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Pia Engström

Frühlingsgefühle wider Willen

Liebesroman





BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Prolog

Der kleine schwedische Ort Ängerborg lag in einer flachen Talsenke und war ringsum von weiten Wiesen und Feldern umgeben, die von oben betrachtet wie ein grün-goldener Flickenteppich aussahen. Der Fluss Vattenö, der den Ortskern in der Mitte teilte, durchzog die Landschaft wie ein silbernes Band.

Etwas außerhalb, wo die Hauptstraße aus Ängerborg hinausführte, befand sich eine alte Mühle. Sie stand unmittelbar am Flussufer. Früher einmal hatte die Kraft des Wassers den schweren Mühlstein in Bewegung gesetzt. Doch schon vor vielen Jahren war die Mühle komplett umgebaut worden und stellte seither eine beliebte Anlaufstelle für Touristen dar, die eine günstige und vor allem traumhaft gelegene Unterkunft suchten.

Die Pension Björkengård.

Hier saß Lovisa Berglund, die den Gasthof zusammen mit ihrer Schwiegermutter leitete, an diesem Frühlingsvormittag am Küchentisch, vor sich eine dampfende Tasse Kräutertee.

„Also, ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mir macht der Filip ein bisschen Sorgen“, sagte Selma Berglund und setzte sich zu ihrer Schwiegertochter an den Tisch. „Findest du nicht, dass er in letzter Zeit sehr in sich gekehrt wirkt?“

Es war später Vormittag, und in der Pension war nach dem Frühstück und anschließendem Saubermachen Ruhe eingekehrt. Während die Gäste nun die schwedische Landschaft und diverse Sehenswürdigkeiten erkundeten, hatten Lovisa und Selma für einige Stunden Gelegenheit, ein bisschen auszuspannen. Zumindest an einem Tag wie heute, an dem keine Einkäufe bei den hiesigen Landwirten auf dem Plan standen. Am Nachmittag würden dann die Vorbereitungen für das Abendessen beginnen, und der Abend stand schließlich ganz im Zeichen der Gäste, um bei einem gemütlichen Beisammensein den Tag ausklingen zu lassen.

Lovisa nippte vorsichtig an ihrem heißen Tee und sah ihre Schwiegermutter fragend an. „Ich weiß nicht. Was ist denn mit ihm?“ Filip Hansson war der Inhaber eines kleinen Restaurants, das sich in unmittelbarer Nähe zur Pension befand.

Die ältere Frau zuckte mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht. Aber als ich ihm gestern Nachmittag zufällig begegnet bin, hat er nicht mal gegrüßt. Das ist doch sonst nicht seine Art. Starr geradeaus geschaut hat er, so als würde er nichts um sich herum wahrnehmen!“

„Ach, du weißt doch, wie er ist.“ Lovisa winkte lächelnd ab. „Schüchtern und immer ein bisschen introvertiert. Mit den Gedanken stets woanders.“ Sie seufzte. „Aber das hat ja auch seine Gründe.“

Das stimmte in der Tat, denn Filip war erst vor ein paar Jahren ins beschauliche Ängerborg zurückgekehrt, und das aus einem traurigen Anlass …

„Ja, das weiß ich natürlich“, erwiderte die Seniorchefin der Pension. „Aber irgendwie scheint in letzter Zeit noch etwas anderes zu sein.“

Lovisa nickte. „Wahrscheinlich ist es der Ärger mit dem Bürgermeister, der ihm zusetzt. Uns geht es ja nicht anders.“

„Du meinst wegen dem Kaufangebot?“ Selma runzelte ärgerlich die Stirn. „Meine Güte, ich weiß wirklich nicht, wo das noch hinführen soll!“

„Das wüssten wir wohl alle gern“, sagte Lovisa nachdenklich. Vor einigen Wochen hatten Selma und sie von einem Inverstor aus Stockholm ein Kaufangebot für die Pension erhalten. Der Unternehmer plante offenbar, am Stadtrand von Ängerborg einen Vergnügungspark zu errichten. Die Gerüchte darüber sorgten seither für einigen Wirbel in der Umgebung. Niemand hier konnte sich vorstellen, schon in etwa einem Jahr einen Freizeitpark praktisch vor der Haustür zu haben. Und dann die ganzen Menschenmengen, die aus allen Ecken Schwedens herkommen würden, von dem dadurch entstehenden Verkehrsaufkommen ganz zu schweigen! Doch das Ganze hatte noch mehr Schattenseiten, denn um den Park errichten zu können, würden sowohl die Pension Björkengård als auch das nahegelegene Restaurant weichen müssen.

Der Unternehmer argumentierte damit, dass durch den Park der Tourismus angekurbelt wurde, und die Aussicht darauf war natürlich etwas, das auch Bürgermeister Rikard Görman und dessen Unterstützer lockte. Sowohl die Berglunds als auch Filip Hansson zogen einen Verkauf ihrer Grundstücke nicht in Betracht, die Frage war bloß, wie lange sie dem stärker werdenden Druck der Gegenseite würden standhalten können.

„Der Gunnar hätte diesen Leuten was erzählt, das sag ich dir!“

Selmas Worte rissen Lovisa aus ihren Gedanken und versetzten ihr einen schmerzhaften Stich. Gunnar Berglund war ihr Mann gewesen. Vor zwölf Jahren war sie nach einigen privaten und auch beruflichen Turbulenzen aus Stockholm hierher geflüchtet, um in der Abgeschiedenheit neue Kräfte zu tanken. Die fand sie auch rasch, und nicht nur das: Sie verliebte sich auch. Und zwar in Gunnar, der die Pension, in der sie untergekommen war, zusammen mit seiner Mutter leitete. Selma und er nahmen sie sofort herzlich in die Familie auf, und Lovisa schwebte wie auf Wolken, als Gunnar ihr schon bald einen Heiratsantrag machte. Sie sagte Ja und begann in Ängerborg ein neues Leben.

Vor drei Jahren starb Gunnar dann bei einem tragischen Autounfall. Seitdem führten Lovisa und Selma die Pension allein weiter. Das Leben für die Gäste half den beiden Frauen immer wieder dabei, mit dem schweren Verlust zurechtzukommen und Gunnar in guter Erinnerung zu behalten. Zurzeit aber dachte Lovisa besonders oft an ihren verstorbenen Mann, denn in diesem Jahr hätte sich ihr Hochzeitstag zum zehnten Mal gejährt.

Sie riss sich aus ihren trüben Gedanken und lächelte ihrer Schwiegermutter aufmunternd zu. „Wir zwei werden damit schon fertig“, sagte sie und trank ihren Tee aus. „Gemeinsam werden wir Gunnars Lebenswerk in Ehren halten, das verspreche ich dir.“