AMOR VINCIT OMNIA

(„Die Liebe besiegt alles“)

Vorwort von Robert Dilts

Romina Schells erfrischendes neues Buch Das Herz im NLP erinnert uns NLP-Anwender daran, dass Coaches und Trainer mehr als eine Techniksammlung benötigen, um effektive und anhaltende Ergebnisse zu erreichen. Wie der Titel des Buches impliziert, besteht Rominas Hauptbotschaft in der Wichtigkeit, wieder „Herz“ in den Vordergrund der NLP-Anwendung zu rücken – zum Beispiel in Form von Empathie und emotionaler Intelligenz. Ohne ernstgemeinten Rapport und eine solide Verbindung zwischen Coach und Coachee werden aus den meisten Techniken einfach trockene und fade Abläufe.

Gestützt auf ihre intensive Praxiserfahrung mit der Arbeit und Philosophie von Virginia Satir, betont Romina, wie bedeutsam Fürsorge, Wertschätzung und Kongruenz für kraftvolle Veränderungsarbeit ist. Als Therapeutin und Trainerin war Satir – eines der Hauptmodelle von Bandler und Grinder bei der Erstentstehung des NLP – bekannt für ihre besondere Wärme und ihre bemerkenswerten Einsichten in menschliche Emotionen und Erfahrungen. Wie Romina unterstreicht, war für Menschen wie Virginia Satir und den „therapeutischen Zauberer“ Milton Erickson die Fähigkeit, die Stephen Gilligan und ich „Sponsorship“ genannt haben, der Schlüssel zum Erfolg. Sponsorship beinhaltet (1) das Anerkennen und Bestätigen („sehen und segnen“) der Essenz oder der Identität einer anderen Person, (2) das Erwecken und Beschützen seines oder ihres unausgedrückten Potenzials und (3) das Akzeptieren und Willkommenheißen aller Aspekte (Positives und „Schatten“) der Person. Dafür wird sowohl Empathie für andere benötigt (bekannt als „zweite Wahrnehmungsposition“ im NLP) als auch tiefgreifende persönliche Selbsterkenntnis.

Virginia Satir wurde nicht müde zu betonen, dass die kraftvollste und wirkungsvollste Art des Kommunizierens erst dann beginnt, wenn sich die Beteiligten in Kontakt zu sich selbst und untereinander befinden. Dies impliziert, dass der erste Schritt für jede effektive Interaktion persönliche Präsenz und Kongruenz ist. Mit den Worten meines Kollegen, dem Transformations-Trainer Richard Moss, ausgedrückt: „The distance between ourselves and others is the same as the distance between ourselves and ourselves.“ Virginia glaubte das auch und fühlte, dass der wichtigste Job jedes „Menschen-Helfers“ während seines gesamten Lebens darin besteht, mehr Selbst-Bewusstheit und Kongruenz zu entwickeln. Ein Markenzeichen von Satirs Arbeit war zum Beispiel, Menschen darin zu coachen, mit vielen inneren „Teilen“ ihres Selbst in kreativer und harmonischer Weise Kontakt aufzunehmen und mit ihnen zu interagieren.

Romina widmet sich dieser Sichtweise mit Begeisterung und bietet zahlreiche Selbstreflexionsfragen und -übungen in ihrem Buch an, um den Lesern dabei zu helfen, sich ihrer selbst bewusster zu werden und mehr Ganzheitlichkeit zu erlangen. Sie stellt darüber hinaus Prozesse und Übungen bereit, die die Leser verwenden können, um eine Coachingsitzung vorzubereiten und um eine tiefere Beziehung und Rapport mit ihren Teilnehmern und Klienten zu fördern. Wenn diese Methoden kombiniert werden, ist das Ergebnis ein Zustand kraftvoller Präsenz und von Sponsorship, was im wirkungsvollen Coaching und Training häufig „der Unterschied ist, der den Unterschied macht“. Wie schon Virginia behauptete: „Das größte Geschenk, das wir uns selbst und anderen machen können, ist die Qualität unserer Aufmerksamkeit.“

Eine hohe Aufmerksamkeitsqualität beinhaltet mehr, als sich auf den rationalen oder intellektuellen Inhalt einer Botschaft zu fokussieren. Sie setzt ebenso voraus, die emotionalen und energetischen Dimensionen der Interaktionen zu berücksichtigen. In der Dritten Generation des NLP stellen wir die Wichtigkeit heraus, den „somatischen Verstand“ („somatic mind“) und den „Feld-Verstand“ („field mind“) in den kognitiven Verstand zu integrieren, um höchste Leistungszustände zu erlangen. Ein guter NLP-Coach oder -Trainer zu sein bedeutet nicht, lediglich intellektuelle Intelligenz zu erwerben und anzuwenden, es geht gleichermaßen oder vielmehr darum, emotionale Intelligenz auf der Beziehungsebene zu entwickeln und anzuwenden. Romina Schells Das Herz im NLP bietet Methoden und Übungen, die dabei helfen, alle drei dieser Intelligenzformen zu vereinen.

Ich kenne Romina bereits seit einigen Jahren: als Seminarteilnehmerin, als Kollegin und als Freundin. Ich kann ohne jeden Zweifel sagen, dass Romina, die ihren NLP-Trainer an unserer NLP-Universität in Santa Cruz, Kalifornien, absolviert hat, ein wahrhaftiges Rollenmodell für ihre Botschaft ist. Sie zeigt Respekt und Fürsorge, gepaart mit Kompetenz, in jeder ihrer Interaktionen.

Mit diesem Buch verfolgt Romina das Ziel, „wieder mehr Bewusstheit für die Bedeutung von Wertschätzung, Liebe und Verbindungen in die NLP-Welt zu bringen“. Als lebenslanger NLP-Trainer und Coach bin ich ebenso wie sie davon überzeugt, dass Menschen eine starke Basis aus Kongruenz und Sponsorship benötigen, wenn sie im Coaching- und Trainingsbereich arbeiten. Es ist eine unserer größten Verantwortungen als Trainer und Coach im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, immer kongruenter zu werden, sich unserer Position als Rollenmodell bewusst zu sein und uns fortwährend selbst zu reflektieren, solange wir leben.

In vielen traditionellen NLP-Trainings ist es kein Teil der Ausbildung, diese Fähigkeiten zu entwickeln. Es ist nicht notwendigerweise der kürzeste oder einfachste Weg, sie als einen wesentlichen Teil in unser tägliches Leben und unsere beruflichen Aktivitäten aufzunehmen, und er kann manchmal ziemlich herausfordernd erscheinen. Aber wie Virginia Satir – die zu treffen und mit ihr persönlich zu arbeiten mir in den frühen Tagen des NLP möglich war – mich liebevoll erinnerte (so wie sie es bei vielen anderen ebenfalls getan hat): „Du magst vielleicht langsam sein, doch du bist lernfähig.“

Möge Rominas Buch sowohl die alten als auch die neuen Generationen der NLP-Anwender dabei unterstützen, kompetenter, fürsorglicher und weiser zu werden.

Santa Cruz, Kalifornien, im Frühjahr 2015 

Robert Dilts

Vorwort von Sharon Loeschen

Als Präsidentin des Virginia Satir Global Network bin ich hocherfreut, dass Romina Schell sich dafür entschieden hat, die Arbeit von Virginia Satir in diesem Buch zu würdigen. Sie tut dies, indem sie NLP-trainierte Personen für Virginias Glaube an die Wichtigkeit, sich von „Herz zu Herz“ zu verbinden, sensibilisiert.

Ich hatte das Privileg, mit Virginia zu studieren, und kann ihre Fähigkeit, sich mit Menschen zu verbinden, von Herz zu Herz, bezeugen. Zum ersten Mal Zeuge ihrer Arbeit wurde ich 1979 während eines viertägigen Workshops, der anders war als alles, was ich jemals in vorherigen Trainings erlebt hatte. 35 Jahre später erinnere ich mich noch immer daran und halte diese Erfahrung in Ehren.

1986 konnte ich sie noch einmal erleben, als sie bei einer zweitägigen Demonstration an der Universität von Kalifornien, Los Angeles, unterrichtete. In dieser Demonstration, das werde ich nie vergessen, beobachtete ich, wie Virginia mit einer erwachsenen Tochter von Eltern arbeitete, die Überlebende des Holocaust waren. Das vorliegende Problem war, dass es der Frau nicht möglich war, ihr Herz zu öffnen und sich mit ihren Stiefkindern zu verbinden. Nachdem sie ihre Situation für eine Weile exploriert hatte, bat Virginia sie, ihre Augen zu schließen und ihre Hände auszustrecken und darauf zu vertrauen, dass ihre Hände auf sie warten würden. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bevor sie es tun konnte, doch schließlich war sie in der Lage, ihre Hände auszustrecken und Virginias Hände zu halten. Es war eine sehr wirkungsvolle Erfahrung, nicht nur für die Frau, mit der sie gearbeitet hat, sondern für uns alle im Publikum. Tatsächlich war sie so kraftvoll, dass ich für die zwei folgenden Sommer ein jeweils einmonatiges Training mit ihr buchte.

Soweit ich weiß, ist Romina die erste Person, die tatsächlich über die Zentralität des „Herzens“ in Virginias Arbeit spricht, da Virginia selbst das Wort „Herz“ nicht so häufig benutzte. Stattdessen verwendete sie das Wort „Spirit“, und ich glaube, dass sie damit dasselbe meinte. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es genau darum in ihrer Arbeit ging, und ich weiß, dass Arbeiten auf diesem Niveau heilsam und transformierend auf einer tiefen Ebene sein kann.

Daher schätze ich Rominas Entschluss, mehr Herzverbindungen zwischen Coaches und Klienten anzuregen, und begrüße ebenfalls ihre klare Zusicherung, dass der persönliche Stil jeder Person wertgeschätzt werden soll. Ich erinnere mich ganz klar daran, dass Virginia sagte: „Ich möchte da draußen keine kleinen Virginias herumlaufen haben. Ich möchte, dass ihr von eurem einzigartigen Spirit aus einen Beitrag leistet!“

Mehr Bewusstheit dafür zu schaffen, wie zentral das „Herz“ bzw. der „Spirit“ für die Arbeit (und das tägliche Leben) ist, ist entscheidend, um die Arbeit von Virginia Satir voll und ganz zu verstehen und das Potenzial für tiefere Verbindungen für die zu schaffen, die mit NLP arbeiten.

Eines der Prinzipien Satirs war das des „Hinzufügens“, im Gegensatz zum „Wegnehmen“. Ich bin also begeistert davon, dass Romina dem NLP in diesem Sinne mehr „Herz“ hinzufügen möchte.

Long Beach, Kalifornien (USA),
Frühjahr 2015

Sharon Loeschen, Präsidentin
des Virginia Satir Global Network

Danksagung  

Ich widme dieses Buch meinem Mann Gary. Bereits lange bevor wir ein Paar wurden, hast du mich stets ermutigt, mein Potenzial zu erkennen, über mich hinauszuwachsen und meiner Berufung zu folgen. Seit mehr als 12 Jahren schon bist du Zeuge meines Lebens. Ich bin sehr glücklich, dass wir einer gemeinsamen Vision folgen und uns auf Augenhöhe begegnen. Du bist Vorbild und Inspiration gleichermaßen und ein wundervoller (Ehe-)Mann.

Meiner Familie möchte ich ebenfalls danken: Besonders dir, Mama, danke ich, dass du immer für mich da gewesen bist und wirklich dein Bestes getan hast, mich auf diese Welt vorzubereiten. Ich danke euch allen für eure Liebe und für die vielen Höhen und Tiefen, die wir gemeinsam gemeistert haben. Jeder von euch hat einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Ein ganz besonderer Dank gilt den Trainern, von denen ich bislang lernen durfte, und allen voran meinen beiden Mentoren: Sharon Loeschen und Robert Dilts. ­Sharon, du hast mich ermutigt, den „Satir-Weg“ zu gehen und damit meinem Herzen zu folgen. Ich habe in unserer gemeinsamen Zeit viel über mich gelernt und werde die Begegnung mit dir für immer in Ehren halten.

Robert, vielen Dank für das Geschenk des „Gesehenwerdens“. Es ist etwas ganz Besonderes, von dir persönlich zu lernen und sich in deinem Feld aufzuhalten. Die Lernerfahrungen, die ich in deinen Seminaren machen durfte, machen dieses Buch um einige Schätze reicher.

Ein herzlicher Dank geht an die Mitarbeiter des Junfermann Verlags, insbesondere an meine Lektorin Katharina Arnold: Danke für deine Begeisterung, für kritische und motivierende Anmerkungen gleichermaßen, für deinen Einsatz und deine Fröhlichkeit. Es ist ein besonderes Vergnügen gewesen, dieses Herzensprojekt mit dir umzusetzen.

Einleitung

„Only fools want only tools.“

(Ludwig Wittgenstein)

Nur mit Respekt, Wertschätzung und eigener mentaler Gesundheit können wir anderen Menschen bereits helfen. Das gilt auch oder gerade beim Öffnen des NLP-Methodenkoffers, dem oftmals vorgeworfen wird, dass er zu technisch sei und dem Einzelnen in seiner Individualität nicht gerecht werde.

Virginia Satir selbst hat genau aus diesem Grund nach ihrer anfänglichen Begeisterung dem NLP den Rücken gekehrt. Im Mai 1981 sagte sie, dass es mit dem NLP das Gleiche sei wie mit Strategien überhaupt: Sie „müssen in einen Rahmen gestellt werden, der durch Einfühlung und Liebe für die Persönlichkeit des anderen geprägt ist“ (Bandler & Grinder, 2001, S. 9). Und Jahre später, in einem Interview mit Richard Simon, dem Herausgeber des Family Therapy Networker, antwortete sie auf die Frage „Was denken Sie über NLP als eine Übersetzung Ihrer Arbeit?“:

„Lassen Sie es mich so ausdrücken. Wenn Sie eine Orange betrachten, dann gibt es viele Möglichkeiten, diese zu beschreiben. Ich kann ihren Nutzen, ihre Farbe, ihre Form beschreiben. (…) [Ich] denke, was Richard [Bandler] und John [Grinder] gemacht haben, ist eine Linke-Gehirnseiten-Analyse meiner Arbeit bezogen auf psychologische Sprachwissenschaft. Es war also eine andere Ebene des Betrachtens. Als ich sie zum ersten Mal traf, war ich begeistert von dem, was sie taten. Aber ich würde NLP nicht lernen wollen (…). Ich bin nicht mal sicher, ob ich es lernen könnte. Der Teil, der mich am NLP am meisten stört, ist, dass seine Anwender es als das A und O ansehen und dabei das Herz und die Seele der Menschen vergessen, die involviert sind. Für mich verstärkt alles, was das Herz und Seele eines Individuums außen vor lässt, das, was ich die „Plage“ unserer Gesellschaft nenne, nämlich, dass wir nur die Oberfläche berühren; wir berühren niemals den Kern.“

(Einzusehen unter http://www.psychotherapynetworker.org)

In dem von ihr gegründeten Virginia Satir Global Network (ehemals Avanta) besteht bis heute eine eher ablehnende bzw. zumindest nicht sonderlich interessierte Haltung dem NLP gegenüber. Man erzählt sich, Virginia Satir habe über Bandler und Grinder gesagt: „Sie haben das Herz aus meiner Arbeit genommen.“

Dabei war Richard Bandler auch Jahre, nachdem sich ihre Wege getrennt hatten, noch voll des Lobes und der Bewunderung für Virginia Satir. In Steve Andreas’ Buch Virginia Satir – Muster ihres Zaubers (1994) schloss Bandler sein Vorwort mit der Aussage:

„Wenn Virginia einer der Menschen ist, die Sie in Ihrem Leben beneidet haben (…), ist es an der Zeit, (…) ihrem Können nachzueifern, anstatt nur ihre Tonalität, ihren Stil, Jargon und Sprachgebrauch nachzuahmen. Und das setzt voraus, daß wir damit anfangen, (…) herauszufinden, was genau dieses Genie tat, damit wir die gleiche Art von Arbeit mit der gleichen Art von Beharrlichkeit und Herz leisten. (…) Virginia Satirs Weisheit wird es noch in kommenden Jahrhunderten wert sein, untersucht zu werden.“ (S. 13–14)

Coaches und Trainer brauchen mehr als einen Methodenkoffer, wenn sie effektiv arbeiten wollen. Sie brauchen eine Basis in ihrem Denken und Fühlen. Woher nehmen Sie als Coach Ihre Philosophie? Worauf basiert Ihr Training? Mit welcher Haltung gehen Sie in ein Coaching oder Training hinein? Welche Leitsätze begleiten Sie, wenn Sie unterrichten und eine Gruppe in Prozessen begleiten? Diese wichtigen Fragen gehören zu jeder guten Ausbildung zum Coach und Trainer und sollten meiner Überzeugung nach intensiv durchdacht und regelmäßig überprüft werden.

In diesem Buch möchte ich Sie zu drei Dingen einladen:

  1. Lernen Sie Möglichkeiten kennen, auf Ihre ganz eigene, authentische Art tiefen Rapport zu Ihren Klienten und Teilnehmern herzustellen. Nutzen Sie dazu die Magie von Virginia Satir.
  2. Erfahren Sie mehr über das Wie von „Sponsorship“ (engl. = „Patenschaft, Förderung, Unterstützung“) in Coaching und Training – darüber, wie Sie Inhalte auf einer tieferen und nachhaltigeren Ebene vermitteln (anstatt einfach „nur“ Techniken weiterzugeben) und einen Nährboden für außergewöhnliche Coaching­ergebnisse bereiten.
  3. Reflektieren Sie Ihr eigenes Handeln (im Coaching- / Trainingskontext). Virginia Satir hielt es für die wichtigste, lebenslange Aufgabe jedes Therapeuten, sich selbst kennenzulernen und immer kongruenter zu werden.

Kongruenz bedeutet in diesem Sinne, dass alle Ihre Anteile in Ihnen – alle Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse, Verhaltensweisen, Glaubenssätze und Werte – im Einklang miteinander agieren. Kongruent sein bedeutet auch, sich selbst wissen zu lassen, was Sie fühlen; auch die Bereiche anzuerkennen und zeigen zu können, die noch nicht im Reinen sind. Es bedeutet auch, die Verantwortung für seine eigenen Gefühle zu übernehmen. Als Coach und Trainer müssen wir uns unseres Rollenvorbildes bewusst sein. Wenn wir Kongruenz vorleben und damit Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Selbstliebe und Selbstbewusstsein, Offenheit, Hilfsbereitschaft, Stärke und den Mut zu Schwäche, dann können andere es uns gleichtun.

Zur Struktur dieses Buchs

Sie können dieses Buch von vorne bis hinten lesen, oder Sie blättern quer durch die Kapitel. Wenn Sie auf der Suche nach Übungen sind, halten Sie nach den folgenden Symbolen Ausschau:

Dieses Symbol markiert eine Übung. Sie werden Übungen für die Einzel­arbeit, für Coachings und für den Einsatz in Trainings kennenlernen.

Dieses Symbol markiert eine Reflexionsaufgabe. Vielleicht möchten Sie sich ein kleines Arbeitsheft anlegen und die Aufgaben schriftlich durchführen.

Wenn Sie dieses Symbol sehen, können Sie sich unter http://www.diedenkweisen.de/Herz-im-NLP-Dokumente Arbeitsblätter zum vorgestellten Thema herunterladen.

Benutzen Sie bitte das Passwort: Herz2015nlp

Zum Anspruch dieses Buchs

Sie finden im Anhang eine Literaturliste der Bücher, die mich zu diesem Buch und in meiner Arbeit als Coach inspiriert haben. Es ist jedoch nicht mein Anspruch, aus unterschiedlichen Quellen zu zitieren und Ihnen eine wissenschaftliche Arbeit zu liefern. Dafür gibt es andere, hervorragende Werke. Ich möchte von Herzen schreiben, von meinen Erfahrungen berichten und weitergeben, was ich in Fortbildungen gelernt und entdeckt habe und wie ich dieses Wissen anwende. Ich möchte Sie an meiner Sicht der Dinge und meinen Einstellungen teilhaben lassen. Wenn Sie also gelegentlich auf Abweichungen davon stoßen, wie Sie ein Thema bisher verstanden haben, dann könnte genau das der Grund dafür sein. Ich möchte mich frei machen für die Entwicklungsmöglichkeiten und diesen einen Raum geben. Jeremy Kredentser, Vorstandsmitglied im Virginia Satir Global Network, der lange Zeit von Virginia Satir lernen durfte, sagte mir, das sei genau das, was sie immer gewollt habe. Sie wollte keine Kopien ihres Selbst, sondern die Menschen dazu ermuntern, dem von ihr Gelernten eine eigene Note zu geben.

Lassen Sie sich also von den hier gesammelten Informationen inspirieren. Wie Gregory Bateson schon sagte: „Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht“ (1999, S. 582).

Einige Inhalte in diesem Buch werden Ihnen als verantwortungsvoller NLP-Anwender bekannt sein. Ich möchte Sie einladen, besonders bei bereits vertrauten Themen nicht nur zu suchen, ob es etwas zu lernen gibt, sondern neugierig zu schauen, was es hier noch für Sie zu entdecken gibt. In vielen Reflexionsaufgaben bietet sich Ihnen eine gute Gelegenheit, Ihre aktuelle Haltung zum Thema zu überprüfen. Vielleicht finden Sie auch in einigen Beispielen eine Bestärkung für Ihr eigenes Vorgehen. In jedem Fall werden Sie sowohl Varianten bekannter Inhalte vorfinden als auch Neues für Ihren Methodenkoffer erhalten.

Finden Sie heraus, in welchem Rhythmus Ihr Herz im NLP schlägt. Bleiben Sie sich selbst treu, geben Sie Ihrer Arbeit mit Menschen Ihre ganz persönliche Note und finden Sie für sich die Unterschiede heraus, die dabei den entscheidenden Unterschied machen.

1. Warum NLP mehr Herz braucht

„Meine Vision ist eine Welt, in der Menschen ihr inneres Leuchten finden und sich wirklich verbunden fühlen.“

(Romina Schell)

In der sogenannten Dritten Generation des NLP, auf die ich in Kapitel 2 noch näher eingehen werde, setzt sich ein Gedanke immer mehr durch, der in den Anfängen oftmals vernachlässigt wurde: Technik alleine reicht nicht! Eine respektvolle, wohlwollende Haltung und Wertschätzung für mein Gegenüber machen einen entscheidenden Unterschied beim Coaching. Robert Dilts beschrieb während eines Seminars die für ihn wesentlichen Bestandteile eines Heilungs- / Veränderungsprozesses:

  1. eine gemeinsame Absicht,
  2. eine Beziehung / Verbindung, die die Absicht unterstützt (sponsert) und
  3. ein Ritual (z. B. das gewählte Coachingwerkzeug).

Die Coachingtechnik macht nur ein Drittel des gesamten Prozesses aus, während die Beziehung und die gemeinsame Absicht zwischen Coach und Klient doppelt so großen Anteil am Erfolg haben.

Kennen Sie die Philosophie hinter Ihrer Arbeit?

Als Einstieg für den richtigen Umgang mit den NLP-Werkzeugen dienen uns NLPlern die Axiome (Grundhaltungen) des NLP, doch sind die Sätze alleine zu wenig. Hinter jedem dieser Sätze verbirgt sich ein Konzept, eine humanistische Grundhaltung.

Während meiner Aus- und Weiterbildungen habe ich immer wieder Trainer und Coaches gefragt, woher die Philosophie stammt, die sie ihrem Tun zugrunde legen. Die Antworten fielen ganz unterschiedlich aus: christliche Haltungen, buddhistische Lehren, Kampfsportphilosophien, berühmte Vorbilder wie Mutter Teresa, Gandhi oder auch Elvis Presley, Romanfiguren und philosophische Bücher, bekannte NLP-Trainer wie Stephen Gilligan und Robert Dilts. Ich habe mir viele dieser Inspirationen zunutze gemacht und verfüge nun selbst über ein Sammelsurium verschiedenster Eindrücke, bewegender Leitsätze und eigener Erfahrungen, und ich rate jedem dazu, ebenfalls in vielen Richtungen nach der eigenen Wahrheit für die innere Haltung zu schauen.

Auf dieser Reise zu den innersten Grundsätzen habe ich mir auch die Frage gestellt: „Warum nicht zu den Wurzeln des NLP zurückgehen?“ Immer wieder las ich, dass das NLP auf dem Konstruktivismus aufbaut und eine humanistische Grundhaltung vertritt. Wie lässt sich diese Behauptung stützen? Bekanntermaßen gehört Virginia Satir neben Fritz Perls und Milton Erickson zu den ersten drei Modellen des NLP. Obwohl ich ebenfalls zu den Bewunderern von Milton Ericksons und Fritz Perls’ Arbeit gehöre, haben mich die Zitate und Geschichten von Virginia Satir von Anfang an besonders tief berührt. Ich wollte mehr über sie erfahren und herausfinden, ob ich bei ihr Belege für die humanistische Grundlage des NLP finden würde, die mir auch bei meiner Arbeit helfen könnten.

Ich studierte ihre Bücher, modellierte sie auf Videos und ließ mich später auch von ihren Schülerinnen und Wegbegleiterinnen ausbilden. Das Geheimnis der hohen Wirksamkeit scheint eine Kombination aus Technik und einer wertschätzenden Haltung zu sein. Wenn man Zugang zu beidem hat, kann man seine Arbeit mit Menschen unbeschreiblich verbessern.

Ich besuchte in der Folge ein Intensivseminar zur „Magie von Satir“. Es gibt diese außergewöhnlichen Momente, in denen man plötzlich begreift, wonach man so lange gesucht hat. Am zweiten Tag dieses Seminars gab es einen solchen Moment. Ein Gefühl der Erkenntnis breitete sich in meinen ganzen Körper aus. Bewegt dachte ich: „Das ist das fehlende Puzzleteil. So entsteht die Magie.“ Ich sog jeden Moment in mich auf und brachte mein neues Verständnis in die NLP-Ausbildung und meine Coachings hinein. Der Qualitätsunterschied ist bis heute bemerkenswert! Und immer wieder stelle ich fest, dass meine Coachingergebnisse in einem hohen Maß davon abhängen, wie gut ich mit mir selbst in Kontakt bin und wie viel Wertschätzung ich für mein Gegenüber empfinde. Fühle ich mich gut mit mir und der Welt und bin ich mit ganzem Herzen bei der Sache, stellen sich die Veränderungen beim Klienten spürbar leichter ein.

Ein weiterer entscheidender Moment war meine erste Begegnung mit Robert Dilts und seiner Frau Deborah Bacon Dilts in einem Kleingruppenseminar in Holland: „Die Reise des Helden kombiniert mit den 5 Rhythmen®“. Eine Woche lang beobachtete und studierte ich die Art dieser wundervollen Menschen und Trainer, mit den Teilnehmern zu interagieren, ihr Wissen zu vermitteln und präsent zu sein. Sei es vor der Gruppe, in den Pausen oder nach Abschluss des Seminartages. Ich besuchte weitere Seminare mit ihnen und kann nur sagen, sie sind für mich wahrhaftige Beispiele für Herz im NLP und dabei solche bescheidenden Autoritäten.

Wenn Sie ebenfalls ein Schüler von Robert Dilts sind, so werden Sie an dem Herz nicht vorbei gekommen sein. Wenn Sie in einer anderweitig orientierten NLP-Schule gelernt haben und das Gefühl nicht loswerden, dass Ihnen noch etwas fehlt, oder Ihnen NLP bisher zu technisch vorkam, um wirklich „Magie“ hervorzubringen, dann finden Sie in diesem Buch vielleicht ein paar Inspirationen, die im Kern den Ursprüngen des NLP entstammen.

Im guten Kontakt sein

Warum wähle ich den Begriff „Herz“? Zum einen wegen seiner Symbolik. Für mich steht es für Liebe, Wertschätzung, Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Freundschaft. Zum anderen besteht seine organische Funktion darin, jemanden oder etwas lebendig zu halten. Unser Herzschlag spiegelt unsere Emotionen wider; wenn wir aufgeregt sind, schlägt es spürbar schneller, wenn wir zufrieden sind, schlägt es ruhig und gleichmäßig. Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit mit Menschen ist, dass ich mit mir selbst in gutem Kontakt bin und spüre, wie es mir geht.

Das Herz im NLP steht für die emotionale und körperliche Verbindung zu mir selbst. Es weist auch auf die Verbindung zwischen zwei Menschen hin und darauf, wie entscheidend dieser Faktor für gelungene Coachings und Lernprozesse ist. Dieses Herz ist eine wichtige Ergänzung für unsere kognitiven Prozesse. Je nach Einstellung des jeweiligen Trainers wird im NLP zwar darauf hingewiesen, doch in den Methodenkoffern der gesammelten NLP-Formate findet man wenige Übungen, die sich explizit dieser Thematik widmen.

Ich lade Sie daher ein, Ihr Trainings- und Coachingrepertoire mit neuen Übungen zu erweitern und mehr über die Philosophie, die Glaubenssätze und Einstellungen von Virginia Satir zu erfahren. Neben Satir werde ich mit Ihnen weitere Inspirationen anderer Vorbilder teilen, die die Qualität meiner Arbeit in positivster Weise bereichert haben.

Mit einer wertschätzenden und liebevollen Haltung entstehen Verbindungen, die tatsächlich etwas Magisches haben können. Diese Magie, dieses Funkeln, diese Lebendigkeit steckt in jedem von uns, wir müssen sie nur finden und häufiger einsetzen.

2. Die Entwicklung des NLP

Ich möchte Ihnen ein paar Hintergrundinformationen zur Entwicklung des NLP liefern, damit Sie meine Motivation, Virginia Satir und NLP wieder stärker zu kombinieren, leichter nachvollziehen und als zeitgemäß einordnen können. Zuerst sah es nach einem Spagat aus, Virginia Satir wieder mehr ins NLP zu integrieren, jetzt, in die mittlerweile bestehende Dritte Generation. Doch bei näherer Betrachtung erkennen Sie: Durch die Rückbesinnung auf die Wurzeln schließt sich der Kreis.

Die Entwicklung des NLP unterteilen wir in drei Abschnitte. Wir sprechen heute von der Ersten, Zweiten und Dritten Generation des NLP:

  1. Die Erste Generation bilden die Modellierungsergebnisse, die die NLP-Begründer Richard Bandler und John Grinder in den 1970er-Jahren von erfolgreichen Therapeuten (Virginia Satir, Milton Erickson, Fritz Perls) abgeleitet haben. Sie konzentrierten sich auf die Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Individuen. NLP wurde als etwas verstanden, das man zum einen „mit anderen macht“, und zum anderen, das man für seine eigenen Denkstrukturen anwenden konnte auf der Verhaltens- und Fähigkeitenebene. Diese kognitiven Strategien bilden auch heute noch die Grundlage des NLP.
  2. Die Zweite Generation des NLP lässt sich zeitlich Mitte bis Ende der 1980er-Jahre einordnen. Der Fokus lag weiterhin auf dem Individuum; zusätzlich wurde dessen Beziehung zur Umgebung einbezogen. Die Anwendungsbereiche gingen nun über den therapeutischen Kontext hinaus und fanden Einzug in Management, Verkauf, Bildung, Gesundheitswesen u. v. m. Die kognitiven Denkstrategien wurden stärker hinsichtlich Überzeugungen und Wertearbeit erweitert, die neuro-logischen Ebenen, Wahrnehmungspositionen, Metaprogramme und Timeline kamen hinzu.
  3. Seit den 1990er-Jahren entwickelt sich die Dritte Generation des NLP. Die Besonderheit liegt hier in der Einbeziehung von generativen und systemischen Prozessen sowie einem neuen Fokus auf übergeordnete Themen der logischen Ebenen: Identität, Vision und Mission. In dieser neuen Generation werden somatische Prozesse mit eingeschlossen, und die Dynamik größerer Systeme wird betrachtet: „Die dritte Generation im NLP strebt nach einer natürlichen Beziehung der Balance und Ausgeglichenheit zwischen (…) drei Denkweisen, um eine tiefere und multidimensionale Intelligenz hervortreten zu lassen“ (Dilts, DeLozier & Bacon Dilts, 2013, S. 25).

Diese drei Denkweisen, die in eine natürliche Beziehung zueinander gebracht werden sollen, sind:

  1. das kognitive Denken, „das im Gehirn entsteht,“
  2. der somatische Verstand, „der im Körper zentriert ist,“ und
  3. ein „Feld“-Denken, „welches unsere Beziehung zu den uns umgebenden Systemen einbezieht.“

2.1 Gemeinsamkeiten der NLP-Generationen und der Arbeit von Virginia Satir

Die drei oben genannten Ebenen findet man bereits teilweise in der Arbeit von Virginia Satir wieder (vgl. Satir, Banmen, Gerber & Gomori, 32007). Die Arbeit am Selbstbewusstsein vollziehe sich auf drei Ebenen (S. 86):

  1. der psychologischen (vgl. kognitives Denken),
  2. der physischen (vgl. somatischer Verstand) und
  3. der spirituellen (vgl. „Feld“-Denken in Bezug auf „Teil von etwas Größerem zu sein“).

1. Die psychologische Ebene

Virginia Satir stellte fest, dass Menschen häufig dann Probleme empfinden, wenn sie etwas nicht richtig verstehen. Gibt man ihnen fehlende Informationen hinzu, hilft ihnen das dabei, ihre Perspektive zu verändern, dann lassen sich die Probleme leichter lösen. Satir verstand es, die Sprache ihrer Klienten zu sprechen. Sie nutzte die gleichen Repräsentationssysteme wie ihr Gegenüber. Sie war immer daran interessiert, genau zu erfahren, was der Klient dachte. Wenn sie eigene Vermutungen hatte, äußerte sie diese stets mit der Bitte an den Klienten, zu prüfen, ob es für ihn stimmen könnte.

Für Virginia Satir war klar, dass Köper und Geist eine Einheit bilden und sich gegenseitig beeinflussen.

2. Die physische Ebene

Virginia Satir hielt es für essentiell, Menschen Informationen über ihren Körper zugänglich zu machen anstatt nur durch rationales Denken. Sie entwickelte deshalb unter anderem Skulptur-Methoden und arbeitete viel mit Meditationen und körperorientierten Übungen. Dies sollte sicherstellen, dass das Wissen bewusst gemacht wird und gleichzeitig eine Art Körperwissen darstellt. In diesem Zusammenhang spreche ich auch gerne von unserem Muskelgedächtnis.

3. Die spirituelle Ebene

Virginia Satir sprach erst in ihren späten Lebensjahren offen über ihre spirituelle Haltung. Sie hatte großen Respekt vor dem Wunder des Lebens. Sie glaubte an eine universelle Lebenskraft, die alle Menschen in sich tragen. Auf dieser Ebene findet sich auch der „Sinn des Lebens“ wieder und eine „innere Weisheit“, über die nach Satirs Ansicht jeder von Geburt an verfügt.

Virginia Satir als Vorbild für die Dritte Generation des NLP

Robert Dilts, Judith DeLozier und Deborah Bacon Dilts bezeichnen die NLP-Strategien als heuristisch (Dilts, DeLozier & Bacon Dilts, 2013). Das griechische Wort heuriskein bedeutet „finden“. Menschen sollen durch Erfahrung auf Lösungen kommen und etwas für sich selbst entdecken und lernen.

Die Idee des Erfahrungslernens und das Üben der Aufmerksamkeit und Bewusstmachung finden wir in den Prozessen und Arbeitsweisen von Virginia Satir wieder. Um dieses Erfahrungslernen überhaupt zu ermöglichen, muss zwischen Coach und Klient eine solide Vertrauensbasis vorhanden sein. Der Klient muss sich ernst genommen, wertgeschätzt und gehalten fühlen. Für diese wichtige Voraussetzung kann uns Virginia Satir ein Vorbild sein. Sie verstand es, eine tiefe Verbindung zu den Menschen herzustellen, die einzigartig schien und auf der wundervolle Wachstumsprozesse geschahen. Ihre Haltung, ihr Herz, ihre Einfühlsamkeit und Stärke waren ein wichtiger Bestandteil ihres Erfolgsgeheimnisses.

2.2 NLP ohne Herz

Sie als NLPler sind sich der Wirksamkeit des Neurolinguistischen Programmierens bewusst und setzen NLP täglich ein, um gewünschte Veränderungen zu bewirken und Zufriedenheit bei sich selbst und Ihren Klienten zu erreichen. Sie wissen, dass die NLP-Techniken hochwirksam sind und nicht gedankenlos angewendet werden dürfen. Doch nicht zuletzt der hartnäckige Vorwurf, NLP sei Manipulation, zeugt von dem Umstand, dass die Methode zu häufig verantwortungslos eingesetzt wurde und wird. In den NLP-Ausbildungen wird sehr großer Wert auf Wertschätzung und Rapport sowie auf Auftragsklärung gelegt und die meisten Trainer und Coaches, die mir bekannt sind, wissen, dass Sprache machtvoll ist und es eine Herausforderung darstellt, sich zu jeder Zeit der Wirkung seiner Worte bewusst zu sein.

Lassen Sie mich im Folgenden dennoch einige Beispiele dafür geben, was passiert, wenn ein NLP-Anwender „ohne Herz“ agiert.

Wenn NLP ein negatives Gefühl hinterlässt …

Zu oft höre ich Geschichten von Menschen, die negative Erfahrung mit NLP gemacht haben. Bei genauerem Nachfragen, was denn genau vorgefallen sei, werden häufig dieselben Beschwerden geäußert. Hier ein paar gesammelte Aussagen:

Kommt zu diesen Sätzen noch eine verschlossene Körperhaltung dazu, ein arroganter Tonfall oder eine hochgezogene Augenbraue, dann ist die Wirkung alles andere als positiv.

Verstehen Sie mich bitte richtig: Mir liegt es fern, ein Feuer zu schüren. Es geht lediglich darum zu verdeutlichen, weshalb ich innerhalb und außerhalb des Coaching- und Seminarrahmens für mehr Herz im NLP plädiere. Sie sollen hier nur ein Gefühl dafür erhalten, welche Risiken und Nebenwirkungen für NLP-Kursteilnehmer und -Klienten bestehen und wie diese effektiv umgangen werden können.

Wenn NLP als Machtinstrument missbraucht wird …

Manche Schilderungen von – meiner Ansicht nach misslungenen – NLP-Interaktionen offenbaren auch subtilere Auswirkungen fehlenden Verantwortungsgefühls: Ein Teilnehmer einer NLP-Ausbildung, nennen wir ihn Klaus, erlebte folgende Begebenheit: Es war sein zweiter NLP-Kurs und einer der Trainer war bereits sein großes Vorbild. Wie in der Seminarszene immer häufiger üblich, umarmten sich Teilnehmer und Trainer zur Begrüßung. Klaus tat dies auch, und zwar sehr herzlich und etwas länger, wenn der letzte Ausbildungsblock schon weiter zurücklag. Er wurde dann eines Tages von seinem Trainer gefragt, warum er denn eigentlich so fest umarme. Klaus überlegte kurz und antwortete, dass er das einfach gerne tue bei Menschen, die er sehr mag. Der Trainer empfahl ihm, noch einmal genauer darüber nachzudenken, ob das wirklich der einzige Grund sei. Zwei Tage lang lief Klaus mit dieser Frage im Kopf herum, und plötzlich kam ihm ein Gedanke, der sehr tiefenpsychologisch klingt. Er ging zum Trainer und sagte ihm: „Ich weiß es jetzt. Ich umarme andere so fest, damit ich mich selbst besser spüren kann.“ Der Trainer setzte ein weises Gesicht auf und nickte: „Siehst du …“

Was meinen Sie?

Neurolinguistisches Programmieren ist kein Hellsehen! Lassen Sie sich immer einen Coachingauftrag erteilen / holen Sie sich die Erlaubnis für ein Feedback ein, bevor Sie Ihren Teilnehmern und Klienten von Ihrer (wohlgemerkt subjektiven) Sicht berichten.

Stellen Sie sich vor, wie lästig es wäre, wenn Ihnen stets unaufgefordert Lösungsvorschläge unterbreitet werden, Ihre Sätze bei jeder Gelegenheit in Frage gestellt werden (nur, weil der andere Fragetechniken gelernt hat) oder Sie sich bei einer kleinen Klage direkt eine Lebensweisheit anhören müssten. Unbeliebt sind auch die sogenannten „Killerphrasen“. In NLP-Kreisen sind das schon einmal Aussagen wie: „Das ist aber auch ein interessanter Glaubenssatz!“, oder: „Bei deinem Ausbildungsstand solltest du solche Probleme aber nicht mehr haben.“

Wer bestimmt denn eigentlich, dass ein Coach keine Themen mehr haben darf, die es zu bearbeiten gilt, und keine unerwünschten Gefühle mehr empfinden darf? Schon die Vorstellung allein ist absurd. Wir sind Menschen, und selbst wenn wir unsere Vergangenheit bewältigt haben – sofern es etwas zu bewältigen gab – und noch so reflektiert und im Kontakt zu uns sind, wird uns das Leben immer wieder neue Gelegenheiten geben, zu wachsen und zu fühlen. Dazu gehören alle Gefühle, nicht nur die angenehmen. Der Unterschied kann jedoch die Art und Weise sein, wie wir mit ihnen aufgrund all unserer Erfahrungen und zur Wahl stehenden Techniken umgehen.

Wenn die Selbstreflexion fehlt …

In einer NLP-Informationsveranstaltung saß einmal ein Teilnehmer, der bereits ausgebildeter Mediator und systemischer Coach war. Er fragte, ob man in der NLP-Ausbildung, beim Umsetzen der erlernten Formate, an eigenen Themen arbeiten müsse oder ob man sich auch etwas ausdenken könne. Selbstverständlich entscheidet jeder für sich selbst, welche Themen er offen oder verdeckt angeht, doch echt im Sinne von existent müssen die Themen schon sein. Sonst könnte man auch von jemandem verlangen, die Temperatur des Wassers in einem Pool anzugeben, ohne dass dieser auch nur einen Finger hineingehalten hat. In einer Übungssituation kann auf diese Weise nicht richtig gelernt werden. Ein Coach oder Trainer kann nur dann einfühlsam Prozesse anleiten, wenn er die Techniken selbst einmal erlebt hat. Und das wiederum geht nur mit echten Themen – sonst müsste er sich auch die Wirkung vorstellen. Hinzu kommt, dass der Übungspartner keine echten Reaktionen erhielte und so seine Coachingfähigkeiten nicht weiterentwickeln und auch nicht entscheiden kann, was als Nächstes zu tun ist. Diese Entscheidung wird in der Regel nicht nur aufgrund der Aussagen des Klienten getroffen, sondern auch zu einem hohen Anteil aufgrund von Biofeedback.

Nicht nur durch die negativen Erfahrungen, die in den Erzählungen anderer deutlich werden, ist in mir das Gefühl immer stärker geworden, dass wir mehr Herz im NLP benötigen. Dieser Punkt ist nicht offiziell Teil des Lehrplans und daher abhängig davon, inwiefern der Trainer es für wichtig hält, einen Schwerpunkt darauf zu legen. Vielleicht wird auch davon ausgegangen, dass die NLP-Axiome ausreichend intensiv behandelt werden und den wertschätzenden Rahmen automatisch liefern.

Die richtige Wirkung erzielen