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Sein
erotischer Roman

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www.Elysion-Books.com

Lilly Grünberg

Unter verschiedenen Namen hat sich die Autorin Lilly Grünberg in die Herzen der Erotik- und SM-Leser aber auch in die der Fantasy-Liebhaber geschrieben.

Unter dem Namen »Lilly Grünberg« sind bei Elysion-Books bisher die Romane »DEIN« und die überarbeitete Neuauflage von »Verführung der Unschuld 1« erschienen, sowie eine Kurzgeschichte in der Anthologie »Nuancen der Lust«. Eine Neuauflage von »Begierde« ist für 2013 geplant, eine Fortsetzung von »Verführung der Unschuld« für 2014.

Aktuelle Infos unter www.lilly-romane.de

Lilly Grünberg

Sein

– erotischer Roman –

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www.Elysion-Books.com

Sämtliche Namen, Orte, Charaktere und Handlungen sind frei erfunden und reine Fiction der Autoren/innen. Alle Ähnlichkeiten mit Personen, lebend oder tot, sind Zufall.

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert
www.dreamaddiction.de
FOTO: © fotolia/Lwilliamlangeveld und fotolia/konradbak
LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig
www.imaginary-world.de

PRINTED BY OPOLGRAF
ISBN 978-3-942602-32-7
eISBN 978-3-942602-79-2

Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie auf:
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Inhalt

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Das Feierabendspiel

Wieder allein

Die Kosmetikerin

Eine erotische Strafe

Die BDSM-Party

Die Voyeurin

Zwiespältige Gedanken

Quälende Nächte

Ein unmoralisches Angebot

Das Wiedersehen

Ruben, der Dominus

Ausgeliefert

Erotische Qualen

Verfluchte Zweifel

Mut zum Risiko!

Verwirrung

Abenteuer Sklavenausflug

Eine heiße Wanderung

Morgenstund’

Geheimzugang

Showtime – eine perfekte Sklavin

Das Feierabendspiel

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Lachend versuchte Nadine sich aus der Umarmung ihres Ehemanns zu befreien. Prinzipiell hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass er Sex haben wollte. Einen aufregenderen Liebhaber als ihn gab es nicht. Jedenfalls war sie vor ihm nie mit einem zusammen gewesen, der mehr Leidenschaft und Fantasie gezeigt hatte. Zudem hatten sie sich drei Tage lang nicht gesehen, weil Laurin geschäftlich unterwegs gewesen war, weshalb ihr Hunger nach intimem Zusammensein groß war.

Laurin löste mit einer Hand seine Krawatte, ohne den Druck des anderen Armes, den er um ihre Taille geschlungen hatte, zu lockern. Als Rechtsanwalt war er stets makellos gekleidet, wie es bei Gericht und Kundschaft von ihm erwartet wurde, ohne dabei zu steif und unnahbar zu wirken. Seine Anzüge waren modern geschnitten und machten ihn zu dem, was er war: ein etwas eigenwilliger und zuweilen recht strenger, für Nadine aber vor allem liebenswerter Mann.

»Komm schon, hast du mich denn nicht vermisst?«

»Du weißt, dass ich dich immer vermisse.« Nur – der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. In nicht mal einer Dreiviertelstunde hatte sie ihren Termin und sie wollte auf keinen Fall unpünktlich sein oder unter Stress nach einem Parkplatz suchen müssen.

Was für ein Zufall, dass sie und Laurin sich ausgerechnet jetzt im Eingangsbereich ihres Hauses begegneten. Gerade als Nadine aus dem deckenhohen Schuhschrank die Wahl unter ihren unzähligen Pumps traf, hatte sich sein Schlüssel im Türschloss gedreht.

»Nicht jetzt, mein Schatz. Ich muss los, sonst komme ich zu spät.«

»Wieso bist du ausgerechnet heute verabredet?«, grollte Laurin mit tiefer Stimme. »Und mit wem?«

»Du hast mir nicht gesagt, dass du früher nach Hause kommst.« Nadine verstand sich ausgezeichnet darauf, mit leicht vorgeschobener Unterlippe die Unschuld in persona zu geben, für den Fall, dass sie ihm einfach nicht richtig zugehört und vergessen hatte, wann genau er heimkommen würde. »Und ich habe einen Termin bei der Kosmetikerin ausgemacht, die Sophie mir empfohlen hat.«

Laurin ergriff ihre Handgelenke und zog ihr behutsam ihre Arme auf den Rücken. Nadine wusste, was er vorhatte und dass Widerstand zwecklos sein würde.

»Nicht jetzt«, wehrte sie in einem letzten Versuch lachend ab. »Wir haben doch noch den ganzen Abend Zeit für uns.« Es war schwer, seiner dominanten Ausstrahlung zu widerstehen, wenn er sie mit diesen blitzenden Augen verschlang.

»Meine Lust kann nicht solange warten. Ich will dich jetzt«, knurrte er. »Während der ganzen Fahrt habe ich an nichts anderes gedacht als an dich und deinen weichen aufregenden Körper.«

Das war bestimmt eine reichlich übertriebene Behauptung. Wahrscheinlich hatte er vor allem über das Symposium nachgedacht, dass ihn drei Tage und fünfhundert Kilometer von ihr fortgebracht hatte. Dennoch war die Vorstellung aufregend, er wäre voller Ungeduld nach Hause geeilt. Nur ihretwegen.

In ihrem Schoß setzte ein begieriges Kribbeln ein. Sein heißer Atem streifte ihre Ohrmuschel und sein Zweitagebart schabte an ihrer Wange. Nur wenn er keine Gerichtstermine hatte, verzichtete er gerne mal einige Tage auf das ihm lästige Rasieren, wodurch er ein wenig verwegener als sonst aussah. Entschlossen zerrte er seine Krawatte unter dem Hemdkragen hervor und schlang sie ihr um die Handgelenke. Ob das gute Stück vom Knotenbinden ruiniert würde, war ihm vermutlich egal. Vielleicht würde es ihm später leid tun, vielleicht auch nicht. Er besaß eine ganze Sammlung davon, für jeden Anlass und zu jeder Kleidung passend. Und im Improvisieren war er ein Meister, wenn die nötigen Utensilien nicht greifbar waren, das wusste sie.

Nadine entfuhr ein lüsternes Keuchen. Diese einfache Geste genügte, ihr das Gefühl zu geben, sie sei ihm ausgeliefert. Was folgen würde, war klar. Sex. Ob sie nun Einwände hatte oder nicht. Er brauchte nur eine Hand zwischen ihre Schenkel schieben und würde sofort fühlen, wie sehr sie sich nach ihm verzehrte.

Trotz alledem wurde dieses Spiel nie langweilig, denn stets war es ein wenig anders. Noch hatte er nicht alle Überraschungsmomente ausgeschöpft und sie hoffte inständig, dies würde auch niemals geschehen. Es war viel zu aufregend, nicht jeden seiner Schritte vorhersehen zu können. Würde er diesmal sofort zur Sache kommen, um ihr nicht den Termin zu vermasseln? Oder würde er sie erst recht die Treppe hinauf ins Schlafzimmer schieben, oder gar über seine Schulter werfen und empor tragen, sodann mit gespreizten Schenkeln ans Bettgestell fesseln und warten lassen, bis sie es vor Verlangen nicht mehr aushielt und ihn anflehte, sie endlich zu vögeln? Allein durch seine lüsternen Blicke oder indem er die Innenseite ihrer Schenkel mit einer Feder kitzelte oder ihre Nippel mit heißem Wachs folterte, schaffte er es, dass ihr Schoß vor Begierde glühte. Kniete er sich zwischen ihre Beine, stuppste gar mit seiner Eichel ihre Schamlippen an ohne in sie einzudringen, dann schmerzte ihre Vagina vor Verlangen und zog sich erwartungsvoll enger zusammen. Wenn er endlich Erbarmen hatte und zu ihr kam, war es ein von solcher Lust geprägtes Eindringen, dass es ihr die Luft nahm und sie zum Olymp der lustvollsten Eruptionen trug.

Dementsprechend unmöglich war es, ihrem Mann zu widerstehen. Sie wollte ihn. Zu jeder Zeit und auf jegliche Art, die ihm gefiel. Denn was ihm gefiel, war auch für sie in höchstem Maße erregend, selbst wenn er sie dabei kitzelte oder übers Knie legte. Deshalb liebte sie ihn und war von ganzem Herzen seine ergebene Lustsklavin.

Seine Hände umfingen nun ihre Brüste. Sofort verhärteten sich ihre Nippel. Durch die Bluse hindurch fühlte sie seine Finger, wie sie fest über ihre Knöpfe rieben und in ihrem Unterleib setzte das vertraute, lüsterne Ziehen ein. Sie war verloren. Zeit und Raum und Termin waren ohne Bedeutung.

»Ich werde dich jetzt nehmen«, knurrte er mit tiefer, fast unheilvoller Stimme. »Deine Zeit gehört mir, vergiss das niemals. Hast du nicht überhaupt vergessen, mich um Erlaubnis zu fragen, ob du das Haus verlassen darfst?«

Dem Spiel gemäß wand sich Nadine und versuchte sich, gegen die Fesseln zu wehren. Umsonst. Natürlich. Laurin zog seine Knoten immer so stramm zu, dass sie sich nicht selbst befreien konnte. Sie sollte nicht nur das spielerische Gefühl haben, ihm ausgeliefert zu sein. Nein, sie war ihm tatsächlich ausgeliefert, was für sie kein Problem darstellte. Denn sie vertraute ihm. Niemals würde Laurin sich über ihre Grenzen hinwegsetzen und sie überfordern. Selbst der Hinweis auf das Einholen einer Erlaubnis war eher rhetorischer Natur und gehörte zu ihrem erotischen Spiel.

Nadine war es sehr recht, dass Laurin ein überwiegend softer Dom war. Ganz im Gegensatz zu dem ihrer Freundin Sophie, die sich monatelang auf die Suche nach einem Herrn gemacht hatte, der von ihr die vollkommene Unterwerfung erwarten und sie mit entsprechend starker Hand zu seiner persönlichen Liebessklavin erziehen würde. Sex als reine Belohnung, stets an eine Aufgabe und absolute Unterwerfung geknüpft.

Nadine hatte nie verstanden, warum Sophie soweit gehen wollte. Mittlerweile waren sie und Leo zwar das Traumpaar der örtlichen BDSM-Szene, aber zu welchem Preis? Sophie hatte ihrer Freundin einiges über Leos strenge Regeln erzählt, bei denen Nadine vor Schreck fröstelte. Wie konnte sie nur bereit sein, sich damit einverstanden zu erklären? Leos Vorstellungen von Sex und Gehorsam, von einer sogenannten 24/7-Beziehung, die eine vollkommene Unterwerfung Sophies einschloss, überstieg bei weitem das, wozu Nadine sich jemals bereit erklärt hätte. Erstaunlicherweise ging es Sophie in dieser merkwürdigen Beziehung sehr gut, sie schien seither ausgesprochen glücklich zu sein. Dennoch, Nadine würde nicht mit ihrer besten Freundin tauschen wollen.

Geschickt knöpfte Laurin soeben ihre Bluse auf und streifte sie über ihre Schultern nach hinten, öffnete den Verschluss ihres Büstenhalters und schob ihn herab. Nadine seufzte auf. Sie war zufrieden mit ihren Brüsten, die zwar nicht besonders groß, jedoch schön gerundet waren. Und das Wichtigste für sie war, dass Laurin Gefallen daran fand, sie zu liebkosen.

Zwischen zwei Fingern ihre Nippel einklemmend, streichelte er mit seinen Daumen über ihre Knöpfe, die sich längst erwartungsvoll verhärtet hatten. Sie wand sich vor Lust unter seiner Berührung. Verdammter Kerl, er kontrollierte sie mühelos, indem er ihren Körper in Bereitschaft versetzte. Ihr Schoß war feucht und heiß darauf, sein Geschlecht aufzunehmen.

»Ah!« Sein Unterleib presste sich gegen ihren und sie spürte seine Erektion durch den dünnen Stoff seiner Anzughose. Wow! Das Kribbeln nahm zu und dehnte sich wie ein wuselnder Ameisenhaufen über ihren ganzen Körper aus. Jeder Zentimeter ihrer Haut erwachte in sensibler Empfindlichkeit, bereit Laurins Berührungen mit voller Intensität aufzunehmen.

Nadines Stöhnen ging in ein katzengleiches Schnurren über. Sie genoss jede Sekunde.

»Wusste ich es doch, dass du es genauso brauchst wie ich, mein widerspenstiges Kätzchen«, murmelte er. »Ich werde dich am besten gleich hier nehmen.«

Was, im Flur? Das war neu, und wenn ausgerechnet jetzt jemand läutete und sie beide durch die Tür hindurch stöhnen oder schreien hörte?

»Lass uns hinauf ins Schlafzimmer gehen«, keuchte sie. »Oder wenigstens ins Wohnzimmer.«

»Nein, hier«, knurrte er. »Du hast es doch eilig, oder hast du das schon vergessen?« Er hob ihren Rock. »Oh, du schamloses Luder! Von wegen Kosmetiktermin! Wen wolltest du in Wirklichkeit treffen?« Er gab ihr einen Klaps auf ihren nackten Po.

Nadine kicherte. Würde er sie dabei erwischen, gewöhnliche Strumpfhosen zu tragen, wäre er außer sich. Für ihn waren Strapse, Strings und Röcke oder Kleider ein unbedingtes Muss. Knapp über dem Knie, gerade so, dass es in der Öffentlichkeit noch als anständig durchging. Dies gab ihm die Möglichkeit, jederzeit und überall seine Hand unter den Stoff zu schieben und ihre nackte Haut zu fühlen. Für ihn waren dies Fetische, die ihn binnen Sekunden erregten. Nur im Winter erlaubte er ihr, warme Strumpfhosen oder auch mal eine wattierte lange Hose zu tragen. Sein Verantwortungsbewusstsein minimierte das Risiko einer Blasenentzündung bei kaltem Wetter. Zuhause galt dies natürlich nicht. Nadine in Joggingschlabberhosen war ein absolutes No-go. Auch hier diktierte sein Lustempfinden knappe Röcke oder die Super-Spar-Variante in Form einer Dienstmädchenschürze, was Nadine zu Anfang ihrer Beziehung ein wenig peinlich war, sie jetzt jedoch jedesmal in einen Zustand der Dauererregung versetzte.

Weil sie sich nicht sicher gewesen war, ob Laurin schon zuhause sein würde, wenn sie von der Kosmetik zurückkäme, hatte sie einen besonders knappen String angezogen. Eigentlich waren es nicht mehr als drei Bändchen, die einen winzigen Streifen Stoff über ihrer Scham hielten, der sich inzwischen feucht anfühlte. Dazu hatte sie besonders lange Strapse gewählt, die fast bis Mitte ihrer Oberschenkel hinab reichten und so besonders viel Haut freiließen. Bücken war bei dieser Kleidung ausgeschlossen, und alleine schon wie der Stoff ihres Rockes bei jeder Bewegung über die nackten Hautpartien streifte, genügte, um ein sinnliches Kribbeln auszulösen.

Seine Hand zitterte vor Begierde, als er die Strapse entlang fuhr und über ihre Haut streichelte. Besitzergreifend legte sich eine Hand auf ihren Po, während er mit der anderen Gürtel und Hose öffnete und fallen ließ. Dann griff er mit beiden Händen zu, zerfetzte mit einem Ruck das bisschen Stoff, das sich noch zwischen ihnen befand und wirbelte Nadine herum.

Sie japste. Im Stehen, noch dazu völlig bekleidet, nahm er sie äußerst selten. Es hatte für sie den Touch des Ruchlosen, weil sie sich dabei vorstellte, sie befänden sich in nicht in ihrem eigenen Haus, sondern irgendwo. Es blieb ihnen keine Zeit, sich auszuziehen und ein verschwiegenes Plätzchen zu suchen. Es musste schnell geschehen, bevor jemand kam und sie bei ihrem Treiben erwischte.

Ehe sie sich versah, hatte er seinen Arm unter eines ihrer Beine geschoben und es angehoben, dabei die andere Hand lüstern um ihre Brust gelegt. Nadine stöhnte laut. Gefesselt und von ihm gegen die an der Garderobe hängenden Jacken gedrängt, seine Hände heiß und zupackend, ganz so, wie sie es erregte. Es war animalisch, ihm so ausgeliefert zu sein. Komm, nimm mich, stoß zu! Jede Sekunde, die sie noch länger warten musste, dass er ihren Schoß in Besitz nahm, wurde zur süßen Qual.

»Damit du nicht vergisst, dass du mir gehörst, werde ich dich mit meinem Duft markieren«, brummte er und führte seinen Penis tief in ihre Spalte sein.

Nadine stöhnte laut auf.

»Scht, Wildkatze. Du willst doch nicht, dass man uns erwischt?«

Sein Mund verschloss ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss, was ihn nicht daran hinderte, mit kräftigen Stößen ihren Körper hin und her zu peitschen. Ihr Körper war in seiner Gewalt, seiner Begierde vollkommen ausgeliefert. Aber die Lust, diese unglaubliche, verzehrende, den Verstand raubende Lust – die gehörte nur ihr. Begierig erwiderte sie den wilden Tanz seiner Zunge und schrie in seinen Mund, als der Höhepunkt ihren Unterleib in wilden Eruptionen erbeben ließ.

Wieder allein

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Zuletzt warf Thorsten schwungvoll die Wohnungstür zu, als wolle er nochmal ausdrücklich betonen, dass sein Auszug diesmal endgültig sei. Aufgrund des Knalls, der durch das Treppenhaus hallte, hing nun bestimmt die Nachbarin, welche unter Myriam wohnte, am Türspion. Die alte Hexe würde sich auf keinen Fall entgehen lassen, wer wutentbrannt und trotz des schweren Koffers schwungvoll die Treppe hinunter polterte. Das wusste Myriam genau. Für die nächsten Stunden würde Thorstens theatralischer Abgang das Tagesgespräch Nummer Eins für einige Nachbarinnen sein.

Myriam zuckte mit den Schultern. Genau genommen war wohl bereits der vorausgegangene Streit für die anderen Hausbewohner nicht zu überhören gewesen. Aber egal, sollten die Klatschbasen sich doch das Maul verreißen. Myriam würde sich davon nicht beeindrucken lassen, auch wenn sie sich lebhaft vorstellen konnte, dass diese prüde Wohngemeinschaft es in höchstem Maße unanständig fand, wie die jüngste Mieterin alle paar Monate ihre männlichen Mitbewohner wechselte. Auch wenn sie das überhaupt nichts anging. Mal warf Myriam ihren Mitbewohner nach kurzer Zeit raus, ein anderes Mal hielt dieser es nicht aus, noch länger mit ihr zusammen zu leben.

Myriams Bedauern über das Ende der aktuellen Liebschaft hielt sich in Grenzen. Es war nun mal so, dass ihre Beziehungen eher einer Wohngemeinschaft mit sexueller Nebenbenutzung ähnelten. Nur ungern gab sie ihre Gewohnheiten auf und schloss Kompromisse, wie es wahrscheinlich die anderen im Haus und überhaupt sehr viele Frauen machten. Diese lebten doch nur noch deswegen mit ihren Männern zusammen, weil sie zu bequem waren, sich von ihnen zu trennen. Denn dann hätten sie arbeiten gehen, selbst ihren Lebensunterhalt verdienen und als allein erziehende Mütter den Tagesablauf mit sehr viel mehr Stress managen müssen. Wie viel einfacher war es doch, die Sorge um den leidigen Broterwerb dem Gatten zu überlassen. Und die Männer? Die fanden sich wohl großartig in der klassischen Ernährerrolle, während sich ihre Frauen um Einkauf, Wäschewaschen, Kochen und Kinder kümmerten. Als Überstunden getarnt, erteilte den Männern diese Rollenverteilung sogar noch genügend Spielraum für außerhäusliche Vergnügungen. Ach, Schatz, ich komm heut später. Ich muss Überstunden machen. – Ach du Armer

Im ehelichen Bett lief bei denen schon lange nichts mehr, da war Myriam sich ganz sicher. Oder wenn doch, dann war das so eine öde Rein-Raus-Nummer, genau die Kategorie von Sex, die noch schlimmer war als gar keiner. Es war also bestimmt der pure Neid, dass Myriam es immer wieder aufs Neue schaffte, sich einen jungen Mann zu angeln, mit dem sie Spaß hatte. Wenigstens eine Zeit lang.

Im Augenblick atmete sie auf. Es war vorbei. Endlich. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, wie man so sagte. Seit Tagen hatte sie sich mit Thorsten, der vor einem halben Jahr bei ihr eingezogen war, nur noch gestritten. Der kleinste Anlass genügte und die Fetzen flogen. Wieso hatte sie sich überhaupt in diesen langweiligen Kerl verliebt? Seine T-Shirts und Jeans waren durchschnittlich wie sein gesamtes ungepflegtes Äußeres. Vor lauter Gefühlsduselei war ihr dies zunächst gar nicht aufgefallen. Oder hatte er sich da noch Mühe gegeben und auch mehr Zeit für sie gehabt? Jedenfalls verbrachte er die Nächte in letzter Zeit lieber mit seinem Computer, wo er Sachen programmierte, von denen sie nichts verstand, als mit ihr Sex zu haben. Wenn er einmal pro Woche das Bedürfnis verspürte, mit ihr ins Bett zu hüpfen, dann verlief das Vorspiel im Dauerlauf und nach nicht einmal zehn Minuten war alles vorbei. Anschließend fiel Thorsten entweder sofort mit lautem Schnarchen in Tiefschlaf, oder er zündete sich eine Zigarette an und schenkte seine Aufmerksamkeit für die nächsten Stunden wieder dem Computer. Beides war absolut nicht das, was Myriam erwartete.

Lieber ein selbstbewusster Single als die deprimierte Hälfte einer mittelmäßigen Partnerschaft. Ihre Hormone mussten einige Schaltungen in ihrem Gehirn durchgeschmort haben, sonst hätte sie es niemals solange mit Thorsten ausgehalten.

Zum Glück war es vorüber. Puh! Ihre besten Freunde lagen verwendungsbereit in ihrer Nachttischschublade, und die sahen nicht nur besser aus, die machten auf jeden Fall mehr Spaß, als sie jemals mit Thorsten erlebt hatte.

Bei einem Kontrollgang durch ihre Zwei-Zimmer-Wohnung suchten Myriams Augen aufmerksam nach Gegenständen, die Thorsten gehörten. Auf keinen Fall wollte sie durch irgendetwas, das er vergessen hatte, an ihn erinnert werden. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Flur. Alles keimfrei, dachte sie grinsend. Fehlt nur noch die Inspektion des Bades.

Selbstbewusst musterte Myriam ihr Gegenüber im Badezimmerspiegel und strich mit einer lässigen Handbewegung eine Haarsträhne hinter das rechte Ohr. Sie musste vorsichtiger sein. Den nächsten Mann würde sie einer harten Prüfung unterziehen! Wenn er es nicht schaffte, sie innerhalb von fünf Minuten so heiß zu machen, dass sie sich danach verzehrte, von seinem Schwanz ausgefüllt zu werden, dann war er es nicht wert, sich mit ihm einzulassen. Und heiße Liebe brauchte ihr sowieso keiner zu beteuern. Dieses Thema wurde völlig überbewertet. Erst Liebesschwüre und Sex, dann nur noch Liebesschwüre, und am Schluss? Nichts mehr. Vielleicht wäre eine reine Sexbeziehung überhaupt die bessere Variante? Kein Streit, kein Herzschmerz, nur Spaß. Dann weiß man wenigstens was man voneinander hat und die übrige Zeit kann man machen, was man will! Keine Verpflichtungen, keine Vorwürfe, dass der eine zu wenig Zeit für den anderen hat. Genau!

Als sie ihren Blick senkte, blieb dieser an Thorstens Hinterlassenschaften hängen. Grimmig warf Myriam die Zahnbürste, in deren Borsten noch Reste der Zahnpasta klebten, den Kamm, der viel zu selten benutzt worden war und ebenfalls alles andere als sauber aussah, sowie ein paar andere Utensilien, die Thorsten gehörten, in den chromblitzenden Abfalleimer. Pflegeprodukte wie Lotion, AfterShave oder Eau de Toilette hatte er sowieso nie benutzt. Das sei unmännlich, hatte er behauptet. Schade, dass er nicht verstanden hatte, worauf es ankam.

Myriam überlegte, sie brauchte heute noch ein positives Erlebnis. Am besten sie gönnte sich nach der Arbeit einen Einkaufsbummel. Ein hübsches neues Dessous, ganz für sich alleine, wäre so ganz nach ihrem Geschmack. Ob mit oder ohne Mann im Haus, begehrenswert ausstaffiert würde sie sich gleich wieder besser fühlen.

Wer braucht schon die Männer?, fragte sich Myriam und schüttelte ihre fuchsrote Lockenpracht, als sie aus der Haustür trat. Alles gehört nun wieder mir. Meine Freizeit, meine Wohnung, mein Geld, mein Leben. Und wenn ein Mann in mein Leben tritt, dann muss er der absolute Hammer sein.

Die Kosmetikerin

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Von außen macht der Laden einen sehr guten Eindruck, stellte Nadine fest, während sie die mit Rosenblättern, Flakons und Kosmetikartikeln hübsch dekorierte Auslage des Schaufensters studierte. Alles war geschmackvoll angeordnet, mit viel Liebe zum Detail, ohne marktschreierisch auf spezielle Angebote hinzuweisen. Seit kurzem gehörte zur Parfümerie auch ein Kosmetik- und Nagelstudio. Zum Geburtstag hatte Nadine von Sophie, ihrer besten Freundin, einen Kosmetikgutschein geschenkt bekommen. Es war keineswegs so, dass Nadine eine kosmetische Intensivbehandlung nötig gehabt hätte. Nein, sie litt weder unter poriger Mischhaut, hässlichen Pigmentflecken oder unerwünscht starkem Haarwuchs im Gesicht. Es war einfach so, dass sie und Sophie sich ab und an ein kleines Verwöhnprogramm gönnten, mit Peeling und Gesichtsmassage, Wimpernfärben und Augenbrauenzupfen. Noch besser würde ihnen ein gemeinsames Wochenende in einem Wellnesshotel gefallen, natürlich ohne ihre Männer, ein reines Mädchenwochenende. Aber diesem Wunsch hatten die beiden Doms bislang nicht zugestimmt, und darüber konnten sie sich nicht hinwegsetzen. Denn so war das nun mal, wenn man in einer Beziehung lebte, in der der dominante Partner das letzte Wort hatte und der Submissive bereit war, dies zu akzeptieren. Meistens betraf dies zwar nur die Zeit des sexuellen Rollenspiels, aber manche Paare lebten dies auch im Alltag, so wie sie.

Ein Vogelträllern, das dem eines Kanarienvogel ähnelte, erklang lang anhaltend, als Nadine die Ladentür öffnete und eintrat. Der Verkaufsraum war angenehm klimatisiert und in sonnigen Farben gestaltet. Die Decke war in Zartgelb, die Wände in Ocker, Orange und Weiß gehalten. Gut sortierte Regale mit blitzblanken Glasböden präsentierten die Düfte und Kosmetikartikel namhafter Hersteller, sowie eine breit gefächerte Auswahl an Accessoires.

Eine brünette Mittvierzigerin in einem kornblauen Kostüm blickte durch das metallicblaue Gestell ihrer Brille von einer Bestellliste auf und begrüßte Nadine mit einem freundlichen Nicken.

»Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«

»Guten Tag, ich habe einen Termin zur Kosmetik«, erklärte Nadine.

»Sehr schön – Sie sind Frau Falk?«

Nadine nickte.

»Bitte sehr.« Die Dame öffnete eine verspiegelte Tür zwischen den Regalen, und hieß Nadine mit einer einladenden Geste einen kurzen Flur entlang gehen. »Sie werden schon erwartet. Viel Vergnügen und gute Entspannung, Frau Falk.«

»Danke sehr, die werde ich bestimmt haben.«

Nadines Absätze klackerten bei jedem Schritt auf dem Steinfußboden. Am Ende des Flurs klopfte sie zweimal kurz mit dem Fingerknöchel an die Tür.

Eine helle Stimme rief »Herein«.

Zunächst sah Nadine nur die fuchsroten, zu einem üppigen Pferdeschwanz gebändigten Locken der Frau, die ihr, mit einer geblümten Sommerbluse und einer cremefarbenen Leinenhose bekleidet, den Rücken zudrehte und irgendetwas aufräumte. Dann, als diese sich zu ihr umdrehte, war sie für einen Augenblick sprachlos. Stark getuschte, von einem schwarzen Kajal umrahmte, katzengrüne Augen blickten sie weit aufgerissen an, der knallrote Mund für Sekunden zu einem überraschten Oh geformt.

»Nadine?«, fragte ihr Gegenüber schließlich vorsichtig.

»Hey, das ist ja ein Ding! Hallo Myriam«, erwiderte Nadine, die Stimme verunsichert angehoben und ließ es zu, dass die ehemalige Schulkameradin sie spontan und unerwartet herzlich umarmte. »Dich hätte ich jetzt nicht erwartet.«

Sie lachten beide verlegen, während Myriam Nadines Jacke entgegen nahm und über einen freistehenden Garderobenständer hängte. Auch dieser Raum war in warmen Gelbtönen gehalten, jedoch nicht so kräftig. Die Möblierung beschränkte sich aufs Notwendigste.

Nadine betrachtete Myriam genauer. Ihre Gesichtszüge waren nicht mehr so weich wie noch vor ein paar Jahren. Wir haben wohl alle das Babyface der Jugend verloren.

Nach dem Abitur waren sie einander nie mehr begegnet und auch zur Schulzeit hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen. Es war eher so gewesen, dass sie einander bewusst ignoriert hatten. Zum Teil hatte dies daran gelegen, dass Nadine sich stets an Sophie orientiert hatte und mit denselben Leuten in ihrer Freizeit abgehangen war wie diese. Ganz abgesehen davon, dass sie beide schon frühzeitig in die Welt der Erwachsenen abgedriftet waren und sexuelle Erfahrungen und Abenteuer gesucht hatten. Wenn Nadine daran zurückdachte, wurde ihr heute noch schlecht. Sie hatten so verdammt viel Glück gehabt, nie an die falschen Männer geraten zu sein. Bestimmt waren sie mehr als einmal haarscharf Bordell und Zuhältern entkommen.

»Das ist ja toll, dass wir uns wiedersehen, wie geht’s dir? Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht gesehen …«, plauderte Myriam unbefangen los, als wären sie damals die besten Freundinnen gewesen.

Nadine hatte das Verhalten ihrer Klassenkameradin während des Unterrichts jedoch stets als ein wenig zu forsch und direkt empfunden, eine Spur zu keck und selbstbewusst. Eigentlich war es dem Auftreten ihrer Freundin Sophie gar nicht so unähnlich gewesen, immer ein wenig provokant und ab der Pubertät etwas zu freizügig. In einem Punkt hatten sich Myriam und Sophie jedoch ganz klar unterschieden. Myriam war viel egoistischer und zickiger als Sophie gewesen, mitunter auch sehr hinterhältig, wenn dies für sie vorteilhaft war. Ganz im Gegensatz zu Sophie, die zwar ihre eigenen Interessen verfolgte, aber nicht auf Kosten anderer, und der stets das Wohlbefinden ihrer besten Freundin am Herzen gelegen hatte.

Nun, vielleicht hatte Myriam sich ja in der Zwischenzeit verändert. Nadine tendierte dazu, jedem eine zweite Chance zu geben, und hinter allem erstmal das Beste zu vermuten. Das war möglicherweise ein wenig naiv, wie Laurin mitunter bemängelte, entsprach aber ihrem positiven Denken. Sie konnte einfach nicht anders.

»So, was darf ich denn für dich tun?«, zwitscherte Myriam unbefangen.

Nadine kramte in ihrer Handtasche. »Ich hab einen Gutschein, den hat Sophie mir zum Geburtstag geschenkt. Du erinnerst du dich doch noch an Sophie?«

»Na klar«, lachte Myriam. »Ihr wart ja wie siamesische Zwillinge. Wo sie war, warst auch du.« Genau in dieser Reihenfolge, nicht umgekehrt, fügte Nadine in Gedanken hinzu. Wobei sie nie das Gefühl gehabt hatte, hinter Sophie hergelaufen zu sein. Sophie war eben viel selbstbewusster und abenteuerlustiger als sie gewesen, und hatte Dinge gewagt, über die Nadine niemals nachgedacht hätte.

Myriam warf einen kurzen Blick auf den Gutschein. »Okay, also, die Classic-Behandlung. Na, dann nimm mal Platz. Die Bluse solltest du ausziehen, damit sie keine Flecken bekommt.«

Sie nahm einen neuen Bügel vom Garderobenständer und sah Nadine dabei zu, wie diese sich auszog, ihr die Kleidungsstücke reichte, und es sich dann auf den weißen Tüchern, mit denen der Behandlungsstuhl abgedeckt war, bequem machte.

»Schönes Dessous«, merkte Myriam mit Blick auf Nadines Busen anerkennend an, während sie ein großes Handtuch über ihrem Oberkörper ausbreitete, und dann ihre Haare mit einem Band aus der Stirn zurücknahm.

Nadine war selbst ein wenig stolz auf den fein gearbeiteten, rosaroten Spitzenbüstenhalter, bei dem es sich um das Produkt einer Designerlinie handelte. Laurin verfügte über einen ausgesprochen guten Geschmack und beschenkte sie gerne mit schöner Unterwäsche. Da machte das Auspacken gleich nochmal soviel Spaß. Es war durchaus verständlich, wenn aus Myriams Worten ein wenig Neid herauszuhören war.

»Mein Freund legt viel Wert darauf.«

»Bezahlt er die Teile wenigstens auch?«

Nadine kicherte. »Oh ja, von meinem schmalen Gehalt könnte ich mir das nicht leisten, und was Einfaches, Billiges darf ich nicht tragen.« Bestimmt fragte Myriam nun gleich, womit sie ihr Geld verdiente.

»Und wie ist er sonst so, dein Freund?«

Okay, ihr Job war also nicht von Interesse.

»Laurin ist ein echter Schatz«, schwärmte Nadine, während Myriam die Behandlung nun damit begann, das Makeup zu entfernen und das Classic-Programm, bestehend aus Peeling, Augenbrauenzupfen, Hautpflege und Gesichtsmassage mit sanfter Massage auszuführen. »Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können. Er sieht gut aus, hat einen tollen Job, ein Haus geerbt und vor allem ist er immer für mich da. Und du? Was macht dein Freund?«

»Ich? Ach, ähm, mein Freund ist viel unterwegs, gerade wieder mehrere Wochen im Ausland. Er arbeitet für einen großen Konzern. Da gehört das Reisen mit zum Job.«

Nadine hatte die Augen geschlossen und genoss den leichten Druck von Myriams Fingern, mit denen sie ihr Gesicht massierte. Die leise, unaufdringliche Instrumentalmusik, die aus zwei Lautsprechern an der Wand klang, wirkte zusätzlich entspannend. »Oh, das wäre nichts für mich. Wie kommst du damit klar, wenn dein Freund so lange weg ist?«

»Ach, das gehört halt dazu, wenn er erfolgreich sein will. Dafür bringt er mir dann immer etwas Tolles mit und außerdem genieße ich zwischendrin meine Freiheit. Ähm, wenn du möchtest, kann ich dir noch ein tolles Nageldesign machen.«

Offensichtlich wollte Myriam nicht weiter über ihr Privatleben reden. Für Nadine war dies ein sicheres Zeichen, dass es in der Beziehung nicht optimal lief und Myriam die Situation nur schön redete. Aber interessierte sie das überhaupt?

»Im Augenblick sind alle ganz versessen auf unseren zweifarbigen Glitterlack mit einem kleinen Schmetterling in der Mitte.«

»Oh nein, vielen Dank«, lehnte Nadine ab und unterdrückte ein Gähnen. »Du machst das übrigens toll, sehr angenehm, so total entspannend.«

»Gefällt dir so ein Nagelstyling denn nicht?« Myriam ließ nicht locker.

»Doch«, kicherte Nadine schläfrig. »Ich fänd’s ja ganz lustig. Aber mein Dom steht nicht drauf und ich habe gerade keine Lust auf eine Lektion.«

»Lektion? Was meinst du damit?«

Ach du meine Güte, jetzt hatte sie sich verplappert. »Na ja, also, mein Freund steht nicht auf Mädchenkram wie Glitter und Bildchen auf den Nägeln und so.« Nadines Herz schlug schneller. Plötzlich war sie wieder hellwach. Hoffentlich gab Myriam sich mit dieser Begründung zufrieden.

»Aha. Und, was ist ein Dom

Verdammt, darüber wollte und durfte sie nicht reden. Nadine schlug die Augen auf und blickte direkt in Myriams Katzenaugen.

»Dom? Ach, das ist eine Art – Abkürzung von Dominik.«

Es war Myriams Mimik anzusehen, dass sie dieser Erklärung keinen Glauben schenkte. »Den Bären kannst du jemand anderem aufbinden, Nadine. Deine Betonung, die klang nicht wie ein Name, sondern eher wie – wie eine Art Titel. Komm schon, mir kannst du es erzählen, wir kennen uns doch schon ewig.«

Das war gelinde gesagt übertrieben. Eigentlich kannten sie sich gar nicht, obwohl sie Jahre in dieselbe Klasse gegangen waren. Allerdings hörte es sich so an, als würde ihre ehemalige Schuldkameradin nicht klein beigeben.

»Du hast gesagt, der Dom würde dir eine Lektion erteilen«, beharrte Myriam auf einer Antwort. Sie schien verdammt gut zuzuhören.

»Na ja«, presste Nadine gequält hervor. »Ich darf nicht darüber reden.«

Myriam grinste breit und zupfte Härchen von Nadines Oberlid, um die Augenbraue in eine perfekte Form zu bringen. Kam es ihr nur so vor, oder zog Myriam besonders langsam an jedem einzelnen Haar, um sie zu quälen?

»Das klingt erst recht interessant. Du willst mir doch nicht weismachen, dass du dir von irgendjemandem sagen lässt, worüber du mit wem sprechen darfst?«

Stimmt, das klingt lächerlich. Bevor der Zufall der ehemaligen Schulkameradin Gerüchte zuspielte und diese eins und eins zusammenzählte, war es vermutlich besser, dieses Thema selbst in die Hand zu nehmen und so harmlos wie möglich darzustellen.

»Okay, es ist so, ich lebe in einer etwas speziellen Beziehung. Hast du schon mal von BDSM gehört?« Nadine bemühte sich um einen eher gelangweilten, beiläufigen Tonfall. Dabei hämmerte ihr Herz protestierend wie eine Aneinanderreihung von Paukenschlägen.

Myriam zog die Augenbrauen hoch. »Ähm, nicht wirklich. Was ist das?«

Sie sollte die Hoffnung begraben, schnell aus dieser Nummer herauszukommen. Nadine ballte die Fäuste unter dem Tuch. »Aber von Sadomaso hast du gehört, oder?«

»Ja, schon.« Myriam kniff die Augen zusammen. »Marquis de Sade, oder?«

Nadine nickte. »Unter anderem.«

»Okay, und weiter?«

»Du behältst das für dich, was ich dir erzähle, nicht wahr?«

»Natürlich«, versprach Myriam, während sie mit routinierten, mechanischen Bewegungen einen mit einer Lotion getränkten Pad gleichmäßig über Nadines Stirn, Nase und Kinn kreisen ließ. »Logo. Meine Lippen sind versiegelt.«

Das glaubte Nadine nur bedingt.

»Also? Erzähl schon. Mach‘s nicht so spannend!«

Nadine seufzte. »Bei BDSM-Beziehungen ist so, dass einer von beiden Partnern der Dom ist, also der dominante Part, der sagt, wo es langgeht, aber auch die Verantwortung übernimmt. Und der andere unterwirft sich seinen Wünschen. In unserem Fall bin das ich. Ich bin seine Sub.« Bestimmt klang das jetzt ziemlich verworren und für jemanden, der damit noch nie zu tun gehabt hatte, vollkommen abstrus. Hoffentlich hörte Myriam jetzt auf zu bohren.

»Du redest jetzt von was genau? Vom Alltag oder von Sex?«

Verdammt. »Ein bisschen von allem. Für manche ist es nur eine sexuelle Spielart, für andere ihre Lebensphilosophie.« Wenn Myriam im Details wüsste, wie ich lebe, du meine Güte. Wobei – wenn sie erfahren würde, wie es bei Sophie zugeht, da würden ihr die Augen vor Neugierde aus dem Kopf kugeln.

»Aha, und für was steht denn dieses Kürzel, dieses wie? BMS?«

Es war Zeit, das Thema zu wechseln. Sie hatte sowieso schon viel zu viel verraten. »Lass uns von etwas anderem reden. Wohin soll dein nächster Urlaub gehen?« Hoffentlich verstand Myriam diesen sprichwörtlichen Wink mit dem Zaunpfahl. »Wir waren letztes Jahr zwei Wochen in der Toscana. Einfach super. Viel anzuschauen, tolle Landschaft, herrliches Wetter. Und dieser Wein, einfach köstlich. Wenn du eine Empfehlung für ein Hotel brauchst …«

Myriams leises Lachen ließ sie innehalten. »Lenk nicht ab, Nadine. Du genierst dich wohl, mich genauer aufzuklären. Ist es dir etwa peinlich?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Na dann erzähl weiter!«

»Aber du behältst das für dich!«, gab Nadine halbherzig nach, innerlich seufzend über ihre eigene Dummheit. Warum plapperte sie manchmal so leichtfertig über ihr Privatleben? Leuten, die ein wenig selbstbewusster auftraten als sie selbst, hatte sie einfach nichts entgegen zu setzen. In sich hinein seufzend schloss sie die Augen, weil Myriam nun mit einem warmen, feuchten Tuch die zuvor aufgetragene Creme wieder von ihrem Gesicht aufnahm. »BDSM ist die Kurzform von Bondage, Discipline oder auch Domination, Sadism und Masochism.«

»Wow, das klingt interessant – und hart. Und was bedeutet das für dich?«

Wasserrauschen war zu hören. Nadines Herz klopfte härter. Was würde Myriam von ihr denken? Andererseits, machte sie sich Mut, war das egal. Jahrelang waren sie sich nicht begegnet und wenn sie künftig zu einer anderen Kosmetikerin ginge, würde sie nicht noch einmal in die Verlegenheit kommen, darüber zu reden. Sie würden sich vermutlich nie wieder sehen.

»Na ja, zu einer BDSM-Beziehung gehört, dass ich als der devote Partner mache, was meinem Dom gefällt. Es baut alles auf einem erotischen Spiel auf.«

»Aha. Dein Dom

Nadine drückte sich die langen Fingernägel in die Handinnenflächen bis es schmerzte. »Im BDSM heißt der unterlegene Partner der Sub, und der das Sagen hat, ist der Dom. Von Dominus, lateinisch für Herr.«

»Hm, und was ist dieses Bondage?«

Verdammt, Myriams Gedächtnis schien ja der perfekte Datenträger zu sein und speicherte jedes Wort, zu jeder Sekunde abrufbar.

Nadine lachte gequält. »Du findest es bestimmt verrückt, aber da wird man gefesselt. Nicht einfach so, das sind ganz kunstvolle Verschnürungen. Die sind richtig zeitaufwändig und für beide Partner erregend.«

»Aha. Klingt doch bis jetzt ganz angenehm.«

Ein letztes Mal wurde das warme feuchte Tuch um Nadines Kinn und Wangen gelegt und behutsam gewischt, dann nahm Myriam wieder die Pinzette in die Hand und machte sich daran, Nadine Augenbrauenform zu vollenden.

»Und SM? Ist das nicht irgendetwas Perverses?«

»Ach was. Das meinen nur die Leute, die davon keine Ahnung haben. Pervers ist doch nur etwas, womit der andere nicht einverstanden ist oder was grundsätzlich gegen die gesellschaftlichen Moralvorstellungen verstößt.« Wie gut, dass sie sich Laurins Satz zu diesem Thema gemerkt hatte. Sie selbst hätte das niemals so auf den Punkt bringen können. »Zu SM gehört zum Beispiel, dass der devote Partner, also der Sub, seinen Herrn bedient, und sich von ihm bei Bedarf züchtigen lässt. Sozusagen Peitsche und Zuckerbrot.«

»Ahem, übrigens, ich würde jetzt deine Wimpern färben. Willst du schwarz oder braun? Ich hätte auch ein bläuliches Schwarz. Ich glaube, das passt gut zu deinen Augen.«

»Einverstanden. Mach das.« Eigentlich würde sie lieber aufstehen und gehen. Wenn sie das hinbekäme.

Während Myriam in einem kleinen Porzellanschälchen die Farbe anrührte und Nadine mit ein wenig Creme die Pads unter dem Unterlid auf die Haut klebte, um diese vor der Farbe zu schützen, bohrte sie weiter. »Du lässt dich also freiwillig verprügeln? Ich dachte, du bist emanzipiert genug, dich dagegen zu wehren?«

»So darf man das nicht sehen. Es geht nicht darum, jemandem willkürlich Schmerzen zuzufügen. In der Regel gibt’s auch keine blauen Flecken. Das kannst du wahrscheinlich nicht verstehen, aber es ist ziemlich erotisch.«

»Nee, kann ich wirklich nicht verstehen. Und mit was? Mit der Hand oder ‘nem Kochlöffel oder wie?«

Gar nicht so schlecht geraten, dachte Nadine grinsend. »Tatsächlich kommen auch alltägliche Gegenstände wie Kochlöffel oder ein Lineal zum Einsatz. Alles andere kann man kaufen. Paddel, Peitschen, Rohrstöcke. Je nachdem, wie man das ausleben will.«

Myriams Gesicht erschien über Nadines Kopf. Ihre Augen waren vor Verwunderung weit aufgerissen und auch in ihrer Stimme schwang jetzt so etwas wie Anerkennung mit. »Und du machst solche verrückten Sachen? Das kann ich mir bei dir überhaupt nicht vorstellen. Du warst doch immer eine von den Braven.«

Sie wich wieder auf ihren Drehstuhl zurück und richtete sich Lupe und Lampe über Nadines Gesicht neu ein.

»So, Augen schließen.« Gekonnt strich Myriam die Wimpern auf den Pads glatt und auseinander. »Achtung, ich komme jetzt mit der Farbe.«

Es fühlte sich ein wenig kühl und schwer an, als die Farbe vorsichtig auf die Wimpern getupft wurde. Dann war ein Piepsen zu hören, vermutlich stellte Myriam die Uhr für die Einwirkzeit ein. Das Klappern im Waschbecken kündete davon, dass sie die Utensilien reinigte, die sie zum Anrühren der Farbe verwendet hatte.

»Ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass sich jemand mit dem Rohrstock versohlen lässt und das auch noch toll findet. Muss man da nicht ein bisschen daneben sein?«

Das hatte Nadine vor dem ersten Mal auch gedacht. Ein entspanntes Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit. Dabei war es so unsagbar aufregend, mit nacktem Po vor Laurin zu stehen und sich seiner Hand hinzugeben, es musste ja nicht unbedingt ein Rohrstock sein. Wenn sie daran dachte, wie er sie vor rund einer Stunde im Flur genommen hatte … Nadine seufzte. »Ich sag ja, ein Außenstehender kann sich das nicht vorstellen, was man dabei empfindet. Dass das sehr erotisch sein kann. Das hat wirklich nichts mit Gewalt zu tun.«