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Vermögensanlage

Hermann Falk

Vermögensanlage

Stiftungsvermögen professionell
verwalten – ein Leitfaden

StiftungsRatgeber, Band 6

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Impressum

Wegen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Buch nicht durchgängig eine geschlechtergerechte Sprache. Mit der männlichen Form („Stifter“ usw.) sind sofern nicht anders angegeben immer auch Frauen mitgemeint.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-941368-18-7
EPUB ISBN: 978-3-941368-34-7

 

Coverfotos:

Inhalt

Einleitung

Ein Ratgeber zur Finanzanlage für ehrenamtlich tätige Stiftungsvorstände

Ganzheitliches Stiftungsmanagement

Stiftungsvermögen in Deutschland

Die Ziele – Grundlegendes zur Einführung

Das magische Drei- und Viereck

Stiftungsspezifische Anlage

Ertragsorientierung

Erhaltungsgebot

Langfristiger Anlagehorizont

Zwischenfazit

Das Recht – die weiteren Eckpunkte

Zeitnahe Mittelverwendung

Rücklagen

Umschichtung

Haftung

Haftungserleichterungen

Bewertungsfragen im Zusammenhang mit Gewinn und Verlust aus der Vermögensverwaltung

Rechtsfolgen eines reduzierten Grundstockvermögens

Anlageverluste und Gemeinnützigkeit

Die Praxis – sieben Herausforderungen

Herausforderung 1: Geringer Ertrag, hohe Kostenquote

Herausforderung 2: Sicherheit und vertretbares Risiko

Herausforderung 3: Realer Werterhalt und Inflation

Herausforderung 4: Wirtschafts- und Liquiditätsplanung

Herausforderung 5: Anlage von Spendengeldern

Herausforderung 6: Richtige Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt

Herausforderung 7: Eigene und fremde Qualifikation

Die strategische Ebene – wesentliche Eckpunkte und Empfehlungen

Rendite- und Ertragsziele anstelle von Benchmarks

Passiv statt aktiv

Eigenverwaltung statt Fremdverwaltung

Anlageklassen (Asset-Klassen) und Asset-Allokation

Anlageprodukte

Darlehen als Anlageinstrument

Vermögenscontrolling

Ausschreibung

Nachhaltige, verantwortliche Geldanlage

Die internen Anlagerichtlinien – Leitfaden und ein Grundgerüst

Wesentliche Inhalte von Anlagerichtlinien

Präambel

Anlagestrategie

Anlageziele

Zugelassene Anlageklassen/ -rahmen/ -produkte und Restriktionen

Anlässe für An- und Verkauf

Zuständigkeit und Verfahren

Controlling und Berichtswesen

Anlagebeirat

Prüfung

Auswahl von Vermögensverwaltern und Depotbanken

Zusammenfassung: Fünf Schritte professioneller Vermögensverwaltung

1. Stifterwillen und Mittelerfordernisse klären

2. Eine Anlagestrategie entwickeln

3. Die Anlagestrategie in Richtlinien fixieren

4. Das Stiftungsvermögen anlegen

5. Die Zielerreichung überprüfen

Fazit

Wichtige Ressourcen

Service

Formulierungsbeispiel für Satzungsbestimmungen

Auszüge aus relevanten Gesetzestexten

Tipps, Hinweise und Checklisten

Glossar

Literaturhinweise

Angebote des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Über den Bundesverband Deutscher Stiftungen

Über den Autor

Dank

Vermögensverwalter und -berater stellen sich vor

Einleitung

Ein Ratgeber zur Finanzanlage für ehrenamtlich tätige Stiftungsvorstände

Keine Stiftung kann ihre Vermögensanlagestrategie „auf der grünen Wiese“ entwickeln. Vielmehr beginnt die Reise in die Finanzwelt bei der sorgfältigen Analyse von Stifterwillen und Stiftungszweck, um die Rahmenbedingungen zu klären. Erst dann öffnet sich das Tor in den relativ weiten Ermessenspielraum, innerhalb dessen ein Stiftungsvorstand die eigentliche Anlagestrategie festlegen kann. Ihnen will der Bundesverband Deutscher Stiftungen mit dem vorliegenden Ratgeber auf dieser Reise zur Seite stehen. Er wendet sich primär an die verantwortlichen Vorstände der vielen deutschen gemeinnützigen Stiftungen, die über ein eher kleines oder mittelgroßes Vermögen verfügen. Als kleine Stiftungen werden solche definiert, die bis zu 1 Million Euro Stiftungsvermögen zu bewirtschaften haben. Mittelgroße Stiftungen sind solche mit einem Vermögen von mehr als 1 Million Euro bis zu 20 Millionen Euro. Ganz überwiegend werden diese Stiftungen ehrenamtlich geführt. Das Ziel dieses Ratgebers ist es, der Leserin und dem Leser die wichtigsten Informationen über die notwendigen organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zu den wesentlichen Punkten der Anlagestrategie an die Hand zu geben.

Schwerpunkt sind die Fragen der Finanzanlage. Die besonderen Herausforderungen bei der Bewirtschaftung von Immobilien im Eigenbestand können in diesem Buch nicht behandelt werden. Hierzu wäre ein eigenständiges Werk erforderlich und sinnvoll, da gerade die alten Stiftungen nur deshalb über Jahrhunderte Bestand haben konnten, weil sie Eigentümer von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, Weingütern und Häusern waren und sind.

Ganzheitliches Stiftungsmanagement

Um am Ende zu einer richtigen, d.h. sachgerechten Anlageentscheidung zu kommen, ist ein ganzheitliches Verständnis von Stiftungsmanagement erforderlich, ausgehend vom Stifterwillen. Die allerersten Fragen bei der Entwicklung einer Anlagestrategie könnten lauten: „Was wollte der Stifter im Bereich der Vermögensanlage eigentlich?“ und „Was braucht die Stiftung für die Erfüllung ihrer Stiftungszwecke?“. Wichtig ist, stets die zwei Seiten der einen Medaille bzw. die zwei Pfeiler des einen Gebäudes im Blick zu haben: Inhalt und Umfang der Arbeit einer Stiftung im Förderbereich prägen die Anforderungen an ihre Finanzanlage; umgekehrt beeinflussen Erfolg und Misserfolg der Finanzanlage ganz wesentlich die Möglichkeit der Stiftung zur Zweckverwirklichung im Sinne des Stifters. Die Erfüllung der Stiftungszwecke und die Entwicklung einer Anlagestrategie sind also eng miteinander verknüpft. Die Herausforderung eines ganzheitlichen Stiftungsmanagements besteht darin, die Zusammenhänge zu erkennen und ihnen Rechnung zu tragen.

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Abbildung 1: Vermögensanlage als Teil eines ganzheitlichen Stiftungsmanagements

Gerade in kleinen und mittelgroßen Stiftungen können und sollten die Vorstandsaufgaben deshalb nicht streng nach dem Ressortprinzip aufgeteilt sein. Auch sollte die Entwicklung der Anlagestrategie nicht von vornherein einfach an einen Vermögensverwalter „wegdelegiert“ werden, denn der Strategieentwicklungsprozess kann von keinem anderen als originär vom Stiftungsvorstand geleistet werden.

Ganzheitlich heißt aber auch, dass die Finanzstrategie aus dem Selbstverständnis der Stiftung als einer auf Dauer dem Gemeinnutzen verpflichteten Organisation entwickelt werden sollte. Hiermit sind zum einen die zeitliche Nachhaltigkeitsebene und der damit einhergehende lange Anlagehorizont angesprochen. Zum zweiten wird an das ethisch-ökologisch-soziale Verständnis von Nachhaltigkeit appelliert, das Teil des natürlichen Wertefundamentes vieler Stiftungen bildet. Dieses kann sich bei einer Stiftung nicht nur in der Zweckverwirklichung konkretisieren, sondern auch in einer Vermögensanlage, die sich in einer parallelen Linie mit dem gemeinnützigen Zweckerfüllung befindet. Zweckerfüllung und Vermögensanlage sollten also parallel und dennoch getrennt voneinander den gemeinwohlorientierten Stifterwillen verwirklichen.

Ein Stiftungsvorstand, der dieses Verständnis von Nachhaltigkeit ernst nimmt, sieht sich bei der Vermögensanlage mit einem besonders hohen Anspruch an sein eigenes Handeln konfrontiert. Er wird sich daher nicht mit einer schnellen, oberflächlichen Prüfung von Anlagemöglichkeiten begnügen. Vielmehr wird er einen systematischen Anlageprozess einhalten, dessen Eckpunkte in schriftlichen Anlagerichtlinien festgelegt sind. Jeder Vorstand wird aus diesem Selbstverständnis heraus auch ein gediegenes Maß an Kenntnis in allen Fragen der Vermögensbewirtschaftung entwickeln (müssen), um das Vermögen entweder selbst zu verwalten oder aber mit dem extern beauftragten Verwalter auf Augenhöhe sprechen zu können. Die einfachste Lösung ist nicht immer die beste, gerade auch für kleine und mittelgroße Stiftungen. Der Erfolg lohnt aber die Mühe der vielen kleinen Schritte!

Stiftungsvermögen in Deutschland

Um dem allgemeinen und berechtigten Interesse von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit Rechnung tragen zu können, ist der Bundesverband Deutscher Stiftungen zur Ermittlung des Zahlenbestands auf unterschiedliche Schätzungen, statistische Berechnungen und Zahlen angewiesen, die durch groß angelegte freiwillige Umfragen (vor allem durch den Bundesverband) erhoben werden. Allerdings: Die Vielfalt der deutschen Stiftungslandschaft, der fehlende geschützte Begriff der Stiftung und daraus resultierend unterschiedlichste Stiftungstypen lassen eine Vergleichbarkeit in Bezug auf Aussagen zu deren Finanzausstattung nur schwerlich zu.

Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht im Allgemeinen die Gruppe der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts. In der StiftungsUmfrage 2010 des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen haben 7.483 von ihnen eine Angabe zu ihrem Vermögen gemacht. Insgesamt verfügen sie über ein Vermögen in Höhe von 32,2 Milliarden Euro. Die Aufteilung der Stiftungen nach Vermögensklassen ist nachfolgend zu sehen.

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Abbildung 2: Vermögensklassen der Stiftungen bürgerlichen Rechts, Darstellung basierend auf den Ergebnissen der StiftungsUmfrage 2010 des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Bei den Angaben zum Vermögen handelt es sich in der Regel um Buchwerte, die sich bei einer Bewertung nach Verkehrswerten erheblich erhöhen würden. Die Vergleichbarkeit ist angesichts der Vielgestaltigkeit der Vermögensarten (z.B. Geld, Aktien und sonstige Wertpapiere, Immobilien, Unternehmensanteile, Kunstwerke, Lizenzen etc.) und wegen fehlender einheitlicher Bewertungsvorschriften deutlich erschwert.

Fast 60 Prozent der Stiftungen weisen ein Vermögen von bis zu 500.000 Euro und ein knappes Dreiviertel der Stiftungen ein Vermögen von höchstens 1 Million Euro auf. Mit der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts 2007 sind die steuerlichen Anreize für Stiftungserrichtungen und Zustiftungen zu bestehenden Stiftungen größer geworden. Es bleibt zu hoffen, dass dieser kluge gesetzgeberische Zug tatsächlich mittelfristig zu größeren Stiftungsvermögen führen wird.

Der Bestand und somit das Vermögen der Treuhandstiftungen lässt sich nicht verlässlich schätzen, da diese nur den Finanzämtern bekannt werden.

In der Gesamtbetrachtung der Stiftungsfinanzen ist abschließend festzuhalten, dass sich das traditionelle Dunkel langsam lichtet: Für Stiftungen aller Rechtsformen in Deutschland kann ein Gesamtvermögen von 100 Milliarden Euro geschätzt werden. Auch die Ausgaben sind mit geschätzten 30 Milliarden Euro (nicht nur aus Vermögenserträgen, sondern auch aufgrund weiterer Einkünfte wie Spenden, Pflegesätze etc.) enorm. Gleichzeitig müssen die deutschen Stiftungen in ihrer Gesamtheit noch weitere Fortschritte in ihrer Bereitschaft machen, die relevanten Kennzahlen in einer vollständigen und nachvollziehbaren Art zu kommunizieren. Hierzu seien die Grundsätze Guter Stiftungspraxis zitiert:

„Sie [die Stiftungen] erkennen Transparenz als Ausdruck der Verantwortung von Stiftungen gegenüber der Gesellschaft und als ein Mittel zur Vertrauensbildung an. Sie stellen daher der Öffentlichkeit in geeigneter Weise die wesentlichen inhaltlichen und wirtschaftlichen Informationen über die Stiftung (insbesondere über den Stiftungszweck, die Zweckerreichung im jeweils abgelaufenen Jahr, die Förderkriterien und die Organmitglieder) zur Verfügung.“

Die „Grundsätze Guter Stiftungspraxis“ sind im Mai 2006 von der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen als ein Orientierungsrahmen für verlässliches und effizientes Stiftungshandeln einhellig verabschiedet worden. Sie finden Sie im Internet unter www.stiftungen.org/grundsaetze_guter_stiftungspraxis.

Die Ziele – Grundlegendes zur Einführung

Das magische Drei- und Viereck

Jede Anlagestrategie, aber auch jede konkrete Anlageentscheidung einer Stiftung sowie das Vermögensportfolio insgesamt, muss daran gemessen werden, ob sie den Zielen von Sicherheit, Ertrag und Liquidität angemessen genügt. Diese drei Begriffe werden auch als das magische Dreieck der Vermögensanlage bezeichnet, da sie miteinander in Einklang gebracht werden müssen, jedoch auch ein Spannungsverhältnis markieren. Manche Stiftungen erweitern die drei Ziele um ein viertes: Nachhaltigkeit (Sustainability) im Sinne einer ethisch-ökologisch-sozialen Vermögensanlage.

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Abbildung 3: Das magische Viereck der Vermögensanlage

Wenn dieses magische Drei- oder Viereck für alle Stiftungen unabhängig von ihrer Vermögensausstattung gilt, so erfordert die Umsetzung gerade für kleine Stiftungen viel Energie, große Wachheit und besonderes Geschick, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird. In ihrer Reinform lassen sich die verschiedenen Dimensionen nicht miteinander vereinbaren, wie der Zielkonflikt zwischen hohem Ertrag und hoher Sicherheit zeigt: Hohe Zinsen werden mit einem hohem Risiko erkauft. Die Lösung kann also nur in dem Versuch liegen, relativ hohe Zinsen mit relativ niedrigem Risiko zu erwirtschaften. Gänzlich risikofrei ist kein Anlageprodukt.

Welche Aussagen treffen die Vorschriften des allgemeinen Stiftungsrechts im Hinblick auf diese vier Ziele oder Dimensionen der Vermögensanlage? Dort heißt es z.B.:

„Die Stiftung ist nach den Gesetzen, dem Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung sparsam und wirtschaftlich zu verwalten.“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 StiftG Ba-Wü)

„Das Vermögen der Stiftung ist sicher und wirtschaftlich zu verwalten.“ (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Bay StG).

Es liegt auf der Hand, dass der Grundsatz der Sparsamkeit dem allgemeinen Ertragsziel entgegenkommt – je höher die mit der Anlage verbundenen Kosten (interne und externe Kosten einschließlich Zeitaufwand), desto unwahrscheinlicher, dass die kleine oder mittelgroße Stiftung auskömmliche Erträge erwirtschaftet. Auch der Grundsatz der wirtschaftlichen Stiftungsgeschäftsführung bzw. -verwaltung drückt Ähnliches aus, nämlich dass zur Erwirtschaftung von Erträgen die Aufwendungen in einem angemessenen Verhältnis stehen sollen.

Stiftungsspezifische Anlage

Jedes in Deutschland zugelassene Finanzprodukt ist grundsätzlich für die Vermögensanlage einer Stiftung geeignet. „Grundsätzlich“ heißt jedoch gleichzeitig, dass es auch Ausnahmen gibt und die Schwierigkeiten im Detail liegen. Vor allem muss sich der Stiftungsvorstand vorab klarmachen, welche Regeln der Stifter

unmittelbar für die Vermögensanlage in oder außerhalb der Satzung postuliert hat und

mittelbar durch die Gestaltung des gemeinnützigen Stiftungszwecks und der damit verbundenen operativen oder Fördertätigkeiten vorgegeben hat.

Dies ist gemeint, wenn es heißt, die Vermögensanlage müsse stiftungsspezifisch sein.

Jeder Stiftungsvorstand ist also zuvorderst gehalten, den Stifterwillen und die in der Satzung festgelegten Stiftungszwecke zur obersten Richtschnur seines Handelns zu machen – auch bei der Finanzanlage. Mit anderen Worten ist zunächst danach zu fragen, welchen Willen der Stifter zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung im Hinblick auf die Vermögensbewirtschaftung ausgedrückt hat. Im (seltenen) Idealfall findet sich hierzu etwas in der Satzung, vielleicht auch in Anlagerichtlinien oder anderen gründungsbegleitenden Dokumenten.

Einen Hinweis bietet auch das gestiftete Kapital selbst. Wenn der Stifter eine vermietete Gewerbeimmobilie und ein Aktiendepot zu gleichen Teilen als Grundstockvermögen der Stiftung übertragen hat, lässt sich in späteren Jahren argumentieren, dass er wohl eine ausgewogene Mischung aus Substanzerhaltungs- und Chancenzielen verfolgt sehen wollte. Demgegenüber kann sich aus dem Stiftungskapital natürlich auch ein Bekenntnis zu einer eher risikoreichen Anlagestrategie ableiten: Gerade Stifter mit unternehmerischem Hintergrund übertragen häufig ihre nicht-börsennotierten Unternehmensanteile auf die Stiftung. Dass eine solche Entscheidung sehr gut sein kann, zeigt nicht zuletzt die Robert Bosch Stiftung, deren Vermögen hauptsächlich aus den Anteilen am Industriekonzern, der Robert Bosch GmbH, besteht. Wenn demgegenüber eine schon bestehende Stiftung in ein mittelständisches Unternehmen investieren würde, können die Stiftungsaufsichtsbehörde sicherlich zu Recht einschreiten – sofern kein entsprechender Stifterwille identifiziert werden kann. Die genauen Vorgaben müssen also stets individuell innerhalb der Stiftung geklärt werden, ggf. zusammen mit dem Stifter.

PRAXISTIPP: Wenn sich die Stiftung noch in der Gründungsphase befindet, sollten Stifter und ihre Berater entsprechende Festlegungen treffen, entweder in einem begleitenden offiziellen Dokument (Brief, Erklärung o.ä.) oder im Stiftungsgeschäft oder in der Satzung. Allerdings wird empfohlen, keine allzu engen Vorgaben, sondern eher generelle Leitlinien zu formulieren, wie z.B. „Das Vermögen kann unter Berücksichtigung eines langen Anlagehorizonts auch in rendite- und risikoreichen Anlagen investiert werden.“ oder „Das Vermögen soll in mindestens drei verschiedenen Anlageklassen in etwa gleichen Anteilen investiert werden.“.

In kaum einer bestehenden Stiftung lässt sich allerdings der zum Zeitpunkt der Gründung vorhandene Stifterwille zu Fragen der Vermögensbewirtschaftung wirklich dingfest machen. In der Regel kann dieser nicht mehr rekonstruiert werden, sodass der verantwortliche Stiftungsvorstand die übrigen Satzungsbestimmungen, insbesondere die Zweckbestimmung, auf entsprechende (indirekte) Hinweise hin analysieren muss.

Gerade aus konkreten Vorgaben zur Zweckverfolgung lässt sich durchaus ableiten, in welcher Gewichtung die Kriterien von Sicherheit, Liquiditätsbedarf, Ertragsorientierung und ggf. Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen sind. Eine operativ tätige Stiftung hat einen anderen Finanzierungsbedarf als eine reine Förderstiftung, eine Stipendienstiftung einen anderen als eine Stiftung, die einmal jährlich ein festes Preisgeld mit geringem Bearbeitungsaufwand vergibt.

CHECKLISTE: Stiftungsspezifisch ist die Anlagestrategie dann, wenn sie Antworten auf folgende Fragen beinhaltet:

Was wollte der Stifter im Bereich der Vermögensanlage eigentlich, als er die Stiftung gründete? Sind Hinweise in den gründungsbegleitenden Dokumenten, im Stiftungsgeschäft oder in der Satzung erkennbar?

Wie viel Liquidität braucht die Stiftung alljährlich für die Erfüllung ihrer Stiftungszwecke? Zu welchen Zeitpunkten?

Bestehen langfristige Finanzverpflichtungen, z.B. durch die Pflicht zum Unterhalt eines Altenheims, oder kann über die Budgethöhe von Jahr zu Jahr frei entschieden werden?

Ist die Stiftung auf Spenden und Drittmittel angewiesen, oder handelt es sich um eine klassische Kapitalstiftung, deren Erträge für die Verfolgung des Stiftungszwecks ausreichen?

Ist die Stiftung kulturell, organisatorisch oder aufsichtsrechtlich in andere Strukturen eingebunden, wie z.B. eine Stiftung, die mit staatlichen Mitteln dotiert ist und entsprechend sicherheitsorientiert anlegen muss?

Welche Vermögensanlagestrategie passt im Sinne eines ganzheitlichen Managements zur Stiftung, ohne also innere Widersprüche zwischen gemeinnütziger Zweckverfolgung und Anlageentscheidungen entstehen zu lassen?

Ertragsorientierung

Naheliegend ergibt sich aus dem Stifterwillen eine weitere wichtige Richtschnur jeder Anlageentscheidung: Der Vorstand muss Erträge erwirtschaften. Sonst könnte die Stiftung nicht im Sinne des Stifters gemeinnützig tätig werden und – wie in § 80 Abs. 2 BGB gefordert – die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks sicherstellen. Eine gänzlich fruchtlose Anlage ist also verboten. Dabei ist auf die anfängliche abstrakte Ertragsprognose abzustellen und nicht auf die konkrete, im Einzelfall dann womöglich glücklose und verlustbringende Einzelinvestition. Die Kehrseite ist ebenso wichtig: Ein rein spekulatives Anlageverhalten, das durch willkürlich-irrationales Verhalten und hohe Risikoneigung gekennzeichnet ist, muss gleichermaßen unterbleiben. Wenn das Produkt ein volles Kapitalverlustrisiko beinhaltet, ist dies ein Indiz für diese – für eine Stiftung unzulässige – Spekulation. Allerdings vertreten erfahrene Stiftungsmanager die Ansicht, dass im Grunde kein einziges Produkt ohne totales Verlustrisiko ist. So ist im Zuge der Finanzmarktkrise 2008/2009 das Emittentenrisiko in den Blickpunkt gekommen. Der Stiftungsvorstand sollte also seine eigene Risikolinie finden und im Übrigen Extremrisiken vermeiden.

Hin und wieder wird Ertrag mit Ausschüttung verwechselt und daraus gefolgert, dass eine Stiftung nicht in thesaurierende (= die Erträge wiederanlegende) Anlageprodukte investieren dürfe. Dies ist nicht der Fall – es kommt einzig und allein darauf an, dass die Anlage in einem für den Vorstand abseh- und planbaren Zeitraum entweder Ausschüttungen generiert oder aber mit Gewinn verkauft werden kann. Wird allerdings das gesamte Vermögen thesaurierend z.B. in Fonds angelegt und der Ertrag durch sukzessive Verkäufe von Fondsanteilen erwirtschaftet, steigt das Risiko, zu einem schlechten Marktzeitpunkt verkaufen zu müssen. (In der Folge des Verkaufs sollte beachtet werden: Um zu vermeiden, dass die Finanzverwaltung in der thesaurierenden Anlage eine Umgehung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung sieht – schließlich werden keine Erträge ausgeschüttet –, sollte der Verkaufserlös in seine beiden Bestandteile realisierter Kurswertgewinn und ordentlicher Ertrag zerlegt werden. Während die reinen Wertsteigerungen der Umschichtungsrücklage zugeführt werden können, müssten die ordentlichen Erträge unmittelbar in die verwendungspflichtigen Mittel fließen.) Daher muss der Vorstand angesichts des – im Vergleich zu einem gemischten Portfolio mit ausschüttenden und thesaurierenden Fonds – gestiegenen Risikos schon sehr gut begründen, dass dies im Sinne des Stifters war und wie er mit dieser Depotstruktur die Sicherheits- und Liquiditätsanforderungen des magischen Vierecks glaubt erfüllen zu können.

Der durchschnittliche Vermögensertrag der deutschen Stiftungen abzüglich der Gebühren lag übrigens im Jahr 2007 bei 4,31 Prozent, in 2008 sank er auf 3,65 Prozent und in 2009 pendelte er sich – von den Befragten im Dezember 2009 prognostiziert – auf 3,68 Prozent ein (vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen: StiftungsReport 2008/09, Anhang S. 5 und StiftungsReport 2010/11, S. 76ff., 83. Die Zahlen basieren auf einer Umfrage und könnten insofern zu positiv sein, als möglicherweise Stiftungen mit besonders schwachen Ergebnissen überproportional häufig überhaupt keine Angaben machen; entsprechende Effekte sind aus anderen Umfragen bekannt. Gleichwohl passt das Umfrageergebnis zur allgemeinen Marktentwicklung).

Erhaltungsgebot