image

GISELA KAISER

GELD

ODER

LEBEN?

Wie Geld unsere Beziehungen und Gefühle beeinflusst

Koehler Verlagsgesellschaft Hambug

Mitarbeit und Beratung:
Barbara Strohschein

Ein Gesamtverzeichnis der lieferbaren Titel schicken wir Ihnen gerne zu.

Bitte senden Sie eine E-Mail mit Ihrer Adresse an:

vertrieb@koehler-books.de

Sie finden uns auch im Internet unter: www.koehler-books.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7822-1206-9

E-ISBN 978-3-7822-1149-9

Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg

© 2014 by Maximilian Verlag, Hamburg

Ein Unternehmen der Tamm Media

Alle Rechte vorbehalten

Layout und Produktion: Inge Mellenthin

Für Stephan, Katharina und Sebastian

INHALT

Vorwort

Warum ich dieses Buch schreibe

I. Teil: Die Wirkung des Geldes auf Beziehungen

1.  Das Geld und ich

Ich arbeite und kaufe ein. Der Konsument in der freien Marktwirtschaft

Ich habe alle Freiheiten. Die Zumutung, sich entscheiden zu müssen

Die Ambivalenz in Sachen Geld: Ich brauche … ist mir egal!

Ich bin exklusiv! Die reichen Kunstsammler und die Gestylten

Ich bin besser als andere! Die Konkurrenz als Stachel

Wenn ich Geld ausgebe, werde ich anerkannt: Der Wunsch nach Prestige

Ich spare! Die vermeintliche Selbstgenügsamkeit

Warum soll ich etwas hergeben? Der Egoismus

Ich leide am Geld. Die Einsamkeit der Reichen und Schönen

Es ist nie genug. Narzissmus als Ursache für das Leiden

Resümee

2.  Reichtum, Moral und Ethik in Philosophie und Religion

Sinn und Unsinn des Geldes bei antiken Denkern

Glück und Moral: Die Philosophen der Neuzeit

Gottesglaube statt Geldanhäufung in den Weltreligionen

Armut und Reichtum als Widerspruch

Christentum, Islam, Buddhismus

Resümee

3.  Die Liebe und das Geld

Geld – ein heißes Eisen in Partnerschaften

Das Motiv, Partnerschaften einzugehen: Geld, Macht oder Liebe?

Die Vor- und Nachteile, reich zu heiraten

Geschlecht und Emanzipation: Moderne Beziehungen und alte Muster oder warum Geld für Männer etwas anderes bedeutet als für Frauen

Gründe und Anlässe für finanzielle Streitigkeiten: Wer zahlt wofür?

Aufwiegen und Abwägen: Was investiere ich in dich?

Die emotionale Währung der Liebe: Was bist du mir wert?

Auf- und Verteilen von vorhandenen Mitteln

Resümee

4.  Wie Geld Freundschaften beeinflusst

Was Freundschaft bedeutet

Freundschaft und unterschiedliche Besitzverhältnisse

Warum es für Reiche nicht einfach ist, Freundschaften zu schließen

Zahl du mal, alles Weitere mach ich dann ohne dich

Wie Freundschaften durch Geld ins Wanken geraten

Undank ist der Welten Lohn

Die Nachteile finanzieller Selbstlosigkeit

Resümee

5.  Die Familie als Keimzelle und Symptomträger von Problemen

Die Not von damals und die seelischen Nöte von heute

Armut und Reichtum: Leid, Scham und Stress in Familien

Lust und Last eines Familienerbes

Der Verlust der Kindheit

Der Preis des Reichtums: Eine Familie berichtet

Die Großeltern-Generation: Nöte, Krieg und Wiederaufbau

Die Nachkriegskinder-Generation: Hineinwachsen in den Wohlstand

Die Enkel-Generation: Reich sein in Zeiten der Finanzkrise

Kommunikation

Gefühle

Rollen

Resümee

II. Teil: Das Geld und die Gefühle in Beziehungen

1.  Angst und Verunsicherung durch die weltweite Finanzpolitik

2.  Gier: ein natürliches Gefühl?

Ein Film

Ein Roman

Ein Faktum

3.  Geiz und Reichtum: Verschwistert oder verschwägert?

4.  Neid

Neid im Laufe der Geschichte

5.  Schuld

6.  Geldmangel als Auslöser für Schamgefühle

Resümee

III. Teil: Über die Möglichkeit, mit und ohne Geld ein glückliches Leben zu führen

1.  Was ist Glück?.

2.  Armut und Reichtum als Indikator für Glück

3.  Wohlstand und der Sinn des Lebens

4.  Glück durch Geben und Fördern

5.  Vom Glück zu geben und zu schenken

6.  Wie wir mit und ohne Geld glücklich leben können

Resümee

Nachwort

Literatur

Danksagung

Über die Autorinnen

Ich weiß, dass mir nichts angehört

Als der Gedanke, der ungestört

Aus meiner Brust will fließen

Und jeder günstige Augenblick,

Den mich ein liebendes Geschick

Von Grund auf lässt genießen.

Johann Wolfgang von Goethe, Eigentum

Geld ist das letzte soziale Band in einer

individualisierten Gesellschaft,

das Einzige, was unsere Erwartungen nicht enttäuscht.

Aldo Haesler

Geld nichtet alle Werte, weil es außer sich selbst

keinen Wert anerkennt…

Geld ist aber auch die einzige Sache, die ihre Qualität

allein an der Quantität bemisst.

Es ist in sich Mittel und Zweck zugleich und ebnet alles ein.

Richard David Precht

VORWORT

Warum ich dieses Buch schreibe: Geld – ein Lebensthema

Alles Gute hatte seinen Ursprung im Geld, das zugleich alles Böse schuf.

Emile Zola, Das Geld

Zum Thema Geld sind gerade seit den beiden Wirtschaftskrisen des vergangenen Jahrzehnts, von denen uns die letzte noch immer fest im Griff hält, bemerkenswert viele Bücher veröffentlicht worden. In diesen wird meist untersucht, wie es dazu kommen konnte und was für Konsequenzen nun zu ziehen sind. Doch selten wird in ihnen ausgesprochen, wie der Umstand, Geld zu haben oder es nicht zu haben, uns und unsere Beziehungen beeinflusst.

Während meiner Kindheit, meiner Jugend und meines Studiums hat mich das Thema Geld nicht interessiert. Ich habe mir kaum Gedanken darüber gemacht. Ich hatte keine Geldsorgen, schwamm aber auch nicht im Geld. Das Geld für Reisen verdiente ich mir in den Semesterferien.

Als ich dann viele Jahre später von meinem Vater Anteile an einem mittelständischen Unternehmen überschrieben bekam, trat das Thema Geld plötzlich massiv in mein Leben. Die Beschäftigung mit Geld und auch Geldsorgen wurden meine ständigen Begleiter, ohne dass ich mir dessen bewusst war. Ich funktionierte einfach in dieser neuen Rolle.

Eines Tages, beim Mittagessen, machte meine Tochter die Bemerkung: Wir reden eigentlich beim Mittagessen und auch sonst fast nur immer über die Firma und über Geld. Irritiert stellte ich fest, dass das wirklich so war. Plötzlich wurde mir klar, wie ohnmächtig ich mich trotz meines Wohlstandes fühlte und dass meine ganze Familie vom Thema Geld unangemessen beherrscht wurde. In gewisser Weise war die Tatsache, dass meine Tochter diese provokante Aussage traf, auch meine Rettung, denn ich konnte mich jenseits meines tief verankerten Pflichtgefühls wieder auf das besinnen, was mir wirklich wichtig war: auf mein Interesse für Menschen, auf das, was sie tief im Inneren bewegt, auf das, was sie ausmacht und antreibt. Kurzum auf das, was mich vor meiner Rolle als Geschäftsfrau interessierte und ehemals auch zur Wahl meiner Studienfächer geführt hat.

Ich begann, mich mit der Thematik Mensch und Geld eingehender auseinanderzusetzen, und fragte mich: Wie wirkt sich Geld auf uns und unsere Beziehungen aus? Mit welchen Gefühlen ist Geld verbunden?

Bei meinen Recherchen stellte ich fest, dass meine Fragen ein kaum erforschtes Gebiet betrafen. Es gibt kaum Untersuchungen, wenig empirische Studien. Ich begab mich offensichtlich auf ein Terrain, das bisher nicht wirklich »ausgeleuchtet« worden ist und zu wenig im Fokus öffentlicher Diskussionen steht. Doch warum? Liegt es daran, dass die meisten Menschen sich zu Fragen ihres Umgangs mit Geld nur ungern äußern? Ist der Zusammenhang Mensch und Geld in all seinen Facetten so selbstverständlich und ein so fester Bestandteil unseres Lebensalltags, dass er nicht extra hinterfragt und erforscht werden muss? Oder glaubt man, nicht viel darüber sagen zu können und zu müssen?

Fast alle gängigen ökonomischen Theorien, die sich mit dem Thema »Geld« beschäftigen, handeln Geld als neutrales Phänomen ab. Doch in dieser gängigen Betrachtungsweise spiegelt sich etwas wider, was wir auch in anderen Zusammenhängen kennen: Der Mensch spielt in seiner Ganzheitlichkeit, seinen Gefühlen, seiner Lebensgeschichte, seinen Fähigkeiten, seinen Stärken und Schwächen überhaupt keine Rolle. Er wird in den öffentlichen Diskursen als neutraler Faktor abgehandelt, als ob seine Kultur und seine Geschichte, die menschliche Gesellschaft per se eine unveränderliche wären.

Ich hingegen denke, dass gerade die menschlichen und zwischenmenschlichen Aspekte im Zusammenhang mit Geld von allergrößtem Interesse sind – für jeden Menschen. Denn Geld ist alles andere als ein neutraler Faktor. Im Gegenteil. Durch Geld und im Umgang mit ihm werden Wertigkeiten und auch Werte geschaffen, welche die menschliche Gemeinschaft bis in die kleinste Einheit, die Zweierbeziehung, hinein bestimmen.

Geld hat einen vielschichtigen sozialen wie auch symbolischen Gehalt und spielt in persönlichen Beziehungen eine sehr große Rolle. Geld und das kapitalistische System, das auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, formen unsere Gesellschaft von außen mit ihren Marktkräften und beeinflussen auf diese Weise unser aller Seelenleben. Man braucht nur an so gängige Redewendungen wie: »Wer zahlt, schafft an«, »Es jemand mit Zins und Zinseszins heimzahlen«, »Geld regiert die Welt«, »Geld allein macht nicht glücklich« zu denken, um zu sehen, was an menschlichen Gefühlen und Beziehungen hinter ihnen steckt: Macht, Rache, Hilflosigkeit, Glück und Unglück.

Doch nicht nur über »Geld und Beziehungen« gibt es kaum Untersuchungen. Auch über die Verteilung von Reichtum, über Leben, Denken, Fühlen und Handeln von Menschen und ihren Bezug zu Geld ist es schwierig, klare Aussagen zu treffen. »Reichtum« scheint sich bis heute der wissenschaftlichen Forschung zu entziehen.1 Wirklich Reiche leben meist im Verborgenen und sprechen ungern über ihr Vermögen, sei es aus Angst, oder weil sie es satt haben, sich ständig dafür rechtfertigen zu müssen und gesellschaftlich an den Pranger gestellt zu werden.

Viele andere werden wiederum völlig zu Recht an den Pranger gestellt, weil sie dank ihres Geldes, das ihnen Macht und Sicherheit verleiht, Entscheidungen ohne Rücksichtnahme auf andere treffen und durchsetzen.

Arme Menschen wiederum hätten gerne mehr Geld, um sich genau diese Freiheit: Nein zu sagen und sich einem für sie unzumutbaren Anliegen zu entziehen, öfter »leisten« zu können.

Um mich dem komplexen Thema möglichst gut anzunähern, habe ich deshalb viele Zitate aus Büchern, Studien und Veröffentlichungen in meinen Text eingearbeitet, soweit sie für meine Fragestellungen relevant sind. Aber das Leben lehrt uns mehr als viele Bücher. Ich hatte das Privileg, mit vielen Menschen viele Gespräche über das Thema Geld führen zu dürfen, die mir allesamt offen und in sehr persönlicher Weise Auskunft gaben über ihre Lebensgeschichte, ihre Beziehungen untereinander und über ihr Verhältnis zum Geld. Alle Interviews und Gespräche haben mir gezeigt, dass es offenkundig viele Themen, Probleme und Fragen gibt, die viele Menschen auf ähnliche Weise beschäftigen: Wie gehe ich mit Geld um? Welche Rolle spielt Geld für mich und in meiner Familie? Welche Ängste, Freuden und Probleme sind mit Geld verbunden?

Mit den Recherchen und dem Schreiben dieses Buches fing eine neue und spannende Phase in meinem Leben an. Die vielen Jahre vorher erlebte und erlitt ich das Thema Geld. Nun begann ich, konstruktiv damit umzugehen und stellte zunächst mir und danach so gut wie all meinen Gesprächspartnern die folgenden, teilweise durchaus ketzerischen Fragen, um eine aussagekräftige Vergleichbarkeit zu erreichen:

1.  Hat der Umstand, über viel Geld und damit über eine größere Unabhängigkeit, mehr Freiheit und Luxus zu verfügen, bei Ihnen andererseits dazu geführt, dass Sie gleichzeitig oder zeitversetzt einen zunehmenden Verlust an Lebensqualität verspürt haben? Möglicherweise in Form von wachsender Unzufriedenheit, größerem psychischen Druck und/oder einem als unzureichend empfundenen Gefühlsleben?

2.  Glauben Sie, dass unsere kapitalistische Gesellschaft mit ihrer Orientierung auf maximale Gewinnoptimierung das menschliche Miteinander aus den Augen verliert und im Ernstfall zu mehr Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit untereinander wie auch zu einer emotionalen Verarmung des Einzelnen führt?

3.  Halten Sie es für möglich, dass es im Hinblick auf den Umgang mit Geld – dem Streben nach immer mehr Vermögen, mehr Besitz, mehr Statussymbolen, mehr Konsum – gar keine Unterschiede zwischen Superreichen, Reichen, Mittelstand und Vermögenslosen gibt? Und sich hinter diesem Streben nur die stets gleichen Gründe und Motive verbergen (Aufwertung des eigenen Ichs, geliebt werden wollen, Existenzangst, Geltungsbedürfnis usw.)? Der Unterschied also allein durch die Größe der jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel bestimmt wird?

Die Antworten und konkreten Fallbeispiele habe ich danach vor dem Hintergrund theoretischer Bezüge und Vorgaben, wie zum Beispiel einer kleinen Kulturgeschichte des Geldes, interpretiert und analysiert. Ebenso wie ich zusätzlich noch Romane, Fernsehspiele, Filme, Artikel in Zeitungen und Frauen-Zeitschriften herangezogen habe, in denen diese und andere Fragestellungen zum Thema »Geld und Beziehungen« sehr oft auftauchen.

Bewusst habe ich meinen Fokus dabei stets auf das reale Leben gerichtet, nicht auf wissenschaftlich verklausulierte Untersuchungen. Ich wollte wissen, was all diese Medien zum Thema: Wie unsere Gesellschaft und jeder Einzelne von uns mit Geld umgehen, zu sagen haben und als Trends, Tendenzen und Ausschnitte der Wirklichkeit widerspiegeln.

Es kann daher durchaus sein, dass sich ein Leser in den vielen konkreten Beispielen, die ich im Buch bringe, wiedererkennt, ohne dass ich von ihm persönlich gesprochen habe. Diese Art von Identifikation ist durchaus beabsichtigt, hat aber lediglich damit zu tun, dass meine Fallbeispiele möglichst allgemeingültig und menschlich-alltäglich sein sollten. Viele Menschen haben in ihren Beziehungen mit den Gefühlen, die der Umgang mit Geld mit sich bringt, unweigerlich zu tun. Darüber hinaus sind wir alle geprägt durch die vielen Überlieferungen aus Geschichte, Religion und Philosophie, die allesamt unsere Geisteshaltungen zum Geld mit beeinflusst haben.

Ich danke all meinen Gesprächspartnern, die es mir ermöglicht haben, einen Blick auf ihre Einstellungen und ihr Seelenleben zu werfen, und dafür, dass sie oftmals über ihren eigenen Schatten gesprungen sind und sich auch mit unangenehmen Gefühlen auseinandergesetzt haben. Es ist vielleicht einfach, großzügig zu sein, wenn man wohlhabend ist. Aber ich habe in meinen Gesprächen wirkliche Helden des Alltags kennengelernt, und zwar diejenigen, die jeden Cent umdrehen müssen, trotzdem nicht den Mut verlieren und anderen großzügig geben können.

Denn meine These ist: Wie man mit seinen Gefühlen umgeht, so geht man auch mit Geld um! Und umgekehrt!

1   Eine Ausnahme sind die kanadische Journalistin Chrystia Freeland mit ihrem jüngst erschienenen Titel: Die Superreichen sowie der Autor und Soziologe Thomas Druyen mit seinem Buch: Goldkinder. Thomas Druyen ist einer der wenigen Forscher, die sich mit den Einstellungen der wirklich Vermögenden beschäftigen, gründete in Wien einen Lehrstuhl für Vermögensforschung an der privaten Sigmund Freud Universität. Auch er konstatiert, dass man sich an das »Forschungsobjekt« Reichtum der Reichen nur sehr vorsichtig und mit Diskretion heranwagen kann. Er hält es aber gesellschaftlich für von großer Bedeutung, herauszufinden, was die Vermögenden mit ihrem Geld machen, und hofft, über diese Art der Forschung auch einen positiven Einfluss nehmen zu können für den Umgang mit den Reichen.