Bedürfnis hat zu wachsen. Sie bezogen die nonverbale Kommunikation als entscheidendes Element in die Veränderungsarbeit ein. Gemeinsam war den Dreien überdies ein auf Autonomie, Gleichberechtigung und Entwicklung zielendes Menschenbild. Es ist so grundlegend für alle weiteren Erkenntnisse in diesem Buch, dass wir näher darauf eingehen.

Das Menschenbild fordert eine besondere Pädagogik

In europäischen Fachkreisen machte Ende der 1970er-Jahre das Gerücht über eine Gruppe „durchgeknallter Amis“ die Runde, die merkwürdige Therapien ausprobierten und damit gigantische Erfolge erzielten. Die Österreicherin Gundl Kutschera, damals Lehrtrainerin für Familientherapie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, befand sich zu dieser Zeit mit ihrem Mann auf einer Studienreise in den USA. „Ich wollte einfach eine gute Therapeutin sein“, erzählte sie uns, „deshalb wollte ich diese Leute kennenlernen.“ Sie begegnete nicht nur Richard Bandler und John Grinder, sondern belegte auch Seminare in systemischer Therapie bei Virginia Satir. Zurück in ihrer Heimat war Gundl Kutschera die erste Frau, die NLP im deutschsprachigen Raum einführte. Wir hatten das Glück, einige Jahre mit der heute über 70-jährigen Grande Dame unserer Disziplin zusammenarbeiten zu dürfen. Sie bildete uns zu Trainern und Coaches aus.

Abends erzählte sie gern von ihrer Zeit mit Virginia Satir. Ihre ohnehin stets strahlenden Augen wurden noch weicher, ihr Herz schien sich noch weiter zu öffnen, wenn sie über ihre Lehrerin sprach, die 1988 gestorben war. Sie erzählte uns, Virginia Satir sei immer ganz bei den Menschen gewesen. Von allen Dingen, die sie tat, war sie voll und ganz überzeugt. Sie liebte die Menschen und glaubte an ihre Wachstumsfähigkeit. Besonders für die Kinder war sie da. In der Familientherapie stellte sie die Kleinen auf einen Stuhl, damit sie immer auf Augenhöhe mit den Erwachsenen sprechen konnten. Sie war eine unermüdliche Arbeiterin, verfolgte ihre Ideen und war absolut autonom. Wenn sie auf Widerstand stieß oder Rückschläge erlitt, betrachtete sie das niemals als Versagen, sondern als Feedback. Zeit ihres Lebens war sie eine Suchende nach dem Glück der Menschen.

Mit Jeffrey Zeig trafen wir einen langjährigen Schüler Milton H. Ericksons. Er begegnete dem Großmeister der Hypnose 1973, studierte dessen Arbeit intensiv, promovierte 1977 zu einem Aspekt der Hypnotherapie und lebte und arbeitete mit seinem Lehrer bis zu dessen Tod 1980 in Phoenix, Arizona. Dort begründete Jeffrey Zeig danach die international tätige Milton H. Erickson Foundation, veröffentlichte zahlreiche Publikationen und verhalf dieser Therapierichtung mit seiner Lehrtätigkeit zu internationaler Anerkennung. In der Fachwelt wird seine Erklärung, Systematisierung und Strukturierung der Ericksonschen Hypnotherapie als besonderes Verdienst anerkannt.

2013 trafen wir Jeffrey Zeig anlässlich eines hypnotherapeutischen Workshops. Während eines Abendessens erzählte er uns von seiner Zeit mit Milton Erickson. Es war der warmherzige, herzöffnende und aufschlussreiche Bericht eines inzwischen über 65 Jahre alten Psychotherapeuten, Hypnotiseurs und Dozenten, der seinen Lehrer mehr als verehrte.

Danach sei Milton Ericksons Arbeit von tiefer Liebe zu seinen Patienten geprägt gewesen. Er interessierte sich weniger für deren Limitationen; sein Interesse galt ihrem Wesen und ihrem Veränderungspotenzial. In diesem Zusammenhang sprach Erickson die, wie er es nannte, „Weisheit des Unbewussten“ an. Er, der Therapeut, habe diese nur anzuregen; die Veränderungskraft werde dann von allein wirksam. Er „übte“ ständig und entwickelte sich stets weiter, erzählte uns Zeig. Er verlangte, dass alle Therapeuten und Lehrenden ihre Methodik ständig auf die Probe stellten und optimierten. „Faule Therapeuten“, wie er sie nannte, bekamen bei Erickson keine Chance; seine Freundlichkeit konnte in beißende Provokation umschlagen, sobald er bemerkte, dass ein Therapeut oder ein Schüler konzeptlos daherredete oder seine Kunst der Wahrnehmung, der Wortwahl, des Stimmeinsatzes und der Körpersprache nicht ständig verfeinerte. So hatte auch Jeffrey Zeig bei ihm harte Nüsse zu knacken.

Uns ist niemand begegnet, der Fritz Perls persönlich kannte. Doch wir sind sicher, dass die Beschreibungen ähnlich wären. In Biografien wird er als ewig Suchender beschrieben, der über die Verzweiflung einer selbst erlittenen existenziellen Krise zum „großen alten Mann“ der Gestalttherapie wurde. Er selbst erklärte seine Arbeit so: „Das Ziel dieser Wissenschaften ist nicht, uns Erklärungen für Verhaltensweisen zu geben, vielmehr, uns Selbsterkenntnis, Befriedigung und Selbständigkeit erreichen zu helfen.“ (Walker, 2000, S. 151)

Satirs, Ericksons und Perls’ Ideale sind nicht vergessen. Pädagogen, Psychologen, Soziologen und Neurobiologen debattieren sie heute besonders intensiv. Die moderne Gehirnforschung hat in den letzten Jahren bahnbrechende Erkenntnisse gewonnen. Aus ihnen lässt sich ableiten, dass der Lehrerpersönlichkeit größte Bedeutung für Lust oder Unlust am Lernen zukommt. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer etwa sagt, dass gelingende Beziehungen zwischen Lehrer und Klasse das Erfolgsgeheimnis guten Unterrichts seien (Bauer, 2008). Gerald Hüther fordert ein Umdenken in Erziehung und Schule und sagt: „Jedes Kind ist hochbegabt.“ Entscheidend sei, zu erkennen, „welch wunderbare Talente jedes Kind bei seiner Geburt mit auf die Welt bringt und was wir daraus machen.“ (Hüther & Hauser, 2012, S. 36) Neueste neurobiologische Forschung bestätigt: „Entscheidende Voraussetzung für die biologische Funktionstüchtigkeit unserer Motivationssysteme sind das Interesse, die soziale Anerkennung und die persönliche Wertschätzung, die einem Menschen von anderen entgegengebracht wird.“ (Bauer, 2008, S. 21)

Schüler brauchen ... diese Lehrerinnen und Lehrer

Was für Lehrer brauchen Schüler also? Was sind die Schlüsselkompetenzen, damit Motivation und Leistungsbereitschaft geweckt werden?

Schüler brauchen selbstbewusste Lehrerinnen und Lehrer

Warum sollten sich Schüler von einem Lehrer führen lassen, der nicht an sich selbst glaubt? Ein selbstbewusster Pädagoge strahlt so etwas aus wie: „Ich bin Pädagoge mit Leib und Seele und überzeugt von dem, was ich tue.“ Seine Umwelt bemerkt das an seiner verbalen und nonverbalen Kommunikation und daran, dass er „da ist“, wenn er vor der Klasse steht: Präsent, den Schülern zugewandt, freundlich und souverän. Eine charismatische Lehrerpersönlichkeit mit starker Wirkung.

Schüler brauchen authentische Lehrerinnen und Lehrer

Schüler achten Lehrer, die „Typen“ sind. Die sich begeistern können, zum Beispiel für einen Lernerfolg oder ein tolles Erlebnis. Und die Grenzen setzen können – wertschätzend, ja, doch auch klar.

Schüler brauchen unabhängige Lehrerinnen und Lehrer

Wir wissen um die Schwierigkeiten, im System Schule seinen Standpunkt zu vertreten. Doch will der Lehrer in erster Linie äußere Anforderungen erfüllen, richtet er seinen Fokus kaum auf die Individualität des einzelnen Schülers. Seine Methodik, sein Tempo und sein Auftreten in der Klasse werden mehr von Notwendigkeiten wie Lehrplänen, der Zufriedenheit von Schulleitern, Eltern oder Kollegen oder der vorgegebenen Gestaltung des Klassenzimmers bestimmt. Machen Sie sich davon so gut es geht frei – jeden Tag ein Stück mehr. Die Qualität Ihres Unterrichts wird gewinnen!

Schüler brauchen leidenschaftliche Lehrerinnen und Lehrer

Lehrer, die ihre Schüler wirklich erreichen wollen, müssen ihren Beruf und die Schülerinnen und Schüler lieben. Sie mögen es übertrieben finden – wir meinen es genau so: Schule muss für den Lehrer so schön sein, dass er in der Mitte der Ferien beginnt, sich nach seinen Schülern zu sehnen. Sein Unterricht muss so schön sein, dass sich Kinder und Jugendliche in den letzten Ferienwochen mit fröhlicher Spannung auf das Wiedersehen freuen. Eine leidenschaftliche Lehrerin entzündet in ihren Schülern das Feuer, das in ihr selbst brennt.

Schüler brauchen Lehrerinnen und Lehrer, die an Veränderung glauben

Zu den Grundirrtümern unserer Zeit gehört der genetische Determinismus, die Auffassung also, Verhalten und Entwicklung des Menschen seien durch genetische Programme gesteuert. Demzufolge kann es für auffälliges Verhalten oder Lernprobleme nur zwei Gründe geben: Entweder das Kind hat genetisch oder durch Krankheit verursacht die falschen biologischen Ressourcen, oder es wurde nicht genug instruiert, also falsch erzogen. Diese fatale Auffassung bestimmte über Jahrhunderte und bestimmt zum Teil heute noch die Logik vieler Bildungskonzepte.

Das ist traurig. Denn NLP und seine Wegbereiter – Satir, Erickson, Perls und andere – machten das Veränderungspotenzial der Menschen schon seit den 70er-Jahren zur Grundlage ihrer Arbeit. Die Konzepte lagen seitdem vor. Doch der genetische Determinismus blieb stärker. Neurowissenschaftler haben erst in den vergangenen Jahren erkundet, welche Verknüpfungen im Gehirn zu dem führen, was wir unseren „Geist“ nennen – also alles, was wir wahrnehmen, fühlen und denken, was wir lernen und wie sich das Gehirn verändert. Aus dieser Perspektive geben sie sehr klare Antworten auf die Frage, welche Bedingungen zu einer guten geistigen Entwicklung führen: Menschen, und Kinder besonders, brauchen zwischenmenschliche Beziehungen, Einfühlung und Empathie, um ihr Motivationssystem zu entfalten3. Erst in zweiter Linie brauchen sie Lernstoff.

Das bedeutet auch: Wer Bindung, Gefühl, Liebe und Mitmenschlichkeit zum „Botenstoff“ für seine Lerninhalte macht, motiviert und schafft den Rahmen für Veränderung und Entwicklung.

1. Rapport – Die Resonanz in der Klasse

1.1 Vom Unterschied, der den Unterschied macht

Beispiel

Die 9 b gilt als schwierige Klasse. Die Schüler sind oft laut, unkonzentriert und unhöflich. Frau Seiler hat es besonders schwer. Sie geht nur mit großen Vorbehalten in den Unterricht und ist froh, wenn sie die Stunde einigermaßen gut überstanden hat. Wenn es mal wieder besonders unruhig ist, lässt sie einen Test schreiben – um die Schüler unter Kontrolle zu halten, und damit sie die Konsequenzen ihres Verhaltens spüren. Sie hat keine andere Wahl. Meint jedenfalls Frau Seiler.

Herr Kruse empfindet die 9 b ebenfalls als schwierig, betrachtet die Jugendlichen aber eher als Herausforderung. Sie fordern sein ganzes pädagogisches Können. Deshalb stellt er in den ersten zehn Minuten jeder Unterrichtsstunde in der 9 b die Weichen für einen erfolgreichen Unterricht. Meist mit Erfolg.

Frau Konrad versteht ihre Kollegin, Frau Seiler, sehr gut. Sie hat ebenfalls ihre liebe Not mit der 9 b. Im Gegensatz zu Frau Seiler versucht Frau Konrad es aber mit Freundlichkeit und meidet jede Auseinandersetzung. Sie gibt sich einfach nett. Doch damit hat sie auch keinen Erfolg. Bei ihr bestimmen oft die Schülerinnen den Ablauf und das Tempo der Stunde. Die Folge: Zum Schuljahresende gerät Frau Konrad mit dem Stoff in Verzug, sie und die Klasse geraten unter Druck.

Als wir die Schüler der 9 b befragen, erhalten wir erhellende Antworten. „Frau Seiler kann uns nicht leiden“, sagt die 13-jährige Bea. „Sie kommt herein und zieht ein schlecht gelauntes Gesicht. Ich habe sie noch nie lächeln sehen. Meist ist sie mit ihren Unterlagen beschäftigt. In ihrem Fach ist sie sicher gut, aber wir Schüler sind ihr egal.“

„Herr Kruse ist anders“, fährt der 14-jährige Marcus fort. „Der weiß, wie er mit uns umgehen muss. Bevor er mit dem Unterricht anfängt, schaut er uns in die Augen. Dabei lächelt er und zwinkert einem zu. Wir spüren, dass er uns mag, und wir mögen ihn auch sehr.“

Über Frau Konrad sagt Johanna (13): „Die hat Angst vor uns, das spürt man ganz genau. Ihre Freundlichkeit bedeutet nicht, dass sie uns mag – sie will einfach keinen Stress. Sie denkt, dann sind wir auch freundlich zu ihr. Aber immer nur freundlich – das ist einfach nicht echt. Deshalb mögen wir Frau Konrad nicht.“

Was ist der Unterschied, der den Unterschied macht zwischen Frau Seiler, Herrn Kruse und Frau Konrad? Es ist die Art und Weise, wie die drei Lehrer ihre jeweilige Beziehung zu ihren Schülern gestalten. Die Resonanz zwischen Menschen ist das A und O für gelingende Kommunikation. Sie mögen methodisch und didaktisch gut sein, Ihr Fachwissen mag dem neuesten Stand entsprechen – wenn Sie Ihre Schüler nicht erreichen, wird Ihnen das nichts nützen. Wir schlagen vor, zuerst die Führung des Kommunikationsprozesses und damit die Beziehungsgestaltung im Klassenzimmer in den Fokus zu nehmen – davon hängt alles Weitere ab: Ob Schüler freundlich-zugewandt sind oder patzig und aufsässig, ob sie interessiert Ihren Worten und Demonstrationen folgen oder ob sie ablehnend, unkonzentriert, desinteressiert agieren und stören. Schulische Rahmenbedingungen, Schulpolitik, pädagogische Methoden – das alles sind Aspekte, die vielen Diskussionen und Reformen unterliegen. Das aktive Beziehungsmanagement in der Schule ist dagegen selten Gegenstand der pädagogischen Diskussion. Beziehung, so die gängige Vorstellung, ergebe sich einfach so. Das ist ein Irrtum.

Eine gute, tragfähige Beziehung wird im NLP als „Rapport“ bezeichnet. Bei Menschen, die einander lieben, gern haben oder wertschätzen, entsteht dieser Zustand von selbst. An ihnen können Sie besonders gut beobachten, wie es aussieht, wenn Menschen miteinander in Rapport sind. Was sehen Sie zum Beispiel, wenn Sie ein verliebtes Paar in einem Restaurant beobachten? Die beiden sitzen, aus der Ferne betrachtet, in etwa der gleichen Körperhaltung. Sie könnten in Ihrer Fantasie um das Paar einen Rahmen visualisieren – und sie hätten aus zwei unterschiedlichen Wesen eine neue, perfekte Einheit gebildet, beweglich und doch stabil, fast rund. Wenn Sie näher herangehen, würden Sie wahrscheinlich wahrnehmen, dass die beiden Liebenden ähnliche Worte benutzen, im gleichen Tempo und in gleicher Tonhöhe sprechen, eventuell sogar in gleichem Tempo atmen. Wenn sie ein Thema kontrovers diskutieren, so sind sie in erster Linie daran interessiert, die Auffassung des anderen zu verstehen.

Vergleichen Sie das, wenn Sie die Gelegenheit dazu haben, mit einem streitenden Paar. Zeichnen Sie den gedachten Rahmen auch um dieses Paar. Was kommt dabei heraus?

Ihr Rapport-Projekt auf dem Schulhof

Oder führen Sie eine kleine Rapport-Forschung auf dem Schulhof durch. Nutzen Sie die Hofpause dafür, herauszufinden, welche Schüler auf welche Art miteinander in Rapport sind und wie Sie das erkennen können. Halten Sie Abstand – Sie brauchen für diesen Versuch nichts über die Inhalte der Gespräche zu wissen. Alles, was Sie brauchen, zeigen die Schüler Ihnen: Stehen Sie zugewandt da oder wenden Sie sich voneinander ab? Sind die Körperhaltungen identisch oder wenigstens ähnlich? Wird gelacht? Wie hören sich Tonlage (Höhe, Tiefe, Tempo) und Lautstärke an? Sehen die Schüler insgesamt aus wie ein Team oder eine verschworene Gruppe? Oder wie Konkurrenten, die einander, wenn sie könnten, am liebsten austricksen wollen?

Im Alltag finden Sie viele weitere Gelegenheiten, die Anzeichen für resonante oder dissonante Beziehungen zu beobachten und damit ihre eigenen Kriterien zu entwickeln. Beobachten Sie Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Talkshows, im Lehrerzimmer oder in Vorträgen. Achten Sie dabei weniger auf den Inhalt dessen, was gesagt wird, sondern auf Körperhaltung, Gesten, Mimik oder zustimmendes Nicken. So erwerben Sie rasch die Beobachtungskriterien für die Art von Rapport, der sich von allein einstellt – einfach, weil die Menschen miteinander in Resonanz sind. Und Sie sehen auch das Gegenteil davon: die Dissonanz.

Im Begleitheft finden Sie weitere Anregungen sowie einen Beobachtungsbogen für Ihre Rapport-Forschung auf dem Schulhof sowie im Alltag.

Im NLP werden solche Beobachtungen methodisch genutzt. Wenn sich Rapport nicht von allein einstellt, so die Idee, dann helfen wir nach. „Manipulation“, schreit es da in Ihnen? Ja, vielleicht: Vielleicht ist es Manipulation, wenn wir unserer Beziehung zu anderen Menschen besonders dann eine Chance geben, wenn es schwierig wird. Dann stellen wir bewusst und zielgerichtet Resonanz her. So können aus einem aggressiven Schüler oder einer zickigen Schülerin plötzlich liebenswerte und interessante Wesen werden, deren Augen strahlen, während sie sich Ihnen und Ihrem Unterricht mit freudiger Aufmerksamkeit zuwenden. Ist das nicht ein erstrebenswertes Ziel? Rapport kann Freundlichkeit beinhalten, muss aber nicht, und hat schon gar nichts mit Kumpanei, Selbstaufgabe oder Anbiederung zu tun.

Nähern wir uns diesem Begriff: In der Militärsprache ist Rapport eine Meldung. In der Textilkunde ist mit Rapport ein regelmäßiges Muster in einem gewebten Stoff gemeint. Im Englischwörterbuch finden wir Übersetzungen wie Übereinstimmung, enge oder innere Beziehung, harmonisches Verhältnis. „To build rapport with somebody“ meint „eine gute Beziehung zu jemandem aufbauen“, und „to have rapport with somebody“ meint das Ergebnis, also „eine gute Beziehung zu jemandem haben“.

„Spiegeln“ heißt die Grundtechnik des Rapport-Aufbaus. Die NLP-Erfinder haben bereits Anfang der 70er-Jahre bei Virginia Satir und Milton Erickson beobachtet, dass diese Ihre Klienten permanent „spiegelten“, das heißt, sich ihnen in Mimik, Gestik und Wortwahl anglichen. Sie definierten diese Technik als „Pacen“ (= Spiegeln).

1.2 Rapport und die Entdeckung der Spiegelneurone

Erst in den letzten Jahren lieferte die Neuropsychologie mit der Entdeckung der Spiegelneurone die Beweise für diese außerordentlich nützliche Gabe und ihre Wirkung: Der Mensch verfügt von Geburt an über die Fähigkeit, Rapport zu anderen Menschen aufzubauen. Schon das kleine Baby „spiegelt“ die Mama und zeigt ein wonnevolles Lachen und Strampeln, wenn auch die nächsten Bezugspersonen die Bewegungen oder Töne des Babys nachahmen. „Nervenzellen, die darauf spezialisiert sind, bilden in unserem Gehirn das System der Spiegelneurone“, schreibt dazu der Neurobiologe, Psychotherapeut und Psychiater Joachim Bauer. „Spiegelnervenzellen ‚übersetzen‘ das, was wir sehen oder miterleben, in eine Art diskretes inneres ‚Mit-Tun‘.“ (Bauer, 2008, S. 28) Der Mensch ist dank seiner Spiegelneurone in der Lage, Handlungen, Empfindungen und Gefühle gedanklich nachzuvollziehen. Denken Sie nur an das Phänomen Mitleid: Sie sehen, vielleicht im Fernsehen, vielleicht auf dem Schulhof, einen Menschen, der sich verletzt hat. Kennen Sie die Erfahrung, den Schmerz des Mitmenschen zu empfinden, „seine“ Tränen weinen zu wollen? Haben Sie angesichts des Schicksals eines Mitmenschen oder einer bewegenden Filmszene schon einmal geweint? Diese wunderbare Gabe, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, ist die Grundlage für die Fähigkeit, Rapport aufzubauen und in Resonanz zu kommen. Die Spiegelneurone sind die neurobiologische Voraussetzung dafür.

Hinzu kommen psychologisch wichtige menschliche Grundbedürfnisse, die verdeutlichen, warum Rapport so wichtig ist: Da ist zum einen das Bedürfnis nach Bindung als erstes und grundlegendstes Begehren im Leben eines jeden Menschen. Diese Art der Bindung zwischen Mutter und Kind ist eine großartige Erfindung der Natur, denn sie sichert das Überleben der Menschheit im Allgemeinen und des Kindes im Besonderen: Ohne sie würde das Kind wahrscheinlich sterben, mindestens aber seelisch verkümmern. Erfährt es zu wenig davon, wirkt sich das auf seine psychische und körperliche Gesundheit aus. Unter Umständen ein Leben lang, wenn niemand korrigierend eingreift. Und wie erfährt das Kind diese Bindung? Eben durch die Resonanz zwischen ihm und (zumeist) der Mutter, durch den Rapport. Der Verlust an Bindung ist bei Säuglingen und Kleinkindern mit mehr oder weniger starker ­Todesangst verknüpft. In einer „gefühlten Kinderlogik“ bedeuten Kritik, Entzug von Zuwendung und Lieblosigkeit, genau das zu verlieren, was das Kind zum Überleben braucht. Dieses „Programm“ bleibt ein Leben lang stabil. Mag die Angst, Liebes­entzug sei lebensbedrohlich, mit jeder gegenteiligen bewussten Erfahrung abnehmen, im Unterbewusstsein ist sie „programmiert“. Das gilt umso mehr, je weniger Selbstwertgefühl und Glaube an seine Selbstwirksamkeit ein Mensch aufzubauen in der Lage war. Deshalb wirkt der erste Liebeskummer für eine 14-jährige Schülerin wie das Ende allen Daseins. Deshalb gibt es so viel emotionale Abhängigkeit und Festhalten an destruktiven Beziehungen, auch bis ins fortgeschrittene Erwachsenenalter.

Das zweite menschliche Grundbedürfnis, das die Wirkung von Rapport gut erklärt: Der Mensch möchte sich zum Ausdruck bringen. Bevor ein Kind das kann, bevor es seine eigene Landkarte beschreibt, tritt es mit einem anderen wichtigen Menschen – meist mit der Mutter – in Beziehung. Das Kind spiegelt die Mutter und die wichtigsten Bezugspersonen und versetzt sich in sie hinein. Sein erstes gesprochenes Wort lautet meistens „Mama“. Für sich selbst steht dem Kind noch gar kein Wort zur Verfügung. Erst später und sehr allmählich erlebt es sich selbst als eigenständiges, von Mama und Papa zu unterscheidendes Wesen. Und bis dahin hat es sich lange in den Eltern gespiegelt, sie beobachtet und imitiert – und dies hoffentlich als Liebe, als Sicherheit erlebt. Auch diese Erfahrung ist tief „programmiert“.

Fassen wir zusammen: Da sind

  1. die Spiegelneurone, welche uns die Fähigkeit geben, andere zu spiegeln, mit ihnen in Beziehung zu treten,
  2. das Grundbedürfnis nach Bindung,
  3. das Grundbedürfnis nach Selbstausdruck und
  4. die prägenden Erfahrungen, dass unsere Grundbedürfnisse durch die resonante Beziehung zu den Eltern gestillt wurden.

Diese Kenntnisse lassen uns verstehen, was neurobiologisch geschieht, wenn Sie Rapport im Klassenzimmer herstellen, also zunächst künstlich „schaffen“, und dadurch diese alten, unbewussten Grundbedürfnisse stillen: So erreichen Sie die Jungen und Mädchen besser, erleichtern Entwicklung und werden zu Möglichmachern. Doch wie machen Sie das? Wir kommen nun zur „Technik“. Rapport ist das Ergebnis eines aus zwei Phasen bestehenden Prozesses:

1.3 So fängt der Rapportaufbau an: Die Schüler „spiegeln“