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Melina D`Angeli

Finale

Küssen kann man nicht alleine (4)





BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Titel:

Küssen kann man nicht alleine:

Finale (4)

von Melina D’Angeli

 

Text Copyright © 2016

Alle Rechte vorbehalten

 

Coverbild: Love is everywhre © Artistan – Fotolia.com

Fassung: 1.0

 

Die Geschichte ist frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und/oder realen Handlungen sind rein zufällig.

Ein jeweils großes Dankeschön geht an:

Thomas Herzberg (als Co-Autor, Ratgeber und hemmungsloser Kritiker)

Birgit (meine neue Testleserin aus dem schönen Elsass)

Lektorat, Korrektorat: worttaten.de – Michael Lohmann

Inhalt

 

Finale!

Was soll das denn bedeuten? Und wer sagt eigentlich, dass ich schon so weit bin?

Es ist wohl nicht übertrieben, buchstäblich von Rettung in letzter Sekunde zu sprechen. Diese Notoperation hat nicht nur mir, sondern auch meinem Kind das Leben gerettet. Aber solch eine Geburt – ganz gleich, auf welchem Wege – ist ja letztendlich auch nur der Anfang von etwas Neuem.

Aber wovon?

Das kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen. Nur eine Sache steht fest: Sämtliche Männer können mir mal herzlich gern den Buckel runterrutschen. Irgendwie kommt mir dieses Stadium seltsam bekannt vor. Aber es wäre doch gelacht, wenn es nicht auch ohne Mann ginge. Bei Lesben funktioniert das doch auch. Selbst ist die Frau!

 

Ob das gutgehen kann? Auch im letzten Teil der Reihe wird Susanne mit allerlei Problemen konfrontiert, auf die sie gewohnt unkonventionell reagiert. Am Ende bleibt nur die Frage, ob sie – wenn überhaupt, dann durch Zufall – ihr eigenes kleines Happy End findet oder komplett Schiffbruch erleidet. Wer das herausfinden möchte, ist herzlich eingeladen …

 

Melina D’Angeli: Die Serie Küssen kann man nicht alleine ist mein erster Schritt auf eigenen Füßen. Zuvor ist Der Prinz auf dem Fahrrad erschienen, den ich – zusammen mit meinem lieben Freund und Kollegen Thomas Herzberg – veröffentlicht habe.

Meine Bücher beschäftigen sich übrigens mit ganz normalen Frauen, die – außerhalb von Model-Maßen, Silikon-Tuning oder Botox – mit dem Leben und seinen alltäglichen Herausforderungen zu kämpfen haben. In dieser Welt haben auch die wenigsten Männer einen Waschbrett-Bauch oder fahren Porsche … ;)

 

Am Ende des Buchs folgt noch eine kleine Leseprobe von ›Der Prinz auf dem Fahrrad‹

Alle Bücher von Melina D’Angeli

Aus der Reihe Küssen kann man nicht alleine:

 

 

Unter Melanie Schubert:

 

 

Aktuelle Informationen, Newsletter-Service und Aktionen findet ihr (noch) auf der Homepage von Thomas Herzberg, der mich dort als Gast aufgenommen hat :)

 

ThomasHerzberg.de

1

 

Das muss der Himmel sein! Das kann nur der Himmel sein, was sonst?

Rund um mich herum flogen possierliche Engel, umgeben von riesigen Wolken, die wie Watte aussahen. Ähnliche Bilder kannte ich von meinem achtzehnten Geburtstag. Zwei selbst ernannte Freunde hatten eine gewaltige Wasserpfeife mitgebracht und die in der Runde herumgehen lassen. Ich hatte keine Ahnung, was da qualmte und so fürchterlich stank. Aber auf jeden Fall hinterließ dieses Kraut in meinem Kopf eine vergleichbare Stimmungslage. Irgendwann war alles rosa und nichts erinnerte mehr an Normalität.

Ein Stück rechts von mir sah ich ein weißes Pferd mit wallender Mähne, die fast bis zum Boden reichte. Seine Hufe flogen über die Wolken und verursachten einen Takt, der beinahe wie Musik klang. Ich lachte, ohne dabei ein Geräusch von mir zu geben. Spürte innerlich, wie dieses Paradies immer mehr von mir Besitz ergriff. Als ich dann aber die Reiterin erkannte, platzte der rosarote Traum von einem Moment zum anderen: Meine Mutter saß auf dem verfluchten Gaul und lachte, wie die Hexe Schrumpeldei es auf meinen Märchenkassetten getan hatte. Das Märchenland geriet urplötzlich ins Wanken. Riesige dunkle Wolken zogen auf, Blitze schlugen zu Boden, und es war klar, dass sie dort einiges an Verwüstung hinterlassen würden. Plötzlich kamen auch Schreie hinzu. Mein Körper zitterte und wurde von einer Seite zur anderen geworfen. Jetzt rief sogar jemand meinen Namen.

»Susanne ... Susanne ...«

Widerwillig öffnete ich meine Augen, bis durch winzige Schlitze ein wenig Licht in meinen Verstand sickerte. Ich sah einen blonden Lockenkopf und glaubte, ein wunderschönes ebenmäßiges Gesicht über mir zu erkennen.

Ob das Jesus war? Der Heiland höchstpersönlich, der sich die Mühe machte, mich an seiner Hand durch die Himmelspforte zu geleiten?

»Susanne!«

Wieder diese Stimme, nicht mehr ganz so sanft wie zuvor. Ich schaffte es, meine Augen ein Stück weiter zu öffnen. Aus dem blonden Lockenkopf wurde von einem Moment zum anderen das, was man landläufig als Hausfrauen-Dauerwelle bezeichnet. Und auch das Gesicht über mir würde sich über das regelmäßige Auftragen einer Faltencreme vermutlich freuen.

»Susanne! Kannst du bitte endlich aufwachen ... wie soll der kleine Kerl neben dir denn bei dem Lärm schlafen?«

Meine Freundin, Conny. Das Feingefühl eines neufundländischen Robbenjägers gepaart mit dem sanften Gemüt einer Abrissbirne.

»Haapich kechnarcht?« Mein Mund war knochentrocken. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, als würde meine Zunge am Gaumen festkleben. Blieb die Frage, ob sie jemals bereit wäre, sich wieder davon zu lösen.

»Kannst du nicht wie jeder andere Mensch reden?« Conny reichte mir ein Glas Wasser. Plötzlich erkannte ich in ihrem Gesicht, dass sie wusste, mit welchem Problem ich aktuell kämpfte. »Trink erst mal einen Schluck, Schätzchen.«

Ich tat, wie befohlen. Danach prüfte ich die Funktionsfähigkeit meiner Zunge ... müsste passen. »Hab ich geschnarcht?«

Conny lachte. Bevor sie antworten konnte, musste sie sich erst mal wieder einbekommen. »Ich hab dich schon gehört, als ich durch die Eingangstür der Station gekommen bin.«

»Also bin ich noch immer im Krankenhaus?« Zum ersten Mal öffnete ich meine Augen vollständig und schaute mich einen kurzen Moment lang um. Links neben meinem Bett stand ein weiteres Miniaturexemplar derselben Gattung. Darin lag mein Sohn, seines Zeichens Stammhalter der Ziegler-Dynastie. Nach zweiundsiebzig Stunden auf der Säuglings-Intensivstation hatte man ihn gestern für kräftig genug erklärt, bei mir im Zimmer ruhen zu können. Die drei Tage ohne mich hatte er übrigens meiner Mutter zu verdanken. Die hatte darauf bestanden, alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Dazu gehörte auch die Verlegung in diese Gefängniszelle, in der ich lag – andere nennen es wohl Einzelzimmer, aber das kommt am Ende doch aufs selbe hinaus.

Seitdem der kleine Mann neben mir lag, hatte ich es nur selten geschafft, mit dem Heulen aufzuhören. Gestern Nachmittag, als meine Tochter Franzi und ihr kleiner Pierre mich besucht hatten, gab es ein paar wenige tränenlose Momente. Und abends, beim Fernsehen, weil ich durch den Schleier irgendwann kaum mehr etwas sehen konnte. Das Wunder neuen Lebens. Man kann es wohl nur dann verstehen, wenn man beteiligt ist und es nicht nur als Zaungast erlebt.

Ich war gerade erst aus der Vollnarkose erwacht, da stand schon Dr. Feigenbaum an meinem Bett und hielt eine ganze Weile wortlos meine Hand. Und ich erinnere mich nur an einen einzigen Satz, der sich seither wie eine alles dominierende Tatsache in meinem Kopf fest verankert hatte: »Es ist alles gut gegangen, Frau Ziegler.«

 

»Hat er endlich einen Namen?« Conny baute sich neben dem Kinderbett auf. Vorsichtig zog sie den Arm des Namenlosen empor und deutete auf das blaue Plastikband, das am winzigen Handgelenk baumelte.

Ich schüttelte nur den Kopf. Ein weiterer Schwall von Tränen hätte jedes Wort ohnehin erstickt.

»Vielleicht wird es langsam Zeit, Süße.« Conny kicherte vor sich hin. »Stell dir vor, er kommt irgendwann zur Schule und hat immer noch keinen Namen. Wie sollen ihn die Lehrer denn dann ansprechen?« Sie ließ den Arm ins Bettchen zurückfallen und schob sich daran vorbei, um nun direkt an meiner Seite Position zu beziehen. Ich spürte ihre Rechte auf meinem Kopf, ihre Linke lag auf meiner Brust.

»Gibt es irgendwas, das du mir bis jetzt verschwiegen hast?«, presste ich an Tränen und Rotz vorbei. Unterdessen hypnotisierte ich ihre Finger, die sich mittlerweile sogar rhythmisch auf einer meiner Tankstellen bewegten.

»Oh!« Conny riss ihre Hand erschrocken zurück und stopfte sie kurz entschlossen in die Tasche ihrer Jeans. »Das war ganz in Gedanken.«

»Da bin ich aber froh!« Ich lachte. Für einen Moment waren die Tränen vergessen. »Ansonsten hätte ich auch keine Ahnung, wie ich das deinem Pierre erklären soll.«

»Er wollte eigentlich mitkommen, um nach dir zu schauen«, sagte Conny in nachdenklichem Ton.

»Und ... was hat ihn davon abgehalten?«

»Ich!«

Anstelle einer Frage zuckte ich nur mit den Schultern, das sollte wohl ausreichen.

»Hab gedacht, du wolltest noch ein bisschen deine Ruhe.« Conny deutete auf das kleine Bettchen neben meinem. »Seitdem der Lütte bei dir liegt, hast du ...«

»Was?«

Conny druckste eine Weile herum. Ich kannte dieses Gesicht nur zu gut. Auf der einen Seite brodelte es in ihr. Dort drängte die schonungslose Wahrheit auf Auslass. Ganz so wie Lava, die endlich alles rund um den Vulkan aufs Neue verwüsten wollte. Aber irgendwo tief in meiner Freundin – an einem Ort, den die Sonne wahrscheinlich nur einmal im Jahr für einen kurzen Moment erreichte – war auch ein letzter Funken Feingefühl am Leben geblieben.

»Sag schon!«, forderte ich sie grinsend auf. »Ich kann mit der Wahrheit umgehen.«

»Seit wann das denn?« Jetzt grinste auch Conny und ich kann es ihr nicht mal verübeln. Sie holte tief Luft, vermutlich der Anfang eines gründlichen Rundumschlags.

»Vielleicht lässt du’s doch lieber. Ich weiß ohnehin, was kommt.« Ich wollte ihr zuvorkommen.

»Na, was glaubst du denn?« Meine Freundin verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie war neugierig und im Empfangsmodus. »Spuck’s aus, Baby!«

»Die Frage ist doch immer dieselbe«, begann ich in gelangweilten Ton. »Du willst von mir wissen, wie es weitergehen soll, richtig?«

Conny nickte zuerst nur. Als sich ihr Mund dann öffnete, wurde mir klar, dass sie es dieses Mal sogar genauer wissen wollte. »Da liegt dein Sohn.« Sie deutete mit dem Finger auf das kleine Bettchen. »Wenn du es in drei Tagen nicht mal schaffst, ihm einen Namen zu verpassen, dann frage ich mich – wohl nicht ganz zu Unrecht –, was passieren soll, wenn sie dich hier vor die Tür setzen.« Connys Gesicht leuchtete im Halbdunkel.

Ich kannte meine Freundin gut genug um zu wissen, dass sie längst noch nicht fertig war. »Bernd ruft mich jeden Tag drei Mal an. Für Franzi und deine Mutter könnte ich mittlerweile eine Standleitung einrichten und ich bin ...«

Kurz entschlossen packte ich Connys Hand und drückte sie so kräftig, wie ich konnte. Erneut liefen mir die Tränen in Bächen herunter, aber davon wollte ich mich in diesem Augenblick keinesfalls abhalten lassen. »Ich liebe dich, Süße!« Jedes einzelne Wort war, als würde meine Stimme es in Stein meißeln. »Ich liebe dich und ich danke dir für alles, was du für mich getan hast, tust und tun wirst.«

»Ich war noch nicht fertig!«, protestierte Conny lachend. »Sonst hättest du wohl auf das ›Tun wirst‹ lieber verzichtet.«

Ich schaute meine Freundin an. Ihr Gesicht machte klar, dass sie den letzten Satz nicht ernst meinte. Trotzdem erkannte ich unverändert die dringende Aufforderung, Farbe zu bekennen.

»Hans Martin«, flüsterte ich.

Connys Miene verfinsterte sich abrupt. Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, was dieser Name überhaupt bedeuten sollte. »Das ist doch nicht dein Ernst! Wenn du ihm das antust, dann nehme ich jetzt ein Kissen und erlöse ihn lieber gleich vom Elend, das du mit solch einem Namen programmierst.«

»Frederick?« Es wurde Zeit, so schnell wie möglich einen ernsthaften Vorschlag hinterherzuschieben. »Dann könnten ihn seine Freunde später Freddy nennen.«

»Freddy Krueger, oder was?«

Auch diese Idee schien Conny nicht wirklich zu gefallen. Deshalb wühlte ich in meinem Gedächtnis, um die Ergebnisse der letzten Tage hervorzuholen. »Thomas? Dann wäre er später vielleicht ein Tom ...«

»Glückwunsch!« Meine Freundin heuchelte Begeisterung. »Thomas heißt ja auch nur jeder zweite oder dritte. Außerdem ...«

»Lass mich bloß mit deinen Exfreunden in Ruhe«, pöbelte ich sie künstlich an. »Wenn wir danach gehen, dann muss ich den armen Kerl am besten Jesaja oder doch Hans Martin nennen, damit du dich nicht an irgendeinen deiner Stecher erinnerst.«

Conny sprang auf und hatte die Türklinke in der Hand. »Das reicht!«

Ich schaute sie angsterfüllt an. War ich wirklich zu weit gegangen oder foppte mich meine Freundin nur? »Seh ich dich irgendwann wieder?«, flüsterte ich mit filmreifer Stimme.

»Morgen Mittag.« Ihr Ton war noch grenzwertig. »Ich bring dir auch ein paar neue Illustrierte mit ... sind keine Kreuzworträtsel mehr da.«

2

 

Conny war gerade auf dramatische Weise entschwunden, da läutete Oberschwester Rabiata zum Abendessen. Zusammen mit trockenem Vollkornbackwerk, Gemüse und Kamillentee gab mir auch Dr. Feigenbaum – vermutlich ein letztes Mal an diesem Tag – die Ehre.

»Wie geht’s?«, fragte er und schenkte mir ein Lächeln dazu. Im Laufe der vergangenen Tage hatten der junge Arzt und ich fast so etwas wie Freundschaft geschlossen.

Trotzdem bekam er keine Antwort, sondern nur eine Geste, die auf ›so lala‹ hindeutete.

»Sie müssen sich langsam entscheiden ...«

»Das hat meine Freundin auch gesagt ... die ist gerade weg.« Ich deutete zur Tür, als wollte ich auch den Arzt durch ebenselbe nach draußen verbannen. »Was habt ihr denn alle gegen mich?«

Dr. Feigenbaum runzelte die Stirn. Anstelle einer Antwort sah ich nur seinen Finger, der vorsichtig auf mein Schmuckkästchen zeigte.

»Ach so, Sie meinen wegen der weiteren Operation.«

»Falls Sie noch weitere Kinder planen, müssen wir noch mal ran.« Die Stimme des Arztes klang ganz behutsam. Gerade so, als wollte er direkt loslegen. Ferkel!

»Weitere Kinder?« Vermutlich reichte schon mein Gesicht aus, um meine Gedanken eins zu eins widerzuspiegeln. »Halten Sie mich für verrückt?«

Dr. Feigenbaum wippte mit dem Kopf hin und her. Und auch wenn mir seine Antwort nicht gefiel, er hatte sicherlich allen Grund, an meinem Verstand zu zweifeln.

»Falls wir auf eine neue Operation verzichten, besteht dann irgendeine zusätzliche Gefahr für mich? Ich meine ... außer dass mir weiterer Nachwuchs erspart bleibt?«

Nach kurzem Überlegen schüttelte der Arzt nur den Kopf. Das reichte mir schon als Antwort aus.

»Und wann werde ich dann aus diesem Gefängnis entlassen?« Ein Spaß, den ich mir einfach geben musste. Dr. Feigenbaum sah tatsächlich ein bisschen gekränkt aus, lächelte kurz darauf aber, nachdem er feststellte, dass es sich nur um eine meiner üblichen Geschmacklosigkeiten handelte.

»Prinzipiell spricht nichts dagegen«, stellte er in sachlichem Ton fest. »Aber Ihre ...«

»Meine Mutter hat in der Sache nichts zu melden!« Meine Augen funkelten wohl vor Wut, denn sogar Dr. Feigenbaum wich ein Stück vor mir zurück. »Vielleicht haben Sie es noch nicht festgestellt … sie ist der Antichrist.« Meine Stimme klang wie in einem Horrorfilm. Fehlte nur noch, dass rundherum der Strom ausfiel und draußen vor den Fenstern plötzlich ein fürchterliches Gewitter heraufzog.

Der Arzt lächelte. Eine Mischung aus Mitleid, Verständnis, aber auch Skepsis. »Ich habe Ihre Mutter jeden Tag ein paar Mal am Telefon«, stellte er mit matter Stimme fest. »Und falls ich das sagen darf … für einen Antichristen ist sie schon sehr fürsorglich.«

»Alles Täuschen und Tarnen«, flüsterte ich und schüttelte danach nur noch den Kopf. »Stellen Sie sich doch mal vor, der Teufel würde herumlaufen und sagen: Hallo, ich bin der Teufel!«

Kurze Pause, von einem intensiven Schnaufen garniert. Klar war, dass mein Arzt in dieser Hinsicht aufgegeben hatte. Und es klang nicht unbedingt fröhlich, als er mir jetzt ein Friedensangebot unterbreitete: »Dann sagen Sie mir einfach, wann Sie wollen ...«

»Was will ich wann?«

»Ihre Entlassung ...« Feigenbaum schenkte mir ein breites Grinsen. »... aus diesem Gefängnis. Erinnern Sie sich?«

»Morgen?«, presste ich vorsichtig heraus.

»Wissen Sie denn, wo Sie danach hinsollen?« Plötzlich wirkte der Arzt – sicherlich gute zehn Jahre jünger als ich – wie ein Vater. Aufrichtige Sorge füllte sein Gesicht. Ärzte sind eben auch nur Menschen, also ... manche davon.

»Nach Hause«, sagte ich. Im nächsten Moment fiel mir auf, wie dünn und brüchig meine Stimme klang. »Wo sollte ich denn sonst hin?«

Dr. Feigenbaum kaute eine ganze Weile auf seiner Antwort herum. Als er dann den Mund öffnete und etwas sagen wollte, wusste ich, was die Stunde geschlagen hatte.

»Meine Mutter hat Sie bearbeitet, richtig?«

Er nickte vorsichtig.

»Und was hat sie gesagt?«

»Sie macht sich einfach nur Sorgen.« Der Arzt lächelte und kicherte dann sogar ein bisschen. »Selbst als Antichrist.«

Wir schwiegen beide eine ganze Weile. Irgendwann begann die Stille zu drücken. Zeit für eine Entscheidung.

»Glauben Sie denn, dass ich bei meiner Mutter gut aufgehoben wäre?«

Dr. Feigenbaum kaute auf seine Lippen herum. Er schien tatsächlich angestrengt zu überlegen. »Langfristig würde ich das wohl auch nicht aushalten«, flüsterte er, als hätte er Angst vor unerwünschten Zuhörern. »Aber ich halte es für besser, dass Sie – zumindest am Anfang – rund um die Uhr ein bisschen Fürsorge erhalten.«

»Was ist mit meiner Tochter?«

»Die hat doch selbst Nachwuchs und alle Hände voll zu tun.«

»Können Sie das denn nicht machen?«, fragte ich im Ton einer zickigen Fünfzehnjährigen. »Sie können auch gerne bei mir einziehen.«

»Ich fürchte, da hätte meine Freundin was dagegen. Was meinen Sie?«

»Dass Weiber auch immer so kleinlich sein müssen.« Ich lachte, bis ich keine Luft mehr bekam. »Vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht. Eine oder zwei Wochen werde ich es schon aushalten und danach geht es heim ins Reich.«

»Reich?« Dr. Feigenbaum musterte mich stirnrunzelnd. »Habe ich da irgendwas versäumt?«

»Meine Burg, mein Schloss ... meine bescheidene Hütte …«

»Okay, dann bin ich ja beruhigt.«

Mein Wohltäter hatte die Türklinke in der Hand, als es mir gelang, ihn noch mal zu stoppen. »Was halten Sie eigentlich von Christian? Einfach nur Christian, sonst nichts.«

Der Arzt deutete auf das kleine Bettchen und machte ein fragendes Gesicht dazu.

Ich nickte. »Christian?«

»Finde ich gut!« Doktor Feigenbaum lächelte. »Und es wäre mal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Glückwunsch und ... gute Nacht!«