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DEN FÜR DIE FREIHEIT ÖSTERREICHS GESTORBENEN

 

 

 

 

 

Universitätsverlag Wagner

DEN FÜR DIE FREIHEIT ÖSTERREICHS GESTORBENEN

Das Befreiungsdenkmal in Innsbruck
Prozesse des Erinnerns

Herausgegeben von Horst Schreiber und Christopher Grüner

Inhalt

Vorwort

Das Befreiungsdenkmal – Schärfstein unserer Erinnerungskultur Eine Intervention

Christopher Grüner

Das Befreiungsdenkmal am Eduard-Wallnöfer-Platz in Innsbruck

Horst Schreiber

Freigelegte Erinnerungslandschaft und urbaner Begegnungsraum Die Sicht des Historikers auf den neu gestalteten Eduard-Wallnöfer-Platz

Horst Schreiber

Porträts zum Widerstand in Tirol

Martin Achrainer, Gisela Hormayr, Christian Mathies, Horst Schreiber, Oliver Seifert

Literatur- und Quellenverzeichnis

Vorwort

Die Neugestaltung des Eduard-Wallnöfer-Platzes vor dem Landhaus in Innsbruck konfrontierte das Land Tirol mit etlichen Herausforderungen und Chancen. Schon allein die Gestaltung eines großen innerstädtischen Freiraums ist ja eine der schwierigsten Aufgaben der Architektur und Stadtplanung. Beim Eduard-Wallnöfer-Platz war diese Aufgabe dadurch erschwert, dass er als Vorplatz des in monumentaler Architektur 1938/39 als Gauhaus errichteten Neuen Landhauses und als Standort des Befreiungsdenkmals und weiterer Denkmäler dient. Die Arbeitsgemeinschaft LAAC/Stiefel Kramer/Grüner hat diese Herausforderung 2011 mit einem anspruchsvollen Projekt bewältigt. Im Zusammenspiel von Stadtplanung, Architektur, bildender Kunst und Landschaftsplanung entstand ein Platz, der ob der Klarheit und Eigenwilligkeit seiner Gestaltung durchaus kontrovers aufgenommen wurde. Seit seiner Freigabe 2011 erfüllt er repräsentative Aufgaben als Versammlungsort vor dem Landhaus, wird aber auch von vielen Menschen aller Altersgruppen als Durchgangsort, als Rastplatz und als Spielplatz ganz selbstverständlich belebt und genutzt.

Eine besondere Aufgabe der Neugestaltung war, die neben dem Befreiungsdenkmal von 1948 mehr in historischer Zufälligkeit, denn aus bewusster Planung am Platz entstandenen Denkmäler neu zu positionieren. Mit der neuen Gestaltung wurden die 1997 zur Erinnerung an die Opfer des Novemberpogroms 1938 errichtete Menora, der 1999 zur Erinnerung an die im 20. Jahrhundert erfolgte Eingemeindung der Innsbrucker Vororte errichtete Vereinigungsbrunnen und die 1963 zur Erinnerung an die Übergabe der Grafschaft Tirol an die Herzöge von Österreich durch Margarethe Gräfin zu Tirol 1363 errichtete Gedenktafel in einen präzise gestalteten und würdigen Rahmen gesetzt.

Einem lang schon gehegten Wunsch der Verbände der Freiheits- und Widerstandskämpfer folgend, nützte das Land Tirol schon 2011 die Gelegenheit, den Opfern des Widerstands gegen den Nationalsozialismus ein deutliches Zeichen respektvoller Erinnerung zu setzen. An den hoch aufragenden Seitenwänden des Befreiungsdenkmals angebracht, erinnern Namenslisten an jene Menschen, die sich aus unterschiedlichen Motiven, aber mit bewussten Handlungen dem Regime verweigert haben und im Widerstand ums Leben kamen. Es sind die bis heute wissenschaftlich belegbaren Namen von Tirolerinnen und Tirolern, denen wir, wie auch den Soldaten der alliierten Streitkräfte, die Möglichkeit der Freiheit Österreichs verdanken. Die Liste der zunächst 107 Personen wurde nach Abschluss eines vom Land Tirol finanzierten Forschungsprojekts nun auf 124 Frauen und Männer erweitert. Als konkret benennbare Menschen treten sie aus der Anonymität heraus und in die Erinnerungskultur Tirols ein.

Die Widmung des Befreiungsdenkmals wurde 1948 in lateinischer Sprache an der Nordseite seiner Attika festgehalten. Die deutsche Übersetzung steht seit 2011 über den Namenslisten der Opfer des Widerstands zwischen den Lisenen der Seitenwände. An der Südseite der Attika wurde nun die Widmung in den Sprachen der alliierten Armeen, Englisch, Russisch und Französisch, wiedergegeben, womit die Intentionen der Errichter des Denkmals ebenso deutlich werden, wie die historisch außer Streit stehenden Verdienste aller für die Freiheit Österreichs gestorbenen Menschen.

Das Befreiungsdenkmal wurde von 1946 bis 1948 auf Initiative und auf Kosten der französischen Besatzungsmacht nach Entwürfen des Architekten der französischen Militärregierung für Tirol und Vorarlberg, Major Jean Pascaud, von Tiroler Künstlern und Handwerkern errichtet. Die zwischen den Säulen eingehängten Gitter mit den kreuzförmig angeordneten Wappen der österreichischen Bundesländer wurden 2011 zu Toren umfunktioniert und zeitweise geöffnet. Nach einer einstimmigen Entschließung des Tiroler Landtags vom 30. Juni 2016 bleiben die Gitter als Tore in Funktion und werden künftig temporär und wiederkehrend geöffnet. Das Denkmal wird damit durchgängig und Teil eines urbanen Ortes voller Leben. Der Akt der Öffnung vermittelt eine deutliche Botschaft: Die Öffnung unserer Gesellschaft ist eine wesentliche Bedingung unserer Freiheit. Die Öffnung der Gitter des Befreiungsdenkmals ist aber auch ein Bekenntnis des Landes Tirol: Unsere Geschichte ist nicht abgeschlossen, wir sind offen für Veränderungen und bereit, uns immer wieder auf eine Prüfung unseres Herkommens und unserer Werte einzulassen. Dies sind wir den für die Freiheit Österreichs Gestorbenen schuldig – aber auch der Freiheit unserer Kinder.

 

Dr. Beate Palfrader

Landesrätin für Bildung, Familie und Kultur

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14.9.2016: Namen und Sätze sind geschrieben, die Tore bald offen

Das Befreiungsdenkmal – Schärfstein unserer Erinnerungskultur Eine Intervention

Christopher Grüner

«Etliche Pessimisten konnten es sich nicht versagen, zu prophezeien, daß das Denkmal sofort nach Abzug der französischen Besatzung geschleift werden würde. Wir können nun zu unserer Freude feststellen, dass dieses Monument nunmehr zum Kunstschatz der Stadt Innsbruck zählt.»

General Émile Béthouart 19671

Das Befreiungsdenkmal wurde freilich von den wenigsten TirolerInnen selbst als Schatz empfunden, noch stellte es einen identitätsstiftenden historischen Bezugspunkt dar. Es zu versenken, zu sprengen, zu verhüllen, umzunutzen: Die Liste der Vorschläge, viele aus studentischen Projekten hervorgegangen, ließe sich beliebig ergänzen – das ungeliebte «Franzosendenkmal» aber blieb unangetastet.

Im Herbst 2008 wurde ein baukünstlerischer Wettbewerb zur Neugestaltung des Eduard-Wallnöfer-Platzes ausgelobt, aus dem die ARGE LAAC/ Stiefel Kramer/Grüner als Sieger hervorging.

Die Erhaltung des Befreiungsdenkmals war wichtiger Bestandteil der Ausschreibung. Es wirkte in seiner Erscheinung allerdings weniger als Befreiungsdenkmal denn als Siegesdenkmal auf dem Platz. Der Architekt der französischen Militärregierung, Jean Pascaud, ist mit der Gestaltung und Positionierung des Befreiungsdenkmals einer «Ästhetik der Topographie» gefolgt, die immer Thema in der Geschichte der Denkmäler ist. Die Ähnlichkeit zum Portikus des Landhauses war bewusst gewählte gestalterische Fortschreibung.

Die inhaltliche Information des Monuments und dessen Funktion als Befreiungsdenkmal wurden durch sein äußeres Erscheinungsbild konterkariert. Daher stellten sich die Fragen:

Wie kann man diese vorhandene Double-Bind-Situation auflösen?

Wie kann man der Erhabenheit des Denkmals begegnen?

Wie kommentiert man die autoritäre, imperiale Geste?

Was war die ursprüngliche Intention der Erbauer?

Kann das Denkmal als Schärfstein unserer Erinnerungskultur dienen? Kann es in die Gegenwart geholt werden?

Die Möglichkeit, die symmetrische Spannung zwischen Denkmal und Landhaus zu lösen, bestand zum einen darin, dem Denkmal eine leicht geneigte Basis zugrunde zu legen, zum anderen, es in die neue Landschaft der sanften Hügel einzubetten. Die Topographie beinhaltet die Pflanzräume der Bäume, Ab- und Aufgänge zur Tiefgarage und frei geformte Benutzeroberflächen. Sie kreiert in ihrer Gesamtheit eine große Liegende (Plastik) und ist auch Fassung für das Denkmal. Durch das Einpassen des Sockelbereichs in die Bodenplastik wurde dessen dominanter Charakter gemildert.

Öffnung – Befreiung

Nichts am Denkmal wurde entfernt – nichts wurde unsichtbar gemacht. Es wurde nicht zu jenem Denkmal, von dem ich mir wünschte, dass es damals gebaut worden wäre.

Die Öffnung der vorhandenen Gitter befreit auch räumlich, die durch diese Intervention entstandenen Tore rahmen Teile der Stadtlandschaft und ermöglichen somit neue Blicke und Fokussierungen.

Pro Libertate Austriae Mortuis

Das Befreiungsdenkmal hat in seiner Anmutung über Jahrzehnte den Dialog verweigert. Wenn die Form in die Irre führt, muss Sprache präsent sein. An die getöteten englischen, französischen, sowjetischen und amerikanischen Befreier Österreichs wird nun durch die Übersetzung des lateinischen Satzes in deren jeweiligen Landessprachen erinnert.

To those who died for the freedom of Austria

Погибшим за свободу Aвстрии

Pour ceux qui sont morts pour la liberté de l’Autriche

Die Sprachen legitimieren die Bezeichnung «Befreiungsdenkmal» und stärken die Intention der Erbauer.

An den Schmalseiten des Denkmals werden unter der Übersetzung ins Deutsche die Namen jener Frauen und Männer genannt, die auf Grund ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus ums Leben kamen. Als nun konkret benennbare Menschen treten sie aus ihrer bisherigen Anonymität heraus. Sie erinnern aber auch an jenen symbolischen Tausch, der durch die Moskauer Deklaration von 1943 möglich wurde – und daran, wie lange unsere Gesellschaft brauchte, um aus der angebotenen und gewünschten Amnesie zu erwachen.

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1 Horst Schreiber: Das Befreiungsdenkmal am Eduard-Wallnöfer-Platz in Innsbruck, in: Zeit-Raum-Innsbruck (Schriftenreihe des Innsbrucker Stadtarchivs 7), Innsbruck 2006, S. 77-106.

Das Befreiungsdenkmal am Eduard-Wallnöfer-Platz in Innsbruck

Horst Schreiber

DER BAU DES GAUHAUSES (NEUES LANDHAUS)

Der Nationalsozialismus war eine bürokratische Krake, aufgebläht in der Verwaltung und Partei. Doch wo sollten all diese Ämter, Behörden, Dienststellen, Sonderbeauftragten, Verbände und Gliederungen Platz finden? Allein in Innsbruck mussten 21 Parteidienststellen in Privaträumen ihr Auslangen finden.

Die neuen Machthaber beschlossen bald nach dem «Anschluss» im März 1938 den Bau eines Gauhauses, in dem Regierung, Verwaltung und Partei ihren Sitz haben sollten. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben, den die in Innsbruck ansässigen Architekten Walter und Ewald Guth gewannen.1

Das Gauhaus war ein Anbau an die Rückseite des alten Landhauses (Taxis-Palais) in der Welsergasse, daher wurde das Gebäude auch als «Landhauserweiterungsbau» bezeichnet.

Ursprünglich war geplant, vor der Front des Gauhauses einen «größeren Platz» mit einem Ehrenmal für die vor 1938 im Kampf gegen Republik und «Ständestaat» umgekommenen Tiroler Nationalsozialisten zu schaffen. Dort, wo heute das Befreiungsdenkmal steht, wollte das Regime zwei steinerne Opferpylonen errichten, um einen nationalsozialistischen Märtyrerkult zu inszenieren.2 Im Jänner 1939 war in den «Innsbrucker Nachrichten» zu lesen:

«Die Bauten, die sich zwischen dem Bismarckplatz [heute Casino und Haus der Industrie] und dem zukünftigen Erweiterungsbau des Landhauses einschieben, wurden zum Teil käuflich erworben und werden einem weiten Vorplatz Raum geben, der mit dem Bismarckplatz zu einer einzigen Fläche verwachsen wird. … Die Idee des Nationalsozialismus verkörpert sich ja mit an erster Stelle in seinen Bauten.»3

Der Bau des Gauhauses war als Auftakt für eine monumentale Neugestaltung der Stadtmitte gedacht. Dazu zählten eine gigantische Gauhalle und ein kolossaler «Aufmarschplatz für Kundgebungen und politische Feiern» zwischen Gauhaus und dem geplanten «Haus der Bergsteiger» auf dem damaligen Bismarckplatz.4 Der Krieg und die Konzentration auf den Wohnbau für die Optantinnen und Optanten aus Südtirol vereitelten all diese Vorhaben. Das fünfgeschossige Gauhaus blieb der einzige große Repräsentationsbau des Nationalsozialismus in Tirol. Es ist ganz im bevorzugten Stil des Nationalsozialismus für Repräsentationsbauten gehalten: monumental und klassizistisch. Die sachlich gehaltene Fassade verweist auf seinen Charakter als Zweckbau. Doch das Gauhaus hatte eine Funktion zu erfüllen, die über die eigentliche Aufgabe des Gebäudes hinauswies. Es demonstriert mit seiner Wuchtigkeit die Größe, Stärke und Allmacht von Staat und Partei. Die einschüchternde Wirkung, die vom Gebäude ausgeht, war bewusst geplant. Der Nationalsozialismus schuf keinen eigenen Baustil, sondern nutzte alle historischen Formen, die ihm für seine Absichten geeignet und von den Dimensionen her groß genug erschienen. Seine Monumentalität gewinnt das Gauhaus in Innsbruck durch das Eingangsportal in Form eines vorspringenden Kubus mit überdimensionierten neoklassizistischen Säulen. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Reichskanzlei von Albert Speer in Berlin springt ins Auge.5

Am 10. September 1938 nahm Gauleiter Franz Hofer mit großem Propagandaaufwand den ersten Spatenstich vor. Der tatsächliche Baubeginn erfolgte am 15. Oktober 1938. Im Schnitt waren 210 Arbeiter beschäftigt:

«Und wenn endlich der Hoheitsträger des Gaues den ersten Spatenstich tut, und die Kolonnen der Arbeitskameraden ihm folgen, um einen Bau auszuführen, der der politische Mittelpunkt des Gaues werden soll, so wird dies nicht die Arbeitsstätte verkalkter Bürokraten sein, sondern das Lebenszentrum nationalsozialistischer Tatkraft, die den nie erlahmenden Rhythmus ihrer dem Führer und dem Volke verantwortlichen Arbeit ausstrahlt bis in den hintersten Talwinkel des Gaues.»6

Um die Linienführung der Wilhelm-Greil-Straße vom Landesmuseum Ferdinandeum zum Stadtwerke-Hochhaus zu begradigen, wurde die Baufläche hinter dem Taxis-Palais eingeebnet und das alte Fuggerhaus am Bozner Platz abgerissen.7 Bereits am 6. Mai 1939 konnte die Firstfeier für den «größten Gauhausbau der Ostmark»8 abgehalten werden, berichtete die Parteizeitung:

«Im Sinne der Idee unseres Führers gelte es weiterzuarbeiten, das Arbeitstempo noch mehr zu steigern und mitzuhelfen, Werte zu schaffen, die es dem Führer ermöglichen, der ganzen Welt zu trotzen. Dem ersten Baumeister des Reiches, Adolf Hitler, galt das Sieg-Heil!, in das die Arbeitskameraden begeistert ausbrachen.»9

Um wenigstens einen kleinen Aufmarschplatz vor dem Gauhaus anlegen zu können, wurde die Fuggergasse verbreitert. Da dieser Zustand als Provisorium galt, blieb das Areal von der Fuggergasse und der Welsergasse gequert. Während der Bombenangriffe auf Innsbruck ab Dezember 1943 wurde der Großteil der dort befindlichen Häuser beschädigt.

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Erster Spatenstich für das Gauhaus durch Gauleiter Franz Hofer.
Innsbrucker Nachrichten vom 12. 9. 1938, S. 5

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Baubeginn des Gauhauses mit Blick auf die Rückseite des Taxis-Palais.
Stadtarchiv Innsbruck, Sign.: Ph-21744

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Repro eines Original-Aquarells von Hans Zötsch 1939. Der Landhausplatz ist noch völlig verbaut durch die Welsergasse. Im Hintergrund ist das eingerüstete Gebäude sichtbar, vorne ein Stück der Wilhelm-Greil-Straße mit einem Auto und einem Radfahrer. Stadtarchiv Innsbruck, Sign.: Ph-8298

Eine wirklich monumentale Wirkung konnte das Gauhaus erst nach 1945 in seiner demokratischen Funktion als Neues Landhaus im Zuge der Errichtung des Befreiungsdenkmals entfalten, als zwischen beiden Objekten ein weitläufiger Platz entstand. Die Behörden trugen den teilzerstörten Ansitz Haidenburg10, auf dem das Befreiungsdenkmal nun steht, ebenso ab wie die Gärten und Stadtvillen der Fugger- und Welsergasse.

An der Ostfront des Neuen Landhauses ist der Tiroler Adler neben dem Wappen des Landes Vorarlberg zu sehen. Dass die Montforter Fahne auf einem Gebäude aufscheint, in dem heute die Tiroler Landesregierung ihren Sitz hat, ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Nationalsozialismus, als Vorarlberg mit Tirol zum Gau Tirol-Vorarlberg zwangsvereinigt worden war. Im leeren Feld zwischen dem Tiroler Adler und dem Vorarlberger Wappen befand sich der deutsche Reichsadler mit Hakenkreuz. Er wurde unmittelbar mit Kriegsende 1945 entfernt. Die Geschichte des Neuen Landhauses als ehemaliges Gauhaus erschließt sich den ArbeitnehmerInnen, BesucherInnen und PassantInnen nicht, da keine Tafel mit Erläuterungstext an die Ursprünge erinnert.

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Das Gauhaus unmittelbar nach der Fertigstellung 1939. Stadtarchiv Innsbruck, Sign.: Ph-25406

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Ostfront des Landhauses mit dem Tiroler Adler und dem Vorarlberger Wappen 2004. Privatfoto Friedrich Stepanek

«EIN DENKMAL, IN FORM EINES SIEGESTORES, ZU EHREN DER FÜR DIE FREIHEIT TIROLS GEFALLENEN»11

Im Juli 1945 lösten die französischen Truppen die Streitkräfte der USA als Besatzungsmacht in Tirol ab. Der Chef der französischen Militärregierung, Generaladministrator Pierre Voizard, regte den Bau eines Denkmals an, das an den Widerstand Einheimischer und an die gefallenen alliierten Soldaten erinnern sollte. Die Stadt Innsbruck beabsichtigte die teils bombenzerstörten Häuser vor dem Neuen Landhaus zu räumen und einen freien Platz anzulegen, der den Verkehr erleichtern und das Parken von Autos möglich machen sollte. Voizards Vorschlag bezog sich daher darauf, den ohnehin geplanten Platz für das Denkmal zu nutzen. Er wollte die BefreierInnen Österreichs ehren, auf eine Namensnennung aber verzichten. Für General Marie-Émile Antoine Béthouart, Oberkommandierender und Militärkommissar für Tirol und Vorarlberg, stellte das Neue Landhaus als ehemaliges Gauhaus «irgendwo ein Symbol der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft» dar. Mit der Errichtung des Denkmals (Monument du Landhaus) hoffte die französische Militärregierung das Landhaus von der Erinnerung an seine «ehemaligen Erbauer und Bewohner» zu befreien.12

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Planskizze der Anlage vor dem Landhaus mit dem Befreiungsdenkmal, 7.2.1947. Centre des Archives diplomatiques de La Courneuve, Paris, 1AUT 3106 (dossier 7a/3).

Im Februar 1946 stellte die Landesbaudirektion einen Antrag an die Landesregierung, um die notwendigen Schritte zur Durchführung der Pläne der französischen Militärregierung in die Wege zu leiten. Diese beabsichtigte, «ein Denkmal, in Form eines Siegestores, zu Ehren der für die Freiheit Tirols Gefallenen zu errichten und gleichzeitig den Platz gärtnerisch und architektonisch auszugestalten».13 Der Verbauungsvorschlag von Major Jean Pascaud, dem Architekten der französischen Militärregierung, sah das Denkmal in der Mitte einer Parkanlage vor, die den ganzen Platz bis zur Salurner Straße einnahm. Der Entwurf wurde mit kleineren Abänderungen angenommen, die das Landesbauamt nach Einholung eines Bebauungsvorschlages des Innsbrucker Stadtbauamtes einarbeitete. Eine Ausfahrt auf die Maria-Theresien-Straße wurde fallengelassen, da der Bedarf als gering und die Gefahr einer Beeinträchtigung des Verkehrs als groß angenommen wurde. Die Öffnung zum Taxis-Palais war nur mehr als Durchgang vorgesehen. Dafür wurde «dem Bedürfnis nach einem außerhalb des Verkehrs liegenden, öffentlichen Platz Rechnung getragen und der Raum zwischen dem neuen Landhaus und der Salurnerstraße in einen Straßenplatz und eine Parkanlage unterteilt. … Mitbestimmend für diese Lösung war, das schöne alte Taxis Palais gegen den weniger geglückten Bau des neuen Landhauses abzuschließen.» Land und Stadt beschlossen weniger Bäume zu pflanzen als ursprünglich vorgesehen. Baumreihen sollten nur mehr am Rande des Platzes gegen die Wilhelm-Greil-Straße und Salurner Straße gezogen werden. Die Gartenfelder zwischen den Wegen erhielten Rasen, Blumenbeete und niedere Strauchpflanzungen.14

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Modell des neuen Landhausplatzes 1947. Centre des Archives diplomatiques de La Courneuve, Paris, 1ICON 3331

Gauleiter Franz Hofer hatte nur die nördlich der Welsergasse liegenden Bauten und Gründe aufgekauft. Da er alle weiterführenden Baupläne auf die Zeit nach dem erhofften Sieg verschoben hatte, war das Areal «in einem völlig ungeordneten Zustand belassen» 15 worden. Um dem Wunsch der französischen Militärregierung nach Errichtung des Denkmals nachkommen zu können, reichte es nicht aus, die bereits erstandenen Häuser abzutragen. Auch die südlich der Welsergasse bis zur Salurner Straße gelegenen Gebäude mussten abgerissen werden, zuvor galt es, sie erst einmal zu erwerben.16 Die Landesregierung erklärte sich zum Ankauf der Grundstücke bereit. Bei der Übernahme der Kosten für das Befreiungsdenkmal sollte ein Einvernehmen mit Stadt und Bund erzielt werden.17

In ihrer Sitzung vom 12. Dezember 1946 hielt die Landesregierung fest, dass die französische Seite die Kosten für das Denkmal übernahm, alle anderen finanziellen Aufwendungen das Land Tirol: Grund- und Gebäudeerwerbung, Abtragung von Häusern, Herrichtung der Wege, Anpflanzungen, Entwässerungen etc.18 Entsprechende Vorgespräche waren bereits im November 1945 auf Initiative der Militärregierung geführt worden, auch ein Beschluss für Abbrucharbeiten stand bereits fest.19 Ende September 1946 wurde die französische Militärregierung in eine Kontrollmission umgewandelt, die viele Kompetenzen an das Land Tirol abtrat.

CHRISTLICHE SYMBOLIK UND TIROL-PATRIOTISCHE ZEICHENSETZUNG

Architekt Pascaud legte sein Gesamtkonzept einer Kommission vor, in der die Tiroler Seite gegenüber der französischen die Mehrheit hatte. Die Planung, Trassierung und Errichtung des Landhausplatzes erfolgte in enger Kooperation zwischen dem Landesbauamt, dem Stadtbauamt und der technischen Abteilung der französischen Kontrollmission.20 Der Innsbrucker Bürgermeister war für die Freimachung der Wohnungen in den zum Abbruch bestimmten Häusern zuständig.21

Nach der Ausschreibung eines Wettbewerbs erhielt Schlossermeister Anton Fritz22, späterer ÖVP-Stadtrat in Innsbruck, den Zuschlag für die Gestaltung der Gitter, die als Füllung zwischen den Pfeilern des Denkmals gedacht waren.23 In seinem Entwurf «Adagio» waren die Wappen der neun Bundesländer in Kreuzform auf den Gittern angeordnet. Damit hatte sich die Jury für einen Beitrag entschieden, der Befreiung und Widerstand unter ein religiöses Vorzeichen stellte. Widerstand und Leiden im Nationalsozialismus wurden so einseitig für die katholische Kirche vereinnahmt. Die Jury bestand aus drei Mitgliedern der französischen Militärregierung und acht Vertretern Tirols, darunter Landeshauptmann Alfons Weißgatterer, Innsbrucks Bürgermeister Anton Melzer und Landeskonservator Graf Oswald Trapp. Dass Anton Fritz auch die Verzierungen aus Schmiedeeisen an den Balkonen und Türen des Landhauses erneuerte, lag nahe, schließlich waren immer noch Hakenkreuzornamente zu sehen. Major Pascaud, der für das Denkmal die künstlerische Verantwortung als Architekt trug, räumte dem Land Tirol und der Stadt Innsbruck nicht nur bei der Ausgestaltung der Gitter des Befreiungsdenkmals große Mitspracherechte ein. Er sorgte für einen weiteren Wettbewerb unter Tiroler Künstlern, die eine Skulptur des Tiroler Adlers für das Denkmal entwerfen sollten. Die französische Militärregierung stellte die notwendigen Rohstoffe aus den beschlagnahmten Vorräten des Montanwerkes Brixlegg zur Verfügung.24 Das Kupfer wurde in die französisch besetzte Zone Deutschlands, nach Rickenbach, transportiert, wo die Werkstatt der Luftwaffe das Beizen und Auswalzen in einer Firma in Villingen besorgte.25

ARBEITSUNWILLIGE NATIONALSOZIALISTEN

Der Administrator und Direktor der Straßenarbeiten und Transporte der Sektion Transporte und Verkehrswege der französischen Militärregierung, Labarrière, betreute das Projekt gemeinsam mit dem Architekten Pascaud. Nach dessen Abberufung nach Frankreich trug Labarrière in Zusammenarbeit mit den Tiroler Behörden die Hauptverantwortung für den Fortgang der Arbeiten. Doch bereits die Vorarbeiten dauerten der Militärregierung viel zu lange.26 Voizard gab daher Anfang April 1946 die Order aus, die Arbeiten am Landhausplatz sofort in Angriff zu nehmen. Gegenüber dem Innsbrucker Bürgermeister stellte er fest:

«Treffen Sie die Maßnahmen in Einvernehmen mit Major Pascaud, der für diese Arbeiten beauftragt ist. ... Unverzügliche Abtragung des gelben am Platz stehenden Hauses. Vorbereitung des Bodens für die Grundsteinlegung des Denkmales. Ebnen des Platzes, Herrichten der Wege, Errichtung der Anlagen, Anpflanzungen. Freimachung der Grundstücke zwischen der Welsergasse und der Salurnerstraße, gemäss dem allgemeinen Plan.»27

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Landhausplatz und Befreiungsdenkmal kurz vor der Fertigstellung 1948. Stadtarchiv Innsbruck, Sign.: KR/NE-1309

Die Abbruch-, Erd-, Beton-, Maurer- und Zimmermannarbeiten führte die Baugesellschaft Mayreder, Kraus & Co. durch. Die französische Kontrollmission sagte zu, 80 Kriegsgefangene zur Verfügung zu stellen. Damit waren belastete NSDAP-Mitglieder gemeint. Im Gegenzug sollte der Landhausplatz mitsamt den geplanten Wegen bis 15. September 1946 fertig gestellt sein.28 Zum Ärger der Militärregierung verzögerten sich die Abbrucharbeiten wegen langwieriger Ablöseverhandlungen, auch der Bau selbst ging nur schleppend voran.29 Der Abbruch der Häuser begann schließlich erst am 10. März 1947. Die damit verbundenen Arbeiten dauerten bis 30. September.30 Die Errichtung des Denkmals war bereits am 12. Juni 1946 in Angriff genommen worden, der Rohbau stand bis 1. November.31 Die Firma Mayreder, Kraus & Co. wusste zu berichten: «Zu Beginn des Baues litten wir unter fühlbarer Arbeitsunlust der Kriegsgefangenen, sowie unter ihrem Bestreben, bei erst bester Gelegenheit die Flucht zu ergreifen. Um diese beiden Umstände zu beheben, waren wir gezwungen, durch zusätzliche Lebensmittelausgaben die Zufriedenheit der Kriegsgefangenen zu erkaufen.»32

Immer wieder drängte die französische Seite auf ein schnelleres Vorwärtsschreiten der Bauarbeiten. Im Laufe des Jahres 1947 und Anfang 1948 wurde sie immer ungehaltener.33 Labarrière sprach sogar den Verdacht der Sabotage durch die Firma Mayreder, Kraus & Co. aus: «In allgemeiner Form zusammengefasst glaube ich, daß jedermann seinem Vergnügen nachgeht und in Urlaub reist (Ing. Kichler besonders) ohne irgendwann das unausweichlich festgesetzte Ziel, das ist die Arbeiten vor dem Winter zu beendigen, erreichen zu wollen.»34 Er warf dem Landesbauamt vor, auf die genannte Firma und die mit den Steinmetzarbeiten betrauten Werke Josef Linser & Söhne nicht energisch genug einzuwirken.35 Das Landesbauamt wies die Vorwürfe umgehend zurück und hob den Arbeitskräftemangel hervor. Besonders die von der französischen Kontrollmission zugesagten, aber nicht eingelangten 50 Kriegsgefangenen machten sich negativ bemerkbar. Die Firma Mayreder, Kraus & Co. verfügte im August 1947 nur mehr über sechs Gefangene.

MÄNGEL, FEHLER UND PANNEN

Die Firma Linser & Söhne teilte zu den Versetzarbeiten mit, «dass nach Rückfrage bei den entsprechenden Arbeitskräften Überstunden auf Grund der unzulänglichen Ernährungsweise nicht geleistet werden können».36 Amtsintern wurde vermerkt: 37