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Thomas Reich

Amputationsgeil





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Amputationsgeil

 

 

 

Amputationsgeil

 

 

 

 

 

Thomas Reich

Text 2016 © von Thomas Reich

Coverphoto © https://www.pexels.com/photo/axe-dangerous-grass-green-544458/ mit Änderungen

 

Impressum: Thomas Reich

Bachenstr. 14

78054 Villingen-Schwenningen

Über das Buch:

 

Willkommen im Gewächshaus der Schmerzen!

 

Ihr muss schon ein Stück fehlen, um sein Herz zum Pochen zu bringen. Nicht alle Frauen sind mit einem perfekten Körper auf die Welt gekommen. Doch man kann ihnen helfen. Mit sanften Worten und tiefen Schnitten. Manfred ist Gärtner von Beruf, und weiß mit einer Heckenschere umzugehen. Frauen degradiert er auf das Niveau von Pflanzen, und beschneidet ihre jungen Triebe. Bizarre Pflanzenerotik verschmilzt mit Verstümmlung in ihrer schönsten Form zu einer einzigartigen, noch nie dagewesenen Form der Perversion.

Kurze Zweige

Die Rollläden waren zur Straße geschlossen, um neugierige Blicke abzuwehren. Eine Frau kroch durch die Dunkelheit. Sie hatte weder Hände noch Füße, doch ihr Mund wusste Dinge anzustellen. Mit den Zähnen knabberte sie sanft an seinem Schaft. Mit der Zunge kitzelte sie den ersten Tropfen aus der Harnröhre. Mit den Lippen spielte sie Mütze Glatze. Ihr Schlafzimmer war ein stiller Ort. Nur das Schmatzen ihrer aufrichtigen Lust war zu hören. Die Anlage im Wohnzimmer spielte Garden of Eden von Iron Butterfly. Manfred hörte es kaum. Dies war seine schmutzige Welt der Begierden. Er hatte sie bezahlt. Für Pflanzenträume in Spitzenwäsche. Für die Erlaubnis sie benutzen zu dürfen wie es ihm gefiel.

„Gut machst du das. Und nun nimm meine Eier in den Mund.“

Sie leckte ihm die Locken aus den Haaren. Arbeitete sich weiter hinab, und rieb seinen Damm. Dann tauchte sie mit der Zungenspitze in sein braunes Loch.

„Mach langsam, sonst blühe ich dir direkt ins Gesicht.“

„Gieße mich mit deinem Saft!“

„Später. Ich will deine süßen Stummel schmecken.“

Sie war sein Engel mit den abgeschabten Flügeln. Die einzige Frau, zu der er regelmäßig ging. Allein ihr zuzuschauen, wie sie sich mit ihrer Behinderung abmühte. Machte ihn hart wie tausend Spatenstiele. Nach drei Versuchen kam sie auf ihrem eigenen Rücken zu liegen wie ein Maikäfer. Unfähig. Eingeschränkt. Gab es denn schönere Zauberworte, ihren Zustand zu erklären?

„Leck meine Stümpfe!“

Manfred liebkoste ihre Stummel, bis sie keine Phantomschmerzen mehr spürte. Dieser Freier tat ihr gut. Er gab Stumpfi das Selbstbewusstsein zurück, welches sie bei dem Unfall damals eingebüßt hatte. Für Manfred war sie kein Krüppel, sondern eine Göttin. Er fasste sie bei den Schenkeln. Oder dem, was davon übriggeblieben war. Zärtlich umspielte seine Zunge ihre Narben. Leckte Dellen und Wülste, als wären es die Poren ihrer heiligen Schleimhäute. Unbemerkt sabberte er.

„Oh, du bist so gut. Ich werde ganz feucht davon. Willst du mich ficken?“

Nichts, was er lieber getan hätte. Ihre Stummel zu spreizen und sie aufs Bett zu nageln, hilflos wie sie war. Woran er dachte? An einen fernen Garten, der nur in seinem Kopf existierte. An wunderschöne Blumen, die nach Jasmin dufteten. An seine Heckenschere, mit der er die Menschen auf das richtige Format stutzte. Manfred dachte an viele Dinge. Ein Fetisch konnte wichtiger sein als wahre Liebe. Die Kirsche auf dem Kuchen. Oder die Pflaume, wenn man so wollte. Manfred rieb sich zwischen ihren Stummeln, und nässte ihren Busch. Was einmal gesät wurde, wäre später zu ernten.


*


Wie immer lag ein Extra-Fünfer auf dem Kopfkissen. Manfred war kein typischer Freier, der auf das All-you-can-fuck-Buffet zurückgriff. Deutschland verkam zum letzten Platz der Wertschöpfungskette. Niemand wusste mehr ein gut gemachtes Handwerk zu würdigen. Manfred schielte auf Delikatessen, die andere Männer angewidert verachteten. Die Welt jagte dem perfekten Körper hinterher. Mit dicken Brüsten, einer schmalen Taille, und einem fickfreudigen Becken. Davon gab es genügend Weiber auf der Welt, für Geld oder umsonst. Manfred hingegen suchte das Besondere. Frauen mit kleinen Fehlern. Frauen mit einer Behinderung. Die dankbar waren für jede Berührung. So wie die kleine rothaarige Hure, die er und die restlichen Freier liebevoll Stumpfi nannten. Die Gute arbeitete nicht in einem Laufhaus. Wahrscheinlich hätte sie dort nicht genügend Kunden angezogen, um von ihrem Körper leben zu können. Ihr Arbeitsplatz war eine kleine Privatwohnung in der Altstadt, wo sie die Wünsche der Männer mit ihren kurzen Stummeln befriedigte.

Irgendwo in Deutschland kehrte ein Mann von der Arbeit zurück. Er mochte um die fünfzig sein, jedenfalls gingen seine Haare zurück. Dennoch kämmte er den verbliebenen Rest in die Stirn. Das meiste davon war grau. Er trug einen Schnurrbart, wie es schon sein Vater getan hatte, und Generationen von Handwerkern zuvor. Manfred arbeitete als selbstständiger Gärtner. Es gab keine Stechuhr, gegenüber der er Rechenschaft hätte ablegen müssen. Und wenn es ihn nach getaner Arbeit zu den Huren drängte, warum nicht? Manfred war überzeugter Junggeselle. An romantischen Gelegenheiten hatte es nie gemangelt. Seine sexuellen Vorlieben machten es ihm jedoch schwer. Wie oft war er auf fassungsloses Unverständnis gestoßen, und mit einem Tritt von der Bettkante befördert worden? Manfred war Amputationsfetischist. Eine Frau nach seiner Vorstellung zu finden war ein Ding der Unmöglichkeit. Er hatte seinen Pimmel gespült. Nun ging es zu den Kumpels.


*


Am Ende der Gasse lag der goldene Anker. Eine durstige Eckkneipe, die den Mittelpunkt des Viertels bildete. Wo Handwerker einkehrten wie auch Schlipsträger der nahen Volksbank. Vergilbte Blumenkelche aus Rauchglas hingen als Lampenschirm von der authentischen Holzdecke aus patinierten Kieferdielen. Auf den Tischen verwaisten die heute nicht mehr genutzten Zinnaschenbecher mit dem ziselierten „Stammtisch“-Schriftzug und Bierdeckeln der befreundeten Brauerei. Auch der goldene Anker ging mit der Zeit. Wer rauchen wollte, musste mit dem Sandeimer vor der Tür vorliebnehmen. Bei jedem Wetter, ob es Regen gab oder Schnee. Manfred verstand die neuen Gesetze nicht. War denn alle Welt verrückt geworden? Man rauchte vor der Tür. Fleisch wurde verteufelt und durch eine Masse aufgequollener Kichererbsen ersetzt. Militante Veganer machten jeden Grillplatz zu einer Kirche der Gutmenschen, wo es auf den richtigen Glauben ankam. Die Kinder ernährten sich laktosefrei und ohne Gluten in den Nudeln. Nein, er verstand diese Welt nicht mehr. Vielleicht war er ein Fossil. Manfred kämpfte sich durch das Mantelspalier der völlig überladenen Garderobe im Eingangsbereich zu seinem Stammplatz am Tresen. Dabei behielt er seinen verschwitzten Kittel an, der nach Laub und Erde roch. Ein Gärtner unterschied sich wenig von einem Totengräber. Beide waren Handwerker, und beiden haftete der Geruch frisch ausgehobener Erde an.

Zielsicher steuerte Manfred den Barhocker an, der den passgenauen Abdruck seiner Arschbacken trug. Es war ein langer Tag gewesen, wo er seinem Kumpel Walter ausgeholfen hatte. Walter arbeitete für das städtische Grünflächenamt, und suchte von Zeit zu Zeit erfahrene Aushilfen. Die seine Mannschaft unterstützten wenn das Gras in den Parkflächen hoch stand, und die Rosen frenetisch das Gitter hinaufrankten. Manfred lehnte seinen Spaten am Tresen an wie ein Cowboy seinen Gaul. Erdklumpen hingen am Blatt und Grashalme.

„Servus, Heinz. Machst mir ein Bier?“

„Helles Hefe?“

„Sieh mich an, ich bin verschwitzt von oben bis unten.“

„Also Kristallweizen. Löscht den Durst wie kein Anderes. Ich könnte dir auch ein Radler einschenken.“

„Ne, lass gut sein. Kristallweizen klingt perfekt.“

Heinz führte den goldenen Anker seit Manfred denken konnte. Das Urgestein der hiesigen Kneipenszene stellte sein Glas unter den Zapfhahn, schäumte es fachgerecht auf und schnitt die Krone mit einem Tafelmesser herunter. Knapp über dem Eichstrich kam die goldene Flüssigkeit zu stehen. Heinz meinte es großzügig mit seinen Stammgästen. Manfred nahm den Humpen stumm nickend entgegen, und ließ Heinz mit dem Kugelschreiber einen Strich auf den Bierdeckel ziehen. Viel würde nicht dazukommen. Für gewöhnlich trank er ein Feierabendbier und fuhr dann nach Hause. Es sei denn, er traf einen alten Freund. Dann konnten auch zwei oder drei daraus werden. Und eine Tüte Erdnüsse noch dazu. Dann aber ließ er seinen Wagen vor dem Anker stehen, und holte ihn am nächsten Morgen wieder ab. Die Polizei erledigte ihre Arbeit zu gründlich für seinen Geschmack. Unter seinen Fingernägeln klebte Blut. Es war drei Tage alt und sauer.


*


Walter trudelte nach ihm ein. Er nickte dem Wirt zu und zog einen Zahnstocher aus der Brusttasche, mit dem er den Dreck unter den Nägeln kratzte. Manfred betrachtete das einsame Schauspiel und verbarg seine eigenen Hände, indem er die Fingerspitzen auf dem Tresen einklappte. Es brauchte niemand von dem Blut zu wissen. Weder die Hure, mit der er geschlafen hatte, noch sein alter Kumpel Walter. Die beiden Männer verstanden sich ohne Worte.

„Hast ganze Arbeit geleistet bei den vorderen Beeten.“

„Kokarden sind recht dankbare Blumen. Kurze Wurzeln und leicht zu pflanzen.“

„Dennoch bin ich froh, dich zu haben. Und du willst wirklich keinen festen Job bei der Stadt?“

„Ich bin eine Wildpflanze. Du kannst mich nicht domestizieren wie einen Rollrasen.“

Walter knuffte ihm in die Seite und legte seine Mütze auf den Tisch. Das Schweißband war an der Krempe gelb von harter und ehrlicher Arbeit.

„Niemals würde ich Rollrasen auslegen. Lieber ziehe ich die Samen frisch, du Dreckbuddler von einem Gärtner.“

Solche Sticheleien gehörten zu ihrem Alltag. Die beiden Männer waren wie Brüder zueinander. Und ständig im Krieg. Es lag viel Freundliches in ihrem Streit.

„Wie geht es deinen Eltern?“

„Liegen unter der Erde, seit drei Jahren schon.“

„Das tut mir leid.“

„Braucht dir nicht leidtun. Ich habe ihnen ein schönes Bukett gepflanzt.“

„Du pflegst ihr Grab selbst?“

„Ich bin Gärtner. Nicht weniger hätten sie von ihrem Sohn erwartet.“

„Wie ist es passiert?“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sind halt gestorben, woran alte Leute eben so sterben. Mutter brach vor dem vollen Backofen zusammen.“

„Das ist ja schrecklich!“

„Nicht wirklich. Ich rief den Notarzt an, und setzte Knödelwasser auf. Mutter hätte es gehasst, wenn man ihr Essen einfach in die Mülltonne schabt. Posthum gesehen ist ihr der Braten gelungen.“

„Und wie reagierte dein Vater?“

„Der Notarzt holte Mutter ab und fuhr sie direkt ins Kühlhaus. Da war nicht mehr viel zu machen. Auf den Schreck haben wir erst einmal herzhaft gegessen. Der Braten war ja noch warm.“

„Es geht doch nichts über gute alte Hausmannskost.“

„Wem sagst du das? Ihren Schweinebraten vermisse ich heute noch. Mutter schmorte ihn immer mit Zwiebeln, Karotten und Zwiebeln an. Aus dem Fond goss sie ihre braune Sauce auf. Ich habe es wirklich versucht. Aber so gut wie ihr ist es mir nie gelungen. Und für einen allein lohnt sich der Aufwand nicht.“

„Was wurde aus deinem Vater?“

„Ist im Gewächshaus zusammengebrochen, drei Tage später. Er trug seine Latzhose und die Gummistiefel.“

Manfred griff zu den Salznüssen und fing sie mit dem Mund. Ein paar gingen zu Boden und wurden zertreten.

„Jungs, keine Sauerei in meinem Laden.“

„Ja, Heinz.“

Unisono senkten sie die Köpfe wie Schulkinder, die von der Lehrerin beim Spicken erwischt wurden. Manfreds Magen knurrte in die Stille hinein.

„Ich glaube ich sollte was zwischen die Kiemen bekommen.“

„Aber nicht bei mir.“

„Ich weiß. Was ist deine Spezialität des Tages?“

„Chili con Carne aus der Dose. Also die gute Dose vom Großmarkt. Dazu gibt es Toast.“

„Da muss ich passen.“

Manfred packte seine Schaufel und schulterte sie wie ein Gewehr. Beim Hinausgehen drückte er Walter die Hand.

„Melde dich, wenn du wieder etwas für mich hast.“

„Geht klar.“

Zuhause wartete ein halbes Dutzend Hähnchenschenkel, blutig am Knochen getrennt. Sie erinnerten ihn an die Stümpfe seiner liebsten Hure. Manfred streute eine Gewürzmischung darüber und schob sie in den Ofen. Die Zeit bis zum idealen Garpunkt vertrieb er sich mit Kartoffelchips. Das Huhn würde schwer im Magen liegen, aber Manfred konnte einfach nicht auf die Kruste verzichten. Dazu war sie zu lecker. Morgen erwartete er eine Lieferung Rosenbüsche. Er stellte sich den Wecker, um den Lieferanten nicht zu verpassen.

Nachtschattengewächs

Die Gärtnerei Tergast lag in einer idyllischen Stadt, irgendwo in Deutschland. Man hatte Fachwerk hier und Hochhäuser dort. War irgendwo zwischen Tradition und Moderne stehengeblieben, ohne sich für eine konkrete Richtung zu entscheiden. Sie leugneten ihre primitive Herkunft und ebneten die alte Dorfstraße zur Fußgängerzone. Aus Ställen wurden Garagen, aus Bauern kleine Kaufmannsleute. Sonntags füllten sie die Kaffeehäuser und blickten glücklich auf ihr kleines Leben. Das schmauchende Industriegebiet gehörte ebenso dazu wie das neue Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Die saftigen Rapsfelder mit ihren klebrigen Blüten. Seilspringende Mädchen übten Abzählverse. Je weniger du wirst, umso mehr werde ich sein. Kinder spielten in den Hinterhöfen mit abgeschabtem Plastik. Mütter riefen zum Essen, und es gab Kohlrouladen mit Kartoffelstampf. Ihre kleinen Gesichter waren mit Sauce verschmiert und frei von jedem Kummer. Die Stadt war zu klein, um unerkannt durch ihre Gassen zu laufen. Besonders wenn man hier aufgewachsen war. Dennoch konnte man sich nicht jedes Gesicht merken. Selbst der eigene Nachbar war einem fremd. Wer den Ball flach hielt, kam meist ungeschoren davon. Nichts war einem heiliger als die eigene Haut.


*


Schulterhohe Mauern umgaben das Grundstück. An manchen Stellen trugen die Steine tiefe Narben von Frost und Hitze, die mit hellerem Mörtel repariert waren. Über die Hofeinfahrt spannte ein vollständig mit grünen Ranken umwucherter Metallbogen. In der Mitte trug er das Gewicht des Firmenschilds. Hoch genug, dass Manfred mit dem Transporter darunter hindurchfahren konnte, ohne einen Zacken herauszuschlagen aus der Familienkrone. Über eine geteerte Einfahrt, die dringend neu asphaltiert gehörte, kam man in den zugemüllten Hof. Allerlei Gartengeräte standen wild verstreut ohne erkennbares System. Dennoch fand Manfred sich gut zurecht im Sammelsurium. Auf einer Besucherbank schlief eine Katze in der Sonne. Als Manfred aus dem Wohnhaus kam, reckte sie sofort ihr Köpfchen und strich ihm maunzend um die Füße.

„Du kriegst ja gleich.“

Wartete er zu lange, biss ihm das Biest in die Waden. Miezi war wohlgenährt und forderte immer einen Nachtisch. In seinem Büro lagerte eine Stiege Katzenfutter. Oben auf dem Schrank die besonderen Leckereien für sonntags. Ihre Toilette war die freie Natur unter den Linden. Wenn was im Fell kleben blieb, so rieb sie ihren Hintern am Rasen.

„Hühnerstücke in Gelee. Das magst du doch?“

War das Tier glücklich, so konnte Manfred an die Arbeit gehen. Satt und vollgefressen verzog sich Miezi in ihre Lieblingsecke in Manfreds Büro. Morgens sortierte er die Post und ging seine Rechnungen durch. Manchmal vermisste er eine helfende Hand. Abgetrennt in seinem Schoss und liebevoll ausgeblutet. Auch eine Sekretärin wäre nicht schlecht gewesen. Bis zu ihrem Tod hatten Manfreds Eltern in der Gärtnerei gestanden. Jetzt machte er die Arbeit für drei und konnte sich nicht dazu durchringen, einen Mitarbeiter anzustellen. Die Steuern machte ihm Fräulein Annika, ein quirliges junges Ding. Sie betreute viele Firmen in der Region. Einmal die Woche fuhr er mit einem Wust Papiere zu ihr, und sie sah sie ihm durch. Das Finanzamt schickte keine unverschämten Forderungen, also machte sie ihren Job gut. Soweit Manfred das beurteilen konnte. Buchhaltung war nicht sein Ding. Es reichte, dass er seine Rechnungen pünktlich zahlte, auch wenn ihm manchmal eine Mahnung ins Haus flatterte. Aber dann auch noch der ganze Steuermist? Nein, danke. Und bei den Pflanzen konnte er keine Hilfe gebrauchen. Dass ihm jemand zusah, wie er die Blätter streichelte. Oder seine Zunge in ihre Blüten tauchte wie eine Biene, bis er süßen Nektar schmeckte. Pflanzen waren für ihn mehr als simple Gewächse. Sie waren Mutter Natur's Gabe an seinen Fetisch.

„Ich gehe raus auf die Wiese. Magst du mitkommen, Miezi?“

Mit der Gleichgültigkeit einer erfahrenen Salonlöwin folgte ihm die Katze und kniepte ihre schmalen Äuglein in die Sonne. Auf der Wiese verlangsamte sie ihren Tritt und beschnupperte ihre Pfoten. Das Gras war Miezi nicht geheuer. Sie war eine Steinkatze, die das sichere Umfeld des gemauerten Hofs selten verließ. Manfred kraulte ihr Kinn, wo sie es besonders gerne hatte.

„Du kannst mir auch einfach nur zuschauen, wenn du magst.“

Irgendwie klang es pervers. Als wollte er sich mit den grünen Ludern ins Separee verziehen. Was er unter anderen Umständen auch getan hätte. Um diese Tageszeit fürchtete er das wache Auge des Nachbarn. Wenn er seine Pflanzen fickte.

„Na Mädels, habt ihr gut geschlafen?“

Violett stand auf dem Feld der Lavendel mit seinem betörenden Duft. Wer so viel Parfüm auflegt um einen Mann zu betören, legt es geradezu darauf an vergewaltigt zu werden.

„Reiß dich am Riemen, alter Junge. Wie willst du sonst durch den Tag kommen?“

Der Lavendel war für das Grab seiner Eltern gedacht. Manfred grub mit einer kleinen Schaufel die Wurzeln frei. Er packte sie in eine Kiste und belud seinen Privatwagen. Vielleicht konnten sie die Blumen riechen durch das feuchte Erdreich hindurch. Er wollte ihnen eine Freude machen.


*


Das gut gepflegte Doppelgrab genoss die warme Sonne einer guten Hanglage, wie sie sonst nur erlesene Weinreben bekamen. Es war das schönste Grab auf dem ganzen Friedhof. Jedenfalls was die Pflanzen anging. Die Leute sollten sehen, dass hier ein Gärtner mit seiner Frau ruhte. Und ihr Sohn sich gut um sie kümmerte. Manfred goss seine Eltern an heißen Tagen, und befestigte die Sträucher wenn es regnete. Er rechte das Laub im Herbst und zündete im Winter ein ewiges Licht.

„Ich habe euch Blumen gebracht.“

Manfred entfernte die Calla. Sie überstanden den Starkregen nicht, und waren gelb vor Wurzelfäule. Warum hatte er sie im Frühjahr gepflanzt? Weil ihre Blütenform ihn an eine Fotze erinnerte. Manfred schnüffelte an ihrem Kelch.

„Von dir habe ich meine Neigung, Vater. Ich weiß wie du die Pflanzen angesehen hast. Wenn du dich unbeobachtet fühltest.“

Jetzt wo er unter der Erde lag, konnte er ihm nicht mehr widersprechen. Zu Lebzeiten hätte er es abgestritten und Manfred eine schallende Ohrfeige erteilt. Mutter schwieg wie immer. Sie hielt sich raus, wenn ihre beiden Hitzköpfe stritten.

„Ich frage mich, wie du es vor deiner Frau verborgen hast. Oder ob du mit ihr in den Garten gegangen bist.“

Manfred pflanzte den neuen Grabschmuck und klopfte die lose Erde fest. Den restlichen Tag verbrachte er bei seinen sensiblen Damen im Gewächshaus. Später ging es zu den Huren. Aber da war die Sonne schon untergegangen. Die Pflanzen schlossen ihre Knospen. Die Nacht der Körper hatte begonnen.


*


Ein Mann fuhr in eine schlechte Gegend, die von den Einheimischen als Sperrbezirk bezeichnet wurde. Wo Frauen in kurzen Röcken und langen Stiefeln am Straßenrand auf Kunden hofften. Sie hatten Orangen und Melonen ins Netz gepackt, und nach vorne in die Auslage gerückt. Trotz allem Obst zum Schein waren sie keine Veganerinnen, sondern erfahrene Fleischfachverkäuferinnen. Ihre Ausbildung hatten sie auf dem Rücken oder den Knien absolviert. Dennoch waren sie kaum schlechter als andere, die eine richtige Schule besucht hatten. Die wenigsten der Mädchen konnten wirklich Deutsch, von ein paar dürftigen Brocken einmal abgesehen. Es reichte um Preise und Dienstleistungen zu benennen. Zur Not verständigten sie sich mit obszönen Handzeichen, die selbst ein betrunkener Rassist noch als wohlwollende Geste aufgenommen hätte.


*


„Na Süßer, was magst denn haben?“

„Da bist du bei mir falsch, Schätzchen. Branka steht auf Kuscheleinheiten. Bei mir gibt es die harte Nummer. Ich bin Milena.“

„Ist das irgendeine abgefahrene neue Stellung?“

„Jetzt hast du mich neugierig gemacht.“

„Ich mach es dir ganz günstig. Rollenspiele kosten einhundert Euro die Stunde, ohne Hilfsmittel.“

„Kostüme, Uniformen, Reitpeitschen oder so.“



„Eine Pflanze also soll ich sein. Was möchte mein starker Held denn sehen? Den Fickus? Das Leckmäulchen? Den geilen Ginster? Oder gehen wir auf der Wiese eine Runde Wicken?“

„Am besten in freier Natur. Oh, du Schlingel! Ich kenne ein schattiges Plätzchen, wo uns niemand stört.“

„Bislang hat sich keiner beschwert.“

„Danke.“



„Schön hast du's hier.“

„Ich mag das Licht. Es ist irgendwie... sinnlich.“

„Seit meine Eltern gestorben sind, mag ich das obere Schlafzimmer nicht leiden. Die meiste Zeit verbringe ich in der Einliegerwohnung.“

„Ist weniger deprimierend, als es klingt. Kommst du?“

„Du voraus.“



„Wo bin ich?“

„Du schläfst, wenn ich dir das sage.“



„Kleine Blume auf der Wiese, wirst schon bald gepflückt. Liebt sie mich? Liebt sie mich nicht? Ich muss dir die Blätter abreißen. Nur so finde ich es heraus.“

„Im Keller sind wir sicher. Oben würdest du mich verraten.“

„Nein, ich wollte ein struppiges Gewächs aus der Gosse beschneiden.“

„Du konntest laufen. Das war in einer Welt, bevor du mir über den Weg gelaufen bist.“

„Eins und eins das macht keins. Du hast noch Arme, dich zu wehren. Es tut mir wirklich leid. Aber die müssen ebenfalls ab. Ich will mich nicht an dir verletzen.“



„Verdammt, die Hose ist eh reif für die Kiste!“

„Vergiss es, T-Rex!“



„Du verdammte Fotze!“

„Das büßt du mir!“



„Ich darf doch bitten?“

„Möchtest du getopft werden?“

„Blick in die Kamera. Zeig mir deinen Zorn. Zeig mir deinen Schmerz. Baby, du bist spitze! Ich sehe dich schon auf internationalen Gartenausstellungen die feschen Stümpfe schwingen.“

„Nun lass dich nicht so hängen.“

„Klopf klopf.“

„Astern.“

„Passt er denn in den Hals.“

„Löwenmäulchen hatte ich schon immer gern.“