Über die Autorinnen

Christine Dunkley begann ihr Berufsleben 1982 als Sozialarbeiterin im Gesundheitswesen, mit dem Schwerpunkt Trauma. Da sie sich besonders für den Aspekt der Selbstverletzung interessierte, traf sie häufig auf Klienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Aufgrund der in dieser Klientengruppe typischen Prävalenz für sexuellen Kindesmissbrauch absolvierte sie mehrere Zusatzausbildungen, zunächst in psychologischer Beratung und dann in Dialektischer Verhaltenstherapie (DBT)– einer achtsamkeitsbasierten Therapierichtung. Sie führte Achtsamkeitstrainings durch, sowohl für DBT-Gruppen als auch für Einzelpatienten und leitete Achtsamkeitsgruppen für das Personal zweier Gesundheitszentren. Inzwischen gehört die von der British Association for Counselling and Psychotherapy (BACP) anerkannte Therapeutin zu den leitenden Ausbildern des britischen DBT-Teams.

Derzeit arbeitet Christine sowohl im Rahmen der staatlichen Gesundheitsversorgung (NHS) als auch privat als psychologische Therapeutin. In Großbritannien und Irland unterrichtet sie auf dem Gesundheitssektor tätige Menschen wie Psychologinnen, Pflegekräfte, Nervenärzte und Sozialarbeiterinnen in DBT. Über Themen wie DBT, emotionalen Schmerz, Supervision und Risikomanagement hat sie einzelne Buch­kapitel und Tagungsbeiträge geschrieben sowie eine DVD-Serie herausgebracht. Im Forschungsteam der University of Southampton arbeitet sie als Fachberaterin und Supervisorin für eine breit angelegte randomisierte kontrollierte Studie. Sie ist außerdem Mitglied der IAPT Personality Disorders Expert Reference Group und Honorardozentin an der Bangor University.

 

Dr. Maggie Stanton begann ihre Berufslaufbahn als Krankenschwester am St Bartholomew’s Hospital in London. Sie interessierte sich zunehmend für die psychologischen Folgen körperlicher Erkrankungen, studierte Psychologie und absolvierte eine Postgraduiertenausbildung im Fach Klinische Psychologie an der University of Birmingham. Im Laufe ihrer beinahe 30 Arbeitsjahre hat sie sich auf Klienten mit schweren und chronischen psychischen Störungen spezialisiert und supervidiert inzwischen Angehörige unterschiedlichster Berufsgruppen im Hinblick auf die psychischen Aspekte ihrer Arbeit.

1994 zog Maggie nach Hampshire, wo sie derzeit als klinische Psychologin an einer großen staatlichen Einrichtung ein Team von Psychologen und psychologischen Therapeuten leitet.

2002 machte sie eine Weiterbildung in Dialektischer Verhaltenstherapie (DBT, eine achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie), die sie auf dem Fortgeschrittenen- bzw. Supervisionsniveau abschloss. Sie ist Mitglied im britischen DBT-Ausbildungsteam und gehört zu den führenden Köpfen der DBT in Großbritannien. Sie unterrichtet Achtsamkeit in DBT- und anderen Gruppen sowie im Einzelsetting. Sie ist Super­visorin und Dozentin am Postgraduierten Studiengang „Kognitive Therapie bei schweren psychischen Störungen“ sowie am Doktorandenkolleg im Fach „Klinische Psychologie“ der University of Southampton. Des Weiteren arbeitet sie als Beraterin und Trainerin in der klinischen Psychologie sowie in verwandten Bereichen. Sie hat an verschiedenen Forschungsprojekten mitgearbeitet und darüber in Fachzeitschriften, Büchern und auf Tagungen berichtet. Seit Neuestem leitet sie eine randomisierte kontrollierte Multi-Center-Studie zur Behandlung resistenter Depressionen. Als qualifizierte Therapeutin ist sie an der Britisch Association for Behavioural & Cognitive Psychotherapies (BABCP), am staatlichen Aufsichtsgremium für Gesundheits- und Pflegeberufe und an der British­ Psychological Society registriert. Bei letzterem ist sie außerdem Mitglied der Abteilung für Klinische Psychologie.

Christine Dunkley & Maggie Stanton

Achtsamkeitstechniken vermitteln

Ein praktischer Leitfaden

Reihe

Therapeutische Skills kompakt

Band 10

Über dieses Buch

Bücher über das Thema Achtsamkeit gibt es viele. In der Regel sind es Sammlungen von Übungen oder sie beschäftigen sich damit, wie Achtsamkeit in diversen Lebenssituationen helfen kann. Wie aber vermitteln Therapeutinnen oder Ärzte ihren Klienten Achtsamkeitstechniken? Wie gehen sie mit Vorbehalten um? Wie lassen sich Klienten davon überzeugen, dass Achtsamkeit in ihrer derzeitigen Situation wirklich hilfreich ist? 

Anhand vieler Beispiele aus ihrer eigenen Praxis zeigen die Autorinnen, wie sich Achtsamkeitstechniken in ein therapeutisches Setting einfügen lassen. Sie untersuchen dabei u. a. die folgenden Fragen: 

Dieser Band aus der Reihe »Therapeutische Skills kompakt« bietet all jenen einen strukturierten Leitfaden, die künftig Achtsamkeitstechniken an ihre Klienten weitergeben möchten.

  

Christine Dunkley ist Psychotherapeutin und bildet in Großbritannien Therapeutinnen und Therapeuten in Dialektischer Verhaltenstherapie weiter. 

Maggie Stanton ist klinische Psychologin und lehrt an der Universität Southampton.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2015

Copyright © der Originalausgabe: 2014 by Christine Dunkley and Maggie Stanton

Authorized translation from the English language edition „Teaching Clients to Use Mindfulness Skills. A Practical Guide“, published by Routledge, a member of Taylor & Francis Group.

Übersetzung: Claudia Campisi

Coverfoto: © Gerti G. / photocase.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015

Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)

Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-331-7

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-373-7 (EPUB), 978-3-95571-374-4 (MOBI), 978-3-95571-375-1 (PDF).

Für John, Laura und Lucy
Christine

Für Neville, Josh und Jemima
Maggie

Danksagung

Ganz herzlich möchten wir uns bei allen Klienten bedanken, die uns dabei geholfen haben, kompetente Achtsamkeitslehrerinnen zu werden, die fähig sind, ihre Erkenntnisse mit anderen zu teilen. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit, Achtsamkeit zu praktizieren, sind für uns immer eine Quelle der Inspiration.

Danken möchten wir auch unseren Kolleginnen und Kollegen, sowohl denen, mit denen wir zusammenarbeiten, als auch denen, die an unseren Workshops teilnehmen. Wir haben von ihnen immens viel Feedback bekommen, ohne das und auch ohne die ansteckend gute Laune und Unterstützung wir nicht den Mut gehabt hätten, dieses Buch zu schreiben. Dankbar sind wir allen britischen und internationalen DBT-Ausbildern, die ihr Wissen mit uns geteilt haben und von denen wir so viel gelernt haben, besonders aber Marsha Linehan, Heidi Heard, Michaela Swales, Tom Lynch, Jennifer Sayrs und Sue Clarke. Francesca Mettam und Anne Blackburn, die unseren Schlussentwurf durchgesehen haben, danken wir, dass sie uns so großzügig ihre Zeit geschenkt haben. Zu guter Letzt geht unser ganz spezielles Dankeschön an Neville und John. Ohne ihren Rat, Zuspruch und vorbehaltlosen Glauben an uns wäre dieses Buch nie geschrieben worden.

Unsere Fallbeispiele basieren auf den Kenntnissen und Erfahrungen, die wir in vielen Jahren erworben haben. Sie sind jedoch erfunden und jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen ist unbeabsichtigt.

1. Was ist Achtsamkeit?

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit dem Thema, wie Achtsamkeitslehrer reagieren, wenn sie gefragt werden: „Was ist Achtsamkeit?“ Kompetent zeigt sich, wer auf diese Frage gut vorbereitet ist, darüber hinaus eine eigene Technik entwickelt hat und die empirische Beweisgrundlage für das Achtsamkeitstraining kennt.

In unserer Anfangszeit als Achtsamkeitslehrerinnen wurden wir oft gefragt, was das denn überhaupt sei: Achtsamkeit. Inzwischen ist diese Methode ja schon viel bekannter, etwa durch Ratgeber wie „10 achtsame Minuten für stressfreie und ausgeglichene Kinder“ von Goldie Hawn, oder weil man in einem Kurs zur gezielten Gewichtsreduktion etwas darüber gehört hat. Meist antworten wir mit dem Rat, sich am besten selbst zu informieren, und verweisen auf die vielen, überall leicht erhältlichen Medien, in denen auf die verschiedenen Bedürfnisse, Präferenzen und Lernstile eingegangen wird, beispielsweise:

Am besten begreift man durch die eigene Praxis, d.h. indem man aus eigener Erfahrung lernt, was Achtsamkeit für einen selbst ist.

Gute Achtsamkeitslehrer haben natürlich immer auch einige einfache Definitionen parat. So plädierte Jon Kabat-Zinn (1991) dafür, Achtsamkeit in einer für die westliche Kultur verständlichen und gewohnten Sprache zu erklären. Bei dem Versuch, die Achtsamkeitspraxis in ein Stressreduktionsprogramm zu integrieren, hatte er nämlich die Erfahrung gemacht, dass Patienten und Kollegen aus der Medizin aufgrund ihrer Vorurteile über fernöstliche Meditation nicht einsahen, welch eine wichtige Rolle die Achtsamkeit im Zusammenhang mit Stress­problemen spielt. Diese Blockaden wollte der Autor mit einfachen Erklärungen beseitigen und auf diese Weise für mehr Offenheit sorgen. Heute erleben wir Ähnliches: Je einfacher und alltäglicher die Begriffe sind, die wir zur Beschreibung der Achtsamkeit verwenden, desto leichter bekommen unsere Klienten einen Zugang.

1.1 Definitionen von Achtsamkeit

Am häufigsten, und unserer Erfahrung nach bei vielen Klienten auch am beliebtesten, ist folgende Definition: Achtsamkeit ist eine besondere Form der Aufmerksamkeit „bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu bewerten“ (Kabat-Zinn 2010, S. 18).

Achtsamkeit ist mit dem gegenwärtigen Augenblick verbunden. So Kabat-Zinn (2010, S. 7): „Der Augenblick ist das einzige, womit wir arbeiten können.“ Unser Leben lang denken wir viel zu viel darüber nach, was passiert ist oder was passieren könnte, und zwar so, als handelte es sich dabei nicht um Gedanken, sondern um Fakten. Das aber ist Unachtsamkeit.

Dem gegenwärtigen Augenblick wach begegnen, ein Ziel für die Aufmerksamkeit wählen und erkennen, wann man sich im Drama des eigenen Geistes verfängt – das ist Achtsamkeit.

Damit man sich unter diesen Definitionen etwas Reales vorstellen kann, müssen sie zum Leben erweckt werden, und dafür brauchen Therapeuten konkrete Beispiele, die zu den verschiedenen Lebensperspektiven ihrer Klienten passen. Wir etwa würden zur Veranschaulichung Beispiele wie diese verwenden:

 Beispiel:

Amy bekam von ihrem Chef eine E-Mail, in der er ihr mitteilte, er wolle mit ihr sprechen. Bestimmt würde er ihr sagen, dass sie kurz davor war, ihren Job zu verlieren, dachte sie. In ihrer Vorstellung zeigte er sich unzufrieden mit dem Ergebnis oder der Geschwindigkeit ihrer Arbeit. Mit rasendem Herz und trockenem Mund ging sie zu seinem Büro. Da dachte sie an ihr Achtsamkeitstraining. Sie machte sich klar, dass sie sich in der Frage, warum ihr Chef sie sehen wollte, verfangen hatte. Dies war Unachtsamkeit. Also richtete sie ihre Aufmerksamkeit gezielt auf das Erleben der Gegenwart, indem sie bewusst wahrnahm, wie sie den Gang entlangging. Sie spürte den Teppich unter ihren Füßen und lauschte auf die Stimmen, die aus den anderen Büros erklangen. Dieser Moment der Achtsamkeit – das „Erwachen“ zur Erkenntnis, dass sie die ganze Zeit über ihre Aufmerksamkeit auf eine Interpretation dieser Situation ihres Kopfes gerichtet hatte – führte also dazu, dass sie die Erfahrung, den Flur entlangzugehen, bewusst wahrnehmen und die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick lenken konnte.

Autopilot

Ein bekanntes Beispiel für Geistesabwesenheit bzw. Unachtsamkeit ist der sogenannte Autopilot, bei dem man etwas tut, ohne sich gewahr zu sein, was man eigentlich tut.

 Beispiel:

Unter der Woche arbeite ich an zwei Orten: in der Klinik und an der Universität. Der Weg dorthin ist am Anfang derselbe. Manchmal passiert es mir, dass ich in Richtung Universität losfahre und mich dann aber plötzlich in der Einfahrt zur Klinik wiederfinde. Ich bin also tatsächlich auf Autopilot gefahren! Wäre ich stattdessen achtsam gewesen, hätte ich gemerkt, wo ich mich befinde. Ich hätte die Straße vor mir wahrgenommen und wie ich in einen anderen Gang wechselte und wäre schließlich genau dort angekommen, wohin ich eigentlich hatte fahren wollen.

In der Regel ruft diese Geschichte bei den Klienten ein Lächeln des Wiedererkennens hervor. Solche Gemeinsamkeiten nutzen wir Therapeuten gern, um ein Gespräch darüber anzuregen, wie viel Zeit man auf „Autopilot“ gestellt lebt und wie anders das Leben aussähe, wenn man gelernt hätte, achtsam zu sein. Hier bietet sich gleich eine Gelegenheit, dem Klienten­ etwas zu vermitteln, indem man nämlich anmerkt, dass dies ein ganz natürlicher Denkprozess sei, der in jedem Kopf auflaufe.

Übernehmen Sie die Kontrolle über Ihr Denken

Laut Marsha Linehan ist Achtsamkeit eine erlernbare Fähigkeit. Durch sie gelange man ans Steuer und bekomme so die Kontrolle über den eigenen Kopf – und nicht umgekehrt. Die Autorin erklärt detailliert, was man tun müsse, um achtsam zu sein (z.B. beobachten, beschreiben und teilnehmen) und wie man es tun sollte (z.B. eins nach dem anderen, nichtwertend oder effektiv) (Linehan 2008, S. 108 f.). Und genau das ist es, was wir unterrichten: die erlernbare Fähigkeit zur Achtsamkeit.

Entwickeln Sie Ihre eigene Form der Achtsamkeitspraxis

Wir sind bereits darauf eingegangen, welche Vorteile es hat, das Prinzip der Achtsamkeit mit alltagssprachlichen Begriffen zu erklären. Laut Williams­ und Kabat-Zinn (2011) liegt darin aber auch immer die Gefahr, dass die Essenz ihrer fernöstlichen Wurzeln verloren geht. Den Autoren zufolge sollten gerade wir Achtsamkeitslehrerinnen genug über Achtsamkeit wissen und erfahren haben, damit wir nicht nur über Mitgefühl, Akzeptanz und das Streben nach tieferer Erkenntnis reden, sondern diese Dinge auch in unserem Tun offenbaren. So könne jede Achtsamkeitsübung nur so effektiv sein, wie sie tatsächlich gelehrt werde. „Achtsamkeit kann nur von innen heraus verstanden werden“ (Kabat-Zinn 2011, S. 284). Kuyken et al. (2010) untersuchten, wie Achtsamkeitslehrer bei der Durchführung von Übungen und beim Feedback zum Vorbild für eine mitfühlende Haltung anderen gegenüber wurden. Dies könne ein wichtiger Wirkfaktor für erfolgreiche Achtsamkeitsinterventionen in der Behandlung von Menschen mit wiederkehrenden Depressionen sein (z.B. Kuyken et al. 2008).

1.2 Achtsamkeitsbasierte Therapien

Nach der Veröffentlichung des Programms für achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness Based Stress Reduction; MBSR) von Jon Kabat-Zinn wurden weitere Therapien entwickelte, die auf der Basis von Achtsamkeit funktionieren. Als Lehrer von Achtsamkeitstechniken sollte man sich mit den gängigen Therapieformen auskennen, über die möglicherweise auch die Klienten schon etwas gehört haben. Wer nach einer dieser Methoden therapiert, sollte sich bewusst sein, auf welche spezielle Weise Achtsamkeit in dieser Therapieform vermittelt wird. Er oder sie sollte entsprechend qualifiziert sein und supervisiert werden. Zum Beispiel gibt es sowohl für die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (Mindfulness Based Cognitive Therapy; MBCT) als auch für die MBSR strikte Richtlinien für die Ausbildung und Supervision (UK Network of Mindfulness-Based Teacher Trainers, 2010)2.

Auch in der von Marsha Linehan begründeten Therapie für stark suizid­gefährdete und sich selbst verletzende Menschen zählt die Achtsamkeit zu den wichtigsten erlernbaren Fähigkeiten. Ihre Dialektisch-Behaviorale Therapie (Dialectic Behaviour Therapy; DBT) (Linehan, 2007) basiert auf der Vorstellung, dass Klienten für die Bewältigung von Belastungen, die Regulierung von Emotionen und die Steigerung der Effektivität in Beziehungen bestimmte Fähigkeiten brauchen und erlernen müssen. So enthalten alle DBT-Gruppensitzungen immer auch Achtsamkeitsübungen, beginnen die achtwöchigen Trainings­module mit zwei Unterrichtseinheiten, die ausschließlich der Achtsamkeit gewidmet sind. Des Weiteren haben viele der von Linehan konzipierten „Skills“ mit Achtsamkeit zu tun, z.B. das Modul des achtsamen Umgangs mit zwischenmenschlichen Beziehungen (Interpersonal Effectiveness Module) oder das der achtsamen Beobachtung und Beschreibung von Emotionen (Emotion Regulation Module).

Bekannt ist auch die von Steve Hayes (Hayes & Smith 2005) entwickelte­ Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Hierbei geht es vornehmlich darum, mit dem gegenwärtigen Augenblick in Kontakt zu kommen und Erlebnisse, einschließlich Probleme wie Angst und Depression, aus einer nichtwertenden Haltung heraus anzunehmen. Wie in der DBT gilt Achtsamkeit auch in der ACT als erlernbare und im Alltag anwendbare Fähigkeit. Und wie Kabat-Zinn findet auch Hayes, dass Meditation in der westlichen Gesellschaft einen schlechten Ruf genießt und dass die Art, wie man Achtsamkeit einführt, Einfluss darauf hat, ob andere bereit sind, sie zu praktizieren, oder nicht. In Anlehnung an die DBT plädiert Hayes für kurze Anwendungen, die mit der Zeit erweitert werden können.

Wie ihr Name schon nahelegt, basiert auch die bereits genannte MBCT ganz wesentlich auf dem Prinzip der Achtsamkeit. Seit ihrer Einführung 2000 (Teasdale et al. 2000) hat diese Therapieform sehr an Beliebtheit gewonnen. Sie war zunächst als Therapie zur Rückfallprävention für Menschen mit drei oder mehr depressiven Episoden konzipiert (Segal et al. 2002). Für diese Zielgruppe wird sie inzwischen auch vom Qualitätssicherungsinstitut des britischen Gesundheitsministeriums (National­ Institute for Health and Clinical Excellence, NICE) empfohlen. Vor noch nicht langer Zeit wurde untersucht, inwiefern MBCT auch in anderen Bereichen verwendet werden könnte, beispielsweise in der Onkologie zur Behandlung von Krebs (Carlson & Speca 2011).

Bei allen mit Achtsamkeit verbundenen Therapien liegt die Betonung ganz selbstverständlich darauf, nicht so sehr die Erfahrungen selbst zu verändern, sondern eher die Einstellung dazu. Auch bei der kognitiven Therapiemethode, die Paul Chadwick (2006) zur Behandlung bei akuten Psychosen entwickelte (Person-Based Cognitive Therapy, PBCT), lernen die Klienten ergänzend zu kognitiven auch Achtsamkeitstechniken. Das hilft ihnen, eine andere Einstellung zu den Erfahrungen des Stimmenhörens zu gewinnen und so die Belastungen zu mildern. Die Betroffenen können die Erfahrung urteilsfrei akzeptieren und müssen nicht unmittelbar auf sie reagieren.

Dannahy et al. (2011) und Goodliffe et al. (2010) berichteten über den Einsatz von PBCT in Gruppentherapien für Menschen mit belastenden auditiven Halluzinationen. Während der Behandlungszeit gaben die Klienten an, dass sie anders mit den Stimmen umzugehen lernten und die Stimmen allmählich als Symptome einer Störung betrachteten, statt als wesentlichen Teil ihrer Person. Auch wir haben schon solche Gruppen geleitet und bei unseren Klienten wahrhaft bemerkenswerte Veränderungen beobachtet. Dinge oder Situationen, die sie zuvor aufgegeben bzw. gemieden hatten, konnten sie nun wieder aufsuchen bzw. tun.

1.3 Kontraindikationen

In diesem Buch behandeln wir weder Risikobewertung und -Management noch gehen wir auf das Thema Behandlungsplanung ein, da diese Teil unserer normalen klinischen Arbeit mit Klienten sind. Das Vermitteln von Achtsamkeitstechniken ist immer Teil eines individuellen Behandlungsplanes. Und wie bei jedem anderen therapeutischen Ansatz prüfen wir auch hier zunächst die möglichen Risiken und stellen dann einen Plan auf, wie mit ihnen umzugehen ist. Als Therapeuten müssen wir in unserem Arbeitsgebiet stets auf dem neuesten Stand der Forschung sein und dafür sorgen, dass wir kompetent genug sind, alle von uns angebotenen Interventionen auch auszuführen. Und um dieses Kompetenzniveau aufrechtzuerhalten, müssen wir um eine fortwährende berufliche Weiterentwicklung und Supervision bemüht sein.

1.4 Evidenzgrundlage

Aufgrund des schnell gewachsenen Interesses an der Erforschung der Achtsamkeit gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Studien. In ihrem einleitenden Artikel einer Sonderausgabe der Zeitschrift Contemporary Buddhism zitieren Williams und Kabat-Zinn (2011) die Ergebnisse einer Recherche nach dem Begriff Achtsamkeit. David Black hatte diese am 5. Februar 2011 in der Datenbank des „ISI Web of Knowledge“ unternommen. Wie sich zeigte, hatte sich die Anzahl der Publikationen, die im Abstrakt oder den Keywords (die nur auf Englisch formuliert waren) das Wort „Achtsamkeit“ erwähnten, von nur einigen wenigen in den 1980er- und 1990er-Jahren bis zu 50 im Jahr 2003 auf über 350 im Jahr 2010 gesteigert. Der Anwendungsbereich von Achtsamkeit hat sich von der Medizin und Psychologie bis zu Erziehung, Wirtschaft und Management ausgeweitet. Als Jon Kabat-Zinn MBSR 1979 im Medical Center der Universität von Massachusetts einführte, hätte er nie für möglich gehalten, wie stark diese Vorstellungen und Herangehensweisen angenommen und welchen Einfluss sie auf so viele verschiedene Bereiche der westlichen Gesellschaft haben würden. So wurde die Verschmelzung zweier großer Traditionen, der empirischen Wissenschaft und der buddhistischen Meditationspraxis, zu einem Katalysator für die vielfältige Ausbreitung der Achtsamkeit.

Veränderungen im Gehirn

Die physischen Auswirkungen der Achtsamkeitspraxis auf das Gehirn lassen sich mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) untersuchen. So ergab das von Sara Lazar am Massachusetts General Hospital (Hölzel et al. 2011) durchgeführte Forschungsprojekt, dass bei Teilnehmenden an einem achtwöchigen MBSR-Training die graue Substanz in der Amygdala (einem Gehirnareal, das mit dem Gedächtnis und der emotionalen Verarbeitung von Ereignissen zu tun hat) eine geringere Dichte aufwies. Entsprechend berichteten die Probanden, weniger unter Stress zu leiden. Da bei der Kontrollgruppe derartige Veränderungen nicht festgestellt wurden, können diese folglich nicht allein mit dem Faktor zeitlicher Abstand erklärt werden.

Obwohl die Forschung auf diesem Gebiet noch in den Kinderschuhen steckt, hat sie bereits das Interesse der Medien geweckt. So nahm BBC-Reporter David Sillito einmal an einer MBSR-Gruppe teil, in der im Verlauf von acht Sitzungen täglich Achtsamkeit praktiziert wurde (Sillito 2012). Vor und nach der Behandlung wurden an einer Teilnehmerin, die unter von Lupus verursachten chronischen Schmerzen litt, MRT-Scans durchgeführt, und zwar unter zwei verschiedenen Bedingungen: einmal bei schweifenden Gedanken und ein anderes Mal während der Meditation. Während die Probandin meditierte, zeigte das MRT in den mit Schmerz assoziierten Gehirnregionen weniger Aktivität. Dies deckte sich mit der persönlichen Erfahrung der Probandin, dass der Schmerz während der Achtsamkeitsmeditation ertragbarer war: „um eine Stufe weniger stark“. Nun handelt es sich hierbei um einen Einzelfall, doch werden solche Sendungen oft von Klienten angeschaut, die sich gern im Internet über Achtsamkeit informieren.

Messwerte für Achtsamkeit

Um herauszufinden, ob sich nach einer gewissen Zeit Veränderungen einstellen, ermutigen wir Therapeutinnen und Therapeuten, ihre Anwendung der Achtsamkeitspraktiken zu evaluieren. So wurden auch bei einer Anzahl von Studien das jeweilige Probleme verursachende Symptom sowie dessen Grad der Veränderung bei Therapieende gemessen. Dadurch erfährt man zwar, dass eine Besserung stattgefunden hat (oder auch keine), jedoch nicht, auf welche Weise dies geschehen ist. Wenn die Veränderungen gemäß der Hypothese tatsächlich auf die Achtsamkeitstechniken zurückführbar sind, dann brauchen wir verlässliche Instrumente zur Messung des mit der Symptomminderung einhergehenden erhöhten Achtsamkeitsgrads im Therapiezeitraum. Zu diesem Zweck verwenden viele Forschungsprojekte und medizinische Einrichtungen den von Baer et al. (2006) konzipierten Fragenbogen „Five Facet Mindfulness Questionnaire (FFMQ)“. Dieser besteht aus insgesamt 39 Fragen zu fünf verschiedenen Aspekten der Achtsamkeit: Beobachtung, Beschreibung, achtsames Handeln, eine wertfreie Einstellung gegenüber inneren Erfahrungen und Nicht-Reagieren auf innere Erfahrungen. Die vielversprechende Studie von Carmody und Baer (2008) deutet an: Je öfter Achtsamkeit praktiziert wird, desto höher steigen die Werte auf dem FFMQ und desto stärker lassen die Symptome nach, während das Gefühl des Wohlbefindens wächst. Es gab jedoch auch Kritik. Der Fragebogen sei zu lang und das Rating zu schwierig. Diese Probleme versuchten Bohlmeijer et al. (2011) zu lösen, indem sie eine verkürzte Version des Fragebogens mit nur 24 Fragen und einem einfachen Bewertungssystem entwarfen (FFMQ-SF).

Natürlich basieren sowohl die lange als auch die kurze Version des FFMQ