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EHP – ORGANISATION

Hrsg. von Gerhard Fatzer in Zusammenarbeit mit Wolfgang Looss und Sonja A. Sackmann

Autorinnen und Autor

Barbara Heimannsberg, Soziologin, M.A.; Beraterin, Coach, Supervisorin (DGSv) und Teamentwicklerin in freier Praxis; spezielle Erfahrung in den Feldern Gesundheitswesen, Bildung und psychosoziale Beratung; Lehrsupervisorin und Lehrtätigkeit an Hochschulen und Ausbildungsinstitutionen. Autorin und Mitherausgeberin mehrerer Fachpublikationen im Bereich humanistische Psychologie, Therapie und interkulturelle Beratung.

Zum beruflichen Hintergrund gehören ein sozialwissenschaftliches Studium, Qualifikation in integrativer Gestalttherapie, mehrjährige therapeutische Tätigkeit in stationären Einrichtungen und die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben sowie eine Zusatzqualifikation in integrativer Supervision und Lehrsupervision.

Herbert Namokel, Berater, Trainer und Coach mit den Schwerpunkten Change-Management, Führungs- und Vertriebstraining sowie individueller Beratung von Einzelpersonen und Teams. Internationale Tätigkeit als Berater in Osteuropa, Südostasien und im südlichen Afrika; Veröffentlichungen zu den Themen Vertrieb, Management und Organisationsentwicklung. Gründer und Geschäftsführer von CONTRAIN GmbH, einem Beratungs- und Trainingsunternehmen.

Zum Hintergrund gehören ein Studium der Ingenieurswissenschaften und verschiedene Führungspositionen in den Bereichen IT, Vertrieb und Personalentwicklung; Zusatzqualifikationen in Industrial Ingeneering, Integrative Supervision sowie in systemischen und psychodramatischen Ansätzen.

Heike Fischer, Beraterin, Trainerin und Coach für Nonprofit-Organisationen und in der freien Wirtschaft. Arbeitsschwerpunkte sind die Weiterbildung von Führungskräften und die Beratung und Begleitung von Organisationen in Veränderungsprozessen. Besondere Erfahrung in der Beratung von Frauen im Beruf. Seniorpartnerin der CONTRAIN GmbH.

Zum beruflichen Hintergrund gehören ein pädagogisches Studium und eine mehr als zehnjährige Tätigkeit als Projektmanagerin und Geschäftsführerin im Nonprofit-Bereich sowie Zusatzqualifikationen in integrativer Supervision und Management of Change.

Barbara Heimannsberg / Herbert Namokel / Heike Fischer – Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln – Kein Profit ohne Non-Profit: Bürgersinn und sozialer Gewinn –EHP – 2013 –

Redaktion: Nina Zimmermann

Umschlagentwurf: Gerd Struwe / Uwe Giese

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-89797-071-7 (Print)

Inhalt

Zur Reihe EHP-Organisation (Gerhard Fatzer)

Einleitung

TEIL I.

1. Gewachsene Organisationsformen zwischen Markt und Staat

2. Paradigmenwechsel von der Bedarfs- zur Marktorientierung

3. Historische Staatsnähe des Non-Profit-Sektors in Deutschland

4. Vielfalt, Mischformen und ein uneinheitlicher Sprachgebrauch

5. Trends und Herausforderungen

6. Wandel und Identität von Non-Profit-Organisationen

TEIL II.

Teamentwicklung bei der AOK

Die AOK als gesamte Organisation

Die betrachtete Teilorganisation

Ausgangslage und Hintergrundinformationen

Rolle der Berater

Das Konzept

Der tatsächliche Prozess

Kritische Würdigung des Projekts

Fazit

Kundenorientierung bei einer Berufsgenossenschaft

Die Berufsgenossenschaften als Institution

Rechtsform und Organe der BG

Die Geschichte der Berufsgenossenschaft

Kritik an den Berufsgenossenschaften

Vergleich zu anderen Ländern

Andere Unfallversicherungsträger

Perspektive

Aufbaustruktur dieser Berufsgenossenschaft

Auslöser des Projektes »Kundenorientierung«

Auswirkung von Wettbewerb

Zielsetzung des Projektes

Die geplanten Prozessschritte

Die Projektidee

Der Projektplan

Der tatsächliche Prozess

Nachhaltigkeit des Projektes

Kritische Würdigung des Projektes

Projektmanagement in der katholischen Kirche

Große Freiräume im Rahmen der Werte

Die Organisation

Die Ausgangslage des Projektes

Ziele des Projektes

Das Projekt

Die Praxisprojekte

Die Einzelsupervision

Kritische Würdigung des Projektes

Planung eines sozialpädagogischen Ausbildungszentrums SPAZ

Vorbemerkung

Ausgangslage

Kontext und Lage verschiedener Interessen

Die Berufsschule als Organisation

Das Projekt SPAZ

Fazit

Facility Management im Schulamt

Die Ausgangslage

Die Projektphasen

Die neue Organisation

Methodisches Vorgehen

Fazit

TEIL III.

Unterschiede zwischen Profit-Organisation und Non-Profit-Organisation

Interview mit einem Manager, der in beiden Bereichen gearbeitet hat und der gute Vergleiche anstellen kann

Erfolgsfaktoren für den Change in Non-Profit-Organisationen

Resümee und Ausblick

Literatur

Zur Reihe EHP-Organisation

Die Reihe stellt wichtige Basistexte zum Bereich der Organisationsentwicklung und des Change Managements sowie neue, grundlegende Texte und Übersetzungen für den deutschsprachigen Leser vor und leistet damit seit 1988 Pionierarbeit. Dabei werden unterschiedliche Interventionsformen ausführlich dargestellt, um zur Entwicklung einer Beratungswissenschaft jenseits der reinen Technikorientierung beizutragen. Die Reihe widmet sich besonders dem interkulturellen Austausch zwischen Europa, Amerika und anderen Kulturräumen.

EHP-Organisation stellt sowohl Diskussionsgrundlagen und Denkfiguren im Bereich der OE für das 3. Jahrtausend als auch historische Grundlagen der OE in ihrer Aktualität bereit. Anliegen war es stets, eine Reihe mit sorgfältig ausgewählten Titeln zu entwickeln, inspiriert durch amerikanischen Kollegen und die langjährigen Wegbegleiter Chris Argyris, Edgar H. Schein, Fred Massarik (†), Ed Nevis (†) (mit Nevis’ Organisationsberatung startete die Reihe), Warren Bennis und die Kollegen um Peter Senge am M.I.T. und Claus Otto Scharmer, aus deren Kreis sich auch die Consulting Editors von EHP-Organisation rekrutieren.

Der verantwortliche Herausgeber der Reihe stellte mit Supervision und Beratung die Grundlagen von Supervision und Organisationsberatung umfassend dar – mit seinen zahlreichen Auflagen ist es bis heute eines der erfolgreichsten Handbücher des Feldes. Ergänzend dazu erschien Gute Beratung von Organisationen – Supervision und Beratung 2.

Die Trias-Kompasse bilden Trends und Diskussionslinien ab und ermöglichen eine Orientierung im Feld der Organisationen und unterschiedlicher Beratungsformen (Bd. 1: Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen, Bd. 2: Schulentwicklung als Organisationsentwicklung, Bd. 3: Zur Bedeutung von Kurt Lewin, Bd. 4: Nachhaltige Transformation in Organisationen).

Organisationsentwicklung für die Zukunft, widmet sich ausführlich den Grundlagen der lernenden Organisation von Peter Senge u.a. und machte sie – wie ebenfalls die Arbeiten von Chris Argyris zur »eingeübten Inkompetenz« und zu »defensiven Routinen« – zum ersten Mal im deutschen Sprachraum bekannt. Außerdem liegt eine Neuauflage eines Standardwerks zur Lernenden Organisation und zur Schulentwicklung vor (Gerhard Fatzer: Ganzheitliches Lernen).

Neben internationalen Autoren publizieren wichtige deutschsprachige Autorinnen und Autoren in der Reihe wie zum Beispiel eine Autorengruppe um die VW-Coaching-Abteilung (Der Beginn von Coachingprozessen): Billmeier, Kaul, Kramer, Krapoth, Lauterbach und Rappe-Giesecke. Wolfgang Looss hinterfragte als erster kritisch den Coaching-Begriff, als der große Hype um den Begriff im deutschsprachigen Raum noch gar nicht gestartet war: Zusammen mit Kornelia Rappe-Giesecke und Gerhard Fatzer untersuchte Looss in dem Band Qualität und Leistung von Beratung die drei Beratungsmethoden Supervision, Organisationsentwicklung und Coaching. Looss’ Klassiker Unter vier Augen: Coaching für Manager ist bis heute eines der wichtigsten Bücher zum Thema geblieben.

Die Reihe orientiert sich nicht an Trends, und dort, wo die Professional Community der Berater, Coaches und Supervisoren ihre eigenen Grundlagen und Methoden nicht ausreichend berücksichtigt, ist es Ziel von EHP-Organisation, Einbahnstraßen der Wahrnehmung und kulturelle Ignoranz zu unterlaufen. Es kommen die Autorinnen und Autoren zu Wort, die diesen interkulturellen Dialog praktizieren und konzeptionell untermauern. So wird mit dem Band von Fatzer/Jansen (Die Gruppe als Methode) die oft ignorierte Kenntnis gruppendynamischer Grundlagen für die Entwicklung von Gruppen, Teams und Organisationen wieder zugänglich gemacht. Ein weiteres Beispiel ist die Monographie von Albert Koopman (Transcultural Management), die als erste ein erfolgreiches interkulturelles OE-Projekt dokumentierte und daraus ein breit anwendbares Modell der interkulturellen Beratung entwickelte. Das Buch von Barbara Heimannsberg und Christoph Schmidt-Lellek (Interkulturelle Beratung und Mediation) wendet die Grundlagen der Mediation auf den interkulturellen Bereich und auf die Organisationsentwicklung an. Zuletzt erschien dazu ein Buch, das dem Lebenswerk von Burkard Sievers gewidmet ist: Ahlers-Niemann / Beumer / Redding Mersky / Sievers: Organisationslandschaften mit einer weitgefächerten internationalen und multiprofessionellen Perspektive auf die destruktiven Prozesse in Organisationen. Arndt Ahlers-Niemann hat zusammen mit Edeltrud Freitag-Becker einen Band zu Netzwerken in die Reihe eingebracht, der ein breites Spektrum an Themen erschließt (Netzwerke – Begegnungen auf Zeit. Zwischen Uns und Ich).

Eine der wichtigen Interventionsformen, die EHP-Organisation (wie übrigens auch andere Veröffentlichungen im selben Verlag) besonders berücksichtigt, ist ›Dialog‹ als Methode: William Isaacs (Dialog als Kunst gemeinsam zu denken) und der Band von Christoph Mandl, Markus Hauser und Hanna Mandl (Die schöpferische Besprechung) haben hier im deutschsprachigen Raum Qualitätsstandards gesetzt. Die Autoren sind gleichzeitig Beiträger der Zeitschrift Profile. Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog / International Journal for Change, Learning, Dialogue, die mit ihrem Anliegen, das Verständnis von Menschen, Teams und Organisationen zu fördern, die Reihe EHP-Organisation ergänzt.

Die Arbeit von Ed Schein stand von Anfang an im Zentrum des publizistischen Auftrags von EHP-Organisation. Zahlreiche seiner Aufsätze erschienen früh in den Sammelbänden der Reihe und hier liegen seine Grundlagentexte in Übersetzungen vor. Sein Klassiker Prozessberatung für die Organisation der Zukunft ist einer der erfolgreichsten Bände der Reihe. Der Referenzcharakter von Scheins Büchern wird auch im provozierenden Buch Organisationskultur (›The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide‹) unter Beweis gestellt. Seine Fähigkeit, auf lesbare Art komplexe Organisationszusammenhänge zu vermitteln, macht die Lerngeschichte von Digital Equipment Corporation auch zu einem Lektüregenuss (Aufstieg und Fall von Digital Equipment Corporation. DEC ist tot, lang lebe DEC) – die wahrscheinlich einzige Dokumentation des Beratungsprozesses eines Unternehmens über dessen gesamte Lebenszeit. Scheins Führung und Veränderungsmanagement fasst zum ersten Mal seine Gedanken zu Führung in Unternehmen zusammen und wird durch eine Video-DVD mit einer Rede von Schein ergänzt. Zuletzt erschien Ed Scheins Prozess und Philosophie des Helfens, das ausführlich eine der Grundkompetenzen von Managern und Beratern vorstellt und die Überlegungen von Prozessberatung weiterführt, an den Heidig, Kleinert, Dralle, Vogt mit Prozesspsychologie anknüpfen – ein Ansatz, mit dem Unternehmen in entscheidenden Phasen von Veränderung begleitet werden.

Der vorliegende Band schließt an die kürzeren Darstellungen von OE-Prozessen aus dem NPO-Bereich an, die in einigen der vorliegenden Bände von EHP-Organisation zugänglich sind: Gesundheits- und Schulwesen, öffentlich-rechtliche Medien etc. Barbara Heimannsberg, Herbert Namokel und Heike Fischer gelingt neben der Darstellung unterschiedlich erfolgreicher Entwicklungsprozesse eine paradigmatische Darstellung von Organisationsentwicklung im Non-Profit-Bereich, der so umfassend ist, dass er Modellcharakter bekommt.

Wie immer freuen sich Herausgeber, Autoren und Verlag, wenn Sie als Leser diesen Band wie die gesamte Reihe als Möglichkeit zum Dialog innerhalb der globalen Professional Community verstehen.

Gerhard Fatzer

Einleitung

Die Idee zu diesem Buch entstand schon vor einigen Jahren. Es war die Zeit inflationärer Managementmethoden und Change-Projekte. Die Politik der Agenda 2010 verlangte Einschnitte in den Sozialstaat. Hilfeempfänger versuchte man, »fordernd und fördernd« in Arbeit zu bringen. Die Umsetzung der Hartz-Reformen war in vollem Gange. Die öffentliche Verwaltung und der Non-Profit-Bereich passten sich der neuen Zeit an.

So waren Managementstrategien in soziale Handlungsfelder und Humandienste vorgedrungen. Damit traten Effizienz und Kostenersparnis erkennbar in den Vordergrund. Diese Phänomene lösten bei uns, dem Autorenteam, Unbehagen aus.

Das war der Ausgangspunkt für einige kritische Betrachtungen und Fragen zu Phänomenen der Organisationsentwicklung im Non-Profit-Bereich. Dabei verknüpfen wir sozialhistorische Blickwinkel und wissenschaftliche Konzepte mit praktischer Erfahrung. Die unterschiedlichen Wissensfelder und Erfahrungsquellen im Autorenteam ergeben eine breite Varianz von Perspektiven. Unsere gemeinsame Basis ist ein integrativer Beratungs- und Interventionsansatz. Diese Gemeinsamkeit entstand durch die Zusammenarbeit bei der Beratung von Non-Profit-Organisationen.

Wir verstehen Organisationen als soziale Systeme und gehen davon aus, dass Menschen in Organisationen ein Maß an Eigensinn hervorbringen, mit dem sie sich der ökonomischen Verwertung entziehen können – speziell in Organisationen, die explizit gemeinnützige Ziele verfolgen.

Die Kernthesen lauten:

1. Die Ökonomie hat eine Macht über das Leben und Denken der Menschen gewonnen, die ihr nicht zusteht.

2. Märkte sind moralisch blind. Wenn alles Markt ist, fehlt ein Gegengewicht zur Wettbewerbslogik – nämlich solidarisches Handeln, das Lebensqualität schafft und die Gesellschaft zusammenhält.

3. Non-Profit-Organisationen, die zu Profit-Organisationen zweiter Klasse umstrukturiert werden, um im Sinne der Marktlogik zu funktionieren, riskieren ihre Identität – und die Motivation ihrer Mitarbeiter.

4. Es ist an der Zeit, im Non-Profit-Bereich das Verhältnis von ökonomischen und nicht-ökonomischen Zielen vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Die Klärung des Non-Profit-Begriffs gestaltete sich schwierig. Schnell wurde deutlich, dass rein formale Unterscheidungen ohne historische Tiefe zu kurz greifen. Was unter Non-Profit-Organisation verstanden wird, variiert beträchtlich. Der Begriff »Non-Profit« ist vor allem in wissenschaftsnahen Diskussionen und unter Managern gebräuchlich. Er stammt aus dem angelsächsischen Sprachgebrauch und meint eigentlich »not for profit«. In der angloamerikanischen Diskussion legt man vor allem auf die Unterscheidung von Organisationen innerhalb des privaten Sektors Wert. Die Grenzziehung zwischen öffentlichem und privatem Sektor ist dagegen in den USA selbstverständlich. NPO werden häufig auch als Dritte-Sektor-Organisationen zwischen öffentlichen Institutionen (Staat) und gewinnorientierten Unternehmen (Markt) bezeichnet. In der Realität sind die Übergänge aber fließend. Und die historisch gewachsenen Phänomene zeigen eine große Variationsbreite. Im deutschsprachigen Raum ist der Non-Profit-Sektor – anders als in Nordamerika – in vielfacher Weise mit dem öffentlichen Sektor verbunden. Deshalb haben wir unseren Non-Profit-Begriff diesen Verhältnissen angepasst.

Dieses Buch ist in drei Hauptteile gegliedert. Der theoretische erste Teil umfasst sechs Abschnitte, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln praxisrelevante Kontexte der Entwicklung von NPO beleuchten und mit übergreifenden Wandlungsprozessen in Beziehung setzen. Der Praxisteil umfasst fünf Falldarstellungen, die die Organisationsentwicklung im Non-Profit-Feld anhand konkreter Beispiele mit spezifischen Methoden und Instrumenten anschaulich machen. Der abschließende dritte Teil versucht sich auf unterschiedliche Weise an einem Resümee: Was sind die Unterschiede zwischen dem Profit- und dem Non-Profit-Bereich und was sind die Bedingungen für erfolgreiche Veränderungsprozesse in NPO?

Da Entwicklung per se die zeitliche Perspektive einschließt, haben wir auf die Darstellung historischer Wurzeln und in die Zukunft weisender Trendlinien großen Wert gelegt. Die Betrachtung ist mehrdimensional und vielschichtig. Mit Blick auf Wechselverhältnisse mit anderen Systemen und Prozessverläufen werden Zusammenhänge auf der Mikro-, Meso- und Makroebene beleuchtet.

Abschnitt 1 gibt einen einführenden Überblick über wichtige Aspekte, die später vertieft werden: Die Auffächerung des Non-Profit-Sektors zwischen Markt und Staat; historische Entwicklungspfade; die damit zusammenhängende wohlfahrtsstaatliche Prägung großer Teile des Non-Profit-Sektors; seine volkswirtschaftliche Bedeutung; sein zivilgesellschaftliches Potenzial; seine gesellschaftliche Funktion; die Formenvielfalt; und die historische Staatsnähe vieler NPO – in den alten wie in den neuen Bundesländern.

Abschnitt 2 beschreibt den Wandel von der Bedarfs- zur Marktorientierung im Kontext der Globalisierung. Wichtige Veränderungen sind in diesem Zusammenhang die Verwaltungsreform und die Neuordnung des Sozialstaates. Dieser Paradigmenwechsel begünstigt durchgehend ökonomische Sinnstrukturen, die im Non-Profit-Sektor außer den erwünschten Effekten auch deutliche Risiken mit sich bringen.

Abschnitt 3 zeichnet die relative Staatsnähe großer Teile des Non-Profit-Sektors in Deutschland nach – und zwar mit Blick auf sozialgeschichtliche Wurzeln der deutschen Wohlfahrtsproduktion, die bis zu den preußischen Reformen und Bismarck’schen Sozialversicherungen zurückreichen. Die Eigenheit des sozialstaatlichen Modells in Deutschland wird auch im Vergleich zu Entwicklungspfaden in anderen Ländern deutlich.

Die Vielfalt der Phänomene und der uneinheitliche Gebrauch des Non-Profit-Begriffs sind Gegenstand des 4. Abschnitts. Die gebräuchlichen Kategorien »Profit« im Unterschied zu »Non-Profit« und die Dreiteilung Markt – Staat – Dritter Sektor haben wir aufgegriffen. Aber die Grenzen sind unscharf. Es gibt fließende Übergänge und zahlreiche Mischformen. Deshalb zählen wir einen Teil der staatlichen und halbstaatlichen Organisationen zum Non-Profit-Sektor.

Abschnitt 5 greift erneut die zeitliche Perspektive auf und lenkt den Blick auf zukünftige Herausforderungen, die bereits jetzt erkennbar sind. Der Non-Profit-Sektor ist auf Wachstumskurs. Die Bedeutung zivilgesellschaftlicher und Wohlfahrt produzierender Organisationen nimmt offensichtlich zu. Auf der Ebene internationaler Projekte (Europäische Union, Vereinte Nationen, Weltbank etc.) bilden sich interessante Kooperations- und Partizipationsformen heraus, in denen Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle spielen.

Abschnitt 6 betrachtet vornehmlich die Ebene der Organisation. Bewegungen auf anderen Ebenen treten hier als externe Entwicklungsimpulse in Erscheinung. Veränderungen der Arbeitswelt gehören teils zu den Begleiterscheinungen von Modernisierung und Beschleunigung, teils zu den Auslösern neuer Anpassungsprozesse. Weitere Entwicklungsschübe sind zu erwarten. Die zukunftssichernde Entwicklung von NPO hat dabei bestimmte Schlüsselfaktoren zu beachten, die sich aus der Akteurperspektive und der Rolle von Personen bei der Leistungserbringung der Organisation ergeben.

Der erste Fall im Praxisteil veranschaulicht ein Projekt der Teamentwicklung bei der AOK. Die Allgemeine Ortskrankenkasse basiert auf dem Solidargedanken und steht heute im Wettbewerb zu anderen Krankenversicherern. Die ursprünglichen Ziele der gesetzlichen Krankenversicherung treten dabei zugunsten der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in den Hintergrund. Der tief greifende Wandel vom Solidarprinzip zum Prinzip des Wettbewerbs wirkt sich spürbar auf die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter aus, fördert auch Konkurrenz im Innenverhältnis und erschwert damit Teamarbeit. Damit stößt Teamentwicklung an enge Grenzen.

Bei der zweiten Fallbeschreibung geht es um Organisationsentwicklung in einer Berufsgenossenschaft bei Wahrung ihrer Identität als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wenig Widerstand gab es bei Mitarbeitern und Führungskräften gegen den Wandel an sich. Aber es gab den Versuch, den Prozess so zu verlangsamen, dass am Ende dabei wunschgemäß eine adäquate Anpassung herauskommt. Tatsächlich begab sich die Organisation in einen gelungenen Change-Prozess zur Vorbereitung einer Fusion.

Das dritte Fallbeispiel betrifft den kirchlichen Bereich. Erklärtes Ziel der Entwicklungsmaßnahme war ein Transfer von Know-how aus der Wirtschaft in die katholische Kirche. Unter dem Deckmantel eines Weiterbildungsangebots mit der Überschrift »Projektmanagement« wurden hier Kenntnisse des Changemanagements vermittelt. Ziel war die Modernisierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Hinblick auf die kirchliche Klientel.

Der vierte Fall veranschaulicht komplexe Vernetzungen im Non-Profit-Feld. Eine Berufsschule soll zu einem sozialpädagogischen Ausbildungszentrum erweitert werden. Kommune und Kreis sind an dem Projekt beteiligt, andere öffentliche und private Träger müssen eingebunden werden – und die Politik muss zustimmen. Um die Koordination voranzubringen, tritt ein Wirtschaftsunternehmen mit seiner Stiftung als Sponsor auf und unterstützt das Projekt in Form von Beratungsleistung. Der Fall zeigt eine gelungene Kooperation zwischen Profit- und Non-Profit-Bereich.

Beim fünften Fall handelt es sich um ein Projekt in einem Schulamt. Bedroht von der Ausgliederung des Facility-Managements organisiert sich das Schulamt bei der Verwaltung seiner Liegenschaften völlig neu. Dieser Fall zeigt, wie innovativ öffentliche Verwaltung sein kann. Er zeigt aber auch, wo die Grenzen liegen, nämlich bei den betroffenen Menschen, die zu berücksichtigen sind, aber auch im Zusammenspiel mit der politischen Ebene einer Großstadt.

Dieses Buch wendet sich an alle, die in NPO Verantwortung tragen für den Fortbestand der Organisation und damit auch für den immer wieder anstehenden Wandel. Es wendet sich aber auch an Berater und Trainer, die diese Organisationen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen und begleiten. Es soll einen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung der NPO zu sehen und zu würdigen, als größter Arbeitgeber im Lande, als ergänzende Kraft zu den Profitorganisationen und als Stabilisator für den sozialen Frieden. Die Autoren wollen die NPO und ihre Mitarbeiter ermutigen, selbstbewusst aufzutreten, auch im notwendigen Wandel ihre Identität zu wahren und sich als gleichwertiger Teil des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu verstehen. Der Non-Profit-Bereich ist die andere Seite ein und derselben Medaille.

TEIL I.

1. Gewachsene Organisationsformen zwischen Markt und Staat

Der Bereich zwischen Markt und Staat umfasst ein Segment von breit gefächerten Aktivitäten und Organisationen, die als Dritter Sektor bezeichnet werden. In Europa und vor allem in Deutschland hat das Vereinswesen dabei eine herausragende soziale und kulturelle Bedeutung. Die Vielfalt von Vereinen, Vereinigungen und Gemeinschaften entspricht der gesellschaftlichen Pluralität. Durch Selbstorganisation und Eigenbeteiligung von Mitgliedern können Vereine und Verbände staatliche Leistungen ergänzen oder auch durch Selbsthilfe zum Teil ersetzen. Parteien, Gewerkschaften und Kirchen sowie deren Teilgruppierungen sind zwar ebenfalls im gesellschaftlichen Raum zwischen Markt und Staat aktiv, erfüllen aber nicht die rechtlichen Kriterien des Vereins. Parteien und Gewerkschaften spielen als Akteure im politischen System eine herausragende Rolle. Die differenzierte Betrachtung politischer Organisationen im Kontext der Entwicklung des politischen Systems in Deutschland würde aber den Rahmen dieses Buches sprengen. Deshalb konzentrieren wir uns hier auf Teile des öffentlichen Sektors und auf Vereine und Verbände, die sich allgemeinen, sozialen oder kulturellen Belangen widmen.

Die Ausfächerung des gesamten Non-Profit-Bereichs wurde vor allem durch die Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorangetrieben.

Es gab damals eine Welle von Vereinsgründungen, die alle Lebensbereiche betraf. Dazu gehörten gelehrte Gesellschaften, Bildungsvereine, Musik- und Theatervereine, Lesegesellschaften, Schützen- und Feuerwehrvereine, Armenvereine und Sparvereine. Etwa zeitgleich entstanden Selbsthilfeorganisationen wie Kranken- und Sterbekassen. Diese Gründungen waren lokal orientiert und hatten zunächst kaum übergreifende politische Zielsetzungen. Interessenverbände mit großen Mitgliederzahlen betraten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die politische Bühne.

Industrielle Wachstumsschübe, die Verstädterung und die sie begleitenden reduzierten Selbstversorgungsmöglichkeiten der Industriearbeiter – all das verschärfte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Armutsproblematik. So riefen die Risiken der Industrialisierung schützende Maßnahmen vonseiten des Staates auf den Plan. Schritt für Schritt wurden soziale Sicherungssysteme eingerichtet und gesetzlich verankert. Die wohlfahrtsstaatliche Prägung großer Teile des Non-Profit-Bereichs liegt hier begründet. Nichtstaatliche Wohltätigkeit, z. B. im Rahmen von Stiftungen, hatte es zwar schon in vormoderner Zeit gegeben, aber das 19. Jahrhundert war die eigentliche Blütezeit des Vereinslebens und karitativer Organisationen.

Im späteren Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft nahm der Bedarf an sozialen Diensten weiter zu. Mit dem Ausbau solcher Angebote wuchs auch die volkswirtschaftliche Bedeutung des Non-Profit-Sektors weiter an. Allein die beiden großen kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonisches Werk schaffen in Deutschland heute zusammen mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze.

Vereine, Verbände und Gruppierungen, in denen sich engagierte Bürger zusammentun, werden zunehmend auch unter dem Begriff der Zivilgesellschaft zusammengefasst. Dazu gehören z. B. NGO (nongovernmental organisations), die unabhängig von staatlichen Strukturen agieren. Ihre Legitimation beziehen zivilgesellschaftliche Organisationen aus Werthaltungen wie Gemeinsinn, Toleranz, Verständigung und Gewaltfreiheit. In autoritären Regimen, die freie Meinungsäußerung behindern, kann die Zivilgesellschaft die Rolle eines Modells selbstbestimmter, selbstbewusster Kooperation übernehmen. Die Bürgerrechtsbewegung der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/1990, die maßgeblich zum Zusammenbruch des DDR-Regimes beitrug, ist hier ein historisches Beispiel.

Zivilgesellschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetze bieten Bürgern die Möglichkeit, sich wirksam zu artikulieren und die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Menschenrechte, politische Partizipationsrechte oder Umweltthemen können so auf allen Ebenen der Gesellschaft bis in den internationalen Bereich hinein wirksam vertreten werden – und zwar auch unabhängig von privatwirtschaftlichen Interessen oder diplomatischen Rücksichtnahmen. Mit weltweiten Aktionen ohne Gewaltanwendung zu Themen wie Atomkraft, globale Erwärmung oder Artenschutz hat vor allem Greenpeace International hohe Aufmerksamkeit erlangt.

Wenn Politik und Staat oder Wirtschaftseliten das Vertrauen der Bürger verlieren, bietet der dritte Sektor Möglichkeiten der Selbstorganisation. Gerade in Phasen politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen steigt der Bedarf an Problemlösungen, die im Non-Profit-Sektor organisiert werden. Hier findet sich das Potenzial, Fehlentwicklungen in anderen Sektoren auszugleichen. Bei Marktversagen ist in erster Linie der Staat – oder besser ein Staatenverbund – aufgerufen, regulierend einzugreifen. Bei Staatsversagen oder korrumpierter Politik bleibt allerdings nur die Selbstorganisation der Bürger. In den Wirren gesellschaftlicher Umwälzungen bilden bürgerschaftliche Zusammenschlüsse die Basis einer freiheitlichen Entwicklung. Nicht ohne Grund treten Demokraten für die Vereinsfreiheit als ein Grundrecht ein.

Die Vielfalt der Vereinslandschaft ist kaum darzustellen. Dem Spektrum der Ziele von Vereinen und den zahlreichen Formen zur Umsetzung des Willens ihrer Mitglieder entsprechen die unterschiedlichsten Vereinskulturen. Vereine lassen sich u. a. nach Sparten, Funktionen oder Interessen differenzieren (vgl. Agricola 1999, 36 ff.). Hier nur ein Überblick zu einigen Kategorien: Zusammenschlüsse aus Betroffenheit (z. B. Selbsthilfegruppen oder Bürgerinitiativen), Interessenvereine (Hobbyvereine, Brauchtums- und Sportvereine), Zusammenschlüsse zur Dienstleistung für andere (Trägervereine und Wohlfahrtsvereinigungen oder Automobilclubs oder Einrichtungen im Sozial-, Kultur- und Gesundheitsbereich) sowie Bürgervereine (z. B. Stadtteil oder Nachbarschaft), Fördervereine (Kulturmäzenatentum oder Bauförderung und Schulförderung) und Aktionsvereine (z. B. Umweltvereine und weltanschauliche oder politische Vereine).

Non-Profit-Organisationen sind genauso vielfältig wie ihre Aufgaben. Sie beziehen sich in erster Linie auf gemeinnützige Zwecke oder ideelle Güter. Die Ergebnisse lassen sich häufig gar nicht in Zahlen messen. Deshalb ist es so fragwürdig, Effizienzkriterien aus der Wirtschaft eins zu eins auf Entwicklungskonzepte im Non-Profit-Sektor zu übertragen. Zwar muss überall sparsam gewirtschaftet werden, denn frei von ökonomischen Zwängen ist keine Organisation. Aber im Non-Profit-Bereich steht monetäres Gewinnstreben nicht an erster Stelle.

Wie die Organisationszwecke, so unterscheidet sich in den drei Sektoren auch die Handlungslogik. Die Logik des Marktes heißt: »Besser sein als die Konkurrenz.« Eine gute Wettbewerbsposition sichert die Existenz des Unternehmens und die Gewinnchancen der Eigentümer oder Shareholder. Sogar das Prinzip der Kundenorientierung dient letztlich dem Wettbewerbsvorteil.

Im Non-Profit-Sektor überwiegen Ziele, die der Allgemeinheit dienen, Gemeinschaftsorientierung oder Mitgliedersolidarität: »Einer tritt für den anderen ein.« Mitmenschliches, solidarisches oder genossenschaftliches Handeln sind hier zentrale Prinzipien. Je nach Tendenz stammen die Leitlinien aus christlicher Mildtätigkeit (Caritas), aus dem Gemeindedienst (Diakonie) oder sie sind Ideen des aufgeklärten Humanismus. Wie weit sie im Organisationsalltag tatsächlich das Handeln bestimmen, ist allerdings eine andere Frage. Viele Organisationen sind an einem Punkt angelangt, wo der ursprüngliche Zweck der Organisation nicht mehr im Bewusstsein der Menschen verankert ist.

Der Staat hat im Sinne des Gemeinwohls die Aufgabe, öffentliche Güter und Dienste bereitzustellen. Hier geht es in erster Linie um einen Interessenausgleich nach den Spielregeln der Verfassung. Politische Eliten können jedoch an diesem Anspruch scheitern, wenn sie partikulare Interessen – z. B. den eigenen Machterhalt oder Lobbyinteressen – über das öffentliche Interesse stellen. Manche Politiker denken über Legislaturperioden kaum hinaus. Aber das sei hier nicht unterstellt. Staatliches Handeln steuert und reguliert, und zwar in erster Linie durch Beschlüsse, Gesetze und Verordnungen. Da der Staat für alle Bürger zuständig ist, haben Regierende den durchschnittlichen Bürger und Wähler im Blick. Und öffentliche Verwaltungen sind gehalten, im Rahmen ihres jeweiligen Befugnisbereichs »konform mit den Normen« zu entscheiden. Verordnungen müssen »ohne Ansehen der Person« angewendet werden. Daraus leiten sich für Bürger Rechte ab. Die Rationalität bürokratischer Herrschaft war immerhin einst ein Fortschritt der Moderne – und zwar mit Blick auf die persönliche Abhängigkeit der Untertanen von ihren Königen und Fürsten.

An die Logik des Interessenausgleichs im Sinne des Ganzen ist der Dritte Sektor nicht gebunden. Hier können Partikularinteressen vertreten und bedient werden. Denn der Staat ist letztlich nicht in der Lage, allen Bevölkerungsgruppen in dem von ihnen gewünschten Maße gerecht zu werden. Verbände, Vereine und Vereinigungen – auch gemeinnützige – können dagegen die spezifischen Interessen einzelner Personengruppen differenzierter wahrnehmen. So können sich Dritte-Sektor-Organisationen gezielt für die eigenen Mitglieder (Selbsthilfe) oder auch für andere Gruppen einsetzen (z. B. als Trägerverein, Dienstleistungsverein). Ein Beispiel für solch eine spezifische Vertretung ist der Sozialverband VdK, der für Menschen mit Behinderungen sowie für chronisch Kranke, Senioren, Patienten und sozial Schwache eintritt. Der Verband betreibt bundesweit über 400 Geschäftsstellen und zählt 1,5 Millionen Mitglieder.

Das Potenzial gesellschaftlicher Problembewältigung im Dritten Sektor zwischen Markt und Staat oder zwischen Wettbewerbsregime und Staatsdirigismus könnte für die zukünftige Entwicklung der globalen Gesellschaft entscheidend sein. Zumindest wenn man daran denkt, dass schlimmstenfalls beide Systeme – das politische und das Wirtschaftssystem – implodieren könnten. Genossenschaftliche Konzepte und Selbsthilfelösungen wären bekannte Alternativen, auf die man zurückgreifen könnte. So sind die Dreiteilung und die Konturierung der Unterschiede zwischen den drei Sektoren durchaus sinnvoll. Sie dient im Weiteren auch als Folie für die Beschäftigung mit Mischformen und fließenden Übergängen. Denn Hybridformen nehmen zu (s. u.: 4. Vielfalt, Mischformen und ein uneinheitlicher Sprachgebrauch). Um die Vielfalt im Non-Profit-Bereich übersichtlicher zu kategorisieren, kann man zwischen staatsnahen, basisnahen und wirtschaftsnahen NPO unterscheiden.

Allerdings ist aus historischen und politischen Gründen die Verbindung zwischen dem öffentlichen und dem Dritten Sektor in Deutschland vergleichsweise eng. Die gewachsene Staatsnähe des Dritten Sektors betrifft vor allem den Wohlfahrtsbereich. Die Bismarck’sche Sozialgesetzgebung zur Absicherung gegen Krankheit, Berufsunfall und Invalidität (1883-1889) und auch spätere Maßnahmen der staatlichen Wohlfahrtspflege trugen dazu maßgeblich bei. In der Weimarer Republik wuchs der dritte Sektor vor allem mit der Arbeiterbewegung. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) überschritt 1920 die Mitgliederzahl von acht Millionen. In allen politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Bereichen nahmen organisierte Interessen zu.