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Winterspiele

Erotische Kurzgeschichte

 

 

Copyright: © 2016 Adina Pion

Umschlagillustration

Young woman in blowing silk on a snowy background © Maksim Šmeljov – fotolia.de

 

Korrektorat: TextCare http://www.textcare.de

 

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Dies ist eine erfundene Geschichte. Ähnlichkeiten mit jeglichen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

»Ich hab’ eine Nase!«

Grinsend drehe ich mich zu Finn um, der auf seinen kurzen Beinen auf mich zuwackelt und triumphierend einen knallroten Strohhalm in die Luft hält.

»Nase!«, verkündet Finn und rammt unserem Schneemann den Strohhalm ins Gesicht. Ein bisschen sieht der nun aus wie ein verunglückter Elefant, aber eine Karotte war nun mal partout nicht aufzutreiben.

»Sehr schön«, lobe ich, und dann höre ich endlich die Stimmen von Finns Eltern.

»Ach, Frau Gruber, tut uns leid, wir sind zu spät.«

»Das macht doch nichts«, versichere ich. »Finn und ich hatten jede Menge Spaß, oder, Kumpel? Und sagen Sie doch einfach Leni, so wie jeder.«

Doch Finns Eltern sind schon eifrig dabei, den Schneemann zu bewundern, den ich mit den Kids aus meinem Zwergerlkurs gebaut habe. Es versetzt mir einen kleinen Stich, als ich sehe, wie Finns Vater liebevoll den Arm um seine Frau legt. Außerdem haben die beiden zwar rote Ohren, aber sonst nicht gerade viel Farbe bekommen. Würde mich wundern, wenn sie den Nachmittag auf der Piste verbracht haben, während ich versucht habe, ihrem Sohn die Grundlagen des Skifahrens beizubringen.

»Noch mal vielen Dank, Frau Gruber – Leni! Wir sind wirklich froh, dass Finn hier so gut aufgehoben ist!«, sagt Finns Mama.

Wenn möglich, werden ihre Ohren noch ein wenig röter. Ein dickes Trinkgeld ist mir wohl schon jetzt sicher. Vielleicht sollte ich ihnen auch eine Karte meiner kleinen Pension in die Hand drücken, bevor sie abreisen? Kleinen Familien macht es in der Regel nichts, wenn die Unterkunft etwas abgelegen ist.

Apropos abgelegen – vor dem Treffen mit den Leuten von der Bürgerinitiative ›Schönes Jagolztal‹ werde ich es kaum noch nach Hause schaffen. Schließlich will ich auf jeden Fall pünktlich sein, der Hinteregger Toni hat da so ein Gerücht gehört, es gäbe einen ausländischen Investor, der in unserem Tal eine ganz große Sache aufziehen will.

Gegen Touristen haben wir nichts, im Gegenteil, so wie ich leben die meisten ja von ihnen. Aber wenn jemand unser schönes Tal in ein zweites Disneyland verwandeln will, bekommt er es mit uns zu tun!

 

***

 

Vier Stunden später verlasse ich das ›Bräustüberl‹ und klettere todmüde in meinen Jeep. Natürlich hatte niemand genauere Informationen, was es mit dem Investor auf sich hat. Zu diskutieren gab es also nur wilde Gerüchte. Die immer wilder wurden, je später es wurde und je mehr Obstler die Resi servierte. Vielleicht wäre der Abend lustiger gewesen, wenn ich mich an der Sauferei beteiligt hätte? Allerdings wäre ein Fußmarsch zu meiner Pension das Letzte, worauf ich jetzt noch Lust hätte.

Ich verlasse das Dorf, biege in das kleine Sträßchen ein, das mitten durch den Wald bergauf führt. Wenigstens ist die Straße frei. Ich lenke den Wagen die Serpentinen hoch, bis sich die Bäume lichten. Spontan halte ich an und schaue über die verschneiten Wiesen, die vor mir liegen. Trotz der Dunkelheit erkenne ich deutlich das dunkle Holzhaus inmitten des Schnees. Zu Hause.

Ich liebe diesen Ort. Ich bin hier geboren, ebenso wie mein Vater und mein Großvater. Um nichts in der Welt würde ich im Dorf oder – Gott behüte – in einer Stadt wohnen wollen. Trotzdem überkommt mich eine gewisse Traurigkeit, wenn ich das Haus so dunkel und verlassen vor mir liegen sehe. Wie schön wäre es, wenn irgendwo Licht brennen, jemand auf mich warten würde.

Ein Jahr ist die Trennung von Wiggerl und mir nun her. Bin ich immer noch nicht darüber hinweg? Warum sonst halte ich ständig hier an, starre auf das Haus und wünsche mir, ich käme heim und er säße ganz selbstverständlich in der Stube? Der Wiggerl, in den ich mich schon in der Schule verliebt habe und mit dem ich seit der neunten Klasse zusammen war. Nicht der komische Kerl, der plötzlich ›Ludwig‹ und dann sogar ›Luis‹ genannt werden wollte, der darüber schimpfte, dass er mit einem Sportwagen – den er sich gar nicht leisten könnte – auf der schlechten Straße nie hierhinterkäme. Der Kerl, den ich mit einer blonden Barbie in unserem Bett erwischte und der auch noch die Frechheit besaß, mir vorzuwerfen, das sei meine eigene Schuld. Gerüchten zufolge wären rothaarige Frauen ja besonders feurig, aber er fände es im Bett stinklangweilig mit mir, teilte er mir lakonisch mit.

Nein, den wollte ich bestimmt nicht zurück! Zumal sich dann auch noch herausstellte, dass jeder gewusst hatte, dass der Wiggerl während der Saison eine Touristin nach der anderen abschleppte. Jeder hatte es gewusst, außer mir. Ich hatte immer noch an die große Liebe geglaubt.

Seufzend starte ich den Jeep wieder und lege die letzten Meter bis zum Haus zurück. Als ich den Flur betrete, fällt mir sofort ein angenehmer Duft nach Vanille auf – Marthas Werk, wie ich annehme. An meiner Zimmertür hängt ein kleiner Zettel.
Zwei Stadtweiber angekommen. Fanden es ›süß‹ hier. Haben sich aber hauptsächlich für die angesagteste Bar interessiert. Ob die überhaupt Skier dabei haben, weiß ich nicht. Sonst alles in Ordnung. Bis morgen! Martha
Ich lache. Martha ist die gute Seele meiner kleinen Pension, aber sie nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Ob die neuen Gäste hier allerdings glücklich werden, ist fraglich. Die hätten besser einen anderen Urlaubsort gewählt, wenn es ihnen nur um Après-Ski geht. Oder wenigstens ein Zimmer im ›Jagolzer Hof‹ buchen sollen, die Bar in dem größten Hotel am Ort ist die einzige, die länger als Mitternacht geöffnet hat. Und wenn es nach mir geht, wird sich daran auch so bald nichts ändern!

 

***

 

Am nächsten Morgen wache ich fit und ausgeruht auf. Obwohl ich keine Ahnung habe, ob die Pensionsgäste überhaupt noch heimgekommen sind, jage ich mit dem Jeep rasch ins Dorf und besorge frische Semmeln. Schließlich ist das Zimmer mit Frühstück gebucht und Martha wird erst im Laufe des Vormittags wiederkommen.

Als ich fröhlich in der Küche werkle, sehe ich, wie sich ›Tillys Taxi‹ der Pension nähert. Na, da haben es die Damen aus der Stadt ja wirklich krachen lassen! Wenigstens waren sie so vernünftig, nicht angetrunken den Berg hochzufahren. Ich reiße das Fenster auf und winke meiner Freundin Tilly zu, während eine etwas derangierte Frau aus dem Wagen klettert. Ich überlege noch, wo der zweite Gast abgeblieben ist, da löst sich dieses Rätsel schon von selbst. Über mir trampelt jemand auf den schmalen Balkon des Hauses und eine helle Stimme schallt über den Vorplatz:

»Steffi! Da bist du ja! Ich will alles wissen, sofort!«

»Ich brauche einen Kaffee!«, ruft die Angesprochene zurück.

Na, damit kann ich ja dienen. Rasch decke ich den Frühstückstisch fertig, während sich die beiden Mädels im Flur um den Hals fallen und gleich anfangen zu schnattern. Wer hätte gedacht, dass in unserem kleinen Ort so viel passiert, dass derartig viele Worte nötig sind, um davon zu erzählen?

»Der Typ war einfach der Hammer!«, schwärmt Steffi und entlockt ihrer Freundin ein sehnsüchtiges Seufzen.

Ich klappere etwas lauter mit den Töpfen, damit den beiden klar wird, dass sie nicht alleine sind. Doch Steffi scheint ihre Geschichte unbedingt noch vor dem Frühstück loswerden zu wollen.

»Dass wir getanzt haben, hast du ja gesehen. Der Typ hat mich echt total scharf gemacht, also bin ich auch immer näher gerückt. Nicht, dass der noch denkt, ich hätte keinen Bock. Da sagt er: Du benimmst dich ja nicht gerade wie ein anständiges Mädel! Ich natürlich gleich: Ich bin ja gar nicht anständig! Er darauf: Dann wird es wohl Zeit, dass dir mal jemand Manieren beibringt!«

»Oh«, haucht die Freundin entzückt.

»Ich dachte mir, alles klar, der Kerl steht auf SM. Na gut, muss man ja auch mal ausprobieren! Also fange ich gleich an mit Safeword und Hard Limits und so, das kennt man ja.«

»Wahnsinn!«

»Er daraufhin: Um eine junge Dame zur Räson zu bringen, brauche ich kein Safeword und keine Limits! Da reicht es in der Regel, sie übers Knie zu legen.«

»Wow! Und dann?!«

»Dann haben wir weiter getanzt. Durch sein Gequatsche bin ich noch wuschiger geworden, aber er hat nichts weiter dazu gesagt, sondern mir Komplimente gemacht, wie sexy er mich findet und so. Irgendwann fragt er ganz nett: Und, hast du Lust?«

Verärgert knalle ich eine Pfanne in die Spüle. Mann, Mann, das kann doch nicht wahr sein! Die ist doch nicht ernsthaft mit dem in die Kiste gestiegen, erst den Obermacho raushängen lassen, von wegen Manieren beibringen und so, und dann auf gefühlvoll machen! Zum Glück erzählt Steffi ihrer Freundin die weiteren Details im Flüsterton. Was da genau gelaufen ist, will ich wirklich nicht wissen!

Als ich mich endlich dazu aufraffen kann, die bestellten Spiegeleier an den Tisch zu bringen, scheint das intime Geständnis tatsächlich vorbei zu sein. Die beiden Frauen seufzen unisono.

»Mensch, du Glückliche. Da werde ich den heutigen Abend wohl allein verbringen, oder?«, meint die eine, ohne einen Blick auf meinen liebevoll angerichteten Teller zu werfen.