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Sanja Lombardi

Nenn mich Charly

Hardcore-Thriller-Novelle


Für die, die mir am Herzen liegen


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Nenn mich Charly

 

 

 

 

Hardcore-Thriller-Novelle

 

von

 

Sanja Lombardi

 

 

 

Deutsche Erstausgabe August 2016

alle Rechte vorbehalten

 

Diese Geschichte ist frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen

sind zufällig und von der Autorin nicht bebsichtigt.

 

 

 

 

Kapitel 1

 

 

Das Drama einer Ehe, das ist nicht die große Erschütterung, das sind die vielen kleinen Irritationen, die sich summieren.
(Liv Ullmann)

 

In Gedanken sah er sie auf dem blitzblanken Fußboden liegen, ihre Haut so weiß und kalt wie die Fliesen, auf denen sie ruhte. Seine heutige Tötungsfantasie war ausnahmsweise nicht in ein Schlachtfest ausgeartet, obwohl man den Tod durch Strangulation als ebenso brutal einstufen konnte. Er wollte sie leiden sehen. Und das hatte er auch, indem er sie mit ihrem eigenen Nylonstrumpf bis zur Bewusstlosigkeit würgte und sie dann wieder aufweckte. Nach dem dritten Durchgang hatte er allerdings die Lust verloren und es zu Ende gebracht, indem er den Strumpf erst zwei Minuten nach ihren letzten Zuckungen lockerte. Wie wunderschön sie als Kadaver aussah, spann Steven seinen Tagtraum weiter und verschränkte im Geiste die Hände der Leiche auf ihrem nackten Leib. Bevor er sich vor seinem inneren Auge zu weiteren Handlungen an der Toten hinreißen ließ, zoomte der Perfektionist in ihm die Szene näher heran: Sicher hatte auch dieser unblutige Tod seine Spuren hinterlassen. Es musste schließlich alles seine Richtigkeit haben. Der Hals sah zugegebenermaßen ziemlich mitgenommen aus. Doch wenn man sich nicht an den tiefen Strangulationsmerkmalen störte und den halbmondförmigen Abschürfungen ihrer Fingernägel, mit denen sie in Panik unter den Seidenstrumpf hatte greifen wollen, bot sich dem Betrachter dennoch ein apartes Bild. Okay, für die dunkelrote Gesichtsverfärbung und die Einblutungen im Augenbereich gab es aus ästhetischer Sicht ein paar Punkte Abzug.

Steven blickte auf seine Hände; fast konnte er das Würgewerkzeug zwischen seinen Fingern spüren. Er beglückwünschte sich innerlich zu seiner bildlichen Vorstellungskraft. Dieses Talent sollte er nicht brachliegen lassen, sondern für seine Zukunftspläne nutzen. Es war ihm sicherlich vorbestimmt, als Romanautor ganz groß durchzustarten. Im Geiste warf er nochmal einen liebevollen Blick auf die Leiche. So entpannt und friedlich wirkte sie. Ganz anders als im realen Leben.

Er seufzte gereizt, als die Stimme seiner verhassten Frau durchs Treppenhaus schallte und ihn aus seinen Tagträumen riss. Seit wann hatte Nora eigentlich diese Hexenstimme? Er spürte immer noch ein unangenehmes Nachbeben an seinen malträtierten Trommelfellen. Als er sie kennenlernte, glich ihre Stimme dem lieblichen Sopran eines Engels. Sie sah im Übrigen auch aus wie ein Engel. Nun ja, eigentlich eher wie eine Barockfigur, als sei sie einer Leinwand Rubens entsprungen. Er war damals sehr verliebt in sie, was ihm im Rückblick unverständlich vorkam und ihn des Öfteren an seinem damaligen Geisteszustand zweifeln ließ. Denn seine wohlgerundete Traumfrau hatte sich im Laufe der Jahre in eine magere Xanthippe verwandelt.

Ein weiteres Mal rief Nora aus voller Kehle nach den Kindern. Ihr Tonfall klang noch ungeduldiger als vorher. Verwöhntes Weibsstück. Ständig zwang sie ihm und den drei Jungs ihren Willen auf. Wehe, wenn nicht alles nach ihren Plänen lief. Steven betete, dass die Kinder jetzt endlich in die Gänge kamen und mitsamt ihrer nervtötenden Mutter das Haus verließen, bevor er gezwungen war, seine Fantasie in die Wirklichkeit umzusetzen.

Um das Ganze anzutreiben, verließ er sein Arbeitszimmer in der Mansarde, ging eine Etage tiefer und betrat das Kinderzimmer der siebenjährigen Zwillinge. Marc und Joseph waren noch mit der Suche nach einem X-Box-Spiel beschäftigt, ohne das sie nicht zu den Großeltern mitfahren wollten. Er spornte sie zur Eile an und wandte sich anschließend nach links zu der verschlossenen Türe von Anthonys Zimmer. Dahinter vernahm er die gedämpfte Stimme seines ältesten Sohns, der hingebungsvoll mit seiner neuesten Freundin telefonierte. Steven klopfte, bevor er die Klinke niederdrückte und den Kopf ins Zimmer steckte.

"Papa, raus!" Der Junge sprang vom Bett und knallte ihm die Türe vor der Nase zu.

Steven überlegte für eine Millisekunde, in das Zimmer zu stürmen, dem Jungen das Handy zu entreißen und es in hohem Bogen zum Fenster hinauszuwerfen. Er atmete tief durch, um sich zu sammeln. Das ist die Pupertät, es hat nichts damit zu tun, dass er dich nicht leiden kann, machte Steven sich Mut. Du warst bestimmt auch nicht anders in dem Alter. Trotzdem, manchmal erinnerte der Junge ihn unangenehm an seinen Schwiegervater.

"Beeil dich, telefonieren kannst du doch auch später", rief er energisch durch die verschlossene Tür. Dann lief er die Treppen hinunter in den Eingangsbereich. Nora war bereits mit dem Verladen des Gepäcks beschäftigt.

"Würdest du mir mit den übrigen Sachen helfen?" Ihre Bitte klang wie eine Forderung. Er beobachte kurz, wie sie vergeblich versuchte, einen schweren Hartschalenkoffer in den Kofferraum zu stemmen. Bevor sie das Ding noch überall verkratzte, eilte er ihr zu Hilfe und verstaute auch das restliche Gepäck im Kofferraum ihres feuerroten Mustangs. Was seine Frau für einen dreitägigen Ausflug alles mitschleppte, dachte er verwundert. Na ja, Nora hatte schon seit jeher einen Hang zum Übertreiben.

In der Zwischenzeit waren auch die Kids aufbruchbereit. Anthony nahm von dem Trubel um ihn herum kaum Notiz, sondern war immer noch mit seinem Handy beschäftigt. Wenigstens die Zwillinge verabschiedeten sich von ihrem Vater auf gewohnt stürmische Weise. Noras Unmut über die liebevolle Tollerei äußerte sich an den aufeinander gepressten Lippen, was ihrem ansonsten hübschen Mund in eine strichförmige Karikatur verwandelte. Steven versuchte trotzdem, ihr ein Küsschen aufzudrücken, doch sie wandte im letzten Moment wie zufällig den Kopf, so dass sein Mund nur ihre Wange streifte.

"Bis bald, Steven", meinte sie beim Einsteigen. Kein Ich liebe dich oder Pass auf dich auf. Wenigstens den Kindern zuliebe konnte sie doch die aufopferungsvolle Ehefrau spielen, dachte er verdrossen. Offenbar kam sie zu derselben Ansicht und warf ihm ein halbherziges Kusshändchen zu. Er winkte dem davonfahrenden Wagen so lange nach, bis er am Ende der Straße um eine Kurve verschwand.

Kapitel 2

 

Wenn eine Frau in ihrer Ehe unglücklich ist, rasselt sie solange mit ihren Ketten, bis sie jemand hört.
(Alexander Engel)

 

Nora drehte das Radio leiser und warf einen gereizten Blick in den Rückspiegel. Über die Köpfe der Zwillinge hinweg erblickte sie Steven, der noch immer in der Einfahrt stand und winkte. Mit Genugtuung sah sie seine Gestalt um die Kurve verschwinden und atmete erleichtert auf. Mein Gott, was hatte sie nur jemals an diesem Weichei gefunden? Lange Zeit hatte sie es vor sich selbst nicht zugeben wollen, doch heute wusste sie, dass die Heirat mit Steven ein Griff ins Klo war. Sie passten einfach nicht zusammen.

Während sie mit nur mit halbem Ohr dem fröhlichen Geplapper der Kinder lauschte, dachte sie an ihre Jugendzeit zurück. Hätte sie damals nur auf ihren Vater gehört, anstatt sich aus reinem Trotz in diese Ehe zu stürzen! Papa hatte von Anfang an keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen den Auserwählten seiner jüngsten Tochter gemacht. Das lag natürlich in erster Linie daran, dass Steven kein Sizilianer war, acht Jahre älter als sie und noch dazu ein Intellektueller, wie Papa es abfällig ausdrückte. Ein Mathematikprofessor.

"Dieser Lehrer wird dir nichts bieten können", hatte er gewarnt, als sie ihn über ihre Heiratsabsichten informierte. Wie recht er doch hatte! Doch je intensiver ihr Vater sich gegen die Beziehung stellte, desto mehr trieb er sie in Stevens Arme. Als sie keinen Ausweg mehr wusste, ließ sie sich kurzerhand von ihm schwängern. Jetzt musste ihr alter Herr der Hochzeit zustimmen, ob er wollte oder nicht.

Sie warf einen liebevollen Blick auf den Beifahrersitz zu Anthony. Er trug nicht nur den Namen seines Großvaters, sondern hatte auch dessen mediterranes Aussehen und den starken Charakter geerbt. Wie ihre Kinder wohl aussehen würden, wenn sie statt Steven Romolo geheiratet hätte? Dieser war der eigentliche Wunschschwiegersohn ihres Vaters. Er war über ein paar Ecken mit Noras Familie verwandt, was aber nicht weiter schlimm war: In den Kreisen der Morettis blieb man gerne unter sich und heiratete jemanden aus dem eigenen Heimatort, bevorzugterweise irgendeinen weitläufigen Verwandten. Romolo war damals ein pickeliger Möchtegerngangster, der trotz seiner kleinen Statur gerne großspurig auftrat und und sich für den Ladykiller schlechthin hielt. Nora bekam bei seinem bloßen Anblick Gänsehaut. Gegen ihn war der schüchtern auftretende Steven ein wahrer Adonis. Nora hatte sich sehr geschmeichelt gefühlt, als der großgewachsenen Amerikaner mit der eleganten Kopform, dem sandfarbenen Haar und den gescheiten graue Augen anfing, ihr den Hof zu machen.

Heute verhielt es sich genau umgekehrt: Steven war im Laufe der Jahre immer mehr in die Breite gegangen, seine sympatischen kleinen Geheimratsecken hatten sich in eine ausgeprägte Stirnglatze verwandelt und mit seinem Dozentengehalt konnte Nora sich nur wenige Wünsche erfüllen. Eine mickrige Blockhütte in der Wildnis des Bighorn National Forest und ein gebraucht gekaufter Suv waren das einzige, was er sein Eigen nennen konnte. Und wenn Noras Dad ihnen beim Kauf ihres Traumhauses im viktorianischen Stil nicht kräftig unter die Arme gegriffen hätte, würden sie wahrscheinlich immer noch irgendwo zur Miete wohnen. Romolo indes hatte sich zu einem äusserst erfolgreichen Bauunternehmer gemausert, fuhr als Zweitwagen einen Ferrari und hatte sowohl ein Ferienhaus in Santa Barbara als auch eine Villa an der Costa Smeralda. Aus dem Pickelgesicht von damals war ein ansehnliches und dynamisches Appettithäppchen geworden, und Nora würde ihn an diesem Wochenende vernaschen. Und dies nicht zum ersten Mal.

Ein schlechtes Gewissen gegenüber Steven verspürte sie deshalb nicht. Schon seit geraumer Zeit ließ ihr Sexleben zu wünschen übrig und war letztendlich ganz zum Erliegen gekommen. Seit sie sich von dem pummeligen Mauerblümchen in eine wahre Traumfrau mit Modellmaßen verwandelt hatte, schaute ihr Mann sie nicht mehr an. Mit jedem Pfund, das sie sich mit äusserster Disziplin im Fitnessstudio abstrampelte, nahm gleichzeitig seine Lust auf Sex ab. Es war wirklich paradox: Sämtliche Freunde und Bekannte beglückwünschten sie zu ihrem ehrgeizigen Gewichtsverlust, doch Steven meckerte in einem fort über ihren durchtrainierten Körper. Lustigerweise schien es, als habe er die neunzehn Kilo, die sie mühevoll abgespeckt hatte, aus Frust auf seine eigenen Hüften gepackt. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hatte aber die Tatsache, dass er am Tag ihrer lange ersehnten Brustreduktion zu Weinen anfing. Er hasste die neuen, festen Möpschen, zu denen ihr ein landesweit bekannter plastischer Chirurg verhalf. Was er an ihren alten, riesigen Eutern gefunden hatte, konnte sie beim besten Willen nicht nachvollziehen. Man konnte fast meinen, er habe damals ihre Brüste geheiratet und deren Besitzerin lediglich mit in Kauf genommen. Ihr war natürlich klar, dass sein irrationales Verhalten auf seinen dämlichen Milchspleen zurückzuführen war. Ein erwachsener Mann, der gestillt werden wollte wie ein Säugling! Um eine Stillbeziehung hatte er sie gebeten! Diesen Unsinn hatte sie ihm ganz schnell wieder ausgetrieben. Sie wollte schließlich einen Mann und kein überdimensionales Riesenbaby. Gutmütig wie sie war, hatte sie nach der Geburt der Zwillinge seinem Wunsch sogar nachgegeben und ihn eine Weile von ihrer Muttermilch kosten lassen. Wie lächerlich es ihr vorgekommen war, ihre Milch in eine Tasse auszustreichen und ihm beim Trinken zuzuschauen. Schließlich hatte er sie dazu überredet, ihn beim Sex an ihren Nippeln saugen zu lassen, was überraschenderweise sogar erotisch war, dann aber schnell unappetitlich wurde. Steven geriet jedesmal in einen regelrechten Milchrausch. Dabei drückte und walkte er begeistert ihre prallen Brüste und spritzte die weisse Flüssigkeit im ganzen Schlafzimmer herum, bevorzugterweise auf die sündhaft teure Bettwäsche, die ihr ihre Eltern zur Hochzeit geschenkt hatten. Bald fühlte sie sich körperlich überfordert; zum einen hingen die Zwillinge an ihrer Brust und des Nächtens auch noch ihr Mann. Doch es gab sogar noch eine Steigerung, als er an den Wochenenden bis zu fünf Mal am Tag gestillt werden wollte. Sein Verhalten stieß sie zunehmend ab. Dieser Muttermilch-Fetisch war in Grenzen ja ganz nett, doch Steven machte aus einem harmlosen erotischen Spielchen eine unangenehme Verpflichtung. Außerdem sorgte sie sich, dass nicht mehr genug Milch für die Babies übrig blieb. Zu ihrer Erleichterung willigte er in die von ihr gewünschte Stillpause ein. Doch eines Nachts war sie erwacht und hatte ihn dabei ertappt, wie er sich ungefragt an ihrer Brust bediente. Sie war entsetzt. Er hatte sein Versprechen gebrochen und sie zur seelenlosen Zapfanlage degradiert, an der man sich ungefragt bedienen konnte. Nach diesem schockierenden Erlebnis hatte sie die Zwillinge zügig abgestillt, so dass ihre Milch nach einigen Wochen versiegt war und Steven nicht mehr in Versuchung kam.

Dies war der Anfang vom Ende ihrer Ehe, wurde ihr im Nachhinein bewusst. Der Beziehungstod hatte sich so leise eingeschlichen, dass sie es lange nicht bemerkt hatte. Der Sex war immer noch gut, in dieser Hinsicht konnte sie sich nicht beschweren. Vor allem ihre Brüste wurden von Steven immer noch ausgiebig ins Liebesspiel einbezogen. Doch er machte mehr als einmal deutlich, dass ihm etwas Essenzielles fehlte. Nora hatte jedoch nicht die Absicht, ihre Milchproduktion erneut anzuregen, sondern konfrontierte ihn gar mit dem Wunsch nach einer Brustverkleinerung. Dass die voluminösen Dinger ihre Lebensqualität beeinträchtigten und irgendwann auch nicht mehr zu ihrer neuen, schlanken Figur passten, schien diesem Egoist völlig egal zu sein. Hauptsache, er hatte was zum Anfassen. Seit dem Eingriff rührte er sie praktisch nicht mehr an, obwohl das Ergebnis der kosmetischen Operation sehr gelungen war. Also musste er sich auch nicht beschweren, wenn sie sich die körperlichen Freuden woanders suchte, dachte Nora achselzuckend. Sie war schließlich erst neununddreißig.

Wenn nur ihr Vater mit seinen antiken Ansichten nicht wäre! Eine Scheidung kam bei den Morettis überhaupt nicht in Frage. Es war ja nicht so, dass Steven sie schlecht behandelte. Er war ihr nur ein einziges Mal untreu gewesen. Sie hatte es zufällig im Nachhinein erfahren und war daraufhin für eine Woche zu ihren Eltern gezogen. Da Papa Steven für diesen Fehltritt gehörig in die Mangel genommen hatte, blieb dieser Ausrutscher auch der einzige in ihrer sechzehnjährigen Ehe.

Jetzt waren in ihr alle Gefühle für Steven abgestorben. Für Papa war dies jedoch noch lange kein Trennungsgrund. Hai voluto la bicicletta, adesso pedala, war einer seiner liebsten Sprichwörter. Frei übersetzt: Du hast dir die Suppe eingebrockt, jetzt musst du sie auch auslöffeln. Sie musste diese Ehe wohl bis zum bitteren Ende durchziehen. Oder sich um ein vorzeitiges Ableben ihres Mannes bemühen. Am besten würde sie die Sache mit Romolo besprechen. Wenn sie denn überhaupt zum Sprechen kämen ...

Kapitel 3

 

Stille Wasser gründen tief
(Deutsches Sprichwort)

 

Steven kehrte ins Haus zurück, schnappte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und eilte wieder an seinen Schreibtisch. Endlich Ruhe! Seine Fantasie arbeitete schon wieder auf Hochtouren, während seine Finger über die Computertastatur tanzten. Er fieberte dem Ende seiner neuen Kurzgeschichte entgegen und war schon sehr gespannt auf die Lesermeinungen der anderen Forumbesucher. Diese Story war eindeutig ein Meisterwerk, das Beste, was er bisher im Laktophilieforum unter der Rubrik Geschichten gelesen hatte und überhaupt das Beste, was er jemals in seiner kurzen schriftstellerischen Laufbahn geschrieben hatte. Hoffentlich wussten das die Leser zu würdigen. In diesem milchlastigen BDSM-Thriller frönte er einmal mehr seiner geheimen Leidenschaft, der erotischen Laktation. Allerdings ging es hier etwas härter zur Sache. Sinnlichkeit und Schmerz gingen nahtlos ineinander über, die wenigen Seiten waren gespickt mit Schweiß, Tränen, Sex, Blut und natürlich Milch. Nur ein geeigneter Titel musste noch her. "Got Milk?" klang zu einfallslos, obwohl es die Sache auf den Punkt brachte. Vielleicht "Bloody Milkshake", überlegte er schmunzelnd, verwarf aber auch diesen Titel gleich wieder. Füher oder später würde ihm schon was Geeignetes einfallen. Er selbst würde die Geschichte als harten Erotikthriller mit einem Schuss Romantik deklarieren. Eventuell würde er die Story als E-Book verkaufen und die Kindle-Charts der Sparte Kurzgeschichten stürmen... Natürlich würde er eine solch explizite Erzählung nicht unter seinem richtigen Namen veröffentlichen. Er hatte schließlich einen Ruf zu verlieren. Also müsste er sich ein Pseudonym ausdenken. Vielleicht würde er dasselbe benutzen, unter dem er sich im Fetischforum angemeldet hatte: Charly.

Seufzend lehnte er sich in seinem Drehstuhl zurück und rieb sich die müden Augen. Zum Glück würde er das bevorstehende lange Wochenende ohne seine Familie genießen können. Morgen wollte er zu der Blockhütte hinauffahren um nachzusehen, ob der Sturm vom vergangenen Dienstag Schaden angerichtet hatte. Höchstwahrscheinlich würde er dort oben übernachten. Es war ja niemand da, der ihn zuhause vermissen würde.

Er stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn sich eine seiner Phantasien in die Realität verwandeln würde: Er käme, völlig erschöpft von der langen Fahrt, am Ende der Zivilisation an und eine nackte Schönheit würde die Türe öffnen und ihn lächelnd hereinbitten. Eine füllige Frau, die nur darauf wartete, ihn seinen Durst an ihren milchvollen Titten stillen zu lassen. Diese Vorstellung löste augenblicklich die gewohnte körperliche Reaktion aus, und Steven spielte eine Weile stöhnend fünf gegen einen.

Nachdem er seine unteren Regionen und die Finger gesäubert hatte, kehrten seine Gedanken zu seiner Frau zurück. Nora hatte ihn überraschenderweise nicht bedrängt, das Labor Day Weekend bei ihren Eltern zu verbringen. Er hasste zwar seinen Schwiegervater für das, was er ihm angetan hatte, doch wenn Nora lange genug insistiert hätte, wäre er wahrscheinlich mitgefahren. So wie es aussah, war er jedoch nicht Teil von ihren Freizeitplänen. Es sprach alles dafür, dass sie seiner überdrüssig war. Ob sie wohl eine Affäre hatte? Es überraschte ihn, wie wenig ihm der Gedanke an ihre Untreue zusetzte. Wie lange wollten sie eigentlich diese Farce von Ehe noch fortsetzen? Bis dass der Tod euch scheidet, hatte er vor dem Altar geschworen. Vielleicht war es an der Zeit, dieses Versprechen wörtlich zu nehmen. Das Grinsen, das sich kurz in seine Mundwinkel einnistete, wurde ihm bei dem Gedanken an Noras Vater aus dem Gesicht gewischt. Dieser Typ war ein großes Problem. Nach außen hin galt er als seriöser Geschäftsmann, war jedoch insgeheim mit einer der größten Mafia-Organisationen der Ostküste verstrickt. Bei dem Gedanken an ihn ballte Steven unbewusst die linke Hand zur Faust. Bei Wetterumschwung taten ihm die Bruchstellen an den Fingergliedern immer noch weh und erinnerten ihn schmerzhaft an die Strafe für seine einzige außereheliche Affäre. Verdammter Mafioso. Mittlerweile war der Alte ruhiger geworden, hatte sich eine Ranch in der Nähe von Riverton gekauft und seinem Sohn Rocco die Familiengeschäfte überlassen. Nichtsdestotrotz war er ein sehr gefährlicher Mann. Nora zu töten käme einem Selbstmord gleich. Trotzdem nahm er sich vor, in der Hütte darüber nachzudenken.