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Impressum

Copyright © 2015 by Andreas Gruber
Copyright Deutsche Erstausgabe © 2015 LUZIFER Verlag
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert
Lektorat: Heike Müller

ISBN E-Book: 978-3-95835-078-6

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Klinik

Die Urfassung von Klinik hatte seinerzeit eine Schlusspointe, die mir von einem befreundeten Testleser den Kommentar einbrachte: »Andreas, du bist ein krankes Schwein!«
  So war es tatsächlich – die Story war garstig. Wilko Müller jr. hatte damals jedoch trotzdem keine Skrupel, die unzensierte Fassung in seinem Magazin Solar-X abzudrucken, weshalb ich heute immer noch tiefen Respekt vor ihm habe.
  Im Lauf der Jahre wurde die Geschichte von mir gebügelt, entschärft, mit Faserschmeichler gewaschen, kommerziell überarbeitet und massentauglich umgeschrieben. Aber bevor Sie diese Story jetzt zornig überblättern, keine Sorge – Sie werden bei dieser Fassung immer noch schlucken müssen. Versprochen!
  Übrigens ist die Story nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch grenzwertig … sie besteht nämlich nur aus einem einzigen Satz.
  Schöpfen Sie also tief Atem! Sie werden ihn brauchen.

Es ist bereits Nacht geworden, wieder besuche ich Gudrun im Krankenhaus, meine ältere Schwester, habe ihr einen Kuchen von Mutter mitgebracht, auch eines der Kreuzworträtselhefte mit Lösung, die sie so gern hat und ihr die Zeit vertreiben soll, sie hat ohnehin nur einen kurzen Aufenthalt, bloß eine Quetschung, beim Saubermachen der Kette im Förderband eingeklemmt, während ein Zündhütchen hochgegangen ist, das ihr beinahe den Arm abgerissen hätte, blöder Zufall, doch es geht ihr gut, sind nur zwei Finger weg, sie bekommt reichlich zu Essen, Rindfleisch mit Salat und Pudding, darf Radio hören, die Nachrichten im Reichssender Dresden, wird von netten Schwestern umsorgt, die zwar wenig lachen, nie Witze machen, aber sagen, sie könne in einer Woche wieder nach Hause, werde sie aber vorher noch einmal besuchen, am Montag nach der Arbeit in der Fabrik, verspreche ihr, wieder einen Kuchen mitzubringen, richte ihr noch liebe Grüße von Mutter aus, gebe ihr einen Kuss auf die Wange und verlasse das Zimmer, treffe im Korridor auf eine Krankenschwester, nette Schwester, kleine Augen, Sommersprossen, schwarzes Haar, Pagenkopf, plaudere mit ihr über Gudrun, ihre Arbeit in der Fabrik, verzieht plötzlich das Gesicht, starrt mich an, frage sie was los sei, zeigt mit dem Finger auf einen roten Fleck auf meinem Unterarm, zucke zusammen, böse Sache, murmelt sie, begleitet mich ein Stockwerk tiefer, schickt mich in eine andere Abteilung, treffe dort auf einen Arzt, großer Mann, kräftige Arme, finsterer Blick, Bürstenhaarschnitt, Brille mit Rahmengestell, erinnert mich an Vater, gefallen in Stalingrad, betrachtet den Fleck, verzieht das Gesicht, gibt mir eine Salbe, begleitet mich in eine andere Abteilung, dort gibt mir eine Schwester eine Injektion, nur zur Sicherheit, wie sie sagt, werde müde, muss noch eine Stunde warten, gehe dann in den Röntgenraum, muss mich entkleiden, bekomme einen schweren Bleimantel, muss noch eine Stunde warten, blicke ständig auf die Wanduhr, schon spät, sollte längst zu Hause sein, bei Mutter und den kleinen Schwestern, frage eine Krankenpflegerin wie lange noch, bin ungeduldig, lächelt nur knapp, wird nicht mehr lange dauern, ist endlich soweit, gehe mit den Aufnahmen zu einer Ärztin, ziemlich alt, graues Haar, sorgenvoller Blick, einige Orden an der Uniform, werde in die Chirurgie verwiesen, eine Schwester führt mich in ein Zimmer, hängt ein Krankenblatt an ein Bett, fragt mich nach meinem Namen, dem Geburtsdatum und meiner Adresse, habe aber weder den Nachweis noch den Ahnenpass bei mir, sagt, sie müsse eine Meldung an die Reichsstelle für Sippenforschung machen, bräuchte unbedingt ein erb- und rassebiologisches Gutachten, geht dann hinaus, bin allein, habe Hunger, Schwester bringt mir Tee, möchte meiner Mutter eine Nachricht zukommen lassen, wartet zu Hause, macht sich Sorgen, bekomme kein Telephon, nur eine weitere Injektion, liege im Krankenbett, werde in einen Saal geführt, sehe Ärzte mit großen Gesichtsmasken, Schwestern mit blitzenden Instrumenten, schlafe ein, träume schlecht, wache auf, bin allein in einem Zimmer, über mir eine nackte Glühlampe am Kabel, kann mich nicht bewegen, Arme und Schultern liegen in Gips, rufe nach der Schwester, habe Schmerzen beim Bewegen, habe Durst, muss auf die Toilette, draußen ist es immer noch dunkel, schlafe ein, träume schlecht, werde munter, draußen ist es finster, ebenso im Zimmer, nur die Sirene heult, kein Probealarm, nur der Mond schimmert ins Zimmer, eilige Schritte im Gang, laufen in den Luftschutzkeller, weit entfernt das Krachen der Bomben, aber Dresden ist doch sicher, mir wird kalt, muss auf die Toilette, habe Hunger, habe Durst, rufe die Schwester, habe nur noch raue Stimme, Schmerzen in der Kehle, bleibe wach, Ärzte kommen, betrachten mich, möchte mit meiner Mutter reden, sagen aber, ich sei zu schwach, nehmen mir Blut ab, gehen wieder, Schwester betritt den Raum, bekomme eine Injektion, werde mit dem Krankenbett in einen Saal geführt, schlafe ein, wilde Träume, wache auf, möchte aufstehen, kann mich nicht bewegen, Zehen sind wie tot, Bett ist viel zu kurz, hebe den Kopf, blicke hinunter, keine Beine, schreie auf, möchte vom Bett kriechen, kann mich nicht erheben, blicke zur Seite, keine Arme, brülle nach Mutter, hysterisch, bekomme Infusionen, schlafe ein, wache auf, Ärzte kommen, zeigen auf mich, reden über Niere, Lunge und Leber, rufe nach Gudrun, brülle nach meiner Mutter, höre die Sirenen, wird finster, Ärzte laufen in den Keller, höre die angreifenden Bomberverbände, kommen näher, das Heulen des Bombenhagels, Lichtblitze, Donner, Mauerstücke, Stahlbeton, immer näher, presse die Augen zusammen, endlich vorbei, Ärzte kommen wieder ins Zimmer, stelle Fragen, keine Antworten, bekomme Injektion, schlafe ein, wache auf, kann mich nicht bewegen, rieche Salben und Tinkturen, habe Schmerzen, schwarze Flecken unter den Bandagen, höre Stimmen, Ärzte kommen, reden über Lage- und Kriegsberichte, Wispern, Flüstern, Transplantation, Wortfetzen, Augen, Ohren, Zunge und Kehlkopf, schlafe ein, wache auf, Verband über dem Gesicht, viel zu eng, kann nicht sehen, kann nicht sprechen, nicht essen, nicht trinken, höre nur das Piepen der Maschine, das Heulen der Sirene, das Krachen der Bomben, das Trampeln der Schritte, die Wucht der Kellertür, schlafe schlecht, endlose Nächte, Gudrun sicher längst zu Hause, bei Mutter, machen sich Sorgen, müssen mich suchen, Nächte vergehen, nur das Piepen der Maschine, das Heulen der Sirene, das Knurren des Magens, das Krachen der Bomben, das Trampeln in den Luftschutzkeller, höre eine Stimme, im Gang, ganz in der Nähe, meine Mutter, sie weint, sucht mich schon seit Wochen, kann mich nicht finden, geht am Zimmer vorbei, ihre Stimme: da drinnen?, der Arzt verneint, nur ein Opfer des Luftangriffs, nicht ihr Sohn, Tür geht auf, ein Schrei, möchte was sagen, kann nicht reden, möchte mich aufsetzen, kann mich nicht bewegen, nur ein Zeichen geben, bin wie gelähmt, höre ihre Stimme, wo kann er nur sein?, Tür fällt zu, gehen fort, höre den Arzt, bemerkt einen roten Fleck auf ihrem Arm, fragt nach dem Ahnenpass, bringt sie in eine Abteilung, weiter fort, immer weiter, nur noch still, monoton das Piepen der Maschine, weit entfernt, das Fallen der Bomben …

Ristorante Mystico

Ich bin in Wien in einem Altbau aufgewachsen, daher hat die folgende Erzählung auch etwas Autobiografisches. Ähnlich wie in dieser Story wohnten viele skurrile Menschen in dem Haus. Es hatte vier Stockwerke mit Fahrstuhl und einen Dachboden, den man nur zu Fuß erreichen konnte. Dort wohnten meine Eltern mit mir.
  Waren die Sommerferien vorbei, kehrten meine Eltern vom Schrebergarten in diese Wohnung zurück, wo wir Herbst und Winter verbrachten. Mein Kinderzimmer war sechs Quadratmeter groß – schon allein aus Platzgründen wurden Lesen und Schreiben zu meinen Hobbys.
  Ristorante Mystico ist übrigens eine meiner Lieblingsgeschichten in diesem Band. Aber vielleicht sehen Sie das ja ganz anders – Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Jedenfalls sind mir die beiden Charaktere Miro und Murmel bis heute ans Herz gewachsen, und was sie erlebt haben ist recht interessant, wie ich finde – aber lesen Sie selbst! Mehr kann ich nicht verraten. Miro steht nämlich gerade neben mir und hält mir eine Knarre an die Schläfe …

Mein Name ist Miro, einfach nur Miro. Ich habe keinen Nachnamen. Ich bin ein Riesenkerl mit kurzen, schwarzen Haaren und Händen wie Klodeckel … zumindest hat das meine Mama immer behauptet als ich noch klein war. Mittlerweile bin ich vierunddreißig, habe hässliche Tränensäcke unter den Augen, an einer Hand schlimme Narben, stemme aber regelmäßig Gewichte, um mich fit zu halten. Wie alle Zigeuner stamme ich aus der ungarischen Puszta, aus irgendeinem verschlafenen Nest, an das ich mich nicht mehr erinnere. Jedenfalls wohne ich schon seit über zwanzig Jahren in dem kleinen Städtchen Kalstein an der Donau, östlich von Wien, einem netten Ort mit Parks, Nussbaumalleen, einer Donaupromenade und vielen kleinen Heurigenlokalen. Dort lebe ich in einem Altbau in der Heimito-von-Doderer-Gasse, direkt am Ende der Fußgängerzone.
  Klara Molericz wohnte im selben Gebäude wie ich, nur eine Etage höher in dem kleinen Dachbodenzimmer. Sie starb vor einem halben Jahr, am 12. Dezember, im Alter von dreiundachtzig Jahren. Der Nachlassverwalter benötigte nicht einmal einen Tag, um das Zimmer zu räumen. Sämtliche Schränke, Kommoden, Lampenschirme, Zeitschriften und Bücher landeten auf dem Trödel. Seitdem steht die Wohnung leer. Es gab keine Erben, da Klaras Schwestern Agathe und Josephine bereits tot waren. Sie starben im Abstand von mehreren Jahren, jeweils am 12. Dezember – wie Klara. Bestimmt wollte sie ihren Schwestern um Nichts nachstehen. Zumindest kann ich es mir nur so erklären. Die Geschichte ist tatsächlich wahr. Ich weiß es deshalb, weil ich auch die beiden anderen Damen gekannt habe. Manchmal besuchte ich ihre Buchhandlung Molericz in der Heimito-von-Doderer-Gasse, doch den Laden gibt es jetzt nicht mehr. Nicht, dass ich besonders traurig darüber wäre, ich besitze ohnehin nur zwei Bücher und lese auch sonst nicht viel.
  Mein Vater verließ die Familie als ich fünf war. Setzte sich einfach ins Ausland ab und hat nie wieder von sich hören lassen. Und als ich eines Tages von der Schule heimkam, lag meine Mutter umringt von Sanitätern tot auf dem Asphalt. Damals war ich neun. Angeblich hatte sie beim Fensterputzen einen epileptischen Anfall gehabt und ist aus dem fünften Stock gefallen – andere sprachen von einem Selbstmord. Aber das hätte sie niemals getan! Sie ist einfach nur abgerutscht und hat sich nicht mehr länger halten können. Ich weiß es deshalb, weil ich manchmal davon träume.
  Mit dreizehn büxte ich schließlich aus dem Waisenhaus aus und ging nach Kalstein. Damals verdiente ich mein Geld unter anderem als Schuhputzer, Zeitungsjunge, Fahrradbote oder half bei der Weinlese mit. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr arbeite ich als Koch in Brunos Ristorante Mystico. Bruno ist ein gebrechlicher, alter Mann, der vieles gesehen und erlebt hat, um das ihn niemand beneidet. Er heißt nicht wirklich Bruno, aber ich nenne ihn so. Seinen tatsächlichen Namen kenne ich nicht. Hin und wieder übernehme ich für Bruno auch andere Aufträge, aber es ist besser, Sie wissen nichts darüber. Falls Sie jemand nach mir fragt, sagen Sie einfach, mein Name ist Miro, ich sei Zigeuner und arbeite in Brunos italienischem Restaurant, und mehr wissen Sie nicht – glauben Sie mir, es ist besser so.
  Ich habe es nicht weit zur Arbeit, denn das Ristorante Mystico liegt im Keller des Altbaus, in dem ich wohne. Man erreicht es über eine Steintreppe mit schmiedeeisernem Geländer, über die man vom Straßenniveau hinunter steigt. Efeu und Weinreben ranken sich über Balkone und Backsteinmauern, die das Schild und die bunten Glühlampen längst zugewuchert haben. Über dem Ristorante befinden sich die Wohnungen. Alle im Haus nennen mich Miro, bis auf einen kleinen Jungen, der mich immer mit Herr Miro anredet. Der Knabe ist etwa acht Jahre alt. Glaube ich zumindest. Er hat zwar einen richtigen Namen, aber ich nenne ihn Murmel, wegen seiner schwarzen Knopfaugen. Marlene, seine Mutter, stammt aus Wien. Aber weil es ihr in der Stadt zu hektisch war, übersiedelte sie nach Kalstein an der Donau. Seitdem versucht Murmel, mich mit selbst erfundenen Rätseln reinzulegen – vermutlich hat ihm jemand erzählt, wir Zigeuner seien ein dummes Volk.
  Wenn die Küche und das Geschirr im Ristorante Mystico blitzblank geschrubbt sind und ich in der Mittagspause noch etwas Zeit habe, gehe ich meist in meine Wohnung, um mich ein wenig aufs Ohr zu hauen. Hin und wieder schwänzt Murmel die Schule, dann ist er bereits vor mir zu Hause und hockt mit angezogenen Beinen auf dem Treppenabsatz, um mich mit seinen Einfällen auf die Probe zu stellen. Meist mit einem gefalteten Blatt Papier, auf dem nichts weiter als ein merkwürdiger Satz steht … wie auch an jenem schwülen Montag im Mai, von dem ich Ihnen erzählen möchte.
  »Der alte Mann grunzte halblaut, als er sein Spiegelbild gründlich betrachtete«, las ich, während ich neben Murmel auf der Treppe saß. Doch was der alte, grunzende Mann tat, während er in den Spiegel starrte, war vollkommen unwichtig. Bei diesem Rätsel ging es um etwas anderes.
  »Diesmal habe ich drei Farben im Satz versteckt.« Aus Murmels gebräuntem, mit Sommersprossen bedecktem Gesicht grinste der Schalk. »Blau, Gelb und Grün. Ich wette, Sie finden die nie!«
  Ich starrte lange auf das Blatt, bis mir die Augen zufielen. Doch Murmel stieß mir sogleich den Ellenbogen in die Rippen. Da mich der Knabe erst gehen lassen würde, sobald ich sein Rätsel gelöst hätte, gab ich mir Mühe.
  »Blau, Gelb und Grün«, wiederholte ich, während ich mit dem Finger Wort für Wort entlang des Textes fuhr. »Da! Grün! Ich habe es gefunden … gründlich …«
  »Anfängerglück!« Murmel runzelte die Stirn.
  Da öffnete sich die Tür der Erdgeschosswohnung und Heinrich Gerber stand im Gang. Er war steinalt, hatte einen kurz gestutzten Schnauzbart und das schüttere Haar quer über den Kopf gekämmt, um seine Glatze zu verbergen. Wie immer trug er eine braune Reiterhose mit Hosenträgern, ein kariertes Hemd und hohe Stiefel, auch im Sommer.
  »Was geht hier vor?«, bellte er.
  Der Vorraum zu seiner Wohnung war bis zur Zimmerdecke mit roten Fahnen verhangen, worauf sich schwarze Kreuze befanden. Wir waren immer freundlich zu ihm, denn er war der Untervermieter von Murmels Mutter. So viel ich wusste, vergab er seine Wohnung nur an Frauen, denn er hasste Männer, vor allem Zigeuner.
  »Ich zeige Herrn Miro bloß ein Rätsel«, erklärte Murmel mit leiser Stimme, wobei er den Kopf senkte. Wie immer, wenn jemand anderer hinzukam, verwandelte sich der aufgeweckte Junge in ein schüchternes Kind.
  »Müsstest du nicht in der Schule sein?« Gerber schob die Unterlippe nach vorne, sodass sie über seinen Schnauzbart ragte. »Kinderkram!« Nachdem er einen skeptischen Blick auf das Blatt Papier geworfen hatte, verschwand er in seine Wohnung und knallte die Tür zu.
  Aber er war bei weitem nicht der merkwürdigste Bewohner dieses Hauses. Da gab es noch Nina, die Nutte. Ich bezweifle, dass sie wirklich Nina hieß, doch sie nannte sich so. Jedes Mal, wenn sie mit einem Freier in der Wohnung verschwand, musste ihre Tochter im Hof oder in der Fußgängerzone spielen. Im Winter hockte die Kleine auf den Mülltonnen im Treppenhaus. Ninas Ex-Mann kämpfte bereits seit Jahren um das Sorgerecht, doch er hatte keine Chance. Er durfte das Mädchen nur einmal im Monat sehen, doch wie es der Zufall wollte, hatte die Kleine stets dann schweren Husten und durfte nicht hinunter, auch wenn ihr Vater stundenlang vor der Haustür wartete. Die Welt war ungerecht, aber so war es nun mal.
  Ja, und dann gab es noch den Schriftsteller Erwin Koch. Er war ein einsamer Mensch, der sich ständig in seiner Wohnung verkroch und niemals herauskam. Die Leute sagten, er sei ein Spinner und hätte schwere Depressionen, doch ich glaube, er trauerte um seine Frau, die vor Jahren bei einem Busunglück gestorben war. Seitdem verließ er nicht einmal die Wohnung, um den Müll rauszutragen. In seinem Zimmer sah es aus wie in einem Saustall. Er war ein komischer Kauz, doch ich konnte ihn gut leiden. Ich fragte mich oft, wie ein Mensch jahrelang in einer Wohnung leben konnte, ohne einen Schritt vor die Tür zu setzen? Er hat es mir erzählt. Als Schriftsteller lebte er noch immer von dem Geld, das ihm seine alten Bücher einbrachten, doch hatte er seit drei Jahren nichts Neues mehr verkauft. In dieser Zeit war seine Wohnung zu einer Müllhalde verkommen, in der er wie eine Ratte hauste. Was er zum Leben brauchte, besorgte er sich telefonisch. Er erklärte mir, er habe an die zwanzig Dauerbestellungen bei Versandhäusern laufen, die ihm den Krempel mit der Post zustellten. Einmal im Monat schickte er Murmel mit einem Bündel Zahlscheine zur Post. Ich verstand nicht, wie das funktionieren konnte, doch an manchen Tagen stapelten sich tatsächlich sechs oder sieben Pakete vor seiner Tür, von Zahnpasta, Seife und Unterhosen angefangen, bis zu Müsli- und Milchpackungen – unvorstellbar, aber so war es!
  Nachdem ich Murmels Rätsel gelöst hatte – Blau steckte in halblaut und Gelb in Spiegelbild – verschwand ich für ein kurzes Nickerchen in meine Wohnung im zweiten Stock. Der Altbau lag in der Heimito-von-Doderer-Gasse am Ende der Fußgängerzone von Kalstein an der Donau. Nach Klaras leer stehender Dachkammer war meine Wohnung mit Abstand die kleinste in dem Gebäude, doch mehr brauchte ich nicht. Dreißig Quadratmeter, ein Zimmer mit Bett, eine Küchenische mit einer Herdplatte und Dusche, WC und Handwaschbecken in einem. Die Räume waren hintereinander gereiht, sodass die Wohnung einem schmalen Gang glich. Vom Küchenfenster konnte ich im Hof den Amseln in den Nussbäumen zusehen, und vom Schlafzimmerfenster die Fußgängerzone beobachten. Ich weiß, die meisten Leute hätten die Zimmer umgekehrt eingerichtet, doch am Abend war es draußen mucksmäuschen still, außerdem hatte ich einen gesunden Schlaf.
  Bevor mir die Augen zufielen, starrte ich auf Murmels Zeichnungen, die an der Zimmerdecke klebten. Eine zeigte Enten im Schilf eines Teichufers, die andere ein saftig gelbes Maisfeld. Darunter standen die merkwürdigen Titel: Bitterkalter, schilfgrüner Dunst und Landwirtschaftliche Maisindustrie dringend notwendig. Der Knabe war etwas sonderbar, doch wer war das nicht in diesem Haus?
  Vor einigen Jahren stießen in Grinzing, einer noblen Weingegend einige Kilometer von uns entfernt, zwei Autos vor einem Heurigenlokal zusammen: Ein Personenwagen und ein ausländischer Bus mit Touristen. Beide Fahrer blieben unverletzt, so stand es zumindest in der Grinzinger Rundschau. Nachdem sie ausgestiegen waren, stellte sich heraus, dass der Autofahrer aus London stammte und der Buschauffeur aus Irland. Womöglich hatten sie sich noch nicht an den Rechtsverkehr gewöhnt. Jedenfalls passierte das Merkwürdige, als sie ihre Visitenkarten tauschten, denn beide hießen mit Vornamen Frederik und mit Nachnamen Chance, waren aber nicht miteinander verwandt. Bei einem Gläschen Wein in einem Heurigenlokal löste sich der Streit in Wohlgefallen auf. Mit Fremdsprachen steht es bei mir nicht besonders gut, doch so viel weiß ich gerade noch: Chance ist das englische Wort für Zufall, zumindest hat mir das meine Mama beigebracht. Auch bin ich im Rechnen nicht sehr gut – zum Glück übe ich einen Beruf aus, bei dem ich nicht viel Kopfrechnen muss – aber eines ist mir trotzdem klar: Die Wahrscheinlichkeit für so einen Zufall, dass zwei Briten mit gleichem Namen mit ihren Karren vor einem Wiener Heurigenlokal zusammenkrachen ist eins zu Hundert, oder so.
  Jedenfalls habe ich begonnen, solche Zufälle in einer Mappe zu sammeln, und glauben Sie mir, diese Mappe ist schon ziemlich dick. Sie würden nicht glauben, was in der Welt so alles passiert. Bruno, der Inhaber des Ristorante Mystico, mein Auftraggeber und Chef, ist Italiener und mittlerweile ein Greis. Manchmal erzähle ich ihm davon, doch er zuckt nur mit den Achseln. Natürlich sind ihm viel merkwürdigere Dinge im Leben passiert. Beispielsweise bekam er im Zweiten Weltkrieg bei einem Einsatz in Sizilien eine Kugel ins Rückgrat, die heute noch in seiner Wirbelsäule steckt und einfach nicht rostet. Seitdem sitzt er im Rollstuhl. Eigentlich hätte er schon längst tot sein müssen, doch irgendwie lässt sich der Sensenmann Zeit.
  Am nächsten Tag, einem Dienstag, kurz nach Mittag, ich räumte gerade die Teller aus dem Geschirrspüler, während Gino, der dürre Kellner, ein Nickerchen auf der Bank machte, fuhr Bruno mit dem Rollstuhl in die Küche. »Eben kam eine fette Frau in das Restaurant. Die war so fett, dass zwei kleinere Frauen in ihrer Umlaufbahn kreisten!«, rief er und hielt sich vor Lachen den Bauch.
  Aber ich verstand den Witz nicht, und als ich weiterhin wortlos die Teller in den Schrank schob, wurde Bruno plötzlich ernst. »Morgen ist es soweit, Miro. Ein neuer Auftrag.«
  Er verließ die Küche und fuhr hinaus in den Hof, von wo er über die Hausrückseite das Straßenniveau erreichte. Den Rest des Tages sah ich ihn nicht mehr. Wie üblich fand ich beim Absperren des Lokals einen braunen Umschlag in der Bodenvertiefung unter der Fußmatte. Als ich die Eisentreppe nach oben stieg und den Altbau betreten wollte, begegnete ich vor dem Haustor Ninas Exmann – ein junger, blonder Kerl, der bestimmt einen anständigen Bürojob ausübte. Es war wieder einmal so weit: Der erste Dienstag im Monat. Er stand am Nachmittag vor dem Haus, und seine Tochter hatte schwere Bronchitis, obwohl sie gestern noch auf der Straße Ball gespielt hatte, während ihre Mutter mit einem blassen Kerl in ihrer Wohnung vögelte.
  »Maria ist wieder krank«, murmelte er, während er mit den Händen in den Hosentaschen zum Fenster emporschaute. »Sie ist erst fünf. Ich würde ihr ja einen guten Arzt besorgen, aber Nina …« Er seufzte.
  »Tut mir leid.« Ich zuckte mit den Achseln und wollte schon an ihm vorbeigehen, doch er sprach weiter. »Maria könnte bei mir wohnen, wissen Sie. Ich habe ein Reihenhaus am Stadtrand, mit einem kleinen Garten, einer Sandkiste und Rutsche. Eine Tagesmutter könnte sich um sie kümmern, solange ich im Büro bin. Ich habe mit meinem Chef gesprochen. Einen Großteil der Arbeit könnte ich zu Hause erledigen … alles wäre perfekt, doch ich habe keine Chance, das Sorgerecht zu erhalten.« Er sah zu Boden, als wäre ihm soeben bewusst geworden, dass er mit einem vollkommen Fremden sprach, einem großen, dummen Zigeunerkoch, der keine Ahnung von derartigen Dingen hatte. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie …«
  »Ich kümmere mich darum«, sagte ich nur.
  Für einen Augenblick hob er die Augenbrauen. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, danach sah er wieder so betrübt drein wie zuvor. »Alles klar.« Er machte kehrt und ging zu seinem Wagen, der am Ende der Fußgängerzone parkte.
  Als ich ihm nachsah, überkam es mich. Was für ein Teufel hatte mich geritten, das zu sagen? Aber ich hatte es gesagt, also hatte ich es auch zu tun. Gleichgültig, was man Zigeunern vorwarf, ich war zuverlässig und hielt mein Wort. Seufzend schob ich das Eingangstor auf und stieg die Treppe zu meiner Wohnung hoch. Im ersten Stock begegnete ich Murmel, der im Schneidersitz vor seiner Wohnungstür saß.
  »Keine Schule heute?«
  Er schüttelte den Kopf. »Was haben Sie da, Herr Miro?« Er zeigte auf das braune Kuvert.
  Wahrscheinlich musste ich ziemlich blöd auf den Umschlag in meiner Hand gestarrt haben, denn plötzlich begann Murmel zu kichern. »Die neue Speisekarte?«
  »Nein, hm … Kochrezepte.«
  »Verstehe! Hier ist das neue Rätsel.« Er hielt mir einen Zettel hin.
  »Nein, heute nicht.«
  »Blau, Rot und Orange sind im Text versteckt. Diesmal finden Sie es nie!« Er drängte mir das Blatt in die Hand.
  Widerwillig las ich den Satz. Obwohl die Läufer den Platz zweimal ablaufen mussten, waren sie trotzdem vorangekommen. Während ich den Text absuchte, beobachtete ich Murmel aus dem Augenwinkel, der aufgeregt an einem Fingernagel kaute. Marlene, seine Mutter, hatte ihren Job als Verkäuferin in der Buchhandlung Molericz verloren, nachdem Klara, die letzte Molericz-Schwester, gestorben war und der Laden zugesperrt werden musste. Sämtliche Bücher und Möbel waren bei einer Versteigerung gelandet, von deren Erlös die Schulden bezahlt wurden. Jedenfalls verdiente Marlene seit Jahresanfang kein Geld mehr, und so viel ich wusste, zahlte Murmels Vater nichts für den Jungen, weil er angeblich selbst arbeitslos war. Ich habe ihn nie kennengelernt, denn Marlene hatte sich von ihm scheiden lassen, bevor sie von Wien weggezogen war. Jedenfalls kümmerte er sich einen Dreck um den Jungen, während Marlene das Kind allein kaum ernähren konnte. Auf der anderen Seite gab es wiederum Ninas Exmann, der für seine Tochter sorgen wollte, aber nicht durfte. Es war eine beschissene Welt, in der wir lebten, aber so war es nun mal.
Als ich mir über Murmels Rätsel den Kopf zerbrach, klang aus Erwin Kochs Wohnung das sporadische Tackern seiner Schreibmaschine. Ab und zu hörten wir das Ratschen der Walze und das Zerknüllen von Papier.
  »Er hat eine Schreibblockade«, erklärte Murmel, als ich aufsah und zur Nachbartür starrte.
  »Das bedeutet?«
  »Er kann nicht schreiben.«
  »Möglicherweise denkt er zu oft an seine verstorbene Frau«, sagte ich. »Hast du nichts, um ihn aufzumuntern?«
  Murmel dachte nach, sprang auf und stürmte in seine Wohnung. Aus dem Vorraum roch es nach Zwiebeln und Kartoffeln. Mit einem kleinen Puzzlekarton unter dem Arm kam er zurück. »Meine Mutter hat es mir mal bei einem Ausflug gekauft, da war ich drei Jahre alt. Als wir noch in der Stadt wohnten, habe ich es oft zusammengelegt.«
  »Dreißig Teile. Und du glaubst, das hilft?«
  Murmel zog die Schultern hoch.
  Ich reichte ihm sein Blatt Papier. »Ablaufen … trotzdem … vorangekommen.«
  Dann nahm ich sein Puzzle und klopfte an Erwins Tür. Wie immer war sie offen, und ich trat ein – und wie immer war es in der Wohnung stockdunkel, doch zum Glück kannte ich den Weg. Erwin hatte Dutzende marode Holzpaletten, auf denen früher die Dachziegel für die Hausrenovierung gestapelt waren, mitten im Wohnzimmer aufgestellt. Dazwischen führte der einzige Weg durch die Wohnung. Jenseits dieser Barrikade, wurde der Rest der Wohnung als Müllhalde benutzt. Mittlerweile häufte sich der Mist bereits in hohen Bergen bis unter den Kronleuchter: unendliche Mengen von Gurkengläsern, Papptellern, Milchpackungen, Klopapierrollen, Konservendosen, alter Wäsche und dreckigem Geschirr, das entsetzlich stank.
  Die Wege zwischen den Paletten ähnelten den Schützengräben im Ersten Weltkrieg. Sie führten ins Badezimmer, ins Klo, in die Küche und ins Schlafzimmer. Im Wohnzimmer schwirrten Tausende von diesen kleinen, schwarzen Mücken herum. Ich wusste nicht, ob sie aus den sauren Milchpackungen stammten oder aus den Yuccapalmen, die mit verfaulten Wurzeln in viel zu feuchter Erde vor sich hin schimmelten.
  Inmitten dieser schwarzen Wolke aus Mücken saß Erwin Koch auf einem wackeligen Stuhl, vor ihm ein halb zerfallener Holztisch mit einer klapprigen Schreibmaschine. Neben ihm auf dem Fußboden stand ein altertümliches Telefon, sein einziger Kontakt zur Außenwelt, umgeben von Hunderten zerknüllten Papierbällen. Erwin trug eine fleckige Unterhose, graue Socken, ein Unterhemd, war blass und abgemagert, mit Dreitagebart, der wie ein Schatten über seinen Wangen lag. Sein Gesicht war so spitz wie das einer Ratte, und mit der Brille wirkte er auch wie eine.
  »Hallo, wie geht´s?«, fragte ich.
  »Blendend.«
  »Sieht man.« Ich reichte ihm das Puzzle.
  »Was ist das?«
  »Ein Puzzle. Versuch es zu legen. Schaffst du nie!«
  »Hab keine Zeit.«
  »Sieht man.« Ich betrachtete die zerknüllten Blätter auf dem Boden. »Und wie geht es mit dem neuen Buch voran?«
  »Ich mache Fortschritte.«
  »Prima.« Ich stellte ihm die hässliche Stehlampe mit den sternförmigen Metallzacken neben den Tisch, damit er besser sehen konnte.
  »Ein Raddampfer auf dem Fluss – wie schön!« Er betrachtete das Motiv auf dem Karton.
  »Wie gesagt, schaffst du nie!«
  »Danke Miro, schön, dass du vorbei geschaut hast.«
  »Ciao.« Ich tippte mir an die imaginäre Hutkrempe und verließ ihn.
  Später am Abend, als ich bei einem Glas Wein und einer Zigarette in meiner Wohnung saß, öffnete ich den braunen Umschlag, den Bruno unter die Fußmatte des Ristorante Mystico gelegt hatte.
  Als die Engländer im Zweiten Weltkrieg den Angriff in der Normandie vorbereiteten, hielten sie die Decknamen für die Landung an den einzelnen Küstenabschnitten streng geheim, mit so seltsamen Namen wie Omaha, Utah, Mulberry oder Overlord. Ich weiß es deshalb, weil ich etwas darüber in einem Buch gelesen habe. Doch zwei Wochen vor dem Angriff erschienen alle diese Decknamen in einem Kreuzworträtsel des Londoner Daily Telegraph. Die Geheimdienstleute schnappten sich den Verfasser des Rätsels und verhörten ihn, fanden aber nicht die geringste Erklärung. Der Mann war weder Agent noch Verräter. Es gibt schon merkwürdige Zufälle im Leben, und ich sammle diese Geschichten in meiner Mappe.
  Auch ich löse gern Kreuzworträtsel, selbst wenn ich nie mehr als die Hälfte schaffe. An diesem Mittwoch fand ich sogar Zeit dafür, denn wie immer hatte ich frei, wenn ich einen Auftrag von Bruno erhielt. Das Ristorante Mystico blieb wegen Renovierung geschlossen, weshalb es an diesen Tagen weder den Mystico-Wein noch das berühmte Mystico-Menü gab, wie Bruno meine Lasagnen, Pizzen und Spaghetti nannte. Doch ich konnte den Auftrag erst am Abend erledigen, und so schlenderte ich durch die Straße, um einige private Dinge zu kaufen, wie beispielsweise einen Schuhkarton voller Kakerlaken aus der Tierhandlung in der Fußgängerzone.
  »Haben Sie einen Leguan?«, fragte mich der Verkäufer.
  »Nein.« Ich bezahlte und verließ den Laden. Einen Leguan? Fressen diese Viecher so etwas überhaupt? Ich erschauderte vor Ekel. Die Käfer krabbelten und zappelten wie wild in der Schachtel, sobald ich sie rüttelte, denn ich hatte ausdrücklich die größten und fettesten Tiere verlangt.
  Zu Hause angekommen wäre ich im Treppenhaus beinahe über ein großes Paket gestolpert, das an Erwin Kochs Tür lehnte. Der Absender war eine Hemdenfirma. Da Erwin weder Waschmaschine noch Bügeleisen benutzte, landete die alte Wäsche auf seinem Müllberg, weshalb er sich einmal im Jahr neue Hemden kaufte. Er hat mir einmal erklärt, woher genau das Geld stammt, aber ich habe es vergessen. Irgendwelche Tantemen oder so. Ich öffnete die Tür und schob das Paket in seine Wohnung. Da bemerkte ich, dass es in den Zimmern totenstill war. Kein Klappern wie sonst. Kurzerhand marschierte ich durch den Schützengraben aus Paletten, bis ich sein Wohnzimmer erreichte. Sein Telefon stand wie immer auf dem Boden, daneben die Schreibmaschine. Er selbst saß mit bandagiertem Kopf hinter seinem Tisch und betrachtete das fertig gelegte Puzzle.
  »Du hast es also doch geschafft. Gratuliere«, sagte ich. »Wie geht´s?«
  »Blendend.«
  »Sieht man.« Ich deutete auf den Verband. »Was ist passiert?«
  »Meine Frau ist zu mir zurückgekehrt.«
  Ich ging um ihn herum. An einer Stelle des Hinterkopfes war die Bandage blutgetränkt. Ein fingernagelgroßer Fleck sickerte durch die Mullbinde.
  »Deine Frau?« Ich starrte auf das Puzzle, das einen Raddampfer mit winkenden Leuten zeigte, der gerade vom Pier eines Flusses ablegte.
  »Als ich es um drei Uhr früh fertig hatte, erlebte ich die Überraschung meines Lebens«, begann er zu erzählen. »Meine Frau kam vor drei Jahren unter die Räder des Schulbusses, direkt vor unserer Haustür. Erst danach wurde die Straße in eine Fußgängerzone umgewandelt – für Gerda allerdings zu spät.« Er machte eine Pause. »Aber hier ist sie wieder.« Er zeigte auf das Oberdeck des Raddampfers. »Ich habe sie entdeckt, als ich fertig war. Man hat sie auf diesem Donauschiff fotografiert, bei einem Ausflug durch die Wachau. Das muss jetzt fünf Jahre her sein. Jemand hat das Foto für ein Puzzle verwendet, anders kann ich es mir nicht erklären. Doch wie kommt ein Puzzle mit ausgerechnet diesem Motiv hierher? Seltsam … der Raddampfer heißt Carona, wie Charon der Fährmann.«
  »Das Leben ist oft seltsam«, sagte ich. »Wie ist deine Verletzung passiert?«
  Erst jetzt hob er den Kopf und sah mich mit glänzenden Augen an. »Als ich Gerda sah, wie sie mir von dem Raddampfer zuwinkte, sprang ich entsetzt hoch. Dabei stieß ich mir einen Metallzacken der Lampe, die du mir gestern hingestellt hast, in den Schädel.«
  Bei dem Gedanken daran zuckte ich zusammen. »Tut mir leid.«
  »Schon gut, ist nur ein Kratzer. Was hast du da in der Schachtel?«
  »Kakerlaken.«
  »Für mich?«
  »Nein.«
  »Danke, dass du vorbei geschaut hast, Miro.«
  »Alles klar, Ciao.«
  Erwin war ein Überlebenskünstler, er würde auch ohne mich zu Recht kommen. Im nächsten Stockwerk hielt ich neben meiner Wohnung vor Ninas Tür, um zu lauschen. Scheinbar war sie beim Frisör, bei der Maniküre oder sonst wo, und ihre Tochter, deren Bronchitis auf wundersame Weise geheilt war, wieder im Kindergarten. Ich öffnete ihre Tür mit einem Stück Draht, das immer an meinem Gürtel hing, und trat ein. Die zugezogenen roten Vorhänge verliehen den Zimmern eine schummrige Atmosphäre, es roch nach Parfum und Massageöl, und die Aktgemälde an den Wänden trugen ihr übriges zur Stimmung in dieser Wohnung bei. Doch davon ließ sich keine Sozialarbeiterin abschrecken. Da mussten schon herbere Zustände herrschen.
  Ich sah mich ein wenig in der Wohnung um, bis ich Marias Zimmer fand. Obwohl das Mädchen schon fünf war, schlief es in einem viel zu kleinem Gitterbett. Das würde die Sache erleichtern. Ich öffnete meine Hose und pinkelte auf die Matratze, das Kopfkissen und die Decke, damit es ordentlich nach Pisse stank. Anschließend drehte ich den Regler des Heizungsradiators zu und brach ihn ab, sodass die Temperatur in der Nacht ziemlich abfallen würde. Mit dem Taschenmesser schraubte ich solange an den Scharnieren der Fensterflügel, bis sie komplett schief standen und im Zimmer eine unangenehme Zugluft herrschte. Zuletzt ließ ich die Kakerlaken aus der Schachtel.
  Bevor ich die Wohnung verließ, kramte ich noch in den Kommoden, bis ich fand, wonach ich suchte. Ich platzierte die Handschellen, Gleitmittel, Vibratoren und einen fetten Gummipenis gut sichtbar auf der Kommode im Vorraum. Danach verzog ich mich in meine eigene Wohnung, von wo ich das Sozialamt anrief, um einen anonymen Hinweis abzugeben.
  Als ich am späten Nachmittag den Altbau verlassen wollte, war das Chaos im Treppenhaus perfekt. Eine Sozialarbeiterin hatte vom Jugendamt Verstärkung angefordert, und so standen zwei Männer im Anzug vor Ninas Wohnung. Nina selbst war außer sich, kreischte und brüllte die Leute an, dass sie sich zum Teufel scheren sollten.
  Ich war aber bereits unter Zeitdruck und musste weg. Plötzlich packte mich Murmel am Mantelärmel. »Schauen Sie, Herr Miro. Ich habe ein neues Rätsel für Sie.«
  »Nicht jetzt!«
  Murmel hopste neben mir über die Stufen, während das Geschrei vor Ninas Tür weiter ging.
  »Ich weiß, dass Sie das getan haben«, flüsterte Murmel mir zu.
  Ruckartig blieb ich stehen. Ich sah den Knaben an, der mich mit seinen schwarzen Knopfaugen fixierte.
  »Gib das Rätsel her!«
  »Grün, Gelb und Rot«, erklärte er mir.
  »Ja, ja, schon klar.«
  Ich las den Satz. Er begründete seinen Ekel damit, dass die Geflügelbrühe nur so vor Fettaugen strotzte.
  Verdammter Mist! Ich hatte keine Zeit. Verzweifelt suchte ich die Wörter ab, konnte aber nichts finden.
  »Ich gebe auf!«
  »Nein, tun Sie nicht!«
  Das Geschrei vom oberen Stockwerk nervte. Langsam ging ich weiter die Treppe hinunter.
  »Was tragen Sie da in Ihrem Koffer?«
  »Still, ich muss mich konzentrieren.« Dann hatte ich es endlich gefunden und zeigte Murmel die Textstellen.
  »Okay, Sie können gehen.«
  »Vielen Dank.«
  »Und viel Erfolg«, rief er mir nach.
  »Danke.«
  Trotzdem folgte er mir aus dem Haus, die Fußgängerzone entlang, während er ungebremst weiterquasselte. »Wissen Sie, was Asteroiden sind?«
  »Nein.«
  »Das sind kleine Planeten im All. Meine Mama hat ein Lexikon, da steht alles drin. Aber bei Asteroid ist nur ein Pfeil zu finden, daneben steht siehe Asteroidengürtel.«
  »Wie interessant!«
  »Und bei Asteroidengürtel ist ein Pfeil, da steht siehe Planetoidengürtel, und dort steht, siehe Planetoid, und dort steht, siehe Kleinplanet
  Ich hielt an und stellte den Koffer auf die Straße. »Worauf willst du hinaus?«
  »Raten Sie mal, was bei Kleinplanet steht …«
  Ich hob seufzend die Hände. »Ich weiß es nicht.«
  »Dort steht: siehe Asteroid
  Ratlos betrachtete ich ihn.
  »Verstehen Sie? Alles dreht sich im Kreis.« Murmel wirbelte die Arme herum. »Wie die Asteroiden.«
  Ich ging in die Hocke, um ihm direkt in die Augen zu sehen. »Du bist ein schlauer Junge, willst du mir einen Gefallen tun?«
  Zögernd nickte er.
  »Kümmere dich in der Zwischenzeit um Ninas Tochter, sie heißt Maria. Nimm sie zu dir in die Wohnung. Deine Mama soll ihr eine heiße Schokolade oder sonst was kochen.«
  Murmel nickte. Ich gab ihm einen Klaps auf den Po und er lief zum Haus zurück.
  Als ich nach dem Job heimkam, war es bereits ein Uhr nachts. Mein linker Arm war steif und ich hatte ihn nicht mehr in den Mantelärmel bekommen, also hing mir an dieser Seite der Mantel über die Schulter. Während ich mit dem Wohnungsschlüssel im Schloss stocherte, öffnete sich die Eingangstür der Nutte. Nina kam nur mit einem durchsichtigen Nachthemd bekleidet heraus und stolzierte über den Gang.
  »Wie geht´s, Zigeunerkoch?«
  »Danke gut.« Endlich bekam ich die verdammte Tür auf und wollte in meine Wohnung verschwinden, als sie sich an mich ranschob.
  »Du warst heute nicht zufällig bei mir?«
  »Ich zahle nicht für Sex!«
  »Blödes Arschloch!« Sie packte mich am Mantelkragen und drückte mich gegen den Türstock. Ich zuckte zusammen, als sie meinen steifen Arm berührte.
  »He, sachte!« Ich schob sie von mir.
  »Sag bloß, du steckst nicht hinter dieser ganzen Scheiße«, zischte sie. »Diese Schlampe vom Sozialamt wird mir das Sorgerecht für die Kleine entziehen, weil eine Horde Käfer das ganze Zimmer voll geschissen haben.«
  »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
  »Das weißt du wohl! Ich warne dich, leg dich nicht mit mir an. Ich mach dich fertig!« Sie starrte auf den Mantelärmel und das Handgelenk, von wo mir Blut auf den Schuh tropfte.
  »Gute Nacht.« Endlich verschwand ich in meine Wohnung, zog die Tür zu und legte die Sicherheitsschlösser vor. Nicht wegen Nina – die konnte mich kreuzweise – sondern wegen der Dinge, die noch auf mich zukommen würden. Rasch schlüpfte ich aus den Kleidern und warf mich mit einer Flasche Rotwein, Nadel, Nähfaden, Pinzette und einer Desinfektionswanne auf die Couch. Danach säuberte ich den Streifschuss, der sich verdammt tief in den Oberarm gegraben hatte. Zum Glück war keine Arterie getroffen. Die Blutung hielt sich in Grenzen.
  Als ich fertig war und den Nähfaden mit den Zähnen abbiss, wurde mir übel. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Da mir schwarz vor Augen wurde, begann ich tief einzuatmen. Scheiße, alles war schief gegangen. Der fette Kerl war nicht allein im Zimmer gewesen. Damit hatte ich gerechnet, aber der kleine Junge in den Mädchenkleidern hätte längst draußen sein sollen.
  Ich öffnete die Augen. Langsam wurde es besser. Nach einem Schluck Rotwein steckte ich mir mit zittrigen Fingern eine Zigarette an. Der Junge war etwa in Murmels Alter. Wenn die Kugel nicht mich, sondern ihn getroffen hätte, wäre nicht viel von seinem Gesicht übrig geblieben. Lange Zeit starrte ich auf Murmels Bilder an der Decke. Seine Worte kamen mir in den Sinn. »Alles dreht sich im Kreis.«
  Plötzlich sah ich es. Es war schon immer da gewesen, doch fiel es mir erst jetzt auf. Landwirtschaftliche Maisindustrie dringend notwendig und Bitterkalter, schilfgrüner Dunst. Wie lange war es bereits her, dass Murmel mir diese beiden Zeichnungen geschenkt hatte? Und die ganze Zeit war ich so blind gewesen.
  Landwirtschaftliche Maisindustrie dringend notwendig.
  Bitterkalter, schilfgrüner Dunst.
  Morgen würde ich mich auch darum kümmern.
  Am 5. Mai 1664 sank ein Segelschiff vor Passau. An Bord waren über zwanzig Menschen, aber nur einer überlebte: Hanns Vrancke. An einem anderen 5. Mai, genau hundertzwanzig Jahre später, krachte ein anderes Schiff mit sechzig Passagieren in die Kaimauer des Hainburger Donauhafens. Und? Raten Sie mal! Der einzige Überlebende hieß Hans Francke! Und als am 5. Mai 1960 ein weiteres Schiff mit sieben Passagieren unter der Wiener Donaubrücke sank, hieß der einzige Überlebende Hannes Frank. Jeder kann das nachlesen. Es steht auf einer Bronzetafel am Wiener Zollhafen, wo ich manchmal spazieren gehe, um Möwen zu füttern. Das Dröhnen der Nebelhörner, die tuckernden Frachtkähne und der Fischgeruch erinnern mich an das Meer. Dabei fühle ich mich frei und kann über so manch Sonderbares nachdenken, wie eben über jenen Mann, der immer überlebte.
  An diesem Donnerstagmorgen trat ich vor meiner Wohnungstür in einen Haufen Scheiße. Jemand hatte in der Nacht tatsächlich auf meine Fußmatte gekackt. Für mich war klar, es konnte nur Nina oder ihr Zuhälter gewesen sein. Der Psychokrieg hatte früher begonnen als erwartet.
  Ich wischte meine Schuhe ab und entfernte den Kackhaufen. Danach verließ ich das Haus. Die Sonne schien prächtig und versprach einen milden Frühlingstag. Doch bevor ich zu einem Spaziergang aufbrach, stoppte ich Murmel, der mit der Schultasche auf dem Rücken zum Schulbus lief.
  »Gestern Abend habe ich es rausgefunden. Wer ist es?«
  Der Junge sah mich mit geweiteten Augen an, dann riss er sich los und lief zur Busstation.
  Während ich entlang der Kaimauer spazierte und über Murmels Reaktion nachdachte, blieb das Ristorante Mystico einen weiteren Tag geschlossen. Mittlerweile wusste Bruno von dem Vorfall, weshalb er mir frei gab, um mich zu erholen. Morgen würde das Kochen, Servieren und Tellerwaschen wieder seinen gewohnten Lauf nehmen. Nachdem ich zu Mittag eine Bohnensuppe mit Gebäck gegessen hatte, machte ich auf der Strecke nach Hause ein paar extra Wege. An den meisten Autobahnauffahrten befand sich eine Raststation. Manche waren nobler, manche aber richtig heruntergekommen. Eben jene suchte ich auf, denn darin saßen meist Trucker, welche die Zeit des Nachtfahrverbots an den Tischen bei einer Flasche Bier verbrachten.
  Ich betrat die heruntergekommenen Raststätten und malte die Klowände mit einem dicken Filzstift an. Ich lutsche jeden Schwanz gratis. Darunter schrieb ich Ninas Telefonnummer. Ein paar Dutzend Mal. So funktionierte das!
  Nach der letzten Kneipe blieb ich bei einem Glas Rotwein am Tresen sitzen. In der Tageszeitung las ich von dem Anschlag auf ein zwielichtiges Bordell, bei dem ein Wiener Waffenschieber und sein Leibwächter ums Leben gekommen waren. Je drei Schüsse in den Kopf. Ein achtjähriger Strichjunge ohne Eltern, der seit einem Jahr im Kinderheim vermisst wurde, war dabei schwer verletzt worden, schwebte aber außer Lebensgefahr. Ich schlug die Zeitung zu. Wichtig war, dass der Knabe lebte. Der fette Leibwächter war über seine eigene Unterhose gestolpert, und seine Scheißkugel hatte den Jungen getroffen, als dieser aus dem Zimmer laufen wollte. Die zweite Kugel traf mich, aber das alles stand natürlich nicht in der Zeitung.
  Als ich zu Hause ankam, stank es im Treppenhaus immer noch nach Scheiße. Wie es der Zufall wollte, wartete Nina im Gang auf mich, mit verschmiertem Lidschatten und Lippenstift, was ihr ein comic-haftes Aussehen verlieh.
  »Na, hast du meine Nachricht erhalten, Zigeunerkoch?«, zischte sie.
  »Du steckst bald ebenso tief in der Scheiße!« Mehr sagte ich nicht und schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Als ich an mir runter sah, bemerkte ich, dass ich auf einer bunten Zeichnung stand. Murmel musste mir das Blatt unter dem Türschlitz durchgeschoben haben. Es zeigte einige in Dunkelheit liegende Berge. Die Hänge waren vom Mond beschienen. Darunter stand: Im Mondschein richtig prächtiger Berggipfel.
  Ein weiteres verdammtes Rätsel! Warum konnte der Junge nicht Klartext reden? Ich setzte mich an den Küchentisch. Wie gebannt starrte ich auf das Blatt, bis mir die Augen tränten. In der Zeichnung war kein Name zu finden, kein Hinweis verborgen, nur der Titel konnte etwas bedeuten. Im Mondschein richtig prächtiger Berggipfel. Bisher hatte Murmel in seinen Rätseln nur Farben und Tiere versteckt, wie beispielsweise Hund in geschunden, Maus in Stromausfall, oder Pferd in Kupferdraht. Aber ich fand nichts dergleichen. Diesmal war nichts in den Wörtern enthalten, also sah ich mir den Anfang und die Endung der Wörter an: Im Mondscheinrichtig prächtiger Berggipfel … das war´s! Heinrich Gerber! Der Vermieter von Marlenes Wohnung, der alte Hurenbock. Ich würde ihn mir vorknöpfen.
  Ich stapfte in das Erdgeschoss und wollte seine Tür eintreten. Doch sie war angelehnt. Ich hörte seine spöttische Stimme.
  »… wenn Sie die Miete diesmal wieder nicht bezahlen, sehen wir uns morgen Abend.«
  Als ich die Tür aufstieß und in seinen mit Fahnen verhängten Vorraum trat, verging ihm das Grinsen. Murmels Mutter stand stocksteif vor ihm. Als er mich sah, nahm er rasch die Hand von Marlenes Hüfte.
  »Was starrst du so, Zigeuner?«, fuhr er mich an. »Braucht das Lumpenpack neuerdings nicht mehr anzuklopfen? Verschwindet aus meiner Wohnung – alle beide!«