ROBERT E. HOWARD

 

 

Könige der Nacht -

Die BRAN MAK MORN-Erzählungen

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

Vorwort von Robert E. Howard 

 

Die Schattenmänner 

Das verschwundene Volk 

Könige der Nacht 

Ein Fragment 

Die Würmer der Erde 

 

Einzelnachweise 

 

Das Buch

 

Robert E. Howard, Autor der weltberühmten CONAN-Serie, hatte schon in jungen Jahren eine besondere Vorliebe für die Pikten entwickelt, jene legendären Ureinwohner Britanniens, von denen die Geschichte nicht viel zu berichten weiß. Dieser Vorliebe für das wilde, kriegerische Volk, das selbst die Römer unter Kaiser Hadrian nicht zu bezwingen vermochten, verdanken wir Howards BRAN-MAK-MORN-Erzählungen – phantastische Stories voller Kampf, Wildheit und düsterer Magie, die um das Jahr 200 n. Chr. spielen und die sich um Bran Mak Morn, den tapfersten und klügsten aller Pikten-Herrscher, ranken.

KÖNIGE DER NACHT enthält neben einem Vorwort des Autors die Texte Die Schattenmänner, Das verschwundene Volk, Könige der Nacht, Ein Fragment und Die Würmer der Erde. 

Der Autor

 

Robert Ervin Howard (* 22. Januar 1906, + 11. Juni 1936).  

 

Robert Ervin Howard war ein US-amerikanischer Autor von Fantasy-, Abenteuer- und Horrorgeschichten sowie mehrerer Westernromane. Er gilt als stilprägender Vertreter der Low Fantasy.

Howard wuchs in der kahlen und trockenen Landschaft von West-Texas auf und unternahm nur wenige Reisen. Als Heranwachsender arbeitete er auf den örtlichen Ölfeldern; darüber hinaus arbeitete er als Baumwollpflücker, Cowboy, Verkäufer, in einem Rechtsanwaltsbüro, als Landvermesser und als Journalist, bevor er sich durch den Verkauf seiner Geschichten an diverse Pulp-Magazine - vor allem Weird Tales, Thrilling Adventures, Argosy und Top-Notch - ein regelmäßiges Einkommen sichern konnte.

Seine erste Geschichte Spear And Fang verkaufte er im Jahre 1924 an Weird Tales. Dies war der Start einer ebenso kurzen wie beeindruckenden (und vor allem: nachwirkenden) Karriere als Schriftsteller: In den Folgejahren erschuf Howard seine bekanntesten Zyklen um Conan den Cimmerier, Kull von Atlantis, den Pikten Bran Mak Morn, den irischen Piraten Turlogh O’Brien und den englischen Puritaner Solomon Kane.

Die meisten Helden in Howards literarischem Nachlass sind latent depressiv (Solomon Kane, Turlogh O’Brien, Kull von Atlantis), was biographische Bezüge vermuten lässt. Lediglich Conan ist ein tendenziell naiver, von keinen Skrupeln oder tieferen Gefühlen berührter Abenteurer und Krieger. Über den Charakter Conan, der - vor allem auch durch die Verfilmungen in den Jahren 1982 und 1984 (beide mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle) sowie 2011 (mit Jason Momoa in der Rolle des Barbaren)  - wohl die populärste der von ihm geschaffenen Figuren ist, sagte er, sie sei die realistischste von allen, da sie eine intuitive Kombination diverser Männer darstelle, mit denen er in seinem Leben zu tun gehabt habe.

Viele von Howards Fantasy-Geschichten spielen vor dem Hintergrund des – fiktiven – Hyborischen Zeitalters.

Howard war ein Brieffreund H. P. Lovecrafts, der auch Einfluss auf Howards Geschichten ausübte. Umgekehrt geht das fiktive Buch Unaussprechliche Kulte, dessen Erfindung häufig Lovecraft zugeschrieben wird, auf Howard zurück.

Robert E. Howard Howard beendete sein Leben im Alter von 30 Jahren durch Selbstmord. Als seine kranke Mutter ins Koma fiel und wenig Hoffnung auf Genesung bestand, stieg er in seinen Wagen und erschoss sich in der Einfahrt zu seinem Haus.

  Vorwort von Robert E. Howard

 

 

Wie kann im grauen Alltag ich steh'n,

Wie lauschen and'ren Tönen,

Wenn in meiner Seele stets

Die Trommeln der Pikten dröhnen?

 

 

 

 

 

 

  Über eines meiner Steckenpferde bin ich mir selbst heute noch nicht so ganz im Klaren. Ich will ihm weder eine esoterische noch eine mystische Bedeutung zumessen, doch bleibt die Tatsache bestehen, dass ich es weder erklären noch verstehen kann. Es handelt sich um mein Interesse an einem Volk, das ich der Einfachheit halber stets als Pikten bezeichnet habe. Natürlich ist mir bewusst, dass die Richtigkeit des Begriffs kontrovers diskutiert werden kann. Denn das Volk, das in der Geschichte unter dem Namen Pikten bekannt ist, wird verschiedentlich als Kelten, als Ureinwohner und selbst als Germanen bezeichnet. Einige Fachleute vertreten den Standpunkt, sie wären nach den Briten, jedoch kurz vor den Gälen nach Britannien gekommen. Die Wilden Pikten von Galloway der frühen schottischen Geschichte und Legende waren zweifellos eine sehr gemischte Rasse, wahrscheinlich hauptsächlich keltischer Abstammung - sowohl kymrischer wie auch gälischer -, und sprachen eine Variation des Walisischen, vermischt mit Elementen aus dem Gälischen und der Sprache der Ureinwohner sowie einigen Wörtern aus dem Germanischen und Skandinavischen. Wahrscheinlich wurde die Bezeichnung Pikten nur für jenen wandernden Keltenstamm angewendet, der sich in Galloway angesiedelt hatte und dort die Urbevölkerung unterworfen hatte, worauf er von dieser absorbiert worden war.

Für mich allerdings ist der Pikte stets der kleine, dunkle Ureinwohner Britanniens mediterraner Abstammung. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn als ich zum ersten Mal etwas über diese Rasse las, wurde sie als Pikten bezeichnet. Verwunderlich hingegen ist mein niemals nachlassendes Interesse für sie.

Erstmals stieß ich in schottischen Geschichten auf sie. Dort wurden sie nur gelegentlich erwähnt - und zumeist in negativem Zusammenhang. Sie müssen wissen, dass meine Geschichtskenntnisse in meiner Kindheit lückenhaft und oberflächlich waren, was darauf zurückzuführen ist, dass ich auf dem Lande wohnte, wo entsprechende Bücher selten waren. Ich war ein Enthusiast der schottischen Geschichte, weil ich mich aufgrund meiner Herkunft mit den Angehörigen der Clans verwandt fühlte. In den kurzen Abhandlungen, die ich las, wurden die Pikten nur selten erwähnt; so zum Beispiel, als sie von den Schotten besiegt wurden, oder in der englischen Geschichte, dass die Briten ihretwegen die Sachsen zu Hilfe gerufen hatten. Die eingehendste Beschreibung, die ich zu dieser Zeit von ihnen hatte, bestand in einer Bemerkung eines englischen Historikers, dass die Pikten rohe Wilde waren, die in Lehmhütten hausten. Und den einzigen Hinweis auf ihr Aussehen, den mir die Legende gewährte, stammt aus einer Beschreibung, die Rob Roy der abnormen Länge seiner Arme wegen mit den Pikten vergleicht und kurz deren gedrungenes Aussehen und affenartige Erscheinung erwähnt.

Sie werden folglich bemerken, dass alles, was ich zu dieser Zeit über die Pikten gelesen hatte, nicht gerade dazu angetan war, Bewunderung zu erwecken.

Als Zwölfjähriger befand ich mich eine kurze Zeit in New Orleans und entdeckte in einer Bibliothek in der Canal Street ein Buch über die Geschichte Britanniens von der prähistorischen Zeit bis zur Eroberung durch die Normannen. Es war für Jugendliche geschrieben und in romantischem Stil abgefasst. Wahrscheinlich enthielt es viele historische Ungenauigkeiten, doch erfuhr ich dadurch zum ersten Mal von dem kleinen, dunkelhäutigen Volk, das als erstes Britannien besiedelte und das als Pikten bezeichnet wurde.

Ich habe stets ein eigenartiges Interesse für den Namen und das Volk verspürt, und danach wurde die Faszination noch stärker. Der Autor beschrieb die Ureinwohner auch nicht in besserem Licht, als es die anderen Historiker getan hatten: Sie waren verschlagen, hinterhältig, unkriegerisch und den ihnen nachfolgenden Völkern gänzlich unterlegen. Zweifellos entsprach dieses Bild der Wahrheit, und doch fühlte ich starke Sympathie für dieses Volk und erwählte sie damals zu meinem Bindeglied mit den alten Zeiten. Ich machte aus ihnen eine starke, kriegerische Rasse von Barbaren, gab ihnen eine ehrenhafte Geschichte vergangenen Ruhmes und erschuf einen großen König für sie: Bran Mak Morn. Ich muss gestehen, meine Phantasie hat mich bei der Namensgebung dieser Figur ziemlich im Stich gelassen, die plötzlich und völlig ausgereift in Gedanken vor mir stand. Viele Könige in den piktischen Chroniken tragen gälische Namen, doch in Einklang mit meiner Vision der piktischen Rasse sollte ihr großer König einen nicht-arischen Namen haben. Aber: Ich nannte ihn Bran nach einer anderen meiner historischen Lieblingsgestalten, dem Gallier Brennos, der Rom einnahm. Mak Morn wiederum stammt von dem berühmten irischen Helden Gol Mac Morn. Ich veränderte die Schreibung des Wortes Mac, um ihm ein nicht-gälisches Aussehen zu verleihen, nachdem im gälischen Alphabet das k unbekannt ist und das c stets wie k ausgesprochen wird. Während also Bran Mac Morn Der Rabe, Sohn des Morn auf Gälisch heißt, hat Bran Mak Morn keine gälische Bedeutung, sondern eine rein piktische, deren Wurzeln sich im nebelverhüllten Labyrinth der Vergangenheit verlieren. Die Ähnlichkeit mit dem gälischen Ausdruck ist ganz einfach ein Zufall!

Bran Mak Morn hat sich im Laufe der Jahre nicht verändert; er sieht noch genauso aus, wie er mir plötzlich vor dem geistigen Auge erschien: ein Mann mittlerer Größe mit unergründlichen, schwarzen Augen, schwarzem Haar, dunkler Haut und pantherhaften Bewegungen.

Wenn ich über die Pikten las, ergriff ich stets ihre Partei gegen die einwandernden Kelten und Germanen, die ja eigentlich meine Vorfahren sind. Meine Vorliebe für dieses fremdartige Steinzeitvolk war besonders in frühen Jahren derart ausgeprägt, dass ich mit meinem nordischen Aussehen unzufrieden war. Und wäre es nach meinen Kindheitsträumen gegangen, so wäre ich heute klein, untersetzt, besäße starke, gedrungene Glieder, kleine schwarze Augen, eine niedrige, fliehende Stirn und glattes, dickes, schwarzes Haar. So stellte ich mir den typischen Pikten vor. Ich vermag diese Vorliebe nicht mit Bewunderung für eine Person gleichen Aussehens aus meinem Bekanntenkreis zu erklären. Nein, sie erwuchs allein aus meinem Interesse an jener mediterranen Rasse, die als erste Britannien besiedelte.

Mein Interesse an den Pikten war stets mit einem Fantasy-Element verknüpft. Damit will ich sagen, dass sie für mich nie so real waren wie die Iren oder die Schotten. Das heißt nicht, dass ich sie weniger deutlich vor mir sah, aber als ich über sie schrieb, geschah dies durch fremde Augen. So erzählte ich Die Schattenmänner, meine erste Bran-Mak-Morn-Geschichte, von der Warte eines gotischen Söldners der römischen Armee aus. In einem langen erzählenden Gedicht, das ich nie fertigstellte, war ein römischer Zenturio auf dem Hadrianswall die Hauptperson, in Das verschwundene Volk ein Brite und in Könige der Nacht ein gälischer Prinz. Nur in meiner letzten Bran-Erzählung, Die Würmer der Erde, sah ich durch piktische Augen, sprach ich die piktische Zunge!

In Könige der Nacht beschreibe ich die Anstrengungen Roms, die Wilden Völker Kaledoniens zu unterwerfen. Die Personen und die Handlungen sind fiktiv, der Hintergrund jedoch ist historisch. Wie Sie wissen, ist es den Römern nie gelungen, ihre Grenzen weit in die Heidelandschaften vorzutreiben, und sie zogen sich nach mehreren erfolglosen Unternehmungen wieder hinter ihre große Mauer zurück. Ihre Niederlage muss durch eine kurzzeitige Allianz zustande gekommen sein, wie ich sie etwa beschrieben habe: ein Zusammenwirken von gälischen, kymrischen, piktischen und eventuell auch germanischen Kräften. Ich bin mir ziemlich sicher, dass germanische Siedler bereits lange vor der Völkerwanderung Kaledonien infiltriert hatten.

In Die Würmer der Erde griff ich wiederum Brans ewigen Kampf gegen Rom auf. Ich kann ihn mir kaum in einem anderen Zusammenhang vorstellen. Manchmal glaube ich, Bran ist nur das Symbol meines eigenen Antagonismus gegen das Römische Reich - ein Antagonismus, der bei weitem nicht so leicht zu verstehen ist wie meine Vorliebe für die Pikten.

Erstmals las ich das Wort Pikten auf Landkarten, und stets außerhalb der weitgestreckten Grenzen des Römischen Imperiums. Diese Tatsache erregte mein besonderes Interesse, sie deutete heftige Kriege an, wilde Schlachten, erbitterten Widerstand, Ruhm, Heldentum und Erbarmungslosigkeit. Instinktiv war ich ein Feind Roms, und daraus ergab sich meine instinktive Vorliebe für alle Feinde Roms - und insbesondere für diejenigen Feinde, die sich allen Unterwerfungsversuchen erfolgreich widersetzt hatten. Als ich in meinen Träumen - richtigen Träumen, nicht etwa Tagträumen - gegen die gepanzerten Legionen Roms focht und verwundet zurücktaumelte, erschien vor meinen Augen wie aus einer fernen Zeit das Bild einer Landkarte des Römischen Reichs und außerhalb dessen Grenzen der Unterwerfung die mystische Bezeichnung Pikten und Schotten. Wieder und wieder verlieh mir ein Gedanke neue Kräfte: der Gedanke, bei den Pikten Zuflucht finden zu können, um nach der Heilung meiner Wunden erneut den Kampf aufzunehmen.

Eines Tages werde ich einen Roman schreiben, der in diesem nebligen Zeitalter spielt. Mir die Freiheiten erlaubend, die dem Verfasser historischer Romane vorgeblich erlaubt sind, wird die Handlung etwa folgendermaßen aussehen: Gleichzeitig mit dem Nachlassen des römischen Druckes auf Britannien nimmt die Einwanderung der Germanen vom Osten her zu. Von der Küste Kaledoniens ausgehend, drängen diese weiter nach Westen, bis sie in heftigen Konflikt mit den älteren gälischen Siedlern geraten. Auf den Ruinen des uralten Königreichs der Pikten treten diese kriegerischen Stämme gegeneinander an, wenden sich dann jedoch einem gemeinsamen Feind zu: den einfallenden Sachsen.

Ich plane die Erzählung als Geschichte von Nationen und Königen anstatt von Individuen. Zweifellos werde ich sie nie schreiben.

 

 

Robert E. Howard,

Cross Plains/Texas, 1934

  Die Schattenmänner

 

 

 

  Klirrend schlug Schwert schlug gegen Schwert.

  »Ailla! A-a-ailla!«, erklang es schrill aus den Kehlen hundert Wilder.

  Sie schwärmten von allen Seiten gegen uns heran. Hundert gegen dreißig. Wir standen Rücken an Rücken, hielten die Schilde überlappt und die Klingen vorgestreckt. Die Waffen waren rot, und rot waren auch Helm und Harnisch. Einen Vorteil besaßen wir: Im Gegensatz zu unseren Gegnern waren wir gepanzert. Und

dennoch warfen sie sich trotz ihrer Nacktheit auf uns, als wären sie in Stahl gekleidet.

  Für einen Augenblick lang zogen sie sich zurück, Flüche keuchend, während das rinnende Blut seltsame Muster auf ihre blau bemalte Haut zeichnete.

  Dreißig Mann! Der Überrest eines kleinen Heeres von fünfhundert, das so stolz von der Mauer des Hadrian aus gen Norden gezogen war. Bei Zeus, was für ein Plan! Fünfhundert Mann sollten sich durch ein Land schlagen, das von Barbaren aus einem anderen Zeitalter nur so wimmelte. Bei Tage marschierten wir und hieben uns einen roten Pfad durch die blutdürstigen Horden, bei Nacht schlugen wir Lager auf, die von knurrenden Unholden umschlichen wurden. Und immer wieder verloren Wachtposten ihr Leben unter dem rasch geführten Dolch.

  Kampf, Blutvergießen, Schlächterei. Und der Kaiser in seinem noblen Palast würde Kunde davon erhalten, dass wieder eine Expedition in den nebligen Bergen des mystischen Nordens verschwunden war.

  Ich warf meinen Kameraden einen Blick zu. Es waren Römer aus Latium und aus Rom selbst, Briten, Germanen und ein feuerhaariger Hibernianer. Ich blickte zu den Wölfen in Menschengestalt hinüber, die uns umringten: gnomenhafte Menschen, vornübergebeugt, mit langen, starken Armen und zottigem Haar über fliehenden Stirnen. Schwarzglühende Augen starrten uns bösartig an. Die Barbaren waren fast unbekleidet, trugen kleine Rundschilde, lange Speere und Schwerter mit gekrümmten Klingen. Kaum einer maß mehr als fünf Fuß, doch ihre unglaublich breiten Schultern zeugten von ungewöhnlicher Stärke. Und flink waren sie wie Katzen.

  Da stürmten sie auch schon wieder heran. Die kurzen Schwerter der Angreifer prallten auf die römischen Kurzschwerter. Es war ein Kampf auf engstem Raum, denn es war sowohl die Taktik der Wilden wie auch die der römischen Legionäre. Der römische Schild stellte einen Nachteil dar, denn er war zu schwer für rasche Bewegungen, und die Barbaren stießen geduckt von unten herauf.

  Wir standen Rücken an Rücken, und wenn einer von uns fiel, schlossen wir die Reihe wieder. Sie drängten gegen uns, so dass wir einander Angesicht zu Angesicht

gegenüberstanden und ihr säuerlicher Atem uns in die Nase stank. Wie Krieger aus Stahl hielten wir unsere Stellung. Die Heide, die Hügel, ja selbst die Zeit wurde bedeutungslos. Wir waren keine Männer mehr, sondern nur noch kämpfende Automaten. Die Schlacht ließ keinen Platz für Gedanken und Gefühle. Hauen und stechen. Eine Klinge zersplittert auf einem Schild. Ein tierhaftes Gesicht knurrt. Schlag zu! Das Gesicht verschwindet und wird durch eine andere Fratze ersetzt.

  Die Jahre der römischen Kultur verschwanden wie Nebel unter den Strahlen der Sonne. Ich war wieder ein Wilder, der einem feindlichen Stamm gegenüberstand. Ich verfluchte die Kürze meines römischen Schwertes. Ein Speer zersplitterte an meinem Brustpanzer, ein Schwert zersprang auf meinem Helm, hämmerte mich zu Boden. Ich taumelte empor und tötete den Angreifer mit einem aufwärts geführten Hieb.

  Schließlich hielt ich mit erhobenem Schwert inne. Stille herrschte auf der Heide. Kein Feind stand mehr auf den Beinen. Nur noch Leichen lagen umher. Und von uns dreißig waren nur noch fünf übrig: zwei Römer, ein Brite, der Ire und ich. Das Römerschwert und der römische Panzer hatten den Sieg davongetragen.

  Es blieb nur eines zu tun, den Marsch nach Süden fortzusetzen. Aber bevor wir uns daran machten, fand ich etwas auf dem Schlachtfeld, das mein Herz mit Freude erfüllte, einen Zweihänder in der verkrampften Hand eines der Wilden. Das Langschwert eines Nordmanns, bei Thor! Der Tote hielt die Waffe so fest umklammert, dass ich gezwungen war, ihm die Hand abzuschlagen, um es mir anzueignen.

  Nun fühlte ich mich wohler. Kurzschwert und Schild mochten für einen Mann mittlerer Größe genügen, reichten jedoch für einen Krieger, der sechseinhalb Fuß maß, nicht aus.

 

  Wir überquerten die Berge, krochen wie Insekten eine Steilwand hoch und wurden oben fast vom Sturm weggeblasen, der wie ein Riese brüllte.

  Und dort erwarteten sie uns.

  Der Brite fiel mit einem Speer im Körper, taumelte hoch, umklammerte den Angreifer, und zusammen stürzten sie über den Rand des Abgrundes tausend Fuß hinab. Nach einem kurzen, wütenden Gefecht war der Kampf auch schon zu Ende. Vier Feinde lagen bewegungslos zu unseren Füßen, während einer der Römer auf dem Boden hockte und das Blut zu stillen versuchte, das aus seinem Armstumpf hervorsprang.

  Die Gefallenen rollten wir über den Rand der Schlucht, und den Arm des Römers umwanden wir fest mit Lederriemen. Dann setzten wir unseren Weg fort.

  Weiter. Weiter.

  Zerklüftete Felsen rund um uns. Die Sonne senkte sich dem Horizont entgegen. Als wir, von Steinblöcken gedeckt, auf einer breiten Felskante kauerten, zog eine Schar Eingeborener unter uns vorbei. Wild aufbrüllend sprang der Ire mitten unter sie. Sein rotes Haar schimmerte zwischen ihren schwarzen Schöpfen. Der erste, der ihn erreichte, fiel mit gespaltenem Schädel, und der zweite kreischte auf, als ihm der Arm von der Schulter getrennt wurde. Mit einem wilden Kampfschrei versenkte der Ire sein Schwert in einer haarigen Brust, riss es heraus und hieb einen Kopf ab. Dann waren sie über ihm wie Wölfe über einem Löwen, und einen Augenblick später zierte sein Haupt eine Speerspitze.

  Der Trupp zog weiter, ohne etwas von unserer Anwesenheit zu bemerken, und wir setzten unseren Weg fort.

  Die Nacht kam, und der Mond ging auf und warf gespenstische Schatten. Bis zum Morgengrauen taumelten wir weiter, verbargen uns bei Tagesanbruch in Felsnischen und machten uns des Nachts wieder auf den Weg.

  Bei Einbruch der Morgendämmerung erreichten wir eine riesige Hochebene, die an drei Seiten von Bergen eingerahmt war. Nur gen Süden zu schien das Land flach zu sein, und so glaubte ich, dass wir endlich das Hügelland vor uns hatten, das in die fruchtbaren Ebenen des Südens überging.

  An einem See hielten wir an. Kein Feind war zu sehen, und nirgendwo stieg Rauch auf. Aber als wir so standen, kippte der einarmige Römer lautlos vornüber.

  Ein Wurfspeer stak in seinem Körper. Unsere Blicke suchten den See ab. Kein Boot war zu sehen und auch kein Gegner im spärlichen Schilf am Ufer. Wir wandten uns um und blickten forschend über die Heidelandschaft. Da brach der zweite Römer mit einem kurzen Speer zwischen den Schulterblättern zusammen.

  Das Schwert gezückt, suchte ich mit den Blicken die Hänge ab. Die Heide erstreckte sich zwischen den Bergen, und nirgends war das Heidekraut hoch genug, um einen Mann verbergen zu können - nicht einmal einen Kaledonier. Keine Welle kräuselte die Seeoberfläche, Wieso bewegte sich das eine Schilfrohr, während die übrigen still standen? Ich beugte mich vor und spähte ins Wasser. Neben dem Rohr stieg eine Luftblase hoch. Ich bückte mich noch mehr und blickte in ein tierhaftes Antlitz unter der Oberfläche! Erstaunen ließ mich einen Augenblick lang zögern, dann spaltete mein Schwert das haarige Gesicht und parierte im letzten Moment den Speer, der gegen meine Brust zuckte. Das Wasser schäumte auf, und kurz darauf trieb die Leiche des Wilden an die Oberfläche. Seine Hand hielt immer noch das Schilfrohr umklammert, durch das er geatmet hatte. Nun wusste ich, warum so viele Römer an den Seeufern auf geheimnisvolle Weise das Leben verloren hatten.

  Ich warf meinen Schild fort und behielt nichts außer Schwert, Dolch und Rüstung. Ein wildes, erhebendes Gefühl durchströmte mich. Ich war allein in einem rauen Land voller Feinde, die nach meinem Blut dürsteten. Bei Thor und Odin! Ich würde ihnen zeigen, wie ein Nordmann zu sterben vermochte!

  Mit jedem Atemzug verlor ich mehr von der Schale der römischen Kultur. Zuletzt blieb nur noch der primitive Mann übrig, und kalte Wut erfüllte mich, gepaart mit Verachtung für meine Feinde. Ich war nahe daran, zum Berserker zu werden. Die kriegerische Seele des Nordmanns regte sich in mir. Ich war kein Römer. Ich war ein gelbbärtiger Barbar. Und ich schritt über die Heide, als befände ich mich an Bord meines Langschiffs. Wer waren schon die Pikten? Verkrüppelte Zwerge, deren Tage gezählt waren. Sie entstammten einem anderen Zeitalter, ein Volk, das die Kelten und Nordmänner vor sich her getrieben hatten. Und irgendwo in meinem

Geist hauste die verschleierte Erinnerung an wilde, gnadenlose Kriege aus einer dunkleren Zeit.

  Aber da war auch eine gewisse Scheu - nicht vor ihren kämpferischen Fähigkeiten, sondern vor der Zauberei, die sie beherrschen sollten. Ich hatte ihre Cromleche in ganz Britannien gesehen und auch den Wall, den sie unweit von Corinium erbaut hatten. Ich wusste, dass die keltischen Druiden sie in einem solchen Ausmaß hassten, das selbst für Priester erstaunlich war. Nicht einmal die Druiden vermochten zu erklären, wie das Steinzeitvolk die mächtigen Steinwälle zu errichten imstande gewesen war. Es musste Zauberei im Spiel gewesen sein.

  Ich begann mich zu fragen, zu welchem Zweck wir fünfhundert Männer eigentlich ausgeschickt worden waren. Einige behaupteten, um einen bestimmten Piktenpriester gefangen zu nehmen, andere, um den Aufenthaltsort eines Piktenhäuptlings mit Namen Bran Mak Morn herauszufinden. Aber keiner wusste es, mit Ausnahme des Offiziers. Und dessen Kopf schmückte irgendwo die Spitze eines Piktenspeers.

  Ich wünschte, ich könnte diesem Bran Mak Morn begegnen. Man erzählte sich, es gäbe im Kampf niemanden, der ihm gleich kam – weder in einer Schlacht noch im Zweikampf. Vielleicht träfe ich auf ihn, und wenn er wirklich so tapfer war, wie man behauptete, so würde er mir sicher gegenübertreten.

  Ich verbarg mich nicht länger.

  Ja, mehr noch: Ich sang ein Lied im Gehen und schlug den Takt mit meinem Schwert. Sollten die Pikten doch kommen! Ich war bereit, den Tod eines Kriegers zu sterben.