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Entspannung | Reihe: 21

Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet dieses Buch in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

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Erste Auflage 2013
© Größenwahn Verlag Frankfurt am Main Sewastos Sampsounis, Frankfurt 2013

www.groessenwahn-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-942223-26-3

Antonia Pauly

Entspannung

Kommissarin Mylona
und die Gefahren des Yoga

 

Handlung und alle agierenden Personen sind frei erfunden.
Jede Ähnlichkeit mit reellen Personen ist rein zufällig.

 

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IMPRESSUM

Entspannung

Reihe: 21

Autorin

Antonia Pauly

Seitengestaltung

Größenwahn Verlag Frankfurt am Main

Schriften

Constantia und Lucida Calligraphy

Covergestaltung

www.hasenstein-DISIGN.eu

Coverbild

Marti O´Sigma: ›Hagia Ble Sofia‹

Lektorat

Michael Fröhlich

Größenwahn Verlag Frankfurt am Main

September 2013

ISBN: 978-3-942223-26-3

 

 

 

Für Nikos,
der mich Zakynthos lieben gelehrt hat.

 

 

»Wenn aber die Begierde vernunftlos hinzieht zur Lust und in uns herrscht, wird diese Herrschaft Frevel genannt.«

Platon, Phaidros 238a

Inhalt

MITTWOCH, 12. MAI

DONNERSTAG, 13. MAI

FREITAG, 14. MAI

SAMSTAG, 15. MAI

SONNTAG, 16. MAI

MONTAG, 17. MAI

DIENSTAG, 18. MAI

MITTWOCH, 19. MAI

DONNERSTAG, 20. MAI

FREITAG, 21. MAI

SAMSTAG, 22. MAI

SONNTAG, 23. MAI

DIENSTAG, 25. MAI

BIOGRAPHISCHES

MITTWOCH, 12. MAI

»Komm, setz dich!« Der alte Vassilis deutet auf die Holzbank, die fast die ganze Länge der einen Wand in seiner Küche einnimmt. »Möchtest du ein Glas Wein?«

»Ja, gerne«, stimmt Eleni zu. »Und ein Glas Wasser, bitte. Es ist schon ganz schön warm für Mai.«

Vassilis stellt ein größeres Glas und eine Plastikflasche Wasser vor sie hin und ergreift dann zwei kleinere Gläser, die er aus einem Weinfass, das in einer Ecke des Raumes steht und nie zu versiegen scheint, füllt.

Eleni nimmt am oberen Ende der Bank Platz, der Sitzgelegenheit, die, seit sie bei dem alten Schreiner zur Miete wohnt, zu einer Art Stammplatz für sie geworden ist. Vassilis setzt sich wie üblich auf einen einfachen Stuhl mit geflochtener Sitzfläche am Kopfende des Tisches. Er stellt die gefüllten Weingläser ab, steht dann aber gleich noch einmal auf und verteilt Oliven, Sardellen und ein Stück Feta auf kleine Tellerchen.

Eleni Mylona lehnt sich zurück und krault mit der linken Hand den struppigen, grauen Nacken von Vassilis’ Hund, der, wann immer sie auftaucht, sogleich ihre Nähe sucht.

»Wie alt ist Herakles eigentlich?«, fragt sie ihren Vermieter.

»Wenn seine natürliche Fellfarbe nicht sowieso grau wäre, dann würde er mittlerweile sicherlich ergrauen.« Vassilis lächelt milde. »Er ist jetzt fast zehn Jahre bei mir und war etwa ein halbes Jahr alt, als er hier auftauchte.«

»Das ist für einen so großen Hund schon ein stolzes Alter, oder?« Der dicke Kopf des Tieres schmiegt sich an Elenis Bein.

»Kann man wohl sagen«, bestätigt Vassilis und wirft Herakles einen zärtlichen Blick aus seinen klaren, blauen Augen zu. Sie wirken in dem ganzjährig gebräunten und wettergegerbten Gesicht des Alten auffällig hell. Auch sein schlohweißes Haar mit den lang getragenen Koteletten bildet einen aparten Kontrast zu seiner dunklen Hautfarbe.

Das Verhältnis, das der alte Mann zu seinem Hund hat, war Eleni von Anfang an aufgefallen und hat ihn ihr noch sympathischer gemacht. Tierliebe wird in Griechenland nicht gerade großgeschrieben und Menschen, die einen Hund nicht nur an der Kette halten und mit dürftigen Essensresten versorgen, bilden die Ausnahme. Eleni, die zwischen Griechenland und Deutschland aufgewachsen ist, hat sich mit der Art der griechischen Tierhaltung schon immer schwer getan und ist froh, in Vassilis eine der seltenen Ausnahmen von der Regel zu sehen.

»Als ich gestern mit Alekos telefoniert habe, hat er mir etwas Schreckliches über Hunde in amerikanischen Tierheimen erzählt, was ihm zu Ohren gekommen ist«, berichtet Eleni.

»Ja, richtig, dein Sohn ist ja zurzeit in New York! Wie geht es ihm?«, erkundigt sich der Alte.

»Gut geht es ihm. Er macht wohl in jeder Hinsicht recht intensive Erfahrungen.« Eleni krault Herakles’ dichtes Nackenfell, wobei dieser genießerisch die Augen schließt. »Was ich sagen wollte: Alekos hat gehört, dass in den Staaten alle Hunde – unabhängig von Alter, Rasse und Gesundheitszustand – nach exakt einer Woche Aufenthalt in einem Tierheim eingeschläfert werden.«

Vassilis lässt ein missbilligendes »Ts« vernehmen, während er die Teller mit den Appetithäppchen am oberen Ende des Tisches platziert, noch ein paar Scheiben dunkles Brot dazulegt und seine hagere, sehnige Gestalt dann auf den Stuhl sinken lässt.

Die Gespräche bei einem Glas Wein sind den beiden schon lange zu einem Ritual geworden. Kommissarin Eleni Mylona ist nach wie vor überglücklich, dass sie damals, als sie vor knapp zweieinhalb Jahren die Stelle auf Zakynthos angenommen hatte, ausgerechnet die Wohnung im Dachgeschoss des Schreinerhauses fand, welche der alte Mann ursprünglich für seine Tochter hergerichtet hatte, die jedoch seit vielen Jahren im Ausland lebt und nur selten von sich hören lässt. Von ihrer Bleibe aus ist Eleni in nur wenigen Autominuten in der Stadt, hat aber dennoch die Ruhe, nach der es ihr verlangte, als sie den Dienst bei der Kölner Polizei quittiert hatte. Außerdem bietet ihre Wohnung einen phänomenalen Ausblick aufs Meer. Die Annehmlichkeiten der Wohnsituation gesellen sich zu der sympathischen Person des Vermieters. An Vassilis schätzt Eleni nicht nur die liebenswerte Gesellschaft, sondern sie profitiert bei den Plaudereien mit ihm auch immer wieder von seinen unglaublichen Kenntnissen der antiken Mythologie.

»Ich überlege gerade«, meint Eleni kauend, während sie sich eine Olive in den Mund steckt und mit der anderen Hand weiter Herakles’ breiten Kopf tätschelt, »wie die mythologische Gestalt heißt, die in einen Hund verwandelt wird. Ich glaube …«, sie spuckt den Olivenkern in ihre Hand und legt ihn auf dem dafür vorgesehenen Tellerchen ab, »es war eine Frau aus der Ilias«.

Vassilis nickt und will schon mit einer Erklärung ansetzen, doch Eleni hebt die Hand und bittet: »Warte! Mir fällt der Name gleich ein.« Ihr Wissen auf diesem Gebiet ist zwar im Vergleich zu dem des Alten eher als rudimentär zu bezeichnen und stammt überwiegend noch aus Schulzeiten, aber sie ist jedes Mal stolz, wenn sie etwas beitragen kann.

»Ich hab’s!«, ruft sie begeistert aus. »Hekate!« Eleni klatscht in die Hände. »Stimmt’s?«

»Fast«, bescheinigt Vassilis ihr nickend.

»Wieso nur fast?« Enttäuschung breitet sich auf den Gesichtszügen der Kommissarin aus.

»Du verwechselst Hekate mit Hekabe. Das passiert allerdings vielen«, beruhigt er sie.

»Das klingt aber auch verdammt ähnlich! Und welche hat nun etwas mit einem Hund zu tun?«, hakt Eleni nochmals nach.

»Beide«, schmunzelt Vassilis. »Die Gestalt aus der Ilias, die du meinst, heißt Hekabe, mit ›b‹. Sie war die Gattin des Königs Priamos von Troja und somit die Mutter von Hektor, Paris, Polydoros, Kassandra und noch einigen mehr. Ihr war ein wahrlich grausames Schicksal beschieden.« Der Alte hält inne und kaut gemächlich eine Sardelle, die er mit einem Schluck Wein hinunterspült. »Hekabe musste bei der Zerstörung Trojas den Tod ihres Gemahls und all ihrer Kinder mit ansehen. Selbst wurde sie als Sklavin dem Odysseus zugesprochen.«

»Und dann wurde sie in einen Hund verwandelt«, versucht Eleni die Geschichte zu Ende zu bringen.

»Nicht so schnell. Da gibt es, wie so oft, unterschiedliche Überlieferungen. Manche setzen Hekabes Verwandlung in eine Hündin gleich nach dem Tod des Priamos an. Grund für ihre Metamorphose sind in dieser Version ihre andauernden Schmähungen gegen die Griechen. Hast du hierzu irgendeine Assoziation?« Vassilis schaut Eleni über die Tischkante hinweg fragend an. »Zu Hund und Schmähungen, meine ich«, konkretisiert der Alte, der wieder einmal mehr einem Philosophen als einem Handwerker gleicht.

Die Kommissarin muss nur kurz nachdenken. »Die Kyniker? Möchtest du das hören?«

»Ausgezeichnet«, lobt Vassilis und holt dann aus: »Die Kyniker, deren Name sich vom altgriechischen Wort für ›Hund‹ ableitet, eine philosophische Richtung, die gedanklich an Sokrates anknüpfte, hatte eine Haupttugend: die Bedürfnislosigkeit.«

»Wie die Hunde eben«, wirft Eleni ein.

»Bedürfnislos wie Hunde, ja. Den Kynikern ging es mit der Bedürfnislosigkeit vor allem um die Sicherung ihrer Unabhängigkeit. Sie lehnten Staat und Familie ebenso ab wie Güter, Wissenschaft und Kultur. Dass sie mit dieser extremen Lebenseinstellung massiv aneckten, versteht sich von selbst. So kam es zu der negativen Ausprägung der Begriffe ›Zynismus‹ und ›zynisch‹. Aber zurück zu Hekabe.«

Der Alte greift nach seiner Pfeife, die auf einem Wandbord liegt, und hält ein Streichholz an den noch im Kopf befindlichen Tabak. Bedächtig schmaucht er die Pfeife an und fährt in seiner ruhigen Art fort: »Hekabe stürzt sich in der berichteten Version nach ihrer Verwandlung ins Meer. In anderen Schriftquellen übt sie noch Rache, bevor sie die Gestalt einer Hündin annimmt. Sie blendet Polymestor, den Mörder ihres jüngsten Sohnes Polydoros. Bei Euripides beispielsweise ist Hekabe diese rachsüchtige Furie. Aber auch in seiner Tragödie wird Hekabe zuletzt in eine Hündin verwandelt.«

Dicke Qualmwolken steigen aus Vassilis’ Pfeife, als er einige genüssliche Züge nimmt.

»Das ist also Hekabe mit ›b‹«, stellt Eleni befriedigt fest. »Und wer ist nun Hekate, mit ›t‹, wie ich die Figur, die ich meinte, fälschlich genannt habe?«

»Hekate«, gibt Vassilis bereitwillig Auskunft, »war eine Titanentochter, entstammt also dem Vorgängergeschlecht der olympischen Götter und ist somit selbst eine Göttin.«

»Und was hat sie mit Hunden zu tun?«

»Sie wurde als Göttin des Zaubers und der Geister verehrt und streifte nächtens mit Hunden umher. Eine etwas unheimliche Gestalt. Sie war aber auch eine hilfreiche Göttin, die vor allem den Fischern, Jägern und Hirten beistand. Mancherorts hatte sie außerdem einen Kult als Mondgöttin.«

Vassilis erhebt sich und ergreift mit einem fragenden Blick auf Elenis leeres Weinglas die Trinkgefäße, um sie am Fass wieder aufzufüllen. Beide spüren die Nähe, die zwischen ihnen herrscht und eine Verständigung ohne Worte möglich macht. Für Eleni ist der alte Schreiner eine Art Ersatz für ihren verstorbenen Vater geworden, und umgekehrt findet Vassilis in der warmen Beziehung zu seiner Mieterin Trost über den Verlust seiner einzigen Tochter, die vor etlichen Jahren ins Ausland geheiratet und den Kontakt zu ihrem Vater auf Zakynthos nahezu komplett abgebrochen hat. Eine Weile sitzen sie schweigend beisammen. Vassilis genießt seine Pfeife, Eleni krault Herakles weiter und bewundert im Stillen wieder einmal das umfassende Wissen, welches ihr Vermieter zur antiken Mythologie gespeichert hat. Vor einiger Zeit hat sie ihn einmal darauf angesprochen, wie er zu diesem schier unerschöpflichen Fundus an Geschichten gekommen ist und er hat ihr gestanden, dass er sich, sobald er lesen konnte, von den Sagen des Altertums angezogen fühlte und sein Leben lang nie aufgehört hat, sich dafür zu interessieren. So hätte sich eben in fast siebzig Jahrzehnten einiges angesammelt.

»Was gibt es bei dir Neues«, unterbricht Vassilis die Stille und schaut seinem Gegenüber interessiert in die Augen. »Hoffentlich kein weiterer Selbstmord?«

Eleni schreckt aus ihren Gedanken hoch. »Was? Nein, glücklicherweise nicht«, antwortet sie, langsam in die Realität zurückfindend. »Die beiden, die wir dieses Jahr schon hatten, reichen mir völlig. Der eine, der sich in den Mund geschossen hat, war ein ziemlich unschöner Anblick.« Die Kommissarin spült das Bild, das sich in ihrer Erinnerung aufzubauen beginnt, rasch mit einem Schluck Wein hinunter. »Der andere hat sich erhängt. Da war zumindest der Fundort nicht gar so abscheulich. Beide wegen finanzieller Probleme. Aber das habe ich dir bestimmt schon erzählt.«

»Ja, hast du« nickt Vassilis. »Diese Krise bricht im wahrsten Sinne des Wortes so manch einem das Genick.« Nachdenklich reibt er sich das Kinn. »War nicht einer noch ganz jung?«

»Ja, zweiunddreißig.«

In beiden Fällen konnten die Selbstmörder ihre Kredite nicht mehr bedienen und sahen keinen anderen Ausweg mehr. Nicht nur auf der Insel Zakynthos, sondern in ganz Griechenland ist die Quote der Menschen, die ihrem Leben mit eigener Hand ein Ende bereiten, in der letzten Zeit sprunghaft angestiegen. Das weiß die Kommissarin aus den vergleichenden Statistiken, die regelmäßig in ihrer Dienststelle eingehen.

»Gerade die junge Generation«, meint Vassilis nach einer Weile, »kennt, so fürchte ich, das rechte Maß nicht mehr. Alle leben über ihre Verhältnisse, leihen sich von den Banken Geld für Autos, Häuser, Hochzeiten, Einbauküchen oder Reisen und machen sich keinerlei Gedanken darüber, wie sie ihre Schulden wieder begleichen können.«

»Genau«, stimmt Eleni zu. »Halb Griechenland lebt auf Pump! Und jetzt sind die Finanziers selbst in die Bredouille geraten und verlangen plötzlich, dass die Kunden ihre Kredite, Raten und Zinsen pünktlich zahlen. Das löst natürlich Panik aus. Keine Ahnung, wie oft wir in der nächsten Zukunft noch mit solchen Verzweiflungstaten zu tun haben werden.« Auf ihrer Stirn bilden sich Falten, als sie die Augenbrauen hochzieht und vernehmlich seufzt. »In Athen hat gestern ein Mann erweiterten Selbstmord begangen, das heißt, er hat nicht nur sich mit Gift umgebracht, sondern gleich seine ganze Familie mitgenommen.«

»Schwierige Zeiten, in denen wir da leben.« Der alte Schreiner wiegt bedächtig sein Haupt.

»Ja, die Nerven liegen allerorten blank. Wir werden im Moment viel häufiger zu Schlägereien gerufen als sonst. Es liegt so eine allgemein gereizte Stimmung in der Luft. Gott sei Dank haben wir zurzeit wenigstens keine schweren Gewalttaten zu bearbeiten«, stellt Eleni, die aus diesem Grund ihre Stelle bei der Kölner Polizei gegen den ruhigeren Posten auf der griechischen Insel getauscht hat, fest. »Ansonsten beschäftigen uns zurzeit vor allem Eigentumsdelikte. Vorgestern hatten wir zum Beispiel einen Diebstahl unten in Vassiliko. Einem Österreicher, der dort eine Yogaschule betreibt, wurde das Notebook gestohlen. Eigentlich keine große Sache, aber wenn es um Ausländer geht, müssen wir immer unsere Glacéhandschuhe überziehen.« Eleni greift nach einem Stück Brot und kaut gedankenverloren darauf herum.

»Eine Yogaschule? So etwas gibt es hier auf Zakynthos?«, wundert sich der Alte.

»Ja, so ein Saisonbetrieb. Da werden in den Sommermonaten Entspannungsferien mit Yoga, Meditation, Tai-Chi und so weiter angeboten. Die Besucher dieser Kurse kommen, soweit ich das bei unserem kurzen Besuch dort abschätzen konnte, ausschließlich aus Österreich und Deutschland. Haus Sonnengruß nennt sich diese Yogastätte übrigens.«

»Na, dann sollen die mal schön die Sonne grüßen«, lächelt Vassilis.

»Wie gesagt, nichts Dramatisches, aber wir müssen trotzdem dranbleiben. Anweisung von oben. Der Herr Polizeipräfekt hat mich eigens angerufen und um zügige Aufklärung des Diebstahls gebeten.« Der Alte, der sich wundert, dass der hohe Beamte aus Patras einem Diebstahl so viel Aufmerksamkeit schenkt, blickt erstaunt auf. »Er hat wohl Angst«, fügt Eleni erklärend hinzu, »dass uns sonst auch noch die letzten deutschen und österreichischen Touristen wegbleiben. In den vergangenen beiden Jahren waren es schon spürbar weniger.«

»Das habe selbst ich hier in meinem eigenbrötlerischen Dasein mitbekommen«, bestätigt Vassilis. »Und auch für dieses Jahr sind bisher nur sehr spärliche Buchungen eingegangen, wie ich neulich von einer Nachbarin, die Zimmer vermietet, erfahren habe.«

»Es ist aber irgendwie auch verständlich«, gibt Eleni zu bedenken. »Wer möchte ausgerechnet in den schönsten Tagen des Jahres, dem kostbaren Urlaub, in unsere andauernden Streiks hineingeraten und für einen Kaffee mehr bezahlen als zu Hause?« Ein Achselzucken begleitet ihre Worte. »Wenn man als Tourist damit rechnen muss, ganze Urlaubstage damit zuzubringen auf eine Fähre zu warten oder gar in irgendwelche in Gewalt ausufernden Demonstrationen hineingezogen zu werden, dann verzichtet man doch lieber auf Griechenland und bucht seine Ferien woanders, wo es ruhiger, sicherer und billiger ist.«

Eleni Mylona zeigt Verständnis für die Haltung der Touristen, denn sie hat die deutsche Mentalität in den vielen Jahren, die sie in Deutschland zunächst als Kind mit Vater, Mutter und ihrer älteren Schwester Zoi verbracht hat und später während einem weiteren langjährigen Aufenthalt in Köln, gründlich kennen gelernt.

»Hinzu kommt«, meint sie und eine Sorgenfalte bildet sich auf ihrer Stirn, »dass gerade die Deutschen befürchten müssen, nicht mehr viel von der legendären griechischen Gastfreundschaft abzubekommen.« Mit dem angefeuchteten Zeigefinger sammelt Eleni ein paar Brotkrümel von der Tischplatte. »Es hat sich inzwischen wohl herumgesprochen, dass sie bei uns Griechen wegen dieser Horrorkredite momentan nicht allzu beliebt sind. Sie sind nun einmal die größten Geldgeber für die Griechenlandhilfe und diktieren damit den brutal harten Sparkurs, der jeden von uns trifft.«

»Menschen mit viel Geld, die uns durch dieses in der Hand haben und Druck ausüben können, mochten wir Griechen noch nie besonders leiden.« Vassilis unterstreicht seine Äußerung durch eine beredte Geste. »So, wie sich die Banken momentan unbeliebt machen, weil sie das Geld, das sie verliehen haben, von den Leuten zurückfordern, so geht die allgemeine Tendenz wohl auch dahin, die Deutschen schon mal prophylaktisch dafür zu hassen, dass auch sie irgendwann ihr Geld wiedersehen wollen.«

Der alte Mann erhebt sich, fordert Herakles mit einem Zuruf auf, es ihm gleichzutun, und öffnet die Küchentür, um den Hund in den Hof hinauszulassen. In der Tür stehend fällt ihm noch etwas zu dem Thema ein: »Bei der älteren Generation kommen außerdem die Antipathien aus den Zeiten des Zweiten Weltkrieges wieder hoch«, sagt er über die Schulter hinweg.

Eleni schüttelt gequält den Kopf. »Leicht ist dieser Konflikt für mich nicht«, sagt sie, »da ich mich ja mit beiden Nationen eng verbunden fühle.«

Sie steht ebenfalls auf und räumt mit flinken Handgriffen das Geschirr in die Spüle.

Vassilis dreht sich um und ist bemüht seinem Gast zu helfen: »Ganz wirst du diese innere Zerrissenheit wohl nie loswerden. Aber du bist Griechin und durch deine Entscheidung, wieder hier zu leben, hast du dich nochmals bewusst dafür entschieden, eine von uns zu sein.« Mit warmer Sympathie betrachtet er die sportliche Gestalt der Kommissarin, die zwischen Tisch und Spüle hin und her läuft.

»Aber ich habe nun mal die Hälfte meines Lebens in Deutschland verbracht. Das prägt einen und zwingt mich dazu, immer beiden Seiten gerecht zu werden.«

»Ich weiß, meine Liebe, ich weiß«, stimmt er ihr mitfühlend zu.

Eleni legt den feuchten Lappen, mit dem sie noch rasch den Tisch abgewischt hat, wieder auf den Rand der Spüle und wischt sich die Hände an ihrer Jeans ab.

»Es ist spät geworden. Ich gehe nach oben. Gute Nacht, Vassilis.«

»Gute Nacht, mein Kind.«

In ihrem gemütlichen Apartment unter dem Dach räumt die Kommissarin nur noch kurz das Nötigste auf und geht dann mit einem guten Buch zu Bett. Die Angewohnheit, vor dem Einschlafen eine Weile zu lesen, hat sie von Kindesbeinen an. Manchmal schafft sie nur ein paar Seiten, andere Male vertieft sie sich stundenlang in ihre Lektüre. Die Dauer des Lesevergnügens ist nicht nur von ihrem Müdigkeitsgrad abhängig, sondern auch von dem gerade in Angriff genommenen Buch. Der Roman, den sie momentan liest, ist ganz klar einer von denen, die einen komplett abtauchen lassen, jegliche Müdigkeit wegblasen und das Zeitgefühl auslöschen: Insel der Vergessenen von Viktoria Hislop schildert eindrücklich das Schicksal der Insel Spinalonga, Griechenlands Leprakolonie bis 1957, und der Menschen, die dorthin kamen. Den Lektüretipp verdankt Eleni einem charmanten Franzosen namens Luc, mit dem sie in einem der vergangenen Sommer eine kurze Affäre hatte. Obwohl beide reichlich Gefühle in diese Beziehung investiert hatten, war letztendlich doch keine feste Partnerschaft daraus geworden. Doch sie waren nach wie vor miteinander befreundet und trafen sich, wenn er im Sommer auf Zakynthos weilte, regelmäßig.

DONNERSTAG, 13. MAI

Kommissarin Mylona hat das Tor zum Hof von Vassilis’ Grundstück geöffnet und will gerade in ihren roten Golf einsteigen, als ihr Handy Laut gibt. Auf dem Display macht sie ihren jüngeren Inspektor, Nionio Spirakis, als Anrufer aus und meldet sich mit einem saloppen: »Was gibt’s?«

Sie lauscht kurz und hat es dann auf einmal sehr eilig. »Vassilis, kannst du bitte das Tor hinter mir schließen?«, ruft sie dem alten Schreiner über die Schulter zu, während sie in ihren Wagen springt. »Wir haben eine Tote!«

Vassilis winkt ihr seine Zustimmung zu und Eleni setzt rückwärts aus der Ausfahrt und braust mit leicht überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Stadt.

Vor dem an der Hafenpromenade gelegenen Kommissariat warten ihre beiden Inspektoren bereits in einem Streifenwagen. Eleni steigt um, begrüßt ihre Mitarbeiter knapp und erkundigt sich sogleich: »Wo geht es hin? Was wissen wir schon?«

Da Spirakis am Steuer sitzt und sich in waghalsigen Manövern durch den Stadtverkehr schlängelt, übernimmt Nionio Gamiras die Antwort. »Eine tote Frau mittleren Alters – Ausländerin – augenscheinlich gewaltsam zu Tode gekommen«, fasst er in dem für ihn typischen Telegrammstil zusammen.

»Was heißt ›augenscheinlich gewaltsam?‹ Ist schon ein Kollege vor Ort oder woher wollen Sie das wissen?«

»Habe den Notruf selbst entgegengenommen – Anrufer war ein Mann, der Englisch sprach und was von ›murder‹ faselte.«

Inspektor Gamiras zieht seinen unvermeidlichen Notizblock aus der Tasche seines wie immer tadellos gebügelten Oberhemdes, wirft einen raschen Blick darauf und fährt fort: »Der Anrufer heißt Walter Stein – Seine Adresse ...«

»Was?«, rufen die Kommissarin und der jüngere Inspektor wie aus einem Munde und Eleni vergewissert sich: »Walter Stein ist der Name des Mannes, der die Tote gemeldet hat?«

»Ja«, nuschelt Gamiras verdattert und beobachtet, wie die beiden vorne Sitzenden einen verständnisinnigen Blick austauschen. »Könnte mich vielleicht mal jemand aufklären?«, fordert er verärgert.

»Natürlich.« Eleni wendet sich zur Rückbank. »Walter Stein ist der Inhaber dieser Yogaschule, in der Spirakis und ich am Montag wegen eines Diebstahls waren.«

»Dieser Laptop, oder was?«, hakt der ältere Inspektor nach.

»Genau«, bestätigt Eleni und sucht Halt, als Spirakis den Streifenwagen nun in rasantem Tempo durch die Kurven nach Vassiliko jagt.

»Dann ist die Adresse ja bekannt«, konstatiert Gamiras leicht beleidigt, klappt seinen Notizblock zu und verstaut ihn sorgfältig an seinem Platz. Er verschränkt die Arme über seinem sich mit den Jahren immer weiter vorwölbenden Bauch und lehnt sich zurück.

»Sind die anderen informiert?«, möchte die Kommissarin noch wissen.

Gamiras schweigt – anscheinend stört es ihn, dass seine beiden Kollegen den Fundort der Leiche schon kennen – doch der jüngere Inspektor informiert seine Vorgesetzte ausführlich: »Dr. Xenakis müsste auf jeden Fall schon vor Ort sein. Als ich ihn auf seinem Handy erreicht habe, war er gerade zufällig in Vassiliko bei einem Kranken. Und Tassoula, unsere eifrige Kollegin von der Spurensicherung, meinte, sie würde nur rasch ihr Zeug packen und dann sofort losfahren.«

»Allein?«, erkundigt sich Eleni. »Was ist mit Mathew?«

»Well, der ›König der Spuren‹ hat wohl ein paar Tage Urlaub.« Lässig tritt Spirakis mit seinem Westernstiefel das Gaspedal auf einer kurzen Geraden voll durch. Das ungewöhnliche Schuhwerk, welches er witterungsunabhängig das ganze Jahr über trägt, gehört ebenso zu seiner Persönlichkeit wie die Anglizismen, die er gerne beim Sprechen verwendet. Beides ist auf seine Vorliebe für amerikanische Kino- und Fernsehfilme zurückzuführen.

Vassiliko wird der gesamte südöstliche Zipfel der Insel genannt, eine hügelige Landzunge, die um diese Jahreszeit an das von Homer beschriebene »grüne Zakynthos« erinnert. Die eigentliche Ortschaft dieses Namens ist eine Streusiedlung, deren Kern aus nur wenigen Häusern, einer kleinen Kirche, einer Grundschule, ein paar Läden und Tavernen besteht. Kurz bevor sie das Dorf erreichen, lenkt Spirakis den Streifenwagen von der Landstraße aus links in einen Schotterweg. Durch grüne Wiesen windet sich der Weg erst ein Stück aufs Meer zu, um dann eine scharfe Linksbiegung zu machen. Nun geht die Fahrt etwa einen Kilometer lang parallel zur Landstraße zurück. Rechter Hand ist der Schotterweg hier von einer hohen Hecke gesäumt. Noch schmalere Wege mit Hinweisschildern zu Ferienpensionen und Gästezimmern zweigen hier und dort ab.

Spirakis nimmt eine scharfe Rechtskurve, lenkt das Fahrzeug durch einen Olivenhain wieder auf die Küste zu und schließlich durch eine breite Einfahrt auf ein Privatgrundstück. Der Inspektor stellt den Wagen nicht auf der freien, zum Parken vorgesehenen Fläche gleich hinter der Einfahrt ab, sondern fährt noch ein gutes Stück den sauber geharkten Kiesweg entlang bergauf und hält vor einem flachen, gelb gestrichenen Gebäude. Beim Aussteigen werfen die drei einen kurzen Blick von der Anhöhe auf das in Luftlinie nur etwa hundert Meter entfernte Meer und wenden sich dann dem Gebäude zu, über dessen Eingang in leuchtend blauen Buchstaben der deutsche Name des Anwesens steht: Haus Sonnengruß.

Eleni und ihre Assistenten betreten das Foyer, in dessen Mitte ein Springbrunnen in unendlichem Reigen sein Wasser in ein ovales Becken plätschern lässt. Außer vier sehr weich scheinenden Sitzpolstern, die sich um ein niedriges Glastischchen gruppieren, enthält der Eingangsbereich des Yogacamps keinerlei Mobiliar. Die Lichtverhältnisse widersprechen dem Namen des Hauses. Falls man ein sonnendurchflutetes Interieur erwartet hat, so wird man enttäuscht, denn der Raum ist bestenfalls in diffuses Dämmerlicht getaucht. Eine Wand wird zur Gänze von einer Schautafel eingenommen, die, wie die Kommissarin bei ihrem ersten Besuch im Haus Sonnengruß hat feststellen können, einen mit seltsamen Symbolen gespickten Wochenplan der laufenden Veranstaltungen sowie einige Fotos von den Teilnehmerinnen bei ihrem Entspannungsprogramm zeigt.

»Guten Morgen oder námaste, wie wir hier sagen«, ertönt plötzlich eine angenehm tiefe, ruhige Stimme neben den drei Polizeibeamten.

Walter Stein, der Leiter der Yogaschule, ist völlig geräuschlos aus einer Tür schräg hinter ihnen getreten. Der Boden aus Kork oder Korkimitat schluckt jeden Tritt. Barfuß und mit federnden Schritten kommt der Yogi auf die Ermittler zu.

»Sie schon wieder?«, fragt er verwundert und reicht zuerst Eleni, dann den beiden Inspektoren die Hand. »Ich dachte, sie gehören zur Abteilung ›Einbruch‹ oder ›Raub‹ oder wie das heißen mag! Oder hat man Sie wegen Ihrer exzellenten Deutschkenntnisse geschickt?«

»Guten Morgen«, grüßt Eleni zurück und erklärt in fließendem Deutsch: »Zakynthos ist eine kleine Insel, auf der es keiner separaten Dezernate für Raub, Kapitalverbrechen, Wirtschaftskriminalität, Sitte oder Rauschgift bedarf. Es gibt eine Kriminalpolizei, die für alle Gewalttaten und sonstigen Delikte, außer für solche, die mit dem Verkehr zusammenhängen, zuständig ist, und die wird durch uns repräsentiert. Inspektor Spirakis« – sie nickt in Richtung des Genannten – »kennen Sie ja bereits und Inspektor Gamiras.« Sie deutet auf den Kollegen an ihrer linken Seite. »Und nun führen Sie uns bitte zum Fundort der Leiche.«

Der kleine Trupp setzt sich in Bewegung.

»Handelt es sich bei der Toten um eine Kursteilnehmerin?«, fragt die Kommissarin, während sie neben der ganz in weite, weiße Kleidung gehüllten Gestalt des Yogi hergeht. Sie schätzt den schlanken, athletischen Mann mit den halblangen, eisgrauen Haaren auf Anfang bis Mitte Fünfzig. Eine Aura der Unnahbarkeit umgibt ihn, die seine Attraktivität noch unterstreicht.

»Ja«, bestätigt Walter Stein, »sie kommt – eh, sie kam – jedes Jahr im Mai hierher. Eine sympathische Person.«

Durch einen halbdunklen Flur, von dem auf beiden Seiten lindgrün gestrichene Türen abgehen, bewegt sich die Vierergruppe auf den Hinterausgang des Gebäudes zu. Stein öffnet die ebenfalls grüne Tür und sie treten ins Freie. Vor den Augen der Ermittler erstreckt sich ein riesiger Außenbereich mit gepflegten Rasenflächen, die von Blumenrabatten und edlen Rosensträuchern gesäumt werden. Der Garten ist nicht eben, sondern durch seine Lage auf einer hohen Hügelkuppe wellig und unübersichtlich.

Walter Stein führt die Polizeibeamten ein gutes Stück weit durch diesen Landschaftspark, bis zwei Menschenansammlungen im Blickfeld erscheinen. Die erste Schar besteht aus fünf Frauen in legerer Sportbekleidung, die wispernd beieinander stehen. Eine wischt sich mit einem zerknüllten Taschentuch ein um das andere Mal die Augen aus. In einigen Metern Entfernung erkennt Eleni den Mediziner, der auf der Insel die Funktion des Polizeiarztes innehat.

Dr. Xenakis erhebt sich, als er die Polizisten auf sich zukommen sieht, wirft noch einen kurzen Blick auf die Leiche zu seinen Füßen und streift die Gummihandschuhe von den Händen.

»Hallo, Frau Kommissarin«, ruft er Eleni lebhaft entgegen und spricht die Übrigen mit einem »Guten Morgen, die Herren« pauschal an. Die rundliche Gestalt des Arztes reicht der Kommissarin gerade einmal bis zur Schulter.

»Von mir aus kann die Frau abgeholt werden«, verkündet Xenakis in breitem Zakynthisch. »Ich bin mit meiner Untersuchung fertig.« Er reibt sich über seine arthritischen Knie. »Das kam ja gut aus! Ich war sowieso in der Nähe. Ich mache morgens, bevor ich meine Praxis öffne, meistens ein paar Hausbesuche und war heute zufällig hier unten in Vassiliko, als der Notruf mich erreichte.« Er langt in die Tasche seines zerknitterten Leinenjacketts, zieht ein großes Stofftaschentuch hervor und wischt sich damit über die Halbglatze. »Schon ganz schön warm«, stöhnt er und fährt sogleich fort: »Viel kann ich Ihnen noch nicht sagen. Eigentlich nur das Offensichtliche: Die Frau wurde stranguliert und zwar höchstwahrscheinlich hiermit.« Er deutet auf ein Springseil, das in Schlingen auf dem Boden neben der Leiche liegt.

»Todeszeitpunkt?«, erkundigt sich die Kommissarin.

»Der Körper ist noch warm, die Leichenstarre hat erst an den Augenlidern und am Kiefer begonnen. Demnach ist sie vor höchstens drei bis vier Stunden gestorben.«

Alle Augen sind auf die mit abgespreizten Beinen im Gras liegende Gestalt geheftet. Sie liegt auf dem Rücken, den Kopf dem Meer zugewandt, eine Pose, die steif, aber auch irgendwie obszön wirkt. Die Frau ist sicher nicht mehr ganz jung, hat aber eine ausgezeichnete Figur und ehemals sicherlich recht hübsche Gesichtszüge. Nun sind diese durch weit aufgerissene, leere Augen mit einem Ausdruck ungläubigen Entsetzens und durch den weißen Schaum, der aus ihrem halb geöffneten Mund quillt, fratzenhaft entstellt.

»Wer ist die Frau? Wie heißt sie?«, wendet sich Eleni an den Inhaber der Yogaschule.

»Renate«, gibt Walter Stein an.

»Ich werde hier wohl nicht mehr gebraucht?«, funkt Dr. Xenakis dazwischen, der gerade sein Köfferchen zuklappt und sich zum Aufbruch anschickt.

»Nein, vielen Dank, Herr Doktor.« Die Kommissarin hebt zur Verabschiedung des Arztes kurz die Hand und fordert den Yogameister dann auf: »Renate und wie weiter?«

»Renate Lindenfeld. Sie kommt aus Würzburg in Deutschland.« Seiner Miene ist keine Gefühlsregung zu entnehmen. Wenn ihn der brutale Tod einer seiner Gäste betroffen macht, so ist ihm das nicht anzumerken.

»Alter? Angehörige? Herr Gott, lassen Sie sich doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen!«

Elenis Ungeduld wirkt auf den geübten Entspannungsprofi keinesfalls ansteckend. Langsam und sehr ruhig antwortet er: »Das habe ich nicht alles im Kopf. Dafür müsste ich auf das Anmeldeformular schauen.«