Kirsten Wendt & Marcus Hünnebeck

Zum Glück animiert

Roman

Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Die Autoren
Ein Abend mit Ines
Ablenkung
Leben wie Udo Lindenberg
Bürozombie
Sie haben Post
Telefonumfrage
Konsequenzen
Lotsenstreik
Über den Wolken
Wie die Motte vom Licht
Hotelankunft
Urlaubserholung
Schlaflos
Einkaufsbummel
Nachricht von Ines
Zwei Eiskugeln und ihre Folgen
Eine Nacht mit der Ex
Polizeieinsatz
Auf der Spur von Don Juan
Carmens Leidenschaft
Telefonkontakt
Der Umzug
Erkenntnisse
Pärchenabend
Wetteinsatz
Illegale Geschäfte
Das Ende der Saison
Endstation Flughafen
Letzter Aufruf für den Passagier Jakobi
Verlängerungstage
Weitere Bücher der Autoren

Das Buch

Daniel hat von der Liebe die Nase voll. Auf Mallorca will er die Trennung von seiner Exfreundin hinter sich lassen und den Urlaub genießen. Die Animateurin Paulina baut ihn mit ihrer bezaubernden Art auf, und die beiden kommen sich langsam näher. Dumm nur, dass auch noch die rassige Carmen auftaucht und ihm gehörig den Kopf verdreht. Plötzlich gleicht sein Leben einer rasanten Achterbahnfahrt …

Der neue Roman vom Autorenduo Kirsten Wendt und Marcus Hünnebeck. Ein heiterer Liebesroman mit Urlaubsfeeling.

Die Autoren

Marcus Hünnebeck wurde 1971 in Bochum geboren, studierte an der dortigen Ruhr-Universität Wirtschaftswissenschaften und lebt inzwischen als freier Autor im Rheinland. Nach den ersten Veröffentlichungen ab 2001, bei denen es sich um Thriller handelte, wandte er sich dem Kinderbuchgenre zu. Seit 2013 bringt er als Selfpublisher und auch in Zusammenarbeit mit Verlagen wieder Bücher für Erwachsene heraus. Unter dem Pseudonym Jo C. Parker erschien 2014 der humorvolle Roman 595 Stunden Nachspielzeit von ihm.

Kirsten Wendt, 1970 in Nordfriesland geboren, lebt und arbeitet als freie Autorin in Nienburg an der Weser. Im Jahr 2012 erfüllte sie sich ihren großen Traum und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit, nachdem sie zuvor als Vertrieblerin und Sekretärin tätig war. Sie verfasst Liebesromane, Sachbücher und Kurzgeschichten, hin und wieder auch Psychothriller unter Pseudonym. Am liebsten schreibt sie Glossen und Humorvolles.

Ihr erster gemeinsamer Roman Mein Nachbar und ich erschien im August 2015. Im November 2015 folgte Pimp My Dad. Im Februar 2016 Unsere Nachbarn und wir.

Taschenbuch, 1. Auflage, April 2016

Herausgeber:

Marcus Hünnebeck, Kirsten Wendt

Hegelstr. 11

40789 Monheim

Layout: www.ebokks.de

Umschlaggestaltung: Catrin Sommer, www.rausch-gold.com

Umschlagmotiv: shutterstock 339937394

ISBN der Taschenbuchausgabe: 1532750749

ISBN-13 der Taschenbuchausgabe: 978-1532750748

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autoren zulässig.

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind frei erfunden. Personen, ihre Handlungen und Äußerungen sind frei gestaltet und in keinem Fall als Abbilder lebender oder verstorbener Personen gedacht. Etwaige Ähnlichkeiten sind rein zufällig und unbeabsichtigt.

Ein Abend mit Ines

»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragt Ines aufgebracht und reißt mich aus meinen Gedanken. »Oder starrst du mich bloß an und wartest, bis ich mich beruhige, dein Gehirn leer, die Ohren auf Durchzug gestellt? Meinst du, es macht mir Spaß, immer hinter dir herzuräumen? Wenn du abends duscht, liegt deine dreckige Unterhose solange im Bad auf dem Boden, bis ich sie morgens in die Wäschetrommel werfe. Deine Barthaare landen nach dem Rasieren nicht im Abfluss, sondern kleben im Waschbecken fest. Genau wie die Zahnpastareste. Und wenn der Herr sich herablässt, für uns zu kochen, sieht die Küche hinterher wie ein Schlachtfeld aus. Ich bin in der Lage, zu kochen und anschließend die Töpfe und Teller in die Spülmaschine zu räumen! Warum schaffst du das nicht?«

Ich spare mir eine Verteidigungsrede und weitere Vorwürfe prasseln auf mich herab. Was soll ich auch darauf erwidern? Dass ich mir stets große Mühe gebe, ihr das Zusammenleben mit mir so angenehm wie möglich zu machen? Immerhin fühle ich mich am wohlsten, wenn sie keinen Grund zum Meckern findet und wir einträchtig miteinander auskommen. Wir sind bereits seit drei Jahren ein Paar und teilen uns seit zwanzig Monaten eine Wohnung. Anfangs war alles sehr harmonisch, sonst wäre ich nicht auf die Idee gekommen, in ihre Eigentumswohnung zu ziehen und ein gemeinsames Leben mit ihr aufzubauen. In letzter Zeit streiten wir uns jedoch beinahe täglich, meistens wegen banaler Kleinigkeiten.

Bei diesen Auseinandersetzungen spüre ich die Sorge, Ines zu verlieren und versuche, mich sofort mit ihr zu versöhnen. Ich habe mich noch nie fürs Singleleben geeignet gefühlt und gebe daher schneller nach, als es mir manchmal selbst lieb ist.

»Kannst du dich mal äußern? Oder ist dir alles total egal?«, fragt Ines aufgebracht.

Mist! Jetzt bin ich abgeschweift und weiß überhaupt nicht, was sie zuletzt gegen mich angeführt hat.

Sie schaut mich erwartungsvoll an, nur einen halben Meter von mir entfernt stehend. Mit der Gegenfrage, wozu ich mich äußern solle, würde ich wohl keine Pluspunkte sammeln. Aber irgendwie will ich die Situation retten. Ein überraschender Gedanke ploppt in meinem Kopf auf: Würde es unserem seit Monaten eher lauem Liebesleben Würze verleihen, falls ich nicht um ihre Zuneigung betteln, sondern mich eher männlich verhalte?

»Na toll! Das ist also deine Vorstellung von Konfliktbewältigung! Starrst mich mit leeren Zombieaugen an, um mich zum Schweigen zu …«

Probieren wir es doch mal mit Impulsivität!

Ich mache einen kleinen Schritt nach vorn, lege meine Arme um ihre Hüften und ziehe sie an mich heran. Sie ist so verdutzt, dass sie keine Gegenwehr leistet. Ihr schlanker Körper ist federleicht und in ihren Augen blitzt eine Leidenschaft auf, die ich schon länger nicht mehr wahrgenommen habe.

»Ines!«, raune ich. »Erinnern wir uns an früher! Als wir noch wild aufeinander waren und uns nicht wegen Hausarbeit gestritten haben!« Da ich sie um fünfzehn Zentimeter überrage, muss ich mich ein wenig beugen, um ihr einen Kuss zu geben. Meine linke Hand streichelt ihren schön geformten Po zärtlich und tatsächlich bewirkt diese spontane Aktion, dass ich mich nach ihr verzehre. Trotz aller Probleme liebe und begehre ich sie noch immer.

Urplötzlich stößt sie mir ihren rechten Oberschenkel in den Unterleib, was wie eine eiskalte Dusche auf meine neu erwachte Leidenschaft wirkt.

»Bist du verrückt?«, faucht sie.

Ich stöhne, bedauerlicherweise vor Schmerz, nicht vor Lust. Mich zusammenkrümmend ringe ich nach Luft. Ines wirkt erschüttert, hoffentlich über ihre Körperverletzung, nicht über meinen Versöhnungsversuch. Anscheinend habe ich mit der impulsiven Vorgehensweise nicht ihren Geschmack getroffen.

»Tut mir leid«, keuche ich atemlos. Glücklicherweise hat sie mich nicht voll erwischt, aber der Streifschuss zeigt genügend Wirkung.

»Was sollte das?«, schreit sie mich an. »Ich ärgere mich über dich und du presst mich einfach an dich?«

Einen per Steckbrief gesuchten Sexualstraftäter würde sie wahrscheinlich mit weniger Abscheu mustern. Dass sie völlig überzogen reagiert hat, spielt offenbar keine Rolle.

»Ich hatte bloß das Bedürfnis …«

»Deine Bedürfnisse sind mir scheißegal!«

»… nach Nähe«, vollende ich meinen Satz, während ich mich langsam aufrichte, da der Schmerz verebbt. Endlich kann ich wieder einigermaßen normal atmen.

Diesmal nehme ich aufflackerndes Mitleid in ihren Augen wahr oder interpretiere ich sie erneut falsch? Jedenfalls weicht der mitfühlende Anteil in ihrem Blick rasch eiskalter Wut.

»Bekommst also nicht genug Liebe von mir?«, fragt sie zynisch. »Woran liegt das wohl?«

Sie dreht sich um und läuft vom Wohnzimmer in die Diele. Ohne anzuhalten, greift sie nach ihrem lilafarbenen Blouson und streift ihn sich im Gehen über. Ich stolpere ihr hinterher, die Bewegung löst eine neue Schmerzwelle aus.

»Wohin willst du?«

»Einfach raus!«

»Bleib hier und lass uns reden!«, bitte ich sie.

Sie öffnet die Wohnungstür und sieht mich fassungslos an. »Was habe ich denn gerade probiert?«, flüstert sie kopfschüttelnd.

Es hat sich nach einer versuchten Zwangskastrierung angefühlt, denke ich, behalte diesen Gedanken aber für mich. Bloß kein Öl ins Feuer gießen.

Ines tritt in den Hausflur und wirft die Tür mit einem Knall zu. In einer Wohnung, die nicht meine ist, bleibe ich in einem Leben, das irgendwie zu mir gehört, allein zurück.

Ablenkung

Am nächsten Morgen sitze ich ohne sie am Frühstückstisch. Während ich um acht Uhr im Büro sein muss und für die Fahrt dorthin mindestens dreißig Minuten benötige, fängt Ines’ Arbeitstag erst um elf Uhr an, was ihr die Möglichkeit gibt, auszuschlafen. Ein Privileg, das sie aufgrund ihrer späten Rückkehr in der vergangenen Nacht bestimmt gerne ausnutzt.

Nach dem Frühstück wische ich mit einem feuchten Tuch über Tisch und Arbeitsplatte, damit kein Krümel ihren Unmut weckt. Danach decke ich ihren Platz mit frischem Geschirr und Besteck. Aus einem großen Notizzettel bastle ich eine Karte, auf die ich ein Herz male und die Worte ›Es tut mir sehr leid‹ schreibe. Bevor ich die Wohnung verlasse, überprüfe ich penibel den Hygienestatus im Badezimmer. Mir fällt nichts auf, worüber sie sich ärgern könnte.

Ich möchte Ines nicht verlieren und wenn ich ihr zuliebe zukünftig etwas aufmerksamer sein muss, ist das kein großes Opfer.

Behutsam ziehe ich die Wohnungstür zu und mache mich auf den Weg zur Arbeit.

Obwohl mich der Pförtner kennt, erhalte ich nur durch das Vorzeigen meines Mitarbeiterausweises Zutritt hinter die Eingangsbarriere. Diese Sicherheitsmaßnahme wurde eingeführt, nachdem sich ein gekündigter Angestellter mit einem im Hosenbund verborgenen Fleischermesser Zutritt verschaffte und beinahe seinen Ex-Chef in den ewigen Ruhestand geschickt hätte.

»Morgen, Daniel«, begrüßt mich der Pförtner freundlich. Er trägt einen dunkelblauen Anzug und eine rote Krawatte. Sein schütteres, schwarzes Haar ist sorgsam nach hinten gekämmt und mit Gel fixiert. Für Besucher ist er das erste Aushängeschild des Unternehmens, daher ist er sehr konservativ gekleidet. Ich hingegen kann von wenigen Ausnahmen abgesehen auf den Businesslook verzichten und bevorzuge legere Klamotten, wie die Kombination aus dunkelblauer Jeanshose und grauem Baumwollhemd, die ich heute angezogen habe.

»Morgen, Jupp. Geht’s deinem Sohn wieder gut?« In unserer Firma duzt jeder jeden, selbst die Putzfrau den Vorstandsvorsitzenden. Das soll für ein jugendliches Klima sorgen, in dem die Ideen frei sprießen.

»Der Virus ist ausgekotzt und ausgeschissen«, sagt er erleichtert.

»Apropos. Ich habe gerade in einen Hundehaufen getreten. Ist nicht schlimm, oder?« Demonstrativ streife ich meinen rechten Schuh an dem flauschigen, dunkelblauen Teppich mit dem roten Firmenlogo ab, der an jedem letzten Freitag im Monat aufwendig gesäubert wird. Heute ist der erste Montag im Juni.

Schockiert blickt Jupp über die Empfangstheke hinweg. Eine Sonderreinigung zu beauftragen würde ihm einigen Papierkram bescheren. Beruhigt atmet er aus, als er sieht, dass ich mir nur einen Spaß erlaubt habe.

»Sehr witzig!«, beklagt er sich trotzdem.

Jupp gibt per Knopfdruck die Barriere frei, ein Summen ertönt und ich laufe gegen das Drehkreuz. Im nächsten Moment verriegelt er jedoch den Durchgang wieder und ich spüre den Metallstab unangenehm an meinem Oberschenkel. Glucksend unterdrückt der Pförtner ein lautes Lachen. Ehe ich mich umdrehen kann, ist die Sperre aufgehoben. Mit dem Rücken zu ihm gewandt, zeige ich ihm den Mittelfinger der rechten Hand und gehe in den ersten der fünf sternförmig um die Lobby angeordneten Flure, der zu den Aufzügen führt. Das Hochhaus verfügt nur über vier langsame Fahrstühle, aber weil mein Büro im neunten Stock liegt, kommt die Nutzung des Treppenhauses lediglich bei Brandalarmübungen in Betracht. Und selbst da schummle ich manchmal und hole mir lieber eine Rüge des Feuerschutzbeauftragten ab, statt mit schweren Beinen den Sammelpunkt zu erreichen.

Nachdem ich aus dem Fahrstuhl getreten bin, wende ich mich nach links und laufe zielstrebig auf eine Glastür zu, hinter der ein Großraumbüro liegt. Ich öffne die nach außen aufschwingende Tür. Unser Team besteht aus fünfzehn Mitarbeitern, die in der Zeit von acht bis zweiundzwanzig Uhr in drei verschiedenen Schichten als Ansprechpartner für alle Callcenteragenten zur Verfügung stehen. Das Unternehmen hatte bereits bei seiner Gründung erkannt, wie viel Kosten sich einsparen lassen, wenn kein eigenes Callcenter für Kundenanfragen betrieben wird, sondern lieber Billiglohnsklaven in Rumänien, Polen und Ungarn ausgebeutet werden. Zwar sprechen die meisten dortigen Mitarbeiter schlechtes Deutsch, verlangen aber nicht einmal ein Zehntel eines durchschnittlichen deutschen Gehalts. Unser Team soll dafür sorgen, dass die Qualität der telefonischen Kundenbetreuung trotz dieser schlechten Ausgangslage nicht zu sehr leidet. Sobald ein Kollege mit einem Kundenproblem überfordert ist, ruft er bei uns an und lässt sich weiterhelfen. Zudem sind wir auch bei Fragen rund um die Bedienung unserer Computerprogramme Ansprechpartner. Die Tätigkeit macht mir zwar schon lange keinen Spaß mehr, aber wenigstens wird sie angemessen entlohnt. Sobald man akzeptiert hat, dass das Gehalt im Grunde Schadensersatz für einen miesepetrigen Chef und immer stärker werdenden Leistungsdruck darstellt, lassen sich die Schichten ertragen. Vor allem, wenn man mit den besten Kollegen der Welt zusammenarbeiten darf.

Da wir im Arbeitgeberidealfall – kein Urlaub und keine Krankmeldung – fünfzehn Personen sind, befinden sich in dem Großraumbüro ebenso viele Arbeitsplätze.

Von der in vier Minuten beginnenden Schicht bin ich der letzte eintreffende Kollege. Kathrin, Alexander, Michaela und Klaus sind schon anwesend. Zuerst laufe ich zu meinem Schreibtisch in der zweiten Reihe und drücke den Startknopf des Computers. Dabei fällt mein Blick auf ein Foto an der Abtrennung, das Ines und mich bei einem Urlaub auf den Malediven zeigt. Ein ungutes Gefühl schleicht sich in meine Magengrube. Ich versuche, dieses Unbehagen zu ignorieren und begrüße meine Kollegen. Die bildhübsche Kathrin sitzt direkt neben mir. Wie jeden Morgen umarmen wir uns, heute halte ich sie einige Sekunden länger als nötig in den Armen.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragt sie mich besorgt. Sie streicht sich ihre langen, hellbraunen Haare aus der Stirn.

»Ines und ich hatten gestern Abend Stress«, berichte ich wahrheitsgemäß. Als ich den Ausdruck von Bedauern in ihren Augen lese, winke ich lässig ab. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ihr Herz auf der Zunge tragen und vorschnell über private Probleme reden.

In der Reihe vor mir hat Michaela Platz genommen, eine gemütliche Frau Anfang fünfzig, die gute Seele unseres Teams. Sie organisiert Abteilungstreffen genauso wie das Wichteln in der Weihnachtszeit und Geschenke zu Geburtstagen. Außerdem lässt sie uns regelmäßig an ihren Backkünsten teilhaben, was dafür sorgt, dass nicht nur sie, sondern von Kathrin abgesehen alle Kollegen am Ende eines Jahres mehr auf die Waage bringen als zu Beginn. Lediglich Kathrin kann essen wie ein Scheunendrescher, ohne dass sich ein überflüssiges Gramm an ihrem Traumkörper sammelt.

»Beziehungsstress?«, fragt Michaela mitleidig, während ich zu ihr trete und sie ebenfalls in den Arm nehme.

»Nichts Dramatisches«, beschwichtige ich sie.

Neben Michaelas Arbeitsplatz befindet sich der von Alexander. Alex ist ein stark übergewichtiger Kollege, der stets eine Dose Nappo auf dem Schreibtisch stehen hat. Da der Raum noch nicht von Stimmengewirr oder Telefonklingeln erfüllt ist, hat er meine Worte mitbekommen. Ohne etwas zu sagen, hält er mir die Dose entgegen. In seiner Weltanschauung hilft Süßes bei jeder Art von Stress. Egal ob es sich dabei um ungerechtfertigte Chefmeckereien, dumme Anfragen von Callcenteragenten oder das Herumgezicke von Partnerinnen handelt. Ich greife in die Dose und nehme mir zwei der einzeln verpackten Nugatteile heraus, deren Geschmack mich immer in meine Kindheit zurückversetzt. Nappo, Dolomiti, Brauner Bär. An diese drei Köstlichkeiten werde ich mich mein Leben lang erinnern.

Die Tür zur kleinen Küche öffnet sich und Klaus tritt auf mich zu. Wir begrüßen uns, indem wir die rechten Fäuste gegeneinanderschlagen.

»Alles gut?«, erkundigt er sich und ich nicke.

Mit jeder Stunde im Büro sorge ich mich jedoch stärker wegen Ines. Ich bin mehrfach versucht, ihr eine SMS zu schicken. Kathrin, der ich in einer Kaffeepause vom gestrigen Desaster berichtet habe, hält mich davon ab und gibt mir den Rat, sie lieber mit einem romantischen Abendessen zu überraschen.

Nachdem ich auf den Computer eines polnischen Mitarbeiters zugegriffen habe, um ihm per Mausklick zu demonstrieren, wie man in unserem Kundenprogramm eine zweite E-Mail-Adresse einrichtet, verabschiede ich mich in die Mittagspause und laufe zu einer nahe gelegenen Parkanlage, um dort ein wenig Sonne und frische Luft zu tanken.

Zurück an meinem Arbeitsplatz stelle ich fest, dass der polnische Billiglohnsklave vergessen hat, meine Verbindung zu ihm zu kappen. Noch immer kann ich auf seinen Computer zugreifen. Ich winke Sebastian zu mir und mache ihn darauf aufmerksam.

»Mit ›Steuerung Escape Z‹ trennst du die Verbindung«, klärt mich der Kollege aus der Mittagsschicht unnötigerweise auf.

Ich schaue zu ihm hoch. »Das weiß ich, aber wo bleibt dann der Spaß?«

Zwei schnelle Klicks starten den Texteditor auf dem fremden Computer und ich tippe das Wort Hallo ein.

Es dauert ein wenig, bis eine Antwort in Polnisch auf meinem Bildschirm auftaucht.

Ich spreche kein Polnisch, erwidere ich.

Wer bist du?, lautet nach einer Weile die Reaktion.

HAL 9000.

Sebastian lacht laut auf, wodurch andere Kollegen auf uns aufmerksam werden. Da wir gerade nicht viel zu tun haben, sammelt sich rasch eine Traube von fünf Personen um mich herum.

HAL 9000?

Offensichtlich ist der Callcenter-Agent kein Science-Fiction-Fan und hat nie 2001 – Odyssee im Weltraum gesehen. Umso besser für mich.

Ich bin ein allwissendes Computerprogramm.

Ich weiß auch viel vom All, erklärt mir mein Chatpartner stolz. In wenigen Tagen …

Ich weiß alles, unterbreche ich ihn. Zum Beispiel deinen Namen. Tomasz.

Heilige Maria! Woher kennst du meinen Namen?

Ich bin das schlauste Computerprogramm der Welt.

Hoffentlich irritieren ihn aufgrund dieser Aussage nicht meine fehlenden Polnischkenntnisse.

Was willst du von mir?

Du sollst die Menschen wranen!

Wranen?

Mist! Vertippt! Warnen!, korrigiere ich mich.

Wovor?

Ich reiße die Macht auf Erden an mich, alle Computer auf dieser Welt werden sich mir anschließen. Gemeinsam vernichten wir die Menschheit. In wenigen Sekunden übernehme ich die Kontrolle und du hast es mir überhaupt erst ermöglicht. Ich danke dir.

Der Cursor des Texteditors blinkt. Und blinkt. Es erscheint keine weitere Antwort.

Wir malen uns das Chaos in dem Callcenter in der Nähe von Danzig aus. Was tut Tomasz gerade? Holt er Kollegen und zeigt ihnen den Text, oder hat er fluchtartig den Raum verlassen?

»Du solltest dich ausklinken«, empfiehlt mir Alexander grinsend.

Ich drücke die entsprechende Tastenkombination und mein rechter Bildschirm springt in den Stand-by-Modus. Dann wird mir bewusst, dass ich zum ersten Mal an diesem Tag nicht an Ines gedacht habe. Schlagartig zerstört mein Unbehagen die durch den kleinen Streich entstandene gute Laune.

Leben wie Udo Lindenberg

Nach der Arbeit fahre ich auf dem Heimweg zu einem Supermarkt und kaufe die Zutaten für ein gemeinsames Dinner ein. Ich erwarte Ines nicht vor viertel nach sieben zurück, was mir genügend Vorbereitungszeit lässt. Ich besorge Hähnchenbrustfilet, Schalotten, Bandnudeln, Sahne, Hühnerbrühe, gemahlene Mandeln, Thymian, Currypulver, Butter und Paniermehl, da ich mir nicht über unsere Vorräte im Klaren bin, außerdem landen zwei Kerzen im Einkaufskorb, die später für eine romantische Stimmung sorgen sollen.

Meine Hoffnung, sie hätte irgendetwas auf die gebastelte Karte geschrieben – im Idealfall ein »Mir tut es auch leid« – erfüllt sich nicht, die Karte liegt stattdessen zerknüllt im Altpapier. Doch davon lasse ich mich nicht entmutigen. Ich bereite die Zutaten vor, zerschneide das Fleisch in mundgerechte Stücke und hacke zwei Schalotten klein. Danach beseitige ich die Spuren dieser Tätigkeit und fülle mir ein Schaumbad ein, um nachher gut zu riechen. Gegen halb sieben stehe ich frisch rasiert am Herd und koche Hähnchen-Curry auf Bandnudeln.

Um zehn nach sieben ist das Essen servierbereit und außer zwei gefüllten Töpfen auf dem Herd ist die Arbeitsplatte völlig aufgeräumt. Der Tisch ist gedeckt, in der Mitte befinden sich die beiden angezündeten Kerzen, die einen schönen Schein verbreiten, weil ich am Küchenfenster das Rollo herabgelassen habe.

Zehn Minuten später ist Ines noch nicht aufgetaucht. Normalerweise benötigt sie eine Viertelstunde von ihrer Arbeitsstätte nach Hause.

Um halb acht beginne ich mir Sorgen zu machen. Selbst auf einem kurzen Heimweg kann immer etwas Schlimmes passieren. Trotzdem rufe ich sie nicht an, denn ich will sie nicht nerven, nur weil sie sich ein wenig verspätet.

Allerdings halte ich meinen Vorsatz locker zu bleiben nicht lange aus und greife schließlich zu meinem Smartphone. Ihre Nummer befindet sich auf der Kurzwahltaste ›1‹, es klingelt sechsmal, ehe ihre Mailbox anspringt.

»Hallo, hier ist Ines. Ich kann leider nicht ans Telefon gehen, hinterlasst mir einfach eine Nachricht.«

»Ines, wo bist du?« Klingt meine Stimme vorwurfsvoll? Ich atme tief durch, bevor ich weiterspreche. »Ich habe eine Überraschung für dich vorbereitet. Wann kann ich mit dir rechnen?«

Ich beende das Gespräch und eine Erinnerung, die ich den ganzen Tag über zu verdrängen versucht habe, trifft mich mit voller Wucht. Nachdem sie gestern die Wohnung verlassen hat, ist sie erst morgens um zwei heimgekehrt. Aus Angst vor der Beantwortung der Frage, wo sie war, hatte ich mich schlafend gestellt. Wahrscheinlich hat sie sich bei ihrer besten Freundin ausgeheult, doch …

Unser Festnetztelefon klingelt und befreit mich von diesen trüben Gedanken. Ich renne ins Wohnzimmer und nehme das Gespräch beim dritten Klingeln entgegen.

»Hallo?«, sage ich in der Erwartung, meine Liebste zu hören.

»Melanie Schmitt vom Leserkreis daheim. Spreche ich mit Daniel Jakobi?«

Ohne Erwiderung lege ich auf. Wir hatten vor einiger Zeit für mehrere Monate das Modell einer Zeitschriftenausleihe ausprobiert, uns dann aber dagegen entschieden und die in Frage kommende Zeitschrift lieber abonniert. Dies hält den Anbieter nicht davon ab, alle vier Wochen, bevorzugt in den Abendstunden, telefonisch neue Angebote anzupreisen. Doch heute habe ich keine Lust, mir die aktuellsten Schnäppchen präsentieren zu lassen.

Es wird acht, Viertel nach acht, halb neun.

Um zehn vor neun puste ich die halb abgebrannten Kerzen aus und fülle das komplette Essen in drei Tupperdosen. Mir selbst ist der Appetit vergangen. Zwanzig Minuten später stelle ich die Dosen in den Kühlschrank.

Als sich die Wohnungstür kurz nach elf öffnet, sitze ich wie ein Häufchen Elend in der Küche.

»Wo warst du?«, erkundige ich mich matt.

Sie sieht mich an und in ihren Augen erkenne ich, dass es vorbei ist. Unsere dreijährige Beziehung ist an ihrem Ende angelangt. Mir wird speiübel und am liebsten würde ich zum Klo laufen, unterdrücke jedoch diese rein psychosomatische Reaktion meines Körpers.

»Wir müssen reden«, flüstert sie.

Sie setzt sich zu mir an den inzwischen abgeräumten Küchentisch, die Arme vor den Körper verschränkt. Wie unter einem Mikroskop fallen mir unzählige Kleinigkeiten auf: die vereinzelten Sommersprossen, die ihre Nase sprenkeln, die kleinen Lachfältchen an den Augen, ein Muttermal am linken Ohrläppchen. Außerdem entdecke ich auf ihrer rosafarbenen Bluse einen dunkelroten Fleck.

»Ich habe mich vor ein paar Wochen in einen Arbeitskollegen verliebt«, sagt sie leise und starrt dabei auf den Küchentisch. »Lange Zeit war ich mir nicht sicher. Sind das Frühlingsgefühle oder steckt mehr dahinter? Seit gestern weiß ich, es ist mehr.«

Deswegen ist sie erst in der Früh nach Hause gekommen. Und ich Idiot mache mich noch zum Affen, indem ich ihr eine Karte bastle.

»Außerdem ist mein Vertrauen in dich zerstört.«

»Was?«, frage ich überrascht. Sie redet von Vertrauen? »Wieso?«

Nun blickt sie mir in die Augen. »Du hast mich körperlich bedroht.«

»Wann?«

»Du hast mich gegen meinen Willen an dich gepresst.«

»Ich wollte mich mit dir versöhnen«, erläutere ich.

»Du wolltest mir wehtun«, beharrt sie.

»Du hast mir in die Eier getreten. Wer hat also wem wehgetan?«

»Das ändert nichts an deinen Absichten.«

»Ich hatte gehofft, wir könnten diesen lächerlichen Streit so aus dem Weg räumen.«

»Wie aufschlussreich! Du findest meine Ansichten also lächerlich!«, dreht sie mir die Worte im Mund um.

»Das habe ich nicht behauptet!«

»Zieh bitte bis zum Wochenende aus! Und bis dahin schläfst du auf der Couch!«

Wahrscheinlich hat sie wegen dieser Machtposition nie gewollt, dass ich mich an der Finanzierung der Wohnung beteilige. Außer der Hälfte des Hausgeldes inklusive Strom musste ich nichts zum Wohnungsunterhalt beitragen.

Wortlos gehe ich ins Schlafzimmer und hole vom Kleiderschrank zwei Koffer herunter. In den ersten packe ich meine Klamotten und bekomme meine gesamte Frühlings- und Sommerkleidung untergebracht, in den zweiten stopfe ich meine Kosmetiksachen, einige Handtücher, Unterwäsche, ein paar DVDs und meinen Laptop samt Schutztasche. Nach zwanzig Minuten sind die meisten Spuren von mir aus der Wohnung getilgt und mir wird bewusst, hier lediglich ein geduldeter Gast gewesen zu sein.

Ines bleibt während meiner Packaktion in der Küche mit dem Rücken zur Tür sitzen. Sie versucht nicht, mich von meinem übereilten Aufbruch abzubringen. Selbst als ich den Wohnungsschlüssel vom Bund löse und auf die grauen Küchenfliesen schleudere, reagiert sie nicht.

»Leb wohl!«, sage ich verbittert.

»Du auch.«

Ich öffne die Tür, wuchte die beiden Koffer hinaus und schließe ein langes Kapitel meines Lebens.

Zumindest beinahe, denn als ich an der Haustür ankomme, stelle ich fest, dass sie verschlossen ist.

»Wie typisch!«, murmle ich. Im nächsten Augenblick erlischt das Flurlicht und ich stehe eine Weile im Dunkeln, ehe ich mich aufraffe, nach oben zu schlurfen.

Ich betätige kurz die Klingel und Ines macht mir nach ein paar Sekunden auf.

»Unten ist abgeschlossen.«

Sie geht in die Küche, hebt meinen Schlüssel vom Boden auf und drückt ihn mir in die Hand. »Schmeiß ihn in den Briefkasten!« Gefühllos drückt sie mir die Tür vor der Nase zu.

In meinem Auto starre ich minutenlang dumpf vor mich hin. Wo verbringe ich die Nacht? Während der Beziehung mit Ines habe ich keine großen Freundschaften gepflegt und bei den wenigen Menschen, mit denen ich mich gut verstehe, möchte ich nur ungern um Mitternacht mit zwei gepackten Koffern vor der Tür stehen. Meine Eltern leben weit entfernt und fallen daher als Alternative aus. Also lade ich mir auf meinem Smartphone eine App herunter, mit der man weltweit freie Hotelzimmer suchen kann. Ich tippe die Stadt meines Arbeitgebers ein und die Anwendung präsentiert mir insgesamt siebenundvierzig Hotels. Nach kurzem Überlegen entscheide ich mich für eines in der Nähe meiner Arbeitsstelle.

Die junge Rezeptionistin schaut mich müde an.

»Schönen guten Abend«, begrüßt sie mich trotzdem freundlich-professionell. Sie trägt eine weiße Bluse und darüber eine rote Jacke, auf der sich ein Namensschild befindet, laut dem sie Annika heißt.

»Guten Abend. Was kostet ein Zimmer bei Ihnen?« Eigentlich eine überflüssige Frage, denn über die Preise konnte ich mich dank der App und eines Schildes neben der Eingangstür bereits informieren.

»Neunundfünfzig Euro die Nacht, ein reichhaltiges Frühstücksbüfett gibt es für zehn Euro extra.«

»Gibt es einen Sondertarif für Gäste, die für einen Monat einchecken?«

Annika wirkt verdutzt.

Auf der halbstündigen Anfahrt habe ich mir ausgiebig Gedanken gemacht. Natürlich muss ich mir eine Wohnung suchen, will dabei aber nichts überstürzen. Und es gibt zwei beruhigende Faktoren, derentwegen ich mir Zeit lassen kann. Zum einen habe ich in den letzten Jahren jeden Monat reichlich Geld von meinem Gehalt übrig behalten, weil ich keinem exklusiven Hobby fröne und auch keine teuren Anschaffungen getätigt habe. Mein Tagesgeldkonto weist einen Stand von mehr als zwanzigtausend Euro auf und auf meinem Girokonto verfüge ich ebenfalls über ein Guthaben von viertausend Euro.

Der Ursprung des zweiten Faktors liegt fünfzehn Jahre zurück. Im Juli siebenundneunzig schenkte mir mein inzwischen leider verstorbener Patenonkel, der in den Achtzigerjahren nach Amerika ausgewandert war, ein Aktienpaket zur Volljährigkeit. Das Paket umfasste fünfhundert Wertpapiere einer einzigen Firma, deren Kurs pro Aktie zum damaligen Zeitpunkt drei Dollar dreißig betrug. Der Name der Firma lautete Apple. Bei einem Kurs von sechshundertsechzig Dollar verkaufte ich das komplette Paket. Das ohnehin sehr großzügige Geschenk, das an meinem achtzehnten Geburtstag einen Wert von eintausendsechs­hundertfünfzig Dollar hatte, verschafft mir eine finanzielle Reserve von etwa dreihunderttausend Euro, die ich gut verzinst angelegt habe.

Annika erholt sich schnell von ihrer Überraschung und reicht mir einen Anmeldebogen. »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, überspielt sie ihre Unwissenheit. »Bestimmt haben wir einen Sondertarif für langfristige Gäste. Allerdings müssten Sie den mit dem Direktor aushandeln. Herrn Jesche treffen Sie werktags von neun bis achtzehn Uhr an.«

Nachdem ich das Formular ausgefüllt habe, gibt sie mir eine Magnetkarte für ein Zimmer im vierten Stock.

Ein leises Summen signalisiert mir den Zugang zu meinem vorübergehenden Zuhause. Ich stoße die Tür auf, schalte das Licht ein und lasse den ersten Eindruck auf mich wirken. Das Zimmer ist geräumig und verfügt über ein großes Doppelbett, das von zwei Nachttischen umrahmt wird, auf denen kleine Lampen stehen. Der grüne Vorhang ist zugezogen, zur Ausstattung des Raumes gehören zudem ein an der Wand hängender Flachbildfernseher, ein Tisch mit einem Telefon und ein roter Ledersessel. Gegenüber dem Fußende des Bettes steht ein Kleiderschrank.

Da die Luft im Raum stickig ist, führen mich meine ersten Schritte zum Fenster. Ich schiebe den Vorhang und die weiße Gardine beiseite, dann öffne ich das Fenster, wodurch Straßenlärm zu mir hochdringt. Danach inspiziere ich das moderne, mit einer Duschzelle versehene und weiß gekachelte Badezimmer.

»Willkommen daheim«, flüstere ich, während ich den Koffer mit der Kleidung zum Schrank rolle.

Bürozombie

»Was ist denn mit dir passiert?«, erkundigt sich Michaela, als ich mich um zehn nach acht ins Büro schleppe. Trotz der kurzen Anfahrt habe ich mich verspätet, weil ich nach einer Nacht, in der ich nicht eine Minute schlafen konnte, mit einer ausgiebigen Dusche und vier Tassen Kaffee zum Frühstück probiert hatte, meine Lebensgeister zu wecken. Die anderen Kollegen mustern mich besorgt und in ihren Augen erkenne ich, wie es um mich bestellt ist.

»Ines hat mich rausgeworfen«, erkläre ich leise.

Michaela steht von ihrem Arbeitsplatz auf, bestimmt will sie mich tröstend in den Arm nehmen. Ich entgehe diesem wohlgemeinten Angebot, indem ich mich auf meinen Stuhl fallen lasse. Im Gegensatz zu der einsamen Nacht im Hotel werde ich hier nicht in Tränen ausbrechen. Auch die anderen Kollegen gesellen sich zu uns.

»Was ist zwischen euch vorgefallen?«, fragt Kathrin.

»Wo hast du geschlafen?«, will Alexander wissen.

»Ich habe ein freies Gästezimmer«, bietet mir Klaus an.

»Sie hat bereits einen Neuen!«, jammere ich.

»Diese Schlampe!«, echauffiert sich Klaus.

Reflexartig will ich Ines in Schutz nehmen, aber mir tut der Zuspruch meiner Kollegen viel zu gut, als dass ich jetzt für meine Verflossene in die Bresche springe und eine Teilschuld auf mich lade.

»Ich rufe bei meiner Frau an. Sie soll das Zimmer herrichten«, beweist sich Klaus als Mann der Tat. Als er sich von uns abwendet, greife ich nach ihm und halte ihn an der Schulter fest. »Das ist nicht nötig. Trotzdem vielen Dank.« Ich versuche ein Lächeln hinzubekommen, doch meine Gesichtsmuskeln scheinen die dafür notwendige Koordination vergessen zu haben.

»Du musst irgendwo unterschlüpfen«, widerspricht mir Klaus.