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Ulrich Eggers (Hrsg.)

Lobe … und du lebst!

Mit den Psalmen durch das Jahr

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Die Edition image

erscheint in Zusammenarbeit

zwischen dem R. Brockhaus Verlag im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten

und dem Bundes-Verlag, Witten.

Herausgeber: Ulrich Eggers

Die zitierten Bibeltexte ohne Quellenangabe entstammen der Übersetzung Neues Leben. Die Bibel © 2002 und 2005 by Hänssler Verlag, D-71087 Holzgerlingen.

Alle anderen Zitate sind aus folgenden Übersetzungen entnommen:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (Lut)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © Katholische Bibelanstalt, Stuttgart (Ein)

Hoffnung für alle ®, © 1983/1996/2002 by International Bible Society ®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Revidierte Elberfelder Bibel, © 1991, R. Brockhaus Verlag im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten (Elb)

Die Bibel, neu in Sprache gefasst von Jörg Zink, © 1998 Kreuz-Verlag (Zink)

Zürcher Bibel, © 1996 TVZ Theologischer Verlag (ZB)

Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Zitat von Dietrich Bonhoeffer S. 199: © by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Zitat von Romano Guardini, S. 157: Alle Autorenrechte liegen bei der Katholischen

Akademie in Bayern, aus: Romano Guardini, Welt und Person. Versuche zur christlichen Lehre vom Menschen, 6. Auflage 1988, S. 193, Verlagsgemeinschaft Matthias Grünewald, Mainz/Ferdinand Schöningh, Paderborn

Zitat von C. S. Lewis S. 27: Trotz sorgfältigster Bemühungen ist es uns nicht gelungen, einen Rechteinhaber ausfindig zu machen. Wir bitten Sie gegebenenfalls, sich mit uns in Verbndung zu setzen.

Liedtext von Rory Noland S. 113: A Place to Call Home © 1995 Willow Creek Music

Liedtext von Peter Strauch S. 173: Text Peter Strauch © Hänssler Verlag im SCM-Verlag GmbH & Co KG, Holzgerlingen

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© 2008 R. Brockhaus Verlag im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten

Umschlaggestaltung: Dietmar Reichert, Dormagen

Satz: QuadroMedienService, Bergisch Gladbach-Bensberg

Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN: 978-3-417-21953-1 (E-Book)

ISBN: 978-3-417-26258-2 (lieferbare Buchausgabe)

Bestell-Nr. 226.258

Datenkonvertierung E-Book:

Fischer, Knoblauch & Co. Medienproduktionsgesellschaft mbH, 80801 München

Vorwort

Ungeahnte Schätze

Manche Menschen haben Schätze in ihrem Haus, von denen sie nichts wissen. Sie ahnen nicht, an welchen Kostbarkeiten sie tagtäglich achtlos vorübergehen. Selbst Christen, die regelmäßig ihre Bibel zur Hand nehmen, kann es so gehen. Sie lesen die Evangelien und die Apostelgeschichte, sie studieren die Paulusbriefe und kennen wohl auch die wichtigsten geschichtlichen Überlieferungen aus dem Alten Testament sowie die großen Propheten. Aber das Buch der Psalmen schlagen sie selten oder gar nicht auf.

Dabei war der Psalter das Gebet- und Gesangbuch Jesu! Von Kindheit an hat er wie jeder fromme Jude mit den Worten der Psalmen zu seinem himmlischen Vater gebetet. Zwei der letzten Worte, die er sterbend am Kreuz gesprochen hat, stammen sogar aus den Psalmen: der Klageruf Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Psalm 22, 2 = Matthäus 27,46) und sein allerletztes Wort: In deine Hände befehle ich meinen Geist (Psalm 31, 6 = Lukas 23,46).

Warum kennen wir die Psalmen so wenig? Welches Vorurteil hindert uns, das Gebetbuch Jesu öfter zur Hand zu nehmen und so das Beten zu lernen? Vielleicht steht uns im Weg, dass es sich bei den Psalmen um vorformulierte Gebete handelt. Wer mit den Worten der Psalmen betet, muss sich einen fremden Text zu eigen machen. Aber Beten sollte doch Herzenssache sein, dazu passen vorgegebene, fremde Worte schlecht, oder? Wenn ich ein vorformuliertes Gebet ablese, wo bleibt da das Persönliche, das Individuelle? Wo bleiben Spontaneität und Kreativität? Wo bleibt das Wirken des Gottesgeistes, wenn ich meine Worte einem Buch entnehme?

Dieser Einwand wiegt schwer. Natürlich ist das freie, geistgewirkte Gebet, das Aussprechen der tiefsten Ängste und Wünsche meines Herzens mit meinen ganz persönlichen Worten äußerst wichtig und wertvoll. Dass aber auch der Gebrauch vorformulierter Gebete sinnvoll ist, mag eine kleine Erfahrung zeigen: Wenn es mir ganz schlecht geht, in Zeiten äußerster körperlicher oder psychischer Schwäche, in Augenblicken großer Angst und Ratlosigkeit, kann es eine fühlbare Entlastung sein, wenn ich für mein Gebet nicht mühselig nach eigenen Worten suchen muss, sondern gleichsam Unterschlupf in den Worten eines Psalms oder eines Liedes finden kann.

Es ist erstaunlich, wie gut die alten Worte in existenziellen Situationen zu meiner gegenwärtigen Lage passen. Der Psalter ist reich an Worten, in denen unsere tiefsten Erfahrungen von Schmerz und Bedrängnis, von Rettung und Befreiung, einfachen Ausdruck finden können. Und außerdem kann ich durch die Psalmen wichtige Lektionen für mein eigenes, freies Gebet lernen.

Das Psalmen-Andachtsbuch möchte Mut machen, nach den im Psalter verborgenen Schätzen zu suchen. Es möchte Zugänge eröffnen zu den Gebeten, mit denen und von denen Jesus gelebt hat.

Der Psalter: ein großartiges Kunstwerk

Über dem großen geistlichen Reichtum des Psalters sollten wir nicht vergessen, dass wir es bei den Psalmen auch mit großartigen Kunstwerken, mit Dichtungen von höchstem Rang zu tun haben. Wenn wir die Psalmen in einer guten deutschen Übersetzung lesen, wird das nicht ohne Weiteres sichtbar. In Deutschland verbinden wir mit einem Gedicht die Regeln von Rhythmus und Reim. In den Psalmen vermissen wir beides und darum haben wir es schwer, den Text als Dichtung zu erleben und zu würdigen. Doch eine einfache Beobachtung kann uns weiterhelfen. Unsere deutschen Gedichte leben vom Klangreim mit seinen unglaublich reichen Möglichkeiten. So reimen wir »Sang« auf »Klang«, »klein« und »rein«, »Herz« und »Scherz« oder auch »saufen« auf »raufen«. Die hebräische Poesie reimt nicht Klänge, sondern Gedanken. So entsteht die Doppelzeiligkeit, die jedem, der Psalmen betet, so schnell vertraut wird, der »Parallelismus der Glieder«, wie Wissenschaftler diese Kunstform nennen. Dabei wird derselbe Gedanke zweimal, jedoch mit verschiedenen Worten ausgedrückt:

Ich will den Herrn loben allezeit;

sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.

(Psalm 34, 2; Lut)

Manchmal bringt das zweite Glied einen zusätzlichen Gesichtspunkt ein:

Lobe den Herrn, meine Seele,

und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

(Psalm 103, 2; Lut)

Auch eine gegensätzliche Formulierung kann vorkommen:

Reiche müssen darben und hungern;

aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel

an irgendeinem Gut.

(Psalm 34,11; Lut)

Die wiederholende Redeweise bringt es mit sich, dass der Gedankengang nur langsam voranschreitet. Er geht mehr in die Tiefe als in die Ferne, und die beiden parallelen Aussagen interpretieren sich wechselseitig.

Wer sich auf diese Kunstform geduldig einlässt, wer ihre Schönheit gerade auch durch lautes Lesen zum Klingen bringt, wird irgendwann die Tragkraft spüren, die in dieser zunächst fremden Redeweise liegt, und sich ihr gerne anvertrauen.

Klage und Lobpreis

Inhaltlich können wir im Psalter zwei Grundformen unterscheiden: Klagelieder und Lobgesänge. Gut ein Drittel aller Psalmen gehört zur ersten Kategorie. Meistens ist es ein Einzelner, der seine Klage vor Gott bringt. Gelegentlich schreit aber auch eine Gemeinschaft, das Volk Israel, als Ganzes zu Gott. Es gibt auch einige Psalmen, in denen Klage und Lobpreis miteinander verbunden sind, etwa so, dass der Lobpreis an die Klage anschließt. So finden wir es beispielsweise im 22. Psalm.

Warum wird in den Psalmen so viel geklagt? Wir hören hier überwiegend die Stimme von Menschen, denen es sehr schlecht geht; wir hören die Stimme der Schwachen, der Kranken, der Armen, der Unterdrückten, der Entrechteten und Verfolgten. Dagegen gibt es vergleichsweise nur wenige Gebete von Menschen, die (wie etwa König David) eine Machtposition innehaben. Dieser Aspekt ist für das Verständnis und den Gebrauch der Psalmen sehr wichtig.

Gebete, die sich jeder zu eigen machen kann

Die Beter, die Gott ihr Elend klagen, benennen ihre Nöte sehr konkret. Mitunter scheint es so, als könnten wir ganz genau heraushören, welche Krankheit oder welche Verleumdung einem Beter zu schaffen macht. Und doch sind solche Psalmen keine Privatgebete. Die Not, von der sie sprechen, hat etwas Typisches, und so bekommen die Texte eher den Charakter von Mustergebeten, in denen unterschiedliche Menschen zu ganz verschiedenen Zeiten ihre jeweiligen persönlichen Nöte vor Gott bringen können. Schon Martin Luther hat bemerkt, wie gut die Formulierungen der Klagepsalmen zu den unterschiedlichen Leiderfahrungen der Menschen passen. Den Klagepsalmen ist wirklich nichts Menschliches fremd.

Praktische Hilfen zum Umgang mit den Psalmen

Angesichts der großen Zahl von 150 Psalmen ist es anfangs etwas schwierig, sich in diesem Buch der Bibel zurechtzufinden. Wer im Psalter heimisch werden möchte, sollte die Psalmen fleißig lesen, am besten laut. Eine gewisse Regelmäßigkeit wird dabei hilfreich sein. Dabei mag am Anfang die folgende Übung nützlich sein. Ich nenne sie die »Übung der drei Kreise«:

Ich suche mir drei besonders kostbare Psalmen aus, die mir vielleicht schon vertraut sind, merke mir ihre Nummern und verbinde sie mit einem einfachen Charakteristikum. Also etwa so:

Psalm 22: Christi Leidenspsalm

Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte

Psalm 103: Lobe den Herrn, meine Seele

Um diesen innersten Ring lege ich irgendwann einen zweiten, der aus vier weiteren Psalmen besteht. Für mich persönlich kämen hierfür infrage:

Psalm 37: Befiehl du deine Wege

Psalm 46: Ein feste Burg

Psalm 98: Singet dem Herrn ein neues Lied

Psalm 104: Schöpfungspsalm

Schließlich bilde ich noch einen dritten Ring aus fünf weiteren Psalmen. Er könnte so aussehen:

Psalm 1: Der ist wie ein Baum

Psalm 16: Ich habe den Herrn allezeit vor Augen

Psalm 90: Sterbepsalm

Psalm 118: Osterpsalm

Psalm 126: Die mit Tränen säen

So habe ich bald einen Stamm von zwölf Psalmen, mit deren Worten ich schon etwas vertraut bin. Das ist, wie wenn ich in eine Siedlung komme, in der ich noch kaum jemanden kenne. Aber allmählich weiß ich: Nummer x ist der und der, Nummer y ist die und die Familie, und wieder ein anderer wohnt in Nummer z, und so werde ich langsam in der anfangs fremden Welt heimisch. Wenn ich nun den Psalter lese, wenn ich mich lesend und betend durch dieses Buch bewege, so widerfährt mir immer öfter das Glück des Wiedererkennens von Vertrautem, der Begegnung mit Texten, die ich lieb gewonnen habe. Und so wächst die Zahl der Psalmen, die ich kenne und die mein innerster Besitz geworden sind, stetig.

Hindernisse

Der Psalter macht es uns nicht immer leicht, und das ist gut so. Mit süßer Kinderkost wird auf die Dauer niemand groß und stark. Aber ist es tatsächlich gut, im Gebet so viel zu klagen und zu seufzen, wie es in den Psalmen geschieht? Haben wir nicht einmal den frommen Vers gelernt, dass Klagen Verzagen bringt, während Loben nach oben zieht? Doch wozu hat uns die Weisheit unseres Schöpfers die Gabe der Tränen gegeben? Warum hat er uns mit der Möglichkeit, zu seufzen und zu stöhnen, begabt? Wollen wir frömmer sein als unser Herr, der bis ans Ende seines Lebens immer wieder Klagegebete gesprochen hat und offenbar nicht über das Klagen hinauskommen wollte?

Die Psalmen können unserem Glauben gerade mit ihren ergreifenden Klagen einen wichtigen Dienst tun: Sie bewahren uns vor der Gefahr der Übergeistlichkeit, vor dem Irrweg einer allzu steilen Frömmigkeit. Sie sind ein Exerzitium der Ehrlichkeit, indem sie uns dazu anleiten, vor Gott und vor uns selbst aufrichtig zu sein; wir sollen unser Elend, unsere Schmerzen, unsere Ratlosigkeit und unsere bittersten Enttäuschungen nicht fromm überspielen, sondern uns dem himmlischen Vater vertrauensvoll so präsentieren, wie uns gerade zumute ist.

Das heißt nun allerdings nicht, dass ich mir jedes Wort, das ich im Psalter finde, zu eigen machen kann oder gar muss. Manchmal verschließt sich mir ein Vers oder ein ganzer Abschnitt. So komme ich persönlich beispielsweise bis heute mit einigen Versen aus dem 109. Psalm nicht zurecht. Aber ich muss es auch nicht. Nur eines möchte ich mir verwehren: das hochmütige Urteil, ich sei frömmer als dieser Psalm und könne ihn deswegen nicht beten. Eher erwäge ich die folgende Möglichkeit: So schlecht wie dem Beter dieses Psalms ist es mir – Gott sei Dank! – noch nicht gegangen. Aber weiß ich, in welche Tiefen ich vielleicht auf meinem Lebensweg noch hinabsteigen muss? Weiß ich, was ich an solchen Tagen beten werde, an denen mir das »Immer fröhlich, immer fröhlich, alle Tage Sonnenschein« in der Kehle stecken bleibt? Und wie würde ich beten, wenn meine »Feinde« nicht nur die vielleicht schwer zu ertragenden Nachbarn oder mobbenden Kollegen am Arbeitsplatz sind? Was würde ich beten, wenn sie mein Leben bedrohen? Solche und andere schlimme Erfahrungen stehen hinter manchen der Feind-Klagepsalmen. Wohl dem, der in seinem Leben keine derartigen Erfahrungen machen muss. Ein Urteil über die für uns vielleicht anstößigen Psalmen sollte uns schon deswegen verwehrt sein, weil die Kirchengeschichte leider reich an Beispielen ist, in denen Christen (oder sogenannte Christen) ihre jüdischen Schwestern und Brüder in solche schrecklichen Situationen gebracht haben, wie wir sie in manchen Feind-Klagepsalmen finden.

Zum Gebrauch des Psalmen-Andachtsbuchs

Das Psalmen-Andachtsbuch ist als Jahresbegleiter konzipiert. Wer es regelmäßig benutzt, findet für jede der 52 Wochen des Jahres einen Psalm bzw. einen Ausschnitt aus einem Psalm, der ihm durch die persönliche Auslegung eines Aufatmen-Autors erschlossen wird. Es empfiehlt sich, jeweils am Sonntag eine solche Auslegung zu lesen und sich von dem entsprechenden Psalm durch die folgende Woche begleiten zu lassen. Sicherlich ist es sinnvoll, zunächst den Psalm in der hier abgedruckten Übersetzung zu lesen (Neues Leben) und ihn auf sich wirken zu lassen, über ihn nachzudenken und darüber zu beten, bevor man die Auslegung liest. Zusätzlich kann es auch sehr bereichernd sein, den Psalm in der eigenen Lieblingsübersetzung zu lesen bzw. in einer älteren Übersetzung (z.B. Luther oder Elberfelder).

Damit der Psalm mich auch wirklich durch die Woche begleitet, mag es eine praktische Hilfe sein, wenn ich meine Bibel an einem geeigneten Ort aufgeschlagen liegen habe, und zwar so, dass mir die Bibel meinen Wochenpsalm präsentiert – als eine stille, unaufdringliche Einladung, den Text immer wieder einmal zu lesen und zu beten, sodass er mir immer mehr zum innersten Besitz wird. Auf diese Weise lerne ich im Laufe eines Jahres gut ein Drittel der 150 Psalmen kennen. Zum Jahresende werde ich in den Psalmen schon recht gut zu Hause sein – und bekomme vielleicht sogar Lust zu einem zweiten Durchgang im folgenden Jahr. Oder ich nehme mir für ein zweites und drittes Jahr die Psalmen vor, die im Psalmen-Andachtsbuch nicht berücksichtigt sind.

Während meiner Reise durch das Buch der Psalmen mit diesem Begleiter werde ich vielleicht manchmal auch den Eindruck haben, dass sich etwas wiederholt, dass mir etwas schon bekannt vorkommt – und das zu Recht. Tatsächlich hatten einige der Autoren Ähnliches auf dem Herzen, obwohl sie unterschiedliche Psalmen bearbeitet haben. Darin liegt jedoch eine große Chance: Anstatt die Arme zu verschränken, mich zurückzulehnen und mir zu denken: »Nun, das ist mir ja schon bekannt«, kann ich diese vermeintliche Wiederholung auch als eine Erinnerung sehen und als Ermutigung, mich wirklich anhaltend mit einem Thema zu beschäftigen. Viel zu oft ist es doch so, dass ich Dinge zwar weiß, sie aber nicht in die Tat umsetze, weil sie mir nicht ins Herz gefallen sind. Wenn ich also auf einen Aspekt stoße, mit dem ich mich vor einigen Wochen vielleicht schon einmal auseinandergesetzt habe, kann ich dies nun als Möglichkeit sehen, um zu überprüfen, ob sich etwas verändert hat in meinem Alltag, oder ob ich den entsprechenden Gedanken zwar interessant fand, er aber keine weiteren Spuren in meinem Leben hinterlassen hat.

Natürlich kann ich meine Lektüre auch auf einige, mir besonders wichtige Psalmen konzentrieren und beschränken. Mihilfe des Registers am Schluss des Buches kann ich schnell feststellen, ob ein bestimmter Psalm, den ich gerade suche, im Psalmen-Andachtsbuch ausgelegt ist.

Schließlich bietet sich noch eine dritte Möglichkeit an: »Mit den Psalmen beten lernen« könnte auch ein Jahresthema für einen Hauskreis oder eine andere Gruppe der Gemeinde sein. Dann lässt sich die Auslegung aus dem Andachtsbuch als Gesprächsgrundlage verwenden. Und vielleicht finden wir ja auch einen Kundigen, der uns unseren Horizont erweitert, indem er uns in die Bedeutung der Psalmen für die Frömmigkeit Israels einführt, oder uns die klösterliche Praxis nahebringt, bei der die Regel Benedikts gilt: Den Psalter sollen sie (die Mönche und Nonnen) in ihren Gottesdiensten wöchentlich einmal singen, die Heilige Schrift aber so lesen, dass sie im Laufe eines Jahres einmal die ganze Bibel gehört haben …

Dr. Reinhard Deichgräber

Psalm 1

1 Glücklich ist der Mensch, der nicht auf den Rat der Gottlosen hört, der sich am Leben der Sünder kein Beispiel nimmt und sich nicht mit Spöttern abgibt. 2 Voller Freude tut er den Willen des Herrn und denkt über sein Gesetz Tag und Nacht nach. 3 Er ist wie ein Baum, der am Flussufer wurzelt und Jahr für Jahr reiche Frucht trägt. Seine Blätter welken nicht, und alles, was er tut, gelingt ihm. 4 Ganz anders aber ergeht es den gottlosen Menschen! Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. 5 Vor dem Gericht Gottes bestehen sie nicht und finden keinen Platz unter den Gottesfürchtigen. 6 Über die Wege der Gottesfürchtigen wacht der Herr, die Wege der Gottlosen aber führen ins Verderben.

Psalm 1 ist mein Lieblingspsalm. Schon seit 25 Jahren begleitet er mich. Zu Beginn meines Studiums habe ich mich im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit mit ihm auseinandergesetzt. Als ich dann wenige Jahre später mit meiner Frau vor dem Traualtar stand, wurden uns Worte dieses Psalms für die Ehe zugesprochen. Schließlich gaben mir auch noch Freunde einige Verse jenes Psalms anlässlich meiner Einsetzung zum Pfarrer in meiner ersten Gemeinde mit auf den Weg. Psalm 1 ist daher ein Lebenswort für mich. Er spricht eine Einladung zum glücklichen und gesegneten Leben aus.

Interessanterweise beginnt diese Einladung nicht mit dem, was wir tun, kaufen, arbeiten oder bewirken sollen. Nicht wir sind unseres Glückes Schmid. Im Gegenteil: Das Glück wird mit einer Fähigkeit verbunden, die vielen von uns sehr schwerfällt und manchen gar abhanden gekommen ist – nämlich der Fähigkeit, Nein zu sagen. Gleich der Beginn des Psalmes hebt dies überdeutlich hervor. Eine dreifache Abgrenzung steht hier: das Nein zum Rat der Gottlosen, das Nein zu falschen Vorbildern und schließlich das Nein zu solchen Menschen, die für den Glauben nur Verachtung übrig haben. Wenn wir genau hinschauen, entdecken wir an dieser Stelle eine Steigerung ins Negative. Dem Hören folgt die Absage an das schlechte Beispiel und schließlich das Nein zur Gemeinschaft mit den Verächtern Gottes. Der Hintergedanke ist wohl der, dass die Sünde eine Faszination ausübt, der man Stück für Stück erliegen kann. Wo Menschen uns in diesem Sinne beeinflussen wollen, gilt es daher, eine klare Grenze zu ziehen.

Nun ist Psalm 1 nicht deshalb mein Lieblingspsalm, weil ich mich für mein Leben gern von anderen Menschen abgrenze. Nein, ich mag den Austausch mit Andersdenkenden und besonders mit kirchenfernen Leuten. Die Worte dieser großen Ouvertüre zum gesamten Psalter haben vor allem auch deshalb eine Bedeutung für mich, weil sie von der Freude und dem Reichtum eines Lebens mit Gott reden.

Der klaren Abgrenzung auf der einen Seite entspricht eine Hinwendung von ganzem Herzen auf der anderen: Voller Freude tut er den Willen des Herrn und denkt über sein Gesetz Tag und Nacht nach (Vers 2). Der Psalmbeter wendet sich nun aber nicht Menschen zu, sondern Gott und seinem Willen. Das Schöne dabei ist, dass Gottes Wille nicht als bedrückende Last und das Gesetz nicht als einengendes Joch empfunden wird. Vielmehr macht es Freude, sich mit dem Wort Gottes zu beschäftigen und seine Gebote zu meditieren. Vorausgesetzt wird hier das hebräische Verständnis des Gesetzes, wonach dieses nicht toter Buchstabe ist, sondern Wegweisung zum Leben. Mit solchem Schriftstudium verbinden sich für den Autor unseres Psalms intensive Erlebnisse mit Gott. Er erlebt Freude und kommt vom Wort Gottes nicht mehr los. Zu Glaubenserfahrungen kommt es eben nicht nur dort, wo wir besonders eindrückliche Gebetserhörungen oder die Hilfe Gottes im Alltag erleben. Zu Glaubenserfahrungen kommt es durch die Begegnung mit dem Wort Gottes.

Zu den schönsten Erfahrungen meines Dienstes gehören die Zeiten, in denen ich mich mit der Bibel beschäftige. In der Vorbereitung von Bibelstunden und Predigten erlebe ich immer wieder, wie Gott mir ein Licht aufgehen lässt, wie sein Wort mich korrigiert, Neues erschließt und manchmal auch ganz tief tröstet. Zugegebenermaßen erschließt sich mir Gottes Wort nicht auf den ersten Blick. Es braucht Zeit. Meistens geht es durch Anfechtungen hindurch. Im betrachtenden Umgang mit der Schrift geschieht jedoch immer wieder das eine: dass Gott sich selbst zu Wort meldet. Solche Erfahrungen will ich nicht missen. Sie bedeuten Glück!

Nun soll solches Lebensglück nicht nur auf bestimmte Momente oder Situationen beschränkt sein. Der Psalm verspricht weit mehr. Mit dem wunderschönen Bildwort vom Baum an den Flussufern beschreibt er die Wirkung des Gotteswortes im Leben des Gläubigen. Lassen wir an dieser Stelle unserer Fantasie freien Lauf und stellen uns einen Baum an einem Wasserlauf vor. Er streckt seine Wurzeln zum Wasser hin. Der massive Stamm trägt die weite Krone. Das dichte Blattwerk leuchtet in saftigem Grün und spendet Schatten. Zahlreiche Früchte sind an den Ästen zu finden. Wir wissen nicht, welche Baumart der Psalmschreiber vor Augen hat. Vielleicht ist es ja die in Israel beheimatete Eiche, ein Mandel-, Olivenoder gar ein Granatapfelbaum. Das Bild spricht für sich. Hier wird Leben versprochen. Mit Gottes Wort umgehen, seinen Willen suchen und Gehorsam gegenüber seinen Geboten einüben, bringt in Verbindung mit einer ungeheuerlichen Kraft. Diese macht das Leben fruchtbar. Solche Frucht kann nicht erzwungen oder gemacht werden. Sie geschieht vielmehr. Gott hat sie verheißen, und was er verheißen hat, tritt ein.

Das Wachsen der Frucht braucht Zeit. Wer sich an ihr vergreift, bevor sie reif ist, wird nur Ungenießbares ernten und keine Freude an ihr haben. Dies gilt auch im Geistlichen. Gott schenkt unserem Leben Zeit zur Reifung. Diese Zeit dürfen wir uns auch nehmen. Keiner muss schnelle Früchte hervorbringen. Niemand ist im Reich Gottes zu raschem Erfolg verdammt. Keiner muss etwas leisten oder vorweisen, was ihm nicht zuvor von Gott gegeben wäre. Im Reich Gottes ticken die Uhren anders. Nicht hektisches Jagen und unruhiges Streben nach Erfolg ist angesagt, sondern Treue zu Gottes Wort, Festhalten an seinen Verheißungen und geduldiges Arbeiten. Frucht wird nicht ausbleiben.

An einer Stelle nun geht unser Psalm über die natürlichen Vorgänge hinaus. Die Blätter eines Baumes verlieren im Herbst ihre Kraft und verwelken. Hier jedoch verlieren die Blätter niemals ihr Grün (Vers 3). Gottes Treue hört nicht auf. Sein Zustrom an Leben ist unbegrenzt. Nicht übermenschliche Kräfte werden hier versprochen, sondern der gleichmäßige Zufluss an göttlicher Kraft, die den Glauben nährt und niemals versiegt. Keiner muss seinen Glauben selber tragen. Keiner muss Selbstversorger sein. Denn wie die Blätter an den Ästen eines Baumes, so hängt das Leben eines Christen an Gott. Gott trägt. Gott versorgt. Gott genügt.

Nicht nur für viel beanspruchte Christen kann diese Verheißung eine Hilfe sein. Auch wer ängstlich ist, dass die eigenen Kräfte nicht reichen, oder sich in Sorge befindet, dass er im Leben zu kurz kommt oder etwas verpasst, kann an dieser Stelle aufatmen. Die Versorgung mit Kraft und der Segen Gottes sind versprochen.

Es ist dieses Bild vom fruchtbaren Baum und den nicht welkenden Blättern, das mich schon so viele Jahre begleitet. In vielen Situationen hat es mich ermutigt und ich bin dankbar, dass ich mein Leben in dieses Bild einzeichnen darf.

Der Schlussteil unseres Psalms spricht freilich eine ganz andere Sprache. Das Bild der wertlosen Spreu (Vers 4) ist im Alten Testament ein Gerichtsmotiv. Die Spreu, auf der Tenne ausgedroschen, in die Luft gewirbelt und vom Winde verweht, hat keinen Bestand. Hier wird mit tiefem Ernst von der Verlorenheit des Menschen gesprochen. Doch macht uns gerade dieser ernste Hintergrund die Größe der Verheißung bewusst: Glücklich, wer sich an Gottes Wort hängt. Denn er wird ewig bleiben. Kein anderer als Jesus Christus ist dieses lebendige Wort Gottes. In der Verbindung mit ihm wird unser Leben gesegnet, erhalten und zum Ziel gebracht. Durch die Hinkehr zu ihm und durch die Abkehr von den verkehrten, gottlosen Wegen findet unser Leben seine Erfüllung und sein Glück.

Dr. Rolf Sons

Psalm 2

1 Warum toben die Völker vor Zorn? Warum schmieden sie vergebliche Pläne? 2 Die Könige der Erde lehnen sich auf, die Herrscher der Welt verschwören sich gegen den Herrn und seinen Gesalbten. 3 »Wir werden ihre Ketten zerreißen«, schreien sie, »und uns von ihrer Herrschaft befreien!« 4 Doch der Herrscher im Himmel lacht und spottet über sie. 5 In seinem Zorn straft er sie und erschreckt sie mit seiner heftigen Wut. 6 Denn der Herr spricht: »Ich habe meinen König auf dem Zion, meinem heiligen Berg, eingesetzt.« 7 Der König verkündet den Beschluss des Herrn: »Der Herr hat zu mir gesprochen: ›Du bist mein Sohn. Heute habe ich dich gezeugt. 8 Bitte nur darum, und ich will dir die Völker zum Erbe geben, die Enden der Erde zu deinem Eigentum. 9 Du wirst sie mit eisernem Stab zerschmettern und sie zerschlagen wie Tontöpfe.‹« 10 Deshalb, ihr Könige, handelt klug! Lasst euch warnen, ihr Herrscher der Erde! 11 Dient dem Herrn in Ehrfurcht und jubelt ihm zu mit Zittern. 12 Beugt euch vor dem Sohn Gottes, damit er nicht zornig wird und ihr euer Leben verliert, denn sein Zorn bricht leicht aus. Glücklich sind alle, die bei ihm Schutz suchen!

Vor einiger Zeit war ich in Hongkong auf dem sogenannten »Ladies’ Market«, dem »Markt der Frauen«, unterwegs und suchte kleine Mitbringsel für Familie und Freunde. Da fiel mein Augenmerk auf Armbanduhren, auf denen Mao Tse-tung auf dem Ziffernblatt abgebildet war. Die Zeiger der Uhr waren seine Arme und er winkte lächelnd im Takt der Sekunden immer hin und her. Ich musste lachen. Und natürlich kaufte ich einige dieser Uhren, zumal sie kaum mehr als einen Euro kosteten. Ein herrliches Geschenk!

Mao auf dem Wühltisch. Der einst so mächtige Mann, von vielen gefürchtet, wie ein Gott verehrt, ist jetzt als Ramsch und Billigware zu finden, freundlich lächelnd und nur noch den Takt der Uhr angebend. Hätte Mao diesen Bibeltext aus Psalm 2 gekannt, hätte er vielleicht geahnt, dass seine Macht auf dieser Welt ein Ende haben würde. Er hätte wissen können: Gott lässt sich nicht abschaffen, nicht töten, nicht vertreiben. Mao hat es versucht. Inzwischen ist Mao tot und sein Einfluss auf das Leben in China schwindet rapide. Gerade in China ist trotz Verfolgung das Christentum in den letzten Jahren zahlenmäßig explodiert. Kenner der Lage schätzen, dass es heute bis zu 80 Millionen Christen in China gibt, von denen nur ein geringer Teil der offiziell registrierten sogenannten Drei-Selbst-Kirche angehört.

Doch Mao ist nicht der einzige Herrscher, der seinen Einfluss verloren hat. Man könnte über die Jahrhunderte hinweg Tausende Namen einsetzen. Immer wieder gab es Bestrebungen, den Gott Israels abzuschaffen oder auch das Volk Gottes, Israel, zu vernichten. Und auch die Christen wurden von Anfang an verfolgt und von Staatsmännern zu Feinden des politischen Systems erklärt. Selbst bei uns, in unserem Land, gibt es gegenwärtig eine Art Kulturkampf gegen das Christentum. Verstärkt wird den Christen vorgeworfen, sie seien fundamentalistisch – ein Begriff, der sich dann mit Bildern von Selbstmordattentaten füllt. Die Werte und die Moral des christlichen Abendlandes werden aufgeweicht und durch eine vermeintliche Freiheit ersetzt. Die Gesellschaft entfernt sich von Gott.

Wer will heute noch hören, dass es einen Gott gibt, der manchem unserer Wünsche und Gelüste seine Gebote gegenüberstellt? Wer will sich von Gott sagen lassen, was gut und was böse ist? »Komm, wir wollen uns befreien«, ist das Motto vieler Gruppierungen in unserem Land, die politisch sehr aktiv sind und für »ihre« Rechte kämpfen. Das hat traurige Folgen für Kinder und Jugend. Wer gibt Orientierung? Wer schützt vor Ideologien?

Doch das Traurige dabei ist nicht, dass Menschen, die Gott nicht kennen, so handeln. Das eigentlich Traurige ist, dass wir Christen, die wir mit Gott leben, oft die gleiche Einstellung an den Tag legen. Wie ich meine Sexualität lebe? Da kann Gott doch nichts dagegen haben. Wie ich meinen Besitz verwalte? Was versteht Gott von Geldanlagen? Wie ich meine Ehe gestalte? Gott muss doch verstehen, dass ich diesen Menschen nicht mehr lieben kann. Wie ich mich Kollegen gegenüber verhalte? Man kann in dieser Welt nicht weiterkommen, wenn man nach der Bergpredigt lebt …

Diese Einstellung hat zu tun mit dem Bild, das wir von Gott haben. Häufig hört man, dass der angeblich strenge und »zornige« Gott des Alten Testaments jetzt abgelöst ist vom lieben Jesus, der alle Sünder annimmt und alles verzeiht. Aber das ist so falsch. Im Alten Testament wird Gott als gerecht und heilig, aber auch als barmherzig, treu und gütig gezeigt. Und auch im Neuen Testament ist und bleibt Gott der gerechte Richter.

Hier in Psalm 2 begegnet uns der »Sohn« (Vers 7) als König und als Richter. Ihm ist alle Gewalt gegeben. Vom Neuen Testament her wissen wir, dass auch dieser Psalm auf Jesus weist. Jesus ist der »Sohn«, von dem hier die Rede ist. Und er, der Sohn, ist auch der Richter. Dies wird nicht so häufig betont. Und doch ist diese Wahrheit sehr wichtig. Wenn unsere Schuld nur eine Bagatelle wäre, hätte Jesus nicht am Kreuz sterben müssen. Jesus würde nicht als Richter wiederkommen, wenn er nicht der gerechte Gott wäre, der das Gericht über diese Welt auf sich genommen hat. Er wird wiederkommen und diese Welt richten.

Erweist dem Sohn die Ehre, die ihm zusteht … heißt es in Vers 12 in der Übersetzung Hoffnung für alle (Hfa). Diese Aufforderung, in meinem Leben umgesetzt, bedeutet, dass ich den Herrschaftsanspruch des »Sohnes« über mein Leben ernst nehme. Dass ich umkehre, dass ich mein Leben auf Jesus ausrichte, dass ich ihm gehorsam bin. Auch in den Alltagsfragen meines Lebens. Auch wenn es mich etwas kostet. Ja sogar, wenn es mich mein Leben kostet.

Das haben Christen zu allen Zeiten so praktiziert. Ein Beispiel aus der Gegenwart: Die Christen in China haben Gott die Treue gehalten und tun das bis heute. Sie werden teilweise immer noch verfolgt, aber sie hören nicht auf, von Jesus zu reden. Aber wenn ihr ihm vertraut, werdet ihr sicher und geborgen sein heißt es in Vers 12 (Hfa).

Auf Jesus zu setzen, trotz Widerstand, ist also sicher? Sich auf die Seite der herrschenden Meinung zu stellen ist also unsicher? Ja. So paradox das erst einmal klingt. Es ist unsicherer, sich dem gesellschaftlichen Kommen und Gehen der Meinungen anzuschließen, als sich auf die ewige Seite Gottes zu stellen. Denn seine Herrschaft vergeht nie. Er ist und bleibt Gott. Was er heute sagt, gilt auch morgen noch. Er ist der, der er ist. Gestern, heute und in Ewigkeit.

»Gott ist immer noch Gott.

Gott ist immer noch.

Gott ist immer.

Gott ist Gott.«

So heißt es in einem Lied aus der DDR. Gott ist immer noch Gott. Die DDR gibt es nicht mehr. Den Eisernen Vorhang gibt es nicht mehr. Die Welt ändert sich ständig. Rasant ist das Tempo, in dem Herrscher kommen und gehen. Aber Gott bleibt. Der Sohn bleibt. Jesus bleibt.

Daher ist die ewige Botschaft so wichtig:

Deshalb, ihr Könige, handelt klug! Lasst euch warnen, ihr Herrscher der Erde! Dient dem Herrn in Ehrfurcht und jubelt ihm zu mit Zittern. Beugt euch vor dem Sohn Gottes, damit er nicht zornig wird und ihr euer Leben verliert, denn sein Zorn bricht leicht aus. Glücklich sind alle, die bei ihm Schutz suchen! (Verse 10-12).

Elke Werner

Psalm 3

1 Ein Psalm Davids aus der Zeit, als er vor seinem Sohn Absalom floh. 2 Herr, ich habe so viele Feinde und meine Gegner sind so zahlreich! 3 So viele sagen über mich: »Gott wird ihn nicht retten.« Zwischenspiel 4 Doch du, Herr, umgibst mich mit deinem Schutz, du bist meine Ehre und richtest mich auf. 5 Ich rufe zum Herrn, und er antwortet mir von seinem heiligen Berg. Zwischenspiel 6 Ich legte mich nieder, um zu schlafen, und erwachte in Sicherheit, denn der Herr behütete mich. 7 Ich fürchte mich nicht vor zehntausend Feinden, die mich von allen Seiten umzingeln. 8 Erhebe dich, Herr! Rette mich, mein Gott, denn du schlägst meinen Feinden ins Gesicht und zerschmetterst die Zähne der Gottlosen. 9 Ja, der Herr hilft uns. Gib deinem Volk deinen Segen! Zwischenspiel

Ich kenne diese Tage: Ich stehe am Morgen auf und frage mich, was alles auf mich zukommen wird. Aus irgendeinem Grund fühle ich mich unsicher. Beinahe verkrampft versuche ich Gott zu sagen, dass ich ihm vertraue und an seine Führung glaube, ja, keine Angst habe. Aber mein innerer Zustand spricht eine andere Sprache. Der Druck des Alltags baut sich auf. Ich denke in solchen Augenblicken vor allem an die ungelösten Probleme in der Gemeinde, die Herausforderungen mit den Finanzen, an Personen, die mir das leiten erschweren oder die aus der Gemeinde ausgetreten sind. Ich fühle mich belastet vom Konflikt mit anderen Leitern, die meine Führungsarbeit nicht verstehen und mir das Leben schwer machen. Wie oft zerbricht da etwas, eine Beziehung oder eine Hoffnung!

König David muss es ähnlich gegangen sein, als er den Psalm 3 schrieb. Er war auf der Flucht vor seinem Sohn. Dabei hatte er so gute Pläne für Absalom gehabt! Er hatte sich über seine Geburt, sein Dasein so gefreut, ihn als Baby in den Armen gewiegt, und jetzt das. Sein eigen Fleisch und Blut machte sich auf, ihm den Platz und die Arbeit streitig zu machen. Absalom hatte schlecht von seinem Vater gesprochen, die ganze Öffentlichkeit auf die Schwächen des Vaters hingewiesen. Er wollte dessen Platz, um jeden Preis. Und ja, David hatte einen großen Fehler gegenüber Absalom begangen. Er hatte ihn bitter enttäuscht, als er seinen anderen Sohn Amnon für die Vergewaltigung der Schwester Absaloms nicht richtig bestraft hatte. David war zwar wütend gewesen, aber Amnon hatte keine Konsequenzen zu tragen gehabt. Absalom hatte deshalb Rache geschworen und seinen Halbbruder später umbringen lassen. Dann war Absalom geflohen. Er fürchtete seinen Vater. David aber hatte Sehnsucht nach seinem Sohn gehabt und ihm zuerst keine Vorwürfe gemacht. Als Absalom später zurückkehrte, erlaubte David seinem Sohn jedoch nicht mehr, sein Gesicht zu sehen. Da zerbrach etwas im Herzen von Absalom. Doch, doch, David versuchte noch einmal, seinen geliebten Sohn Absalom zurückzugewinnen, aber der Bruch war geschehen. Wer würde ihm helfen? Wie konnte Gott Schutz geben, Heilung schenken? David war verzweifelt.

In dieser Situation schreibt er das wunderschöne Lied, dessen Text wir in Psalm 3 finden. Viele Psalmen haben den gleichen Ablauf. Das Lied beginnt mit dem Ausdruck von Schmerz, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Im Mittelteil beginnt sich der Komponist an die Güte, an die Verheißungen und an die Liebe Gottes zu erinnern. Im dritten und letzten Teil verherrlicht er dann diesen Gott, und alle Schwere und Not scheinen sich von der Seele zu heben.

Genauso verhält es sich auch bei David. Er ist verzweifelt, ist vor seinem Sohn geflohen, wird angezweifelt und zweifelt selbst an seiner Berufung. In der Not der persönlichen Niederlage, des Selbstzweifels und der Schwermut beginnt er, Gott in seine Situation einzubeziehen. In der Schlachter-Übersetzung sagt er: »Du bist ein Schild um mich, Herr! Du umgibst mich mit Herrlichkeit und erhebst mein Haupt.« Später singt er davon, dass der Herr ihn im Schlaf bewacht und er keine Furcht hat vor Zehntausenden von Feinden. Er hat Perspektive zurückgewonnen. Die Befreiung kommt wirklich vom Herrn, singt er zum Schluss.

So kommt es mir oft vor. Der Alltag, die schwierigen Lebenssituationen wollen mich überwältigen. Ich erinnere mich dann häufig an begangene Fehler, die diese Situation jetzt rechtfertigen. Dann werde ich von Gottes Güte überfallen und seine Liebe gibt mir wieder Perspektive.

Die Geschichte zwischen David und Absalom führt zu keinem Happy End. Absalom stirbt im Laufe der Geschichte. David ist untröstlich.

Doch bei Gott müssen Beziehungen und Hoffnungen nicht zerbrechen. Durch Jesus Christus ist die Hoffnung, sind Versöhnung und Beziehungsfähigkeit in diese Welt gekommen. Es gibt keine Lebenssituation, der wir einfach vorbehaltlos ausgeliefert sind.

Ich möchte zurückkommen zu der beschriebenen Situation am Anfang des Textes: Ich stehe am Morgen auf und frage mich, was alles auf mich zukommen wird. Wie gehe ich an die Herausforderungen des Alltags heran? Wie kann ich lernen, auch in ganz schwierigen Situationen das Vertrauen und die innere Sicherheit nicht zu verlieren? Wie kann ich die Angst vor dem Alltag überwinden? Folgende Gedanken haben mir in meinem Alltagsleben geholfen, die Perspektive nicht zu verlieren:

1. (Vers 2) Schwierigkeiten und Herausforderungen werde ich immer haben. Wenn ein Problem gelöst ist, dann rutscht das nächste Problem auf der Prioritätenliste nach oben. Schwierigkeiten gehören zum menschlichen Alltag.

Ich denke da an meine Herausforderungen als Ehemann und Vater. Wie oft habe ich daran gezweifelt, dass unsere Kinder den Weg des Glaubens gehen würden. Wie oft waren wir finanziell herausgefordert, in Gemeinde und Familie. Ich denke an junge Menschen, die ich für den Dienst aufgebaut habe, die sich aber später gegen mich und zum Teil auch gegen Jesus gerichtet haben.

2. (Vers 4) Gott ist immer auf meiner Seite. Er hat in Jesus Christus »Ja« zu mir gesagt, Er wird diese Meinung nie ändern. Er ist mein Schutz. Er wird mich immer retten und aufrichten. Er lässt mich nie allein.

Diese Lektion gehörte wohl zur schwierigsten meines Lebens. Es fiel mir so schwer zu glauben, dass Gott immer auf meiner Seite ist, auch wenn ich Fehler gemacht hatte. Unausgesprochen war da dieser Anspruch an Leistung, die Gott später belohnen würde. Innerlich hieß es häufig: Er liebt mich so lange, wie ich alles richtig mache.

3. (Vers 5) Wenn ich ihn anrufe, kann ich mich darauf verlassen, dass er mir eine Antwort geben wird. Er wird mir immer helfen, wenn ich mich auf ihn berufe.

Das gehört wohl zum Erstaunlichsten, was ich in meinem Leben lernen durfte. Gott achtet auf mein Gebet. Meine Frau und ich erleben es immer wieder, dass unser gemeinsames Gebet direkte Auswirkung auf alle möglichen Situationen hat.

4. (Verse 6-7) Ich kann zur Ruhe kommen, brauche mich nicht aufzuregen. Ich kann loslassen, alles hinlegen. Er, der Herr, wird es für mich aufnehmen.

Das ist eine Aussage, die mich noch heute herausfordert. Eigentlich ist diese innere Ruhe ein Ausdruck von tiefem Gottvertrauen. Ich muss nicht mehr auf meine Leistung, auf mein Wirken und Tun vertrauen, ich kann mich ganz auf Gottes Zusagen verlassen.

5. (Verse 8-9) Die innere Kraft beginnt zu wachsen. Die Zuversicht ist gestärkt. Ich bin für die täglichen Herausforderungen bereit. Sie können mich nicht länger beeindrucken. Ich stehe unter dem Segen des Allerhöchsten. Er meint es gut mit mir und führt mich auf meinem Weg durch das Leben.

Dieser innere Sieg ist mir so gut bekannt. Es ist die innerliche Lösung von den Problemen, die eine echte Freisetzung nach sich zieht. Die Herausforderungen und Schwierigkeiten haben wieder den Platz, der ihnen gehört. Mit diesem inneren Sieg wächst die Freude am Glauben und der Wunsch: Gib deinem Volk deinen Segen!

Martin Bühlmann

Psalm 5

Darf ich so knallhart beten wie in diesem Psalm? Ich spüre zwei Impulse: Einerseits wird mir warm und ich lockere den Kragen – bildlich gesprochen. Mir wird unbehaglich zumute. Gleichzeitig freue ich mich aber an der Kraft und Emotionalität des Beters David, der keine weich gespülten Floskeln verwendet. Und ich stelle mir folgende Fragen: Wo gehe ich mit meinem Hass, meiner Wut hin? Wie darf ich beten? Tasten wir uns vor.

1 Für den Chorleiter: Ein Psalm Davids, auf Flöten zu begleiten. 2 Herr, höre mich, wenn ich bete, vernimm meine Klage! 3 Höre meinen Hilferuf, mein König und mein Gott, denn ich bete zu dir. 4 Höre meine Stimme am Morgen, Herr. Früh am Morgen trage ich dir meine Bitten vor und warte voll Ungeduld.

David scheint sich nicht von Gott wahrgenommen zu fühlen; ich kann mir gut vorstellen, wie er verzweifelt betet: »Hörst du mich denn nicht endlich, Gott?« Doch David – der König! – bewahrt bei aller Ehrlichkeit einen angemessenen Ton und spricht Gott mit Ehrentiteln an. Früh am Morgen, in der Stille der Dunkelheit, versucht er, mit seinen Nöten durchzudringen. Eigentlich steht da wörtlich (Vers 4): »In der Frühe schichte ich auf« – gemeint ist ein Opfer mitsamt Opfertier. Auch das ist eine Demutsgeste – denn im Opfertier bringt der Beter sich selbst symbolisch als Opfer vor Gott. David ist es bitterernst. Opfer plus Morgengebet – das muss doch durchkommen zu Gott … Hallo! Ist da jemand?

David redet nicht nur – er seufzt. Er wirft Gott seinen Kummer vor die Füße. Es sind im Hebräischen keine eleganten Worte wie in anderen Psalmen, nein, sie sind einfach, direkt, brutal. Er spricht als Bedürftiger zum König der Welt, der aber eben auch sein König ganz persönlich ist. David hat Angst vor seinen Feinden und er beginnt zu beten, um diese Angst zu überwinden. Er redet sich also nicht ein: »Ach, ich kann doch auf Gott vertrauen, ich brauche überhaupt keine Angst zu haben.« Nein, er betet um diese Überwindung der Angst!

5 Denn dir, Gott, gefällt keine Gottlosigkeit; die Gottlosen dürfen nicht in deiner Nähe sein. 6 Deshalb können die Hochmütigen nicht vor dir bestehen, denn du hasst alle, die Böses tun. 7 Du wirst die Lügner vernichten. Du, Herr, verabscheust Mörder und Betrüger.

Heiligkeit duldet keine Bosheit, keine Lüge und kein Unrecht in ihrer Nähe. So heilig liebevoll Gott dem David zugeneigt scheint, so heilig zornig und sogar voller Hass blickt Gott auf die Bösen, die lügen, morden und überheblich sind. Hasst Gott Menschen? Ist er nicht die reine Liebe? Eine Parallele: Was fühlt die Ehefrau, die feststellt, dass ihr Mann seit Jahren eine Geliebte hat? Sie empfindet Liebe – denn sonst würde sie keinen Schmerz spüren. Doch da sind auch: Hass, Wut, Zorn. Hass ist nicht das Gegenteil von Liebe. Beide liegen ganz nah zusammen. Beide machen verletzbar, beide sind intensiv, kurz: Hass ist Liebe mit dem falschen Vorzeichen. Durch ein traumatisierendes Ereignis kann sich ein ganzer Block von Gefühlen vom Positiven ins Negative umwandeln. Zum Beispiel durch Sünde. Das Stichwort ist Egoismus. Ich bin der Maßstab! Ich weiß, wo es langgeht. Gott? Welcher Gott? Da kehrt sich für Gott eine große Liebe und Zuneigung zu seinem Geschöpf in Zorn und Hass um.

Nun dürfen wir nicht blind von menschlichen Verhaltensweisen auf Gott schließen, aber immerhin sind wir sein Ebenbild, und Zorn und Hass zu empfinden, wenn der Partner betrogen hat, das ist eine berechtigte Reaktion. Man sollte zwar nicht in ihr verharren, aber sie ist zuerst einmal vollkommen normal. Verstehen wir Gott jetzt besser? Er ist der große Liebhaber, aber auch der große Verletzte. Würde er gleichgültig auf unsere Sünde reagieren, dann wäre alles vorbei – so aber hat diese explosive Mischung dazu geführt, dass Jesus auf die Welt gekommen ist, damit das alles ein Ende haben kann.