Charlotte Birch-Pfeifer

 

Die Grille

Ein ländliches Charakterbild

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Covergestaltung: nexx verlag gmbh, 2014

 

ISBN/EAN: 9783958705999

 

Rechtschreibung und Schreibweise des Originaltextes wurden behutsam angepasst.

 

www.nexx-verlag.de

 

Image

Personen

Bauern aus Cosse:

Vater Barbeaud

Mutter Barbeaud

Landry und Didier, Zwillinge, ihre Söhne

Martineau

Etienne

Collin

Pierre

Die alte Fadet

Fanchon Vivieux, ihre Enkelin

Manon, deren Pate

 

Bauern aus Priche:

Vater Caillard

Madelon, seine Tochter

Susette

Mariette

Annette

Bauernmädchen und Bursche

 

Ort der Handlung:

Cosse und La Priche,

Dörfer im südlichen Frankreich

 

Zeit: 1836

der letzte Aufzug spielt ein Jahr später

als die früheren Aufzüge

 

Erster Aufzug

Wohlhäbiges Bauernzimmer

 

Mitteltür. Seitentür rechts. Rechts hängt eine große Schwarzwälder Uhr, darunter steht ein Tisch, mit bunter Decke bedeckt. Links vorn ein Fenster, das offen steht. Rechts und links im Vordergrund Holzstühle und ein Schemel

 

Rechts und links wird vom Schauspieler aus angenommen

 

Erster Auftritt

Mutter Barbeaud. Vater Barbeaud

 

Mutter

(in der Tracht einer reichen Bäuerin, steht am Fenster links vorn und sieht hinaus, ist in großer Unruhe) Es rührt sich nichts, kein Landry und kein Didier zu sehen! Mein Gott, welches Leid bereitet mir der Junge!

 

Vater

(stattlicher Sechziger, reicher Bauer, Hauskleid, aus einer kurzen Pfeife rauchend, kommt aus der Seitentür rechts) Na, Mutter, dein Nesthäkchen noch nicht da?

 

Mutter

Ach lieber Gott – nein! Der Landry ist nun wohl eine Stunde nach ihm aus – er scheint ihn auch nicht zu finden!

 

Vater

(setzt sich auf den Stuhl rechts) Tue nur nicht so jammervoll, Mutter, als ging's ans Leben! Der Didier ist ein eigensinniger Schlingel – wer weiß, was für eine Narrheit dem Jungen wieder im Kopf steckt.

 

Mutter

(die Hände faltend) Das ist's ja eben. Fortbleiben, einen ganzen Tag! Hat man so etwas schon von dem sanften jungen Blut erlebt?

 

Vater

(ärgerlich) Aber was ist denn eigentlich vorgegangen?

 

Mutter

Weiß ich's? Didier war schon lange still und traurig, er konnte sich nicht darein finden, dass sein Bruder Landry bei dem Vetter Caillard in der Priche arbeitet und nicht mehr bei uns wohnt. Die Leute hatten recht, die immer sagten: »Zwillinge dürfe man nicht trennen.«

 

Vater

(beständig rauchend) Bah, das ist dummes Zeug! Zwillinge sind Menschen wie alle anderen und müssen deshalb leben lernen wie die anderen. Darum tat ich auf des Herrn Pfarrers Rat die Bursche auseinander, da sie nun schon mannhafte Kerls sind – mussten sich endlich einmal an Trennung gewöhnen. Der Landry ist ein tüchtiger Bauer, wie es unser Schlag immer war; aber der Didier ist ein schwächliches verzogenes Milchgesicht, das sich einbildet: Jeder soll ihm zu Willen sein!

 

Mutter

(eifrig) Und wer denn hat ihn verzogen?

 

Vater

(bläst den Rauch von sich) Na, wir haben beim Verziehen beide unsere Schuldigkeit getan. (Ungeduldig) Aber ich weiß deshalb noch immer nicht – warum er seit gestern nicht zum Vorschein kam.

 

Mutter

(verzweifelt) Ich weiß es ebenso wenig! Er war gestern Abend ganz froh und rüstig zur Priche hinüber gegangen, um Landry heimzuholen zum Saint-Andoche-Fest. Didier kam spät, als du schon schliefst, zurück; er war still und blass – und ich sah, dass er geweint hatte; ich frug, wo der Landry bleibe? »Hat noch Arbeit, kommt erst morgen Abend heim!«, damit ging er nach seiner Kammer. Heute mit dem Frühesten war er fort – diesen Mittag kam er nicht zu Tisch heim. Der alte Pierre sah ihn zur Binsenwiese die Schlucht hinabgehen – seitdem weiß niemand, wo er geblieben.

 

Vater

(seine Unruhe verbergend) Nun, und was meinte denn der Landry, als der heute von der Priche kam?

 

Mutter

Er erschrak, dass er blass wurde, und als ich sagte: »Ist etwas vorgefallen, habt ihr euch vielleicht gezankt?« – wurde er blutrot und rief: »Mutter, werde ich mich mit meinem Zwillingsbruder zanken?« Dann lief er ganz desperat fort, ihn zu suchen und –

 

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Der Zwilling Landry, ein blühender Jüngling, in reicher kleidsamer Bauerntracht, sehr niedergeschlagen, kommt durch die Mitte. Dann Fanchons Stimme

 

Vater

(auf die Mitteltür weisend) Da ist er wieder – und (er springt auf) allein?

 

Landry

Allein, Vater! Er ist nicht aufzufinden.

 

Mutter

(fällt in den Stuhl) Gott erbarme sich – wenn du ihn nicht bringst, Landry, so hat er sich ein Leid getan!

 

Landry

(entsetzt) Mutter! – Ich kann nichts dafür, dass der Junge ein Narr ist! Als er mich gestern holen kam, sah er zufällig, dass ich – na, dass ich der hübschen Madelon einmal in die Backen kniff, was ich zum ersten Mal tat, Mutter, Ihr könnt's glauben!

 

Vater

(in sich hinein brummend) Wär' auch kein Unglück, wenn's zum zweiten Mal geschehen wäre.

 

Landry

(aufhorchend) He? Was sagt Ihr, Vater?

 

Vater

(barsch) Nichts! Na – und, was weiter?

 

Landry

Nun bildet er sich ein, ich sei verliebt in das Mädchen, und ist eifersüchtig. (Er stampft mit dem Fuß) Ist eine wahre Qual mit dem verkehrten Burschen!

 

Mutter

(besänftigend) 's ist eben ein Zwilling, Landry.

 

Landry

Ich bin auch einer und hab' ihn herzlich lieb, aber ich wollte, er vergaffte sich in zehn Dirnen und ließe mir Ruhe. (Entschlossen) Mutter, sagt mir ein Mittel, nennt mir einen Menschen, der mir raten kann, wie ich Didier finde.

 

Mutter

(schüchtern) Ich kenne nur eine Person, die da helfen könnte. Was meinst du, Vater – soll er nicht die alte Fadet aufsuchen?

 

Landry

Die gräuliche Hexe! Pfui, Mutter!

 

Vater

(nickt) Eine Hexe ist sie, und ein böser Drache dazu, das ist ebenso gewiss, als dass die Alte mehr weiß als der Herr Pfarrer und unser Maire zusammen; hat uns vor vierzig Jahren Arbeit genug gemacht mit ihrem höllisch klugen Kopf! Hm, (den Kopf wiegend) die weiß alles Gestohlene und Verlorene nachzuweisen, die könnte schon Rat geben – wenn sie wollte.

 

Landry

(rasch) Sie will aber nicht, darauf könnt Ihr schwören, Vater. Ihr wisst, sie hasst unsere Familie so grimmig, dass sie eher eine Stunde Umweg macht, nur um nicht an dem Zwillingshof vorbei zu müssen. Die sagt uns nichts, Mutier.

 

Mutter

(nachdenklich) Freilich, freilich, hat auch seine Gründe! Aber – wisst ihr was? Ihre Enkelin, die kleine Grille, soll schon klüger sein als die Alte selbst; wie wär' es, wenn du die aufsuchtest?

 

Landry

(fährt zurück) Den boshaften Kobold? Gott bewahre, lieber noch will ich mit der alten Hexe zu tun haben als mit der jungen.

 

Vater

Da hat der Junge nicht Unrecht. Das ist eine ganz boshafte unheimliche Kreatur und die Plage aller ehrbaren Leute im Dorf. Sie ist neugierig wie ein Rotkehlchen, geschwätzig wie eine Elster, hässlich und faul wie eine Grille.

 

Mutter

(einfallend) Aber auch lustig wie diese, darum hat sie ja auch den Spottnamen. Lustige Kinder sind selten von Herzen böse; such' dir nur die Grille auf, vielleicht –

 

Landry

(verwirrt) Nein, Mutter – das kann ich nicht, aber ich will zur alten Fadet gehen!

 

Fanchons Stimme

(vor dem Fenster links) Putt! Putt! Putt! – Hier, mein Hühnchen, hier! Putt! Putt! Putt!

 

Vater

(aufhorchend) Wenn die Grille dem Zwillingshof jemals auf weniger als tausend Schritt zu nahe käme, so sagte ich: Das ist ihr wildes Geschrei!

 

(Ein weißes schönes Huhn fliegt durch das Fenster herein, gerade über das Zimmer, und setzt sich auf die Uhr)

 

Mutter

(fährt erschrocken zusammen) Herr Gott, was flattert da über meinem Kopf?

 

Vater

(lachend, weist auf das Huhn) Ein fremdes Huhn, das sich's bei uns bequem machen will!

 

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Fanchon wird am Fenster links vorn in alter, verschlissener, geflickter Kleidung sichtbar

 

Fanchon

Putt! Putt! Schlechtes Tier! (Sie steckt den Kopf zum Fenster herein, nur auf das Huhn sehend) Aha, du Spitzbube! Jetzt hab' ich dich! (Sie steht mit einem Satz im Zimmer und schließt schnell das Fenster hinter sich zu) Da hinaus sollst du nicht mehr, mein Puttchen. Mit Verlaub! (Sie nimmt rasch einen Schemel, ohne sich um die Anwesenden zu bekümmern, eilt zum Tisch, setzt den Schemel hinauf, trägt sich dann einen Stuhl zum Tisch, ist mit einem Satz auf dem Tisch, dann auf dem Schemel, reißt sich die Schürze ab und wirft sie dem Huhn über den Kopf)

 

(Die anderen haben ihr überrascht und erstaunt zugesehen)

 

Vater

Was machst du denn da in unserer Stube?

 

Fanchon

(packt die Henne, nimmt sie auf den Arm, sich nach ihm umwendend, trocken) Ich hole mir mein Huhn wieder.

 

Mutter

(sich von ihrem Staunen erholend, unwillig) Aber – das ist denn doch eine sonderbare Art, Grille, den Leuten in ihrem eigenen Haus zum Fenster herein zu fallen!

 

Vater

(erbost) Auf Tisch und Stühle zu springen, Kobold du!

 

Fanchon

(hat ihr Huhn sorgfältig in die Schürze gewickelt, hält es unter dem Arm, steigt während des Folgenden gemächlich herab, Stuhl und Schemel zurecht rückend. halb lustig, halb spöttisch) Es ist nicht meine Schuld, Mutter Barbeaud, dass die Reichen so sonderbare Hunde halten wie die Eurigen, die nur armer Leute Hühner zerreißen, wie sie mir schon getan, den Euren aber kein Federchen krümmen. Da es nun Eure Nero ist, der mein Hühnchen und mich hier herein hetzte, so werdet Ihr schon vergeben müssen, dass ich mein Eigentum wieder hole, wo ich es eben finden kann, und mit meinen groben Schuhen den zierlichen Zwillingshof befleckte. (Schnippisch) Ist gewiss nicht gern geschehen!

 

Vater

(barsch) Deshalb aber konntest du doch, wie jeder andere vernünftige Mensch, zur Tür herein kommen, Grille.

 

Fanchon

(keck lachend) Derweilen wäre mein Huhn zum Fenster hinaus wieder abgefahren und Freund Nero gerade in die Zähne. Nichts für ungut, Vater Barbeaud, ich tue es gewiss nicht wieder. (Spitz) Übrigens bin ich Fanchon getauft, wenn Ihr sonst einmal Lust haben solltet, mich zu rufen. Guten Tag! (Sie geht zur Mitteltür)

 

Vater

(brummend) Kecke Range!

 

Mutter

(zögernd) Höre, Fanchon, wenn dein Huhn vielleicht zu Schaden gekommen, so magst du dir ein anderes aus meinem Hühnerhof aussuchen.

 

Fanchon

(kurz) Danke. Das Hühnchen hab' ich mir vom Ei an aufgezogen, und darum hab' ich es lieb, ein anderes mag ich nicht – wenn's zehnmal schöner wäre als meins! (Zärtlich das Huhn streichelnd) Wenn mir das totgehetzt ist, kann's kein fremdes ersetzen. (Listig) Wenn Euch Eure schöner Zwilling, der Didier, verloren ginge – nähmt Ihr wohl Andours Crispin oder Germains Collinet für ihn?

 

Mutter

Du weißt von ihm?

 

Landry

(gleichzeitig) Fanchon – hast du meinen Bruder gesehen?

 

Fanchon

(sieht ihn von der Seite an, wirft die Lippen auf und wendet sich mit verächtlichem Lächeln von ihm ab) Denkt Ihr, ich würde es Euch sagen?

 

Mutter

(in zitternder Angst) Aber mir, der Mutter, würdest du doch die Liebe erweisen –?

 

Fanchon

Und warum Euch? Was habt Ihr mir Liebes getan? Die Menschen machen sich nichts aus mir, warum sollt' ich mir was aus den Menschen machen? (Lustig) Es ist so auch gut! (Plötzlich spöttisch) Fragt doch meine Großmutter, die alte Fadet, die ist ja eine »Hexe« und muss alles wissen, und wenn sie Lust hat, Euch zu sagen, wohin sich Eure ungezogener Junge verkrochen, so macht's wie ich mit meinem Huhn, holt ihn Euch, wenn Ihr ihn kriegt! (Sie dreht sich rasch um und läuft durch die Mitteltür, indem sie ruft) Putt, Putt, Putt, in den Stall, mein Liebchen, in den Stall! (Ab durch die Mitte)

 

Vierter Auftritt

Die Vorigen ohne Fanchon

 

Vater

(außer sich) Dein Glück, dass du gehst, Giftkröte! Ich könnte den kecken Balg erwürgen!

 

Mutter

(gutmütig) Nur ruhig, Vater – sei billig, man muss Nachsicht haben mit dem verwahrlosten jungen Ding: Sie ist wild aufgewachsen, seit ihre Mutter mit dem Soldatendoktor davonlief, und wird viel geplagt um dieses schlechten Weibes willen; die Grille kann doch nichts für ihr Vergehen.

 

Landry

(der seinen Zorn immer niederkämpfend zur Seite stand) Mutter, es geschieht ihr recht, sie will's nicht anders haben. Aber – (entschlossen) ich versuch's – ich gehe zur alten Fadet. (Er wendet sich zum Gehen)

 

Mutter

(ängstlich) Sei auf deiner Hut, dass sie dich nicht mit dem bösen Auge ansieht.

 

Landry

Bah! wird mir den Kopf nicht abbeißen. (Ab durch die Mitte)

 

Vater

(zornig) Mutter, das sag' ich dir, diesmal sollst du den Burschen nicht retten; wenn ihn Landry heimbringt, so soll er ein Gericht Prügel genießen, wie er keines geschmeckt, seit er auf der Welt ist, um uns zu ärgern!

 

Mutter

Ach, Vater, wenn er nur erst da ist, dann lass den ausgehungerten Jungen sein Abendbrot essen, dein Gericht (lachend) könnte indes kalt werden! (Sie nimmt ihn am Arm)

 

(Vater brummt und schüttelt den Kopf)

(Beide gehen durch die Seitentür rechts ab)

 

Verwandlung

Freie Gegend. Rechts auf einem kleinen Hügel die Hütte der alten Fadet, von Bäumen überdacht. Links gradaufsteigende Felswände, vorn ein kleiner praktikabler Hügel oder Steinbank. Quer im Mittelgrund läuft ein schmaler Fluss, von Schilfgras und hohen Wasserpflanzen begrenzt; einige Stufen führen nach einer ländlichen Brücke, die sich schräg von der rechten Seite zur linken hinüber zieht zu einem Fußsteig, der in die Höhe führt und links in den Felsen verschwindet. Die ganze linke Seite besteht aus Felsstücken und wenig Baumwuchs, die rechte ist von Bäumen begrenzt; die Mitte hinter dem Flüsschen mit Erlen und Gestrüpp bedeckt; tief im Hintergrund eine freie, von Wasser durchschnittene Gegend. Abendröte

 

Fünfter Auftritt

Die alte Fadet und Martineau, ein rüstiger Bauer, kommen von rechts hinter der Hütte.

 

Fadet

(Greisin von einigen sechzig Jahren mit scharfen, stark markierten Zügen, trägt ein rotes Tuch um den Kopf, worunter einzelne verworrene graue Haare hervorhängen, einen grauen Rock, schwarze Überjacke, ein gelbes Tuch um den Hals, graue Schürze, alles alt, zerflickt, bettelhaft; sie geht gebückt an einem Krückstock, ihre Stimme spitz und gellend) So, so! Der Mathieu hat also die bösen Krämpfe wieder? Ei, ei!

 

Martineau

Ja, Mutter Fadet, leider Gott!

 

Fadet

(lächelt tückisch) Dann habt Ihr dem armen Jungen mein Kräutersäftchen nicht gegeben.

 

Martineau

(verdutzt) Ei freilich, Mutter Fadet.

 

Fadet

(stützt sich mit beiden Händen auf den Stock, feierlich) Ihr habt es ihm dreimal gegeben: beim ersten Hahnenschrei, mittags beim Zwölf-Uhr-Läuten, und während es Mitternacht schlug, da der Mond voll wurde?

 

Martineau

(noch verdutzter) Gewiss, Mutter Fadet – so haben wir's gemacht.

 

Fadet

(richtet sich auf) Ihr lügt, Vater Martineau, Ihr habt ihm den Saft nicht gegeben, sonst wär' er jetzt gesund. Hab' ich Euch jemals Asche für Holz, Sand für Mehl verkauft? Haben Euch meine Mittel nicht jederzeit das Vieh kuriert?

 

Martineau

Ja, das Vieh, aber der Mathieu –

 

Fadet

Denkt Ihr, der habe ein anderes Eingeweide als Eure schwarzer Stier? Tiere sind wir alle – wir gehen auf zwei Beinen, das ist der ganze Unterschied. (Zornig) Wenn ich nun Eurem Vieh half, warum sollte ich Eurem unglücklichen Jungen nicht auch helfen können?

 

Martineau

(kratzt sich hinter den Ohren) Ja, das meinte ich auch. Aber der Bader sagte: »Das sei lauter Teufelsspuk und Hexenwerk, er wolle den Jungen fein christlich kurieren«, und so warf er uns das Fläschchen zum Fenster hinaus!

 

Fadet

(wütend, stampft mit dem Fuß) Was? Was? Den kostbaren Saft? (Grimmig) Geht Eurer Wege, Dummkopf, was wollt Ihr jetzt noch von mir?

 

Martineau

(zieht ein Papier heraus) Na, seid nur gut! Als der Mathieu heute die Krämpfe wieder kriegte, sagte meine Frau: »Geh in Gottes Namen zur Mutter Fadet. Wenn unserem Jungen geholfen wird, ist mir's am Ende einerlei, ob christlich oder durch Hexerei, sie soll dir den Saft nochmals geben, sie wird's tun.«

 

Fadet

(schneidend auflachend) Ha, ha, ha! Sie wird's bleiben lassen.

 

Martineau

Sie wird es tun, wenn du ihr diesen prächtigen, funkelnden, blanken (wickelt bei jedem dieser drei letzten Worte Papier um Papier ab, aus dem dritten Blättchen bringt er ein neues Silberstück hervor) Fünf-Frank-Taler in die Hand drückst. (Er tut es mit saurem Gesicht)

 

Fadet

(fasst gierig danach) Fünf-Frank-Taler? (Betrachtet ihn mit blitzenden Augen und wiegt ihn auf der Hand) Der ist echt! (Sie ruft) He! Fanchon! Bring meine Apotheke heraus! – Holla! Grille! Range! Hörst du nicht? (Pause) Ist wieder nicht daheim, die Landläuferin, die faule Grille! (Sie hebt den Stock auf) Na, warte! Warte! Sollst mich spüren, wenn du erst da bist. (Sie geht gegen die Hütte) Kommt, ich will Euch den Saft geben.

 

Martineau

(im Gehen) Mutter Fadet, Ihr schlagt das Mädchen zu viel, dabei kommt nichts heraus.

 

Fadet

(im Gehen stehen bleibend) Ihr Eure