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Über den Autor
Gisela Szagun studierte Psychologie an der London School of Economics, University of London. Im Jahre 1972 graduierte sie dort mit einem B.Sc. und im Jahre 1976 mit einem Ph.D. Von 1978 bis 1983 war sie wissenschaftliche Assistentin am Institut für Psychologie der Technischen Universität Berlin, wo sie im Jahre 1983 habilitierte. Von 1984 bis 2006 war sie Professorin für Entwicklungspsychologie am Institut für Psychologie, Abteilung Kognitionsforschung, der Universität Oldenburg. Seit 2008 ist sie Visiting Emeritus Professor am University College London. Gisela Szagun gehört zu den renommiertesten Spracherwerbsforscherinnen Deutschlands. Ihre zahlreichen Publikationen zum Spracherwerb bei Kindern mit typischer Sprachentwicklung und gehörlosen Kindern mit Cochlea-Implantat genießen international große Anerkennung.
gisela.szagun@googlemail.com
Impressum
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Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-621-28420-2)
www.beltz.de
6., neu ausgestattete Auflage 2016
5., überarbeitete Auflage 2013
© 2006 Beltz Verlag · Weinheim und Basel
Umschlaggestaltung: Lelia Rehm
Umschlagabbildung: © Getty Images/Digital Vison/Allstair Berg
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-621-28423-3

Inhalt

Vorwort
Einleitung
1 Linguistische Grundbegriffe
1.1 Sprache und Kommunikation
1.2 Deskription von Sprache
1.3 Grundbegriffe der Phonologie
1.4 Grundbegriffe der Grammatik: Morphologie und Syntax
1.4.1 Wortklassen
1.4.2 Morphem
1.4.3 Flexionsparadigmen
1.4.4 Syntax
2 Präverbale Kommunikation und frühe Sprachwahrnehmung
2.1 Präverbale Kommunikation als biologisch relevantes System
2.2 Sprachwahrnehmung: Lautwahrnehmung im ersten Lebensjahr
2.2.1 Methoden der Sprachwahrnehmungsforschung bei Babys
2.2.2 Grundlegende Fähigkeiten der frühen Sprachwahrnehmung
2.2.3 Einstieg in muttersprachliche Kategorien
2.3 Sprachwahrnehmung: Das Erkennen von strukturellen Einheiten im ersten Lebensjahr
2.3.1 Erkennen von sprachspezifischen Mustern
2.3.2 Erkennen von sprachspezifischen Mustern in fortlaufender Rede
2.3.3 Lernen von Übergangswahrscheinlichkeiten in Lautsequenzen
3 Grammatikerwerb
3.1 Spontane Sprechdaten
3.2 Überblick über den Spracherwerb des Deutschen
3.2.1 Erste Wörter
3.2.2 Zweiwortäußerungen
3.2.3 Flexionsmorphologie
3.2.4 Satzformen
3.3 Das MLU (die durchschnittliche Äußerungslänge)
4 Erwerb spezieller grammatischer Bereiche
4.1 Dualistische versus konstruktivistische Theorie des Flexionserwerbs
4.1.1 Erwerb der multiplen Regelhaftigkeiten des Plurals
4.1.2 Erwerb der Partizipflexion
4.1.3 Bewertung des dualistischen und konstruktivistischen Ansatzes
4.2 Erwerb von Genus und Kasus
4.2.1 Was hilft den Kindern beim Genuserwerb?
4.2.2 Warum ist der Kasuserwerb so schwierig?
4.3 Der Erwerb von syntaktischen Schemata
5 Wörter
5.1 Die Entwicklung des frühkindlichen Wortschatzes
5.1.1 Inhalte des frühen Vokabulars
5.1.2 Das Anwachsen des frühen Vokabulars
5.1.3 Gebrauch von Wortklassen im frühen Vokabular
5.2 Struktur von Bedeutungen
5.2.1 Prototypentheorie
5.2.2 Überdehnung von Wörtern
5.3 Wörter lernen
5.3.1 Hypothesen einschränkende Prinzipien
5.3.2 Das Verstehen von kommunikativen Absichten
6 Individuelle Unterschiede beim Spracherwerb
6.1 Unterschiede in der Schnelligkeit des Spracherwerbs
6.2 Individuelle Unterschiede als Stile des Spracherwerbs
6.2.1 Spracherwerbsstrategien
6.2.2 Spracherwerbsstile
6.3 Erklärungen für die individuellen Unterschiede
6.3.1 Unterschiede in der Schnelligkeit
6.3.2 Unterschiede im Stil
6.4 Theoretische und praktische Relevanz
7 Zusammenhänge im Spracherwerb
7.1 Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten der Sprache
7.1.1 Zusammenhänge zwischen frühem Sprachverständnis und früher Sprachproduktion
7.1.2 Zusammenhänge zwischen Wortschatz und Grammatik
7.2 Gegenseitige Beeinflussung von Sprache und Kognition
7.2.1 Vom Verstehen zur Sprache
7.2.2 Von der Sprache zur Begriffsbildung
7.3 Bedeutung als Wissen oder Minitheorie
8 Die Rolle der Inputsprache
8.1 Die an das Kind gerichtete Sprache (KGS)
8.1.1 Charakteristika von KGS
8.1.2 Verbreitung von KGS
8.2 Funktion und Wirkung von KGS
8.2.1 Warum KGS?
8.2.2 Effekte von KGS?
8.3 Die Wirkung von Erweiterungen
8.4 Die Wirkung von KGS bei hörbeeinträchtigten Kindern
9 Neurobiologische und entwicklungsmäßige Grundlagen und Lernmechanismen
9.1 Neurobiologische Grundlagen des Spracherwerbs
9.1.1 Spezifizierung von Hirnarealen für Sprache
9.1.2 Spezifizierung für Semantik und Grammatik und neuronale Korrelate von sprachlichen Veränderungen
9.2 Sensible Phase für Sprache
9.3 Lernmechanismen
9.3.1 Imitation
9.3.2 Klassifizieren auf der Basis von Analogie
9.3.3 Nutzung von Häufigkeiten im Input
10 Theoretische Fragen
10.1 Sind grammatische Strukturen angeboren oder entstehen sie?
10.1.1 Theoretische Positionen
10.1.2 Empirische Ergebnisse
10.1.3 Grundideen epigenetischer Entwicklungstheorien
10.2 Sind oder werden grammatische Strukturen abstrakt?
10.3 Unabhängige sprachliche Module, oder Teil eines Gesamtsystems menschlichen Wissens?
10.3.1 Theoretische Positionen
10.3.2 Empirische Evidenz
10.4 Welche Rolle spielen die sprachliche Umwelt und das Lernen?
10.4.1 Theoretische Positionen
10.4.2 Bedeutung der neuronalen Netzwerkmodellierung für den Spracherwerb
10.5 Variabilität oder Gleichheit – oder beides?
Lösungen der Übungsaufgaben
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister

Vorwort

Erstaunlicherweise gibt es dieses Buch seit 32 Jahren. Ich habe mittlerweile aufgehört, die Auflagen zu zählen, und der Verlag begann wohl irgendwann eine neue Zählung. Ich muss zugeben, dass es zwischenzeitlich Momente gab, in denen ich keine Neuauflage mehr schreiben wollte. Ich wurde dann aber immer wieder davon überzeugt, dass das Buch weiterhin gefragt und eine Neuauflage sinnvoll sei.
Meine Begeisterung für den Spracherwerb ist nach wie vor die alte. Sie begann, als ich in den »Swinging Sixties« an einer Sprachenschule in London arbeitete und dabei in mir die Frage entstand: »Was geht in den Köpfen von Menschen vor, wenn sie eine Sprache lernen?« Diese Frage brachte mich zum Psychologiestudium. Ich weiß jetzt mehr darüber, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, wenn sie eine Sprache lernen. Dazu haben sowohl unsere umfangreichen, empirischen Forschungen zum Spracherwerb deutschsprachiger Kinder beigetragen als auch die regen und wechselnden theoretischen Diskussionen in Dekaden der internationalen Spracherwerbsforschung.
Vielfach erhalte ich Rückmeldung, dass mein Lehrbuch zur Sprachentwicklung anspruchsvoll sei. Das nehme ich gerne zur Kenntnis, und es ist auch beabsichtigt. Die Sachverhalte, die in diesem Buch dargestellt sind, sind nicht immer einfach. Wenn man den Spracherwerb verstehen will, nützt es jedoch nichts, den spezifischen Inhalten – oder gar der Grammatik – auszuweichen und sich mit einer oberflächlichen Darstellung abzugeben. Ich möchte mit dem Buch erreichen, dass die Leser ein detailliertes und tiefes Verständnis über den Spracherwerb bei Kindern entwickeln. Das erfordert nun einmal eine gewisse Anstrengung. Allerdings wird diese dann meist durch ein Wohlgefühl als Resultat des Verstehens entlohnt.
Ich möchte all denen danken, die bei der Entstehung dieses Buches in der einen oder anderen Weise geholfen haben, – sei es durch Diskussionen oder die Zusammenstellung der notwendigen Literatur. Das sind: Barbara Stumper, Rabea Naffati, Ina Luitjens, Melanie Franik, Nina Sondag, Mohsen Haj Bagherie, Tim Oesterlau, Petra Arndt, Kirsten Abbot-Smith, Merle Mahon, Michael Thomas und die Teilnehmerinnen von Kursen zum Spracherwerb in Südtirol, Italien.
Die Zusammenarbeit mit dem Beltz Verlag war stets hervorragend, und ich möchte mich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dort bedanken – |9|allen voran Claus Koch, dessen humorvoll spitze Emails ein Grund zur Beflügelung und zum Weiterschreiben waren.
Cambridge, im Juli 2012
Gisela Szagun|10|

Einleitung

Wie ich immer wieder in meinen Vorlesungen beobachtet habe, ist das Thema »Sprache« für die meisten Studierenden außerhalb der Sprachwissenschaften und Informatik kein Leichtes. Ein Grund dafür scheint zu sein, dass wenig Vorstellung von der Funktion und Systemhaftigkeit von Sprache vorhanden ist. Auch ist offenbar der Umgang mit grammatischen Kategorien keine Selbstverständlichkeit. Das bezieht sich nicht nur auf Begriffe aus der Linguistik, sondern auf ganz grundlegende Begriffe der Schulgrammatik. Daher beginne ich dieses Buch damit, einige grundlegende Vorstellungen über Sprache darzulegen.
Im Kapitel 1 geht es zunächst darum, Sprache von Kommunikation im Allgemeinen zu unterscheiden. Dabei wird dargelegt, in welcher Weise die Sprache der Menschen durch eine Systemhaftigkeit gekennzeichnet ist, die sich in den Kommunikationssystemen anderer Spezies nicht findet. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, verweise ich dann darauf, dass es sich bei der Entwicklungspsycholinguistik um eine deskriptive und keine präskriptive Wissenschaft handelt. Das heißt, die Kindersprache wird beschrieben und ihre Systemhaftigkeit erklärt. Es wird aber nicht vorgeschrieben, was gut und schlecht ist. Im letzten Teil des Kapitels werden grundlegende linguistische Begriffe der Phonologie und Grammatik erklärt. Dabei beschränke ich mich auf die Begriffe, die für ein Verständnis der entwicklungspsycholinguistischen Forschungen unerlässlich sind. Auch ein Einblick in die Flexionsparadigmen des Deutschen wird gegeben, so dass man eine Vorstellung von dem gewinnt, was Kinder beim Grammatikerwerb des Deutschen lernen müssen.
Nach diesen grundlegenden Ausführungen über das System Sprache gehe ich in den folgenden Kapiteln auf einzelne inhaltliche Bereiche des Spracherwerbs ein. Das sind die Entwicklung von phonologischem und prosodischem Wissen im ersten Lebensjahr, der Aufbau morphologischen und syntaktischen Wissens und der Erwerb von Wortschatz und Wortbedeutungen während der ersten Lebensjahre. Weitere Themen sind die Art der Sprache, die Erwachsene an kleine Kinder richten und ihr möglicher Einfluss auf den Spracherwerb und individuelle Unterschiede beim Spracherwerb. Nach der Darstellung des Erwerbs sprachlicher Errungenschaften gehe ich auf allgemeinere Themen ein. Das betrifft Lernmechanismen und biologische Grundlagen sowie theoretische Fragen des Spracherwerbs. Diese Thematiken sind |11|bewusst an das Ende des Buches gesetzt, so dass sie auf der Grundlage empirischer Ergebnisse diskutiert werden können. Ich möchte nun kurz noch weiter auf die einzelnen Kapitel eingehen.
Im Kapitel 2 geht es zunächst um präverbale lautliche Kommunikation. Erwachsene benutzen gegenüber Babys spezifische Vokalisierungen, die die Kommunikation zwischen beiden begünstigen. Sprachspezifisch sind diese Kommunikationsmuster nicht. Dann geht es um die Wahrnehmung von Sprachlauten und prosodischen Mustern bei Babys im ersten Lebensjahr. Durch neuere experimentelle Methoden der Wahrnehmungsforschung bei Babys ist es gelungen, die lautlichen und prosodischen Diskriminationen kleiner Babys zu messen. Dabei hat man festgestellt, dass Babys in den ersten sechs Monaten Sprachlaute sehr fein unterscheiden können und auch solche Unterscheidungen machen, die in ihrer Muttersprache nicht vorkommen. Im Laufe der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres entwickelt sich dann eine Orientierung auf die Unterscheidungen von Lauten, die für die Zielsprache entscheidend sind. In dieser Zeit lernen Babys auch schon einzelne Wörter im Strom der Rede zu erkennen. Sie orientieren sich dabei an den in der Zielsprache gültigen Regeln für die Kombination von Lauten und an prosodischen Mustern. Diese erstaunlichen Fähigkeiten gehen dem Erwerb von Wörtern und Grammatik voraus.
In den Kapiteln 3 und 4 geht es dann um den Erwerb von Grammatik. Während Kapitel 3 einen Überblick über den Erwerb der Grammatik bei deutschsprachigen Kindern gibt, so greift Kapitel 4 in größerem Detail den Erwerb spezifischer grammatischer Bereiche auf. Das sind der Erwerb des Plurals am Nomen, der Partizipflexion, der Erwerb von Genus und Kasus und der Erwerb syntaktischer Schemata. In Kapitel 3 wird die Methode des Erhebens und der Analyse von spontanen Sprechdaten dargestellt, mit der die Spracherwerbsforschung arbeitet. Ich denke, dass es für die Leser wichtig ist zu erfahren, mit welchen Methoden Spracherwerbsforscher und Forscherinnen zu ihren Ergebnissen über den Spracherwerb kleiner Kinder kommen. Das dritte Kapitel gibt grundlegende Informationen über das Forschungsvorgehen, Maße des Spracherwerbs und einen groben Überblick über den Verlauf des Spracherwerbs bei deutschsprachigen Kindern. Detailliertere Auskunft über den Erwerb einzelner grammatischer Bereiche und über die Prozesse, die dabei eine Rolle spielen mögen, gibt das Kapitel 4.
Im Kapitel 5 geht es um den Aufbau des Wortschatzes und einige Lernprinzipien beim Erwerb von Wortbedeutungen. Kleine Kinder bilden eher prototypische – und manchmal verwirrend flexible – Begriffskategorien. Eine Frage, die immer wieder erörtert wurde, ist, wie kleine Kinder Objekten Wörter zuordnen. Es zeigt sich, dass Kinder in der Regel davon ausgehen, dass sich ein Wort auf einen ganzen Gegenstand bezieht und dass sie auch |12|oft der Auffassung sind, dass ein Gegenstand nur eine Bezeichnung haben kann. Auch lernen kleine Kinder neue Wörter in einer Vielzahl von kommunikativen Situationen. Es scheint, dass sie die referentielle Absicht eines Sprechers verstehen, auch wenn sie den benannten Gegenstand nicht sehen können.
Kinder lernen Sprache auf recht unterschiedliche Weise. Das ist das Thema des 6. Kapitels. Diese Unterschiede betreffen die Schnelligkeit und unterschiedliche Lernstile, und sie zeigen sich besonders zu Beginn des Spracherwerbs. Leider wird in vielen deutschsprachigen Standardtexten der Spracherwerb immer noch in Stufen, die bei allen Kindern im gleichen Alter ablaufen sollen, dargestellt. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Kleine Kinder erwerben Sprache mit unterschiedlicher Schnelligkeit, mit teilweise unterschiedlichen Abfolgen sprachlicher Strukturen, und mit unterschiedlichen Präferenzen für einen bestimmten informationsverarbeitenden Stil. Manche gehen vorwiegend imitierend, andere vorwiegend analysierend an den Spracherwerb heran. Was die Schnelligkeit des Wortschatz- und Grammatikerwerbs angeht, so können die Unterschiede, wann bestimmte sprachliche Errungenschaften erworben sind, bis zu einem Jahr ausmachen. Derartige Unterschiede sind normal. Die enorme individuelle Variabilität des frühen Spracherwerbs hat Konsequenzen für die Diagnose verzögerter oder gestörter Entwicklung. Auch darauf wird im Kapitel 6 eingegangen.
Kapitel 7 beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen verschiedenen sprachlichen Bereichen und zwischen sprachlicher und kognitiver Entwicklung. Während zwischen dem Anwachsen des Wortschatzes und dem Aufbau von Grammatik ein sehr enger Zusammenhang besteht, so gibt es zwischen dem frühen Sprachverständnis und der darauf folgenden Sprachproduktion kaum Zusammenhänge. Es ist also nicht unbedingt so, dass ein Kind, das früh viel Sprache versteht, auch schnell anfängt zu sprechen.
Immer wieder ist auch die Beziehung zwischen Sprache und Denken diskutiert worden. Beeinflusst das Denken die Sprache oder die Sprache das Denken? Diese Diskussion wird im weiteren Verlauf des Kapitels 7 aufgegriffen. Es zeigt sich, dass es Einflüsse in beiden Richtungen gibt. Insbesondere am Beginn des Spracherwerbs verfügen Kinder über Bedeutungen, die sie noch nicht sprachlich ausdrücken können. Andererseits fördert die sprachliche Benennung schon bei den jüngsten Kindern die Begriffsbildung, und die sprachspezifische Struktur der Inputsprache hat einen Einfluss auf die Begriffsbildung. Von Beginn an beeinflusst Sprache die Art und Weise, wie wir die Welt ordnen und verstehen. Schließlich ist der Aufbau von abstrakten Begriffen, von mentalen Begriffen und von Begriffshierarchien ohne Sprache nicht vorstellbar. Sprache schafft begriffliche Systeme, die über die beobachtbare Erfahrung hinausgehen.|13|
Im Kapitel 8 wird die Sprache Erwachsener, die an kleine Kinder gerichtet ist, dargestellt und ihr Einfluss auf den Spracherwerb diskutiert. Während sich die Sprache, die Erwachsene an kleine Kinder richten, systematisch von der Sprache Erwachsener an ältere Kinder unterscheidet, so ist ihr Einfluss auf den Spracherwerb nicht so stark, wie man das ursprünglich vermutet hatte. Ein spezieller Sprachcode für kleine Kinder ist auch kulturabhängig. Neben einzelnen formalen Aspekten hat der allgemeine Gesprächsstil, den Erwachsene mit kleinen Kindern pflegen, einen Einfluss auf den Spracherwerb. Es wirkt sich günstig aus, wenn der Gesprächsstil den Interessen und Benennungen des Kindes gegenüber akzeptierend ist.
Wenn Kinder eine fehlerhafte Äußerung produzieren, wiederholen Erwachsene diese manchmal und machen sie dabei korrekt. Diese Art der Reaktion kann als implizites Feedback über die Korrektheit der Äußerung verstanden werden. Es zeigt sich, dass derartige Erwachsenenäußerungen einen förderlichen Einfluss auf den Spracherwerb haben. Da Erwachsene derartige Wiederholungen nicht häufig produzieren, wirken diese nicht als aufdringliche Korrektur, sondern sind in den Dialog eingebunden. So stören sie nicht, sondern bieten unaufdringlich Gelegenheit zum Erlernen der korrekten Form.
Im Kapitel 9 geht es um neurobiologische Grundlagen und um Lernmechanismen des Spracherwerbs. Weil bei Erwachsenen bestimmte Hirnregionen vorrangig für die Verarbeitung von Grammatik und andere für die Verarbeitung von Semantik zuständig sind, hatte man vorschnell geschlossen, dass eine derartige Struktur des Gehirns angeboren sei. Neuere Forschungen der neurokognitiven Entwicklung legen jedoch nahe, dass eine Spezifizierung der linken Hirnhälfte für Sprache und die unterschiedliche Lokalisierung der Verarbeitung von Grammatik und Semantik erst allmählich und unter dem Einfluss von Erfahrung mit Sprache entstehen. Auch das Konzept einer »sensiblen Phase« für Spracherwerb wird in diesem Kapitel einer kritischen Prüfung unterzogen. Es zeigt sich, dass man wohl von einer erhöhten Sensibilität des jungen Menschen für sprachliches Lernen ausgehen kann. Diese endet jedoch nicht abrupt, sondern nimmt nur allmählich ab. Ihr genaues Ende können wir zurzeit nicht bestimmen. Im Kapitel 9 wird dann die Bedeutung der Lernmechanismen der Imitation, der Klassifikation auf der Basis von Analogiebildung und auch die Bedeutung von Häufigkeitsinformation in der Inputsprache diskutiert.
Im Kapitel 10 werden theoretisch kontroverse Positionen dargestellt und erörtert. Im Spracherwerb stehen sich zwei so grundsätzlich verschiedene theoretische Ansätze gegenüber, dass eine Verständigung zwischen beiden kaum möglich ist. Das sind der Nativismus und der Konstruktivismus. Der Nativismus begreift viele sprachliche Fähigkeiten als angeboren und unabhängig |14|von anderen kognitiven Fähigkeiten des Menschen. Lernen aus der Inputsprache spielt kaum eine Rolle. Im Gegensatz dazu versteht der Konstruktivismus die Sprache als Teil der kognitiven Entwicklung. Ihre Ontogenese erfolgt auf der Basis des Zusammenspiels der informationsverarbeitenden Fähigkeiten der Imitation, Klassifikation und Symbolbildung, die ein solches Niveau erreicht haben, dass Sprache möglich wird. Grammatische Strukturen werden mithilfe allgemeiner Lernmechanismen und der entwicklungsmäßigen Voraussetzungen, die durch die genannten Fähigkeiten geschaffen wurden, aus der Inputsprache allmählich konstruiert. Dabei sind individuell unterschiedliche Entwicklungswege möglich. Die Formalisierung des Lernens durch neuronale Netzwerke ist ein Werkzeug, die allmähliche Konstruktion sprachlichen Wissens nachzuvollziehen.
Diese Ausführungen geben eine grobe Skizze der Themen dieses Buches. Jeder inhaltliche Bereich wird am Ende in Memos zusammengefasst. In einem Memo sind die wesentlichen Aspekte des behandelten Inhalts genannt. Sie dienen als Gerüst, um das herum die Inhalte memoriert werden können. Am Ende eines Kapitels finden sich Kontrollfragen, mit denen die Leser prüfen können, wie sie den Inhalt verstanden haben. Zur Auflockerung des Textes werden viele Beispiele aus spontanen Sprechdaten von Kindern gegeben.
Wenn es auch in der wissenschaftlichen Szene nicht populär ist, Position zu beziehen, so tue ich dieses dennoch. Ich betrachte den Spracherwerb aus konstruktivistischer Sicht und stelle daher überwiegend Forschungen dar, die in dieser Tradition arbeiten. Position zu beziehen verschafft Klarheit. Überdies erachte ich die Darlegung der eigenen Position als methodisch korrekt. In der Wissenschaft gibt es keine absoluten Wahrheiten. Als Wissenschaftler gehen wir von bestimmten Annahmen im Rahmen bestimmter Theorien aus, die ihrerseits in einem kulturellen und zeitgeschichtlichen Kontext stehen. Wenn wir empirisch forschen, überprüfen wir die Annahmen anhand von Daten. Diese sind zwar Fakten, aber Fakten werden wiederum in einem theoretischen Kontext interpretiert. Für den Leser ist es hilfreich, die grundsätzliche wissenschaftliche Position des Autors zu kennen, da dies eine Einordung und Relativierung von Aussagen ermöglicht.|15|

1 Linguistische Grundbegriffe

1.1 Sprache und Kommunikation

Sprache ist ein Kommunikationssystem. Menschen benutzen Sprache, um sich etwas mitzuteilen. Jedoch sind Menschen nicht die einzigen Lebewesen, die miteinander kommunizieren. Viele Tiere kommunizieren miteinander. Sie geben sich Botschaften über drohende Gefahr, über Paarungsbereitschaft, darüber, ob sie sich freundlich oder aggressiv annähern, ob sie drohen. Das kann mit Bewegungen und Gesten, Lauten oder Gerüchen geschehen. Hunde sind Haustiere, die den meisten von uns recht bekannt sind. Wenn wir auch nicht zur Spezies der Hunde gehören, so haben wir vielleicht beobachtet, dass Hunde Drohung über Knurren in tiefer Tonlage, bestimmte Bewegungen und gesträubtes Fell ausdrücken, freundliche Annäherung dagegen durch höheres Bellen und Wedeln des Schwanzes. Bei Katzen hingegen ist das Hin- und Her Bewegen des Schwanzes eher ein Anzeichen für Aggression. Die Mitglieder einer Spezies verstehen ihre Botschaften, und auch Menschen können Mitteilungen ihrer Haustiere mehr oder weniger gut deuten. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch oft von »Tiersprachen«. Benutzen Tiere eine Sprache wie Menschen?
Neben der Sprache verfügen Menschen noch über andere Kommunikationsmittel. Emotionen gehören dazu. Menschen teilen sich Emotionen über verschiedene Ausdrucksmittel mit, so über den Gesichtsausdruck, die Stimmlage, Gestik und Körperhaltung. Kleine Babys benutzen Schreien, um Mitteilungen zu machen, etwa dass sie Hunger haben, oder dass sie in der Nähe anderer Menschen sein möchten. Sind Emotionsausdruck und Schreien auch Sprache? Manchmal sprechen wir so darüber. Gelegentlich wird auch in der Wissenschaft die Auffassung vertreten, das Schreien von Babys sei Sprache – oder zumindest ein Vorläufer von Sprache. Ist das zutreffend?
Nach linguistischer Auffassung ist es nicht zutreffend. Die Sprache der Menschen ist durch einige Charakteristika gekennzeichnet, die sie entscheidend von den Kommunikationssystemen anderer Tiere, vom Schreien der menschlichen Babys und vom Emotionsausdruck unterscheiden. Diese Merkmale kann man so zusammenfassen:|16|
Was ist mit willkürlichen Symbolen gemeint? Wörter sind willkürliche Symbole für Dinge und Ereignisse, in dem Sinne, dass sie keine Ähnlichkeit mit dem bezeichneten Gegenstand aufweisen. Anders ausgedrückt: Wörter sind keine Lautmalereien. Das Wort Tisch weist keine Ähnlichkeit zum bezeichneten Gegenstand auf. Es gibt zwar einige Lautmalereien, etwa Wauwau für Hund, aber diese machen nicht unser eigentliches Vokabular aus. Unser Vokabular besteht aus Wörtern, die willkürliche Symbole sind. Das ist in jeder Sprache so. Weiterhin sind die Symbole in verschiedenen Sprachen für den gleichen Gegenstand unterschiedlich.
Wenn wir über etwas sprechen, so muss der Gegenstand nicht anwesend sein oder das Ereignis gerade geschehen. Wir reden über Realitäten, die nicht physisch anwesend sind. Unsere Sprache ermöglicht dies. Die Symbole der Sprache ermöglichen es, sich Realitäten geistig präsent zu machen, die nicht tatsächlich anwesend sind. Wir können auch über neue Realitäten etwas durch sprachliche Vermittlung erfahren. Wir können sogar neue Begriffe und ganze Weltbilder über sprachliche Vermittlung aufbauen. Sprache ermöglicht Erkennen frei vom Kontext des tatsächlichen Geschehens.
Damit sind wir auch schon ganz nah beim nächsten Merkmal, dass sich auf die kulturelle Vermittlung von Sprache bezieht. Die Strukturen und Inhalte der menschlichen Sprache sind nicht angeboren, sondern sie müssen gelernt werden. Das geschieht im Kontext einer menschlichen Gruppe und Kultur. Kleine Kinder lernen ihre Muttersprache in der menschlichen Gruppe und vom Sprechen der Menschen in dieser Gruppe. Im Gegensatz dazu stellt der Bienentanz eine angeborene Kommunikationsform dar. Bienen teilen sich durch Körperbewegungen die Richtung und Entfernung einer Nahrungsquelle in Bezug zum Sonnenstand mit. Die Bewegungen müssen sie nicht durch das Beobachten von Alttieren lernen, sondern die Strukturen dieser Kommunikation sind ihnen angeboren.
Das letzte Merkmal von Sprache bezieht sich auf ihre Systemhaftigkeit. Sprache ist systematisch und regelhaft in vielerlei Sinne. Weiter noch, wenn man die Regelhaftigkeiten beherrscht, kann man mit ihnen immer wieder neue Kombinationen von Symbolen hervorbringen. Einmal findet sich Regelhaftigkeit darin, wie sich Laute zu Wörtern kombinieren. Innerhalb einer bestimmten Sprache kann man bestimmte Laute miteinander kombinieren |17|und andere nicht. So kann man im Deutschen /p/ und /r/ zu Beginn eines Wortes kombinieren – wie im Wort prall. Man kann /p/ und /r/ aber nicht am Wortende kombinieren. Wörter mit derartigem Wortende gibt es im Deutschen nicht.
Ein weiterer Aspekt der Systemhaftigkeit sind die Regelhaftigkeiten der Grammatik. Diese beziehen sich einmal darauf, wie sich Teile von Wörtern kombinieren und darauf, wie sich Wörter zu Sätzen kombinieren. Wörter lassen sich in kleinere Teile zerlegen – so etwa den Wortstamm und Wortendungen. Bei Verben kombiniert sich der Verbstamm regelhaft mit einer Endung, um die Person des Handelnden auszudrücken. Handelt es sich um die zweite Person Singular, so finden wir regelhaft die Endung -st. Diese kombiniert sich mit verschiedenen und immer anderen Verbstämmen, wie in den Beispielen geh-st, sing-st. Plural können wir bilden, indem wir bei Nomen, die im Singular auf -e enden, ein -n anhängen, wie in Blume-n und Katze-n. Wenn wir Wörter zu Sätzen kombinieren, befolgen wir auch hier Regelhaftigkeiten. Wir können nicht sagen schläft Katze die auf Sofa dem, sondern wir müssen sagen die Katze schläft auf dem Sofa oder auf dem Sofa schläft die Katze. Sprache hat System. Teile von Wörtern kombinieren sich regelhaft, und Wörter kombinieren sich regelhaft zu Sätzen. Mit diesen Regelhaftigkeiten können Sprecher einer Sprache neue Sätze produzieren, die sie noch nie gehört haben. Sie können mit einer endlichen Anzahl von Regeln unendlich viele Sätze produzieren und sich damit immer neue Bedeutungsinhalte mitteilen (Chomsky 1980). Dieses Prinzip macht die Menschensprache zu einem ungeheuer flexiblen Instrument des Erkennens und Kommunizierens.
Insbesondere zwei Charakteristika machen die Sprache der Menschen so einzigartig: die Willkürlichkeit der Symbole und die Systemhaftigkeit der Grammatik. Kontextfreiheit und kulturelle Vermittlung finden sich zumindest in Ansätzen auch in Kommunikationssystemen anderer Spezies. So findet der Bienentanz in der Abwesenheit der tatsächlichen Nahrungsquelle, auf die durch den Tanz verwiesen wird, statt. Er verweist also auf eine abwesende Realität. Wenn man kulturelle Vermittlung im Sinne der Vermittlung von Information durch ein Alttier der Spezies versteht, so werden die Gesänge männlicher Singvögel kulturell vermittelt. Das Jungtier verfügt nur über einige Grundelemente und lernt den melodischen Anteil des Gesanges von Alttieren. Dem Bienentanz fehlt aber die Willkürlichkeit der Symbole, denn die Bewegungen ähneln der räumlichen Realität von Richtung und Entfernung, auf die verwiesen wird. Singvögel vermögen es nicht, die Elemente ihres Gesanges zu einer unendlichen Anzahl von immer neuen Gesängen, die immer neue Bedeutungsinhalte vermitteln, zu kombinieren. Die Organisationsprinzipien von Grammatik finden sich in den Kommunikationssystemen anderer |18|Spezies nicht – oder höchstens in Ansätzen. Das Gleiche gilt für die anderen Kommunikationsmittel der Menschen. Elemente des Schreiens von Babys kombinieren sich nicht zu immer neuen kommunikativen Inhalten, und für Ausdrucksweisen von Emotion gilt das auch nicht.
Ich hoffe damit gezeigt zu haben, dass die Sprache sich von Kommunikationssystemen im Allgemeinen unterscheidet, sowohl von anderen Kommunikationssystemen bei Menschen wie auch denen anderer Spezies. Daher ist es auch sinnvoll, den Terminus »Sprache« für eben diese grammatikalisierte Form der Kommunikation zu verwenden, und nicht für Kommunikationsmittel im Allgemeinen.

1.2 Deskription von Sprache

Oft denken wir bei Sprache daran, ob »richtig« oder »falsch« gesprochen wird. Wir unterscheiden Hochdeutsch von anderen Varianten des Deutschen und meinen, die beste Sprache sei das Hochdeutsche. Derartige Unterscheidungen werden besonders wichtig, wenn es um geschriebene Sprache geht. In der Tat hat sich Grammatik traditionell mit geschriebener und korrekter Sprache befasst und die gesprochene Sprache als weniger wertvoll angesehen (vgl. Lyons 1969/75). Das Wort »Grammatik« selbst leitet sich von einem griechischen Wort ab, das als »die Kunst des Schreibens« übersetzt werden kann. Die moderne Linguistik jedoch hat die gesprochene Sprache ins Zentrum ihrer wissenschaftlichen Analysen gestellt (Saussure 1955; Lyons 1969/75). Danach wird die gesprochene Sprache als primär angesehen und die geschriebene Sprache als ein Mittel, Gesprochenes in einem anderen Medium darzustellen. So wird gleichzeitig ein anderer Aspekt wichtig: Es geht nicht um die Korrektheit der Sprache, sondern darum, wie tatsächlich gesprochen wird.
Wenn man sich mit dem Spracherwerb bei kleinen Kindern beschäftigt, geht es dabei selbstverständlich um gesprochene Sprache. Es wird beschrieben, wie kleine Kinder tatsächlich sprechen und nicht, wie sie sprechen sollen. Die Entwicklungspsycholinguistik ist keine präskriptive, sondern eine deskriptive Wissenschaft. Sie beschreibt, was ist, nicht, was sein soll. Das schließt nicht aus, dass man die Fehler in der Sprache kleiner Kinder analysiert, aber nicht, um sie als »schlecht« zu bewerten, sondern weil sie uns möglicherweise Aufschluss darüber geben, wie kleine Kinder die Regelhaftigkeiten von Sprache lernen. Spracherwerbsforscher nehmen also einen grundsätzlich anderen Gesichtspunkt zu Sprache ein als z. B. Deutschlehrer. Es geht in der Spracherwerbsforschung nicht darum, was »gut« oder »schlecht« ist. |19|Derartige Standards werden von Bildungseinrichtungen gesetzt und sind für Sprecher der Sprache oft nur am Rande und für schulische Zwecke relevant. Auch mögen sich einzelne Gruppen andere Standards setzen und diese positiv bewerten – z. B. bestimmte Ausdrücke in der Jugendsprache. Die Spracherwerbsforschung beschäftigt sich mit einer Deskription und Analyse der Sprache kleiner Kinder, ohne diese Sprache zu bewerten. Akzent oder selbst Dialekt ist nicht falscher als Hochdeutsch. »Richtig« ist der Sprachgebrauch der sozialen Gruppe, in der das Kind aufwächst und deren Sprache es hört. Das gilt aus Sicht des Kindes, selbst, wenn diese Sprache vom Standpunkt der Hochsprache aus fehlerhaft ist.
Wenn wir uns mit Kindersprache beschäftigen, ist es wichtig zu unterscheiden, ob wir dieses mit einer deskriptiven oder einer präskriptiven Vorgehensweise tun. Das sollte auch bei den zurzeit beliebten Klagediskussionen um die schlechte Sprache unserer Kinder bedacht werden. Möglicherweise hat sich nicht die Sprache unserer Kinder, wohl aber haben sich unsere bewertenden Standards verschoben. In diesem Buch wird der Spracherwerb von kleinen Kindern mit einer deskriptiven Herangehensweise dargestellt.
Wat et nich alles jüt! (Was es nicht alles gibt!)
Dem seine Schere
Im Bergischen Land, in dem ich meinen Spracherwerb vollzog, kann man sich auf vielfältige nicht-hochdeutsche Art und Weise ausdrücken und dabei sehr gut verständigen. So kann man die hochdeutsche Äußerung Annas Schere vielfältig abwandeln in Anna seine Schere, dem Anna seine Schere, dem seine Schere, et seine Schere oder dat seine Schere. Solche, deren Muttersprache nicht das Bergische ist, werden Schwierigkeiten haben, den Gebrauch der Pronomen sein, et und dat zu verstehen. Für Muttersprachler ist das kein Problem. Feminina – wie Anna – können im Pronomen durch et ersetzt werden. Et seinerseits ist Neutrum. Dadurch folgt logisch der Gebrauch von dat und sein, die neutrale Paradigmen darstellen.
Aus Sicht der Hochsprache ist das nicht einfach, aus Sicht der bergischen Muttersprachler ist es völlig natürlich. Das Beispiel zeigt, dass es ein Fehler wäre anzunehmen, die Hochsprache sei grammatikalisch komplexer. Konstruktionen wie dem Anna seine Schere oder et seine Schere erfordern ein beachtliches grammatikalisches Wissen, das sich mindestens mit Annas Schere messen kann. Aber die Muttersprachler wissen noch mehr. Sie wissen, in welchem sozialen Kontext sie welchen Sprachcode benutzen dürfen. Im Klassenzimmer spricht man von Annas Schere, aber schon auf dem Schulhof und im Kreis vertrauter muttersprachlicher Personen kann man davon ablassen und dem Anna seine Schere oder die anderen Varianten benutzen.|20|
Memo 1.1 und 1.2
1. Die Sprache der Menschen ist ein spezielles Kommunikationssystem. Sie ist gekennzeichnet durch:
– Willkürlichkeit der Symbole
– Kontextfreiheit
– kulturelle Vermittlung
– regelhaftes kombinatorisches System.
2. Andere Kommunikationsformen der Menschen haben diese Merkmale nicht.
3. Kommunikationssysteme anderer Spezies haben diese Merkmale nicht.
4. Die Entwicklungspsycholinguistik ist eine deskriptive Wissenschaft.
 

1.3 Grundbegriffe der Phonologie

In diesem Teil möchte ich einige linguistische Grundbegriffe aus der Phonologie und Grammatik erklären. Dabei beschränke ich mich auf eine kleine Auswahl. Das sind Begriffe, die in Texten zum Spracherwerb immer wieder auftauchen und die über das hinausgehen, was wir aus der Schulgrammatik kennen. Für die hier getroffene Auswahl an Begriffen wird nur Grundsätzliches möglichst einfach erklärt. Als Nachschlagewerk für linguistische Termini ist Lyons (1969/75) zu empfehlen, und zum Verständnis grammatischer Termini eher im Sinne einer traditionellen Grammatik empfehle ich Heidolph, Flämig und Motsch (1984) sowie den Grammatik Duden (1995). Die Termini der Schulgrammatik werden vorausgesetzt, und zwar in ihrer lateinischen Form.
Wörter werden aus Sprachlauten gebildet. Ein Sprachlaut ist eine Lauteinheit, die man phonetisch unterscheiden kann. Dies geschieht entweder durch professionelle Phonetiker, die geschult sind, zwischen Sprachlauten zu differenzieren, oder auf der Ebene der visuellen Darstellung von Lauten. Auf der physikalischen Ebene sind Sprachlaute Schall- oder Druckwellen. Diese werden von unseren Sprechorganen produziert. Die Druckwellen unterscheiden sich in der Häufigkeit und Intensität, mit der sie produziert werden, was man visuell als Spektrogramm darstellen kann. In einer solchen Darstellung ist das, was wir als unterschiedliche Laute hören, in unterschiedlichen visuellen Mustern sichtbar. Unterschiedliche Muster sind unterschiedliche phonetische Einheiten. Im Sinne der phonetischen Einheiten ist die mögliche Anzahl von Sprachlauten sehr groß. Alles, was unsere Sprechorgane produzieren können, kann in einer Sprache ein Sprachlaut sein. Auf der |21|phonetischen Ebene sind Unterschiede zwischen Sprachlauten sehr fein, und sie sind unabhängig von einzelnen Sprachen.
Nun ist die phonetische Ebene der Sprachlaute aber nicht das, was die Sprecher einer Sprache vorwiegend wahrnehmen. Die Sprecher einer bestimmten Sprache operieren mit »phonemischen« Unterschieden und Lauteinheiten, die »Phoneme« heißen. Ein Phonem ist eine Lauteinheit, die in der gleichen Lautumgebung zwischen unterschiedlichen Wörtern unterscheidet. So sind im Deutschen /l/ und /r/ unterschiedliche Phoneme, weil sie zwischen unterschiedlichen Wörtern unterscheiden wie in Lampe und Rampe. An dieser Stelle sei eingeführt, dass gemäß der international gebräuchlichen Lautschrift der Schrägstrich vor und nach dem Laut benutzt wird, wenn es sich um ein Phonem handelt. Im Deutschen ist auch die Länge eines Vokals phonemisch, da Vokallänge zwischen unterschiedlichen Wörtern unterscheidet. Was gemeint ist, soll in den folgenden Beispielen von Wortpaaren verdeutlicht werden:
• in gleicher Lautumgebung:
langer Vokalkurzer Vokal
BeetBett
BußgeldBusgeld
fühlenfüllen
• in gleicher Lautumgebung:
/l//r/
LampeRampe
legenregen
leckenrecken
Ein Phonem ist also eine funktionale Lauteinheit der Sprache. Die Funktion besteht darin, auf einen für die Bedeutung und damit für die Kommunikation relevanten Unterschied zu verweisen. Das Phonem ist keine physikalische Kategorie, sondern eine psychologische. Ebenso ist es eine linguistische Kategorie, denn die Sprachwissenschaft klassifiziert Sprachlaute in Phoneme. Man kann auch sagen, das Phonem ist eine linguistische Kategorie mit psychologischer Realität. Das bedeutet, dass Phoneme Kategorien von Sprachlauten sind, die in der menschlichen Wahrnehmung funktionieren. Wie andere Kategorien der menschlichen Wahrnehmung sind sie durch die menschliche Informationsverarbeitung konstruierte Kategorien, die funktional für die menschliche Erkenntnis sind. Sie funktionieren, um schnell auf bedeutungsrelevante Elemente im Strom der Laute zu verweisen.
Phoneme unterscheiden sich in den einzelnen Sprachen. Jede Sprache hat eine begrenzte Anzahl von Phonemen. Das schwankt zwischen ca. 40 und 70. Was in einer Sprache einen phonemischen Unterschied ausmacht, tut das in einer anderen Sprache möglicherweise nicht. Das kann selbst bei sehr nahe |22|verwandten Sprachen wie Englisch und Deutsch der Fall sein. So ist im Englischen die Stimmlosigkeit und Stimmhaftigkeit von Konsonanten im Auslaut phonemisch:
• in gleicher Lautumgebung:
stimmloser Konsonantstimmhafter Konsonant
peacepeas
dockdog
backbag
Native Sprecher – also Muttersprachler – sind gegenüber den phonemischen Unterschieden in ihrer Sprache sensibel. Andere Unterschiede ignorieren sie. So kommt es dann beim Erlernen von Fremdsprachen häufig zu Problemen und einem Akzent, der die Muttersprache verrät. Da im Deutschen der Unterschied zwischen Stimmhaftigkeit und Stimmlosigkeit nicht phonemisch ist, schenken native Sprecher diesem Unterschied keine Beachtung und übertragen diese Sprechgewohnheit häufig auch auf das Englische, in dem dieser Unterschied allerdings phonemisch ist. So produzieren sie, wenn sie von einem Hund sprechen dock (Dock) statt dog (Hund), bestellen möglicherweise im Restaurant peace (Frieden) statt peas (Erbsen). Hier wird die bedeutungsrelevante Funktion von phonemischen Unterscheidungen offensichtlich. Die Nicht-Beachtung von phonemischen Unterschieden kann zu Missverständnissen in der Kommunikation führen.
Die Varianten der Aussprache innerhalb einer phonemischen Kategorie dagegen führen zu keinerlei Kommunikationsproblemen und werden auch in der Regel von Sprechern einer Sprache ignoriert. So kann man die Konsonanten /t/, /p/, /k/ und /d/, /b/, /g/ mehr oder weniger aspiriert, d.h. mit einem folgenden Hauch sprechen. Diese Unterschiede werden im internationalen phonetischen Alphabet in folgender Weise ausgedrückt: [t] ist ein unaspiriertes /t/, [th] ist ein aspiriertes /t/. Die eckigen Klammern drücken aus, dass es sich hier um phonetische Laute handelt. Sprecher des Deutschen wie des Englischen ignorieren Unterschiede in der Aspiration, wenngleich diese durchaus mehr oder weniger stark in bestimmten Lautumgebungen oder bei individuellen Sprechern produziert werden. Es stört uns nicht, ob wir von Tee als [te:] oder [the:] sprechen, da das keinen Bedeutungsunterschied ausmacht. (Der Doppelpunkt steht für einen langen Vokal.) Es stört uns auch nicht, ob wir ein [r] als Zungen-[r] oder Zäpfchen-[r] aussprechen. Sprecher einer Sprache nehmen vorwiegend das wahr, was vom Standpunkt der Kommunikation wichtig ist, d.h. was Unterschiede in der Bedeutung ausmacht. Andere, feinere Unterschiede ignorieren sie.
Laute werden zu Wörtern kombiniert. Das geschieht nach gewissen |23|Regelhaftigkeiten, und diese sind in den unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich. Im Deutschen und im Englischen kann man am Wortanfang [st] mit [r] kombinieren, wie z. B. in Straße oder street. Man kann die gleichen Laute aber nicht am Wortende kombinieren. Wörter, die auf -str enden, gibt es weder im Deutschen noch im Englischen. Im Deutschen kann man auch [k] und [n] am Wortanfang finden, nicht jedoch am Wortende. Andere Laute signalisieren im Deutschen das Ende eines Wortes. So kommt ein -e, das wie ein kurzes unbetontes -e gesprochen wird und in der phonetischen Umschrift [ə] geschrieben wird, häufig am Wortende vor. Beispiele sind Ratte, Nase, Decke. Auch -en und -er, das wie ein kurzes a gesprochen wird, signalisieren im Deutschen häufig das Wortende, etwa in Regen, Reifen, Teller, Vater. Dagegen kommen Kombinationen von [t] und [m] oder von [f] und [d] weder am Wortanfang noch am Wortende vor, sondern signalisieren Wortgrenzen, das Ende eines Wortes und den Beginn des nächsten, wie in schneidet mit oder auf der. Die Regelhaftigkeiten, mit denen sich Laute zu Wörtern kombinieren, nennt man phonotaktische Regelhaftigkeiten. Dass diese in anderen Sprachen anders sein können, sieht man daran, dass sich z. B. im Russischen [k] und [t] am Wortanfang kombinieren können wie im russischen Wort kto (wer). Im russischen Namen des Flusses Dnjepr werden [d] und [n] am Wortanfang und [p] und [r] am Wortende kombiniert. Derartige Kombinationen sind nach den phonotaktischen Regelhaftigkeiten des Deutschen nicht möglich.
Neben Lauten und Lautstruktur haben Sprachen melodische Charakteristika. Das sind die Charakteristika der Prosodie. Prosodie bezieht sich auf die melodische Gliederung der Rede. Das betrifft Merkmale wie Intonation, ansteigende und abfallende Muster der Tonfrequenzen. So senken wir die Stimme im Allgemeinen am Ende eines Aussagesatzes, heben sie aber am Ende eines Fragesatzes. Deutsch und britisches Englisch unterscheiden sich sehr stark in ihren Intonationsmustern. Im britischen Englisch findet sich eine starke Fluktuation an ansteigenden und abfallenden melodischen Mustern, während das im Deutschen nicht der Fall ist. Neben den Intonationsmustern gibt es auch rhythmische Muster, wie Betonung, Verlängerung von Silben und Pausen. Innerhalb eines Wortes findet sich im Deutschen häufig das Betonungsmuster »stark/schwach«. Die erste Silbe wird betont, die zweite ist unbetont, wie in gehen und Katze. Bei Präfixverben finden sich zwei Muster, entweder die Betonung auf dem Präfix, wie in aufstehen, oder auf der Stammsilbe, wie in verstehen. Auch was Betonungsmuster innerhalb von Wörtern angeht, unterscheiden sich die einzelnen Sprachen. Manche betonen nicht auf der ersten, oder der Stammsilbe, sondern haben fluktuierende Betonung, wie etwa das Russische. Ein weiteres rhythmisches Muster, das wir benutzen, sind Pausen. So sind Haupt- und Nebensätze meist durch |24|eine Pause getrennt. Allerdings muss man dazu sagen, dass Wörter im Strom der Rede oft gar nicht voneinander getrennt sind. Pausen zwischen einzelnen Wörtern gibt es beim Sprechen seltener als wir vielleicht denken.
Memo 1.3
1. Ein Phonem ist eine Lauteinheit, die in der gleichen Lautumgebung zwischen unterschiedlichen Wörtern unterscheidet.
2. Eine solche Lautunterscheidung bezeichnet man als »phonemisch«.
3. Phoneme sind funktionale Lauteinheiten in einer spezifischen Sprache. Sie verweisen auf bedeutungsrelevante Unterschiede und sind somit funktional für die Kommunikation.
4. Phoneme sind für einzelne Sprachen spezifisch.
5. Phonotaktische Regelhaftigkeiten beziehen sich auf die Regelhaftigkeiten, mit denen sich Laute in einer bestimmten Sprache zu Wörtern kombinieren.
6. Prosodie bezieht sich auf die melodische Gliederung der Rede. Dazu gehören Intonationsmuster, Betonungs- und Pausenmuster.
 

1.4 Grundbegriffe der Grammatik: Morphologie und Syntax

Grammatik ist eine Sprachanalyse, die sich mit der Struktur von Wörtern und der Art und Weise, wie sich Wörter zu Sätzen kombinieren, beschäftigt. Diese zwei Aspekte werden als Morphologie und Syntax bezeichnet. Morphologie befasst sich mit der internen Struktur von Wörtern. Syntax befasst sich mit den Regeln, nach denen sich Wörter zu Sätzen kombinieren.

1.4.1 Wortklassen

Wenn wir uns Wörter ansehen, wie: lesen, kaufen, gehen, Haus, Knopf, Freund, Pferd, schön, groß, der, ein, sie, auf, mit, so scheinen manche dieser Wörter mehr an inhaltlicher oder lexikalischer Information zu tragen als andere. Die Verben lesen, kaufen, gehen drücken das aus, was an Handlung geschieht, die Nomen Haus, Knopf, Freund, Pferd stehen für unterschiedliche Personen, Lebewesen oder Gegenstände, und die Adjektive schön, groß beziehen sich auf die inhaltliche Qualität eines Gegenstandes. Dagegen haben der, ein, sie, auf, mit weniger mit Inhalten von Handlungen und Dingen zu tun. Sie haben etwas damit zu tun, wie Dinge sich zueinander verhalten, so etwa im Raum wie in der Äußerung das Buch auf demTisch, oder sie determinieren Dinge, wie etwa durch einen definiten oder indefiniten Artikel: der Tisch ist ein bestimmter Tisch, aber ein Tisch irgendeiner.|25|
Den unterschiedlichen Funktionen, die Wörter haben, trägt man durch Einteilungen in Wortklassen Rechnung. So unterscheidet man zwei grobe Wortklassen: Inhaltswörter und Funktionswörter. Zur Klasse der Inhaltswörter gehören Nomen, Verben und Adjektive. Inhaltswörter tragen lexikalische Information, sie haben lexikalische Bedeutung. Ihre Anzahl in einer Sprache ist unbegrenzt. Es können neue Inhaltswörter in einer Sprache dazukommen. Daher wird die Klasse der Inhaltswörter auch die offene Wortklasse genannt.
Zur Klasse der Funktionswörter gehören Artikel, Pronomen, Präpositionen, Konjunktionen, Auxiliare (Hilfsverben). Beispiele sind: Artikel: der, ein, Pronomen: wir, sie, mein, Präpositionen: auf, an, für, Konjunktionen: wenn, weil, Auxiliare inklusive Modalverben: sein, wollen, dürfen. Diese Wörter bezeichnen grammatische Funktionen. Artikel determinieren das Nomen, Präpositionen drücken Beziehungen zwischen Nomen bzw. Personen oder Dingen aus, Konjunktionen drücken Beziehungen zwischen Ereignissen aus, und Auxiliare modifizieren das Verb. Die Anzahl von Funktionswörtern in einer Sprache ist begrenzt. Es kommen keine neuen Funktionswörter in eine Sprache. Daher bezeichnet man Funktionswörter auch als geschlossene Wortklasse.
Ein weiterer Gebrauch zur Klassifizierung von Wörtern ist der zwischen »Types« und »Tokens«. Von beiden werden öfter die Häufigkeiten berechnet als Indikator des Vokabulargebrauchs. Bei Types handelt es sich um die Häufigkeiten von Vokabeln, unabhängig davon, wie häufig eine einzelne Vokabel gebraucht wird. Bei Tokens handelt es sich um die Gesamthäufigkeit. Gebraucht ein Kind in einer Sprachstichprobe z. B. 10 × auto, 3 × mama, 4 × ab und 2 × ball, so ist die Typehäufigkeit = 4, die Tokenhäufigkeit = 19.

1.4.2 Morphem

Man kann Wörter als die primäre Einheit von Grammatik sehen. Aber bei Wörtern fällt auf, dass man sie zerlegen kann. So bilden Blume und Blumen jeweils ein Wort, aber Blumen besteht aus dem Singular Blume + ein -n für Plural. Blume-n besteht also aus zwei Teilen. Solche Elemente von Wörtern sind Morpheme. Das Morphem ist die kleinste Einheit grammatischer Analyse. Man kann auch sagen, dass das Morphem die kleinste bedeutungstragende Einheit auf der Wortebene ist. In Blume-n repräsentiert der Wortstamm die lexikalische Bedeutung, das -n bedeutet Plural. Wie das Beispiel schon zeigt, kann ein Wort aus einem oder aus mehreren Morphemen bestehen. Beispiele von Wörtern mit einem Morphem sind: Schuh, Bus, Hand, schön, groß. Beispiele von Wörtern mit zwei Morphemen sind: Schuh-e, Kind-er, Schön-heit, Eis-bär, Eisen-bahn, hand-lich, find-est, mach-t. Beispiele von Wörtern mit |26|drei bzw. vier Morphemen sind: Neu-ig-keit, Haus-halt-e, er-neu-er-n. Diese Wörter haben aber nicht nur mehr, sondern auch unterschiedliche Arten von Morphemen. Diese werden im Folgenden erläutert.