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Der ehemalige Mathematik- und Physiklehrer Mark Cheverton begann mit dem Schreiben, um seinem Sohn die Gefahren von Cyberbullying anhand seines Lieblingsthemas zu erklären: Minecraft. Mittlerweile umfasst die Gameknight999-Serie 18 Titel und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

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Für jene, die lautlos leiden

INHALT

Was ist Minecraft?

Über den Autor

Kapitel 1 Der Letzte Kampf

Kapitel 2 Dem Bösen Auf Der Spur

Kapitel 3 Die Mobber

Kapitel 4 Malacoda

Kapitel 5 Herder

Kapitel 6 Hinterhalt

Kapitel 7 Das Dorf

Kapitel 8 Licht-Crafter

Kapitel 9 Hunter

Kapitel 10 Überraschungsangriff

Kapitel 11 Die Schlacht

Kapitel 12 Nachwirkungen

Kapitel 13 Die Schatten-Crafter

Kapitel 14 Herders Gefängnis

Kapitel 15 Brücke Ins Nichts

Kapitel 16 Brücke Zum Ziel

Kapitel 17 Kampf Gegen Eisen

Kapitel 18 Fast Geschafft

Kapitel 19 Erebus

Kapitel 20 Tagträume

Kapitel 21 Die Zackenberge

Kapitel 22 Angriff Der Wölfe

Kapitel 23 Malacodas Plan

Kapitel 24 Shawny

Kapitel 25 Einfach Du Selbst Sein

Kapitel 26 Herders Entscheidung

Kapitel 27 Das Endportal

Kapitel 28 Erebus Wird Gecraftet

Kapitel 29 Das Ende

Kapitel 30 Das Ende Des Enderdrachen

Kapitel 31 Der Zweite Schlüssel

Kapitel 32 Aufeinandertreffen Der Könige

Kapitel 33 Die Quelle

Kapitel 34 Freunde

Kapitel 35 Die Letzte Schlacht um Minecraft

Kapitel 36 Nach Hause

Kapitel 37 In Die Quelle

Anmerkung des Autors

Wie Alles Begann ...

Die Fortsetzung des Abenteuers ...

Neue Abenteuer für Gameknight999 ...

WAS IST MINECRAFT?

Minecraft ist ein ausgesprochen kreatives Spiel, das entweder online mit Menschen aus der ganzen Welt, mit Freunden oder allein gespielt werden kann. Dieses Sandbox-Spiel ermöglicht es, erstaunliche Dinge aus texturierten Blöcken aus unterschiedlichen Materialien wie Stein, Erde, Sand, Sandstein usw. zu bauen. Die normalen physikalischen Regeln kommen dabei nicht zum Tragen, da man im Kreativmodus Bauwerke errichten kann, die der Schwerkraft trotzen und keine sichtbaren Stützen besitzen.

Die kreativen Möglichkeiten, die dieses Programm den Benutzern bietet, sind schlichtweg unglaublich, und es werden ganze Städte, komplette Zivilisationen und sogar Wolkenstädte errichtet, doch das eigentliche Spiel wird im Überlebensmodus gespielt. Bei dieser Einstellung werden die Benutzer in eine blockartige Welt hineingeworfen und besitzen nichts als die Kleidung, die sie am Leib tragen. In der Gewissheit, dass irgendwann die Nacht anbrechen wird, sammeln sie Ressourcen: Holz, Stein, Eisen usw., um Werkzeuge und Waffen herzustellen und sich damit gegen die Monster zu verteidigen, die mit Einbruch der Dunkelheit hervorkommen.

Um Ressourcen zu erlangen, muss der Spieler Minen graben und tief in die Welt von Minecraft vordringen, in der Hoffnung, Kohle und Eisen zu finden, die für die überlebensnotwendigen Metallwaffen und -rüstungen benötigt werden. Beim Graben stoßen sie auf Höhlen, mit Lava gefüllte Kammern und möglicherweise auch auf eine der wenigen verlassenen Minen oder Verliese, in denen sich Schätze finden lassen. Doch viele der Wege und Kammern sind von Monstern (Zombies, Skeletten und Spinnen) bevölkert, die nur darauf warten, sich auf Unachtsame zu stürzen.

Das Land mag voller Monster sein, aber der Benutzer ist nicht allein. Es gibt riesige Server mit Hunderten von Spielern, die sich alle den Platz und die Ressourcen mit anderen Kreaturen in Minecraft teilen. Die Oberwelt ist voller Dörfer, die von NPCs (non-player characters) bevölkert sind. Diese laufen in ihrer Siedlung herum und machen, was immer Dorfbewohner so treiben, und sie haben Schatztruhen, manche groß, andere unbedeutend, in ihren Behausungen versteckt. Benutzer können mit diesen NPCs reden und Gegenstände tauschen, um an seltene Edelsteine oder Material für Tränke zu gelangen. Manchmal lässt sich auf diese Weise sogar ein Bogen oder ein Schwert finden.

Dieses Spiel ist eine beeindruckende Plattform für kreative Menschen, die gern bauen und erschaffen, aber sie sind dabei nicht auf Gebäude beschränkt. Mit einem Material, das Redstone genannt wird, können die Benutzer elektrische Schaltkreise innerhalb des Spiels erschaffen und so beispielsweise Kolben und andere Geräte antreiben und komplexe Maschinen aufbauen. Auf diese Weise wurden bereits Musikanlagen, funktionsfähige 8-Bit-Computer und raffinierte Minispiele innerhalb von Minecraft geschaffen, die alle mithilfe von Redstone realisiert wurden. Seit der Einführung der Befehlsblöcke in Version 1.4.2 können zudem Skripte genutzt und Spielmechaniken gesteuert werden. Dadurch wurde in den Minecraft-Programmen auf der ganzen Welt eine völlig neue kreative Möglichkeit geschaffen, die noch ausgeklügeltere Mechaniken innerhalb des Spiels ermöglicht. Das Schöne und Brillante daran ist, dass es sich nicht nur um ein Spiel handelt, sondern um ein Betriebssystem, das es den Benutzern gestattet, ihre eigenen Spiele zu programmieren und sich auf bisher neue, nie in Minecraft da gewesene Art zu entfalten. Kinder jeden Alters und Geschlechts entwerfen nun einzigartige Spiele, eigene Karten und PvP-Arenen, in denen Spieler gegeneinander antreten können. Minecraft ist ein Spiel voller aufregender kreativer Möglichkeiten, spannender Kämpfe und furchterregender Kreaturen. Im Grunde genommen entspricht es einer nackten Leinwand, auf der man seiner Fantasie freien Lauf lassen kann.

Was wirst du erschaffen?

ÜBER DEN AUTOR

Viele von euch kennen die Geschichte, wie ich zum Schreiben dieser Bücher gekommen bin. Falls nicht, seht euch den Anfang von Kampf um die Oberwelt und Kampf um den Nether an. Ich war sehr gerührt von all den mitfühlenden E-Mails, die ich über meine Website www.markcheverton.com erhalten habe, und möchte meinen Lesern für die Ermutigung danken. Aus euren Nachrichten habe ich außerdem geschlossen, dass viele von euch bereits mit Griefern und Cybertrollen konfrontiert worden sind, und das macht mich sehr traurig. Ich kann nur hoffen, dass meine Bücher euch ein bisschen dabei helfen, mit diesen Spielern und der Angst und Nervosität, die sie bei euch hervorrufen, fertig zu werden.

Ich habe es im Laufe meines Lebens auch schon mit Mobbing zu tun bekommen und werde am Ende des Buches etwas näher darauf eingehen. Hoffentlich können Kampf mit dem Enderdrachen und meine Erfahrungen jenen von euch helfen, die dasselbe erleben, was ich als Kind durchgemacht habe.

Ich danke allen, die mir E-Mails geschickt haben, und ich freue mich gleichermaßen über Nachrichten von Kindern wie von Erwachsenen. Eigentlich versuche ich, jede Mail zu beantworten, und falls ich eine übersehen habe, bedauere ich das sehr, aber es waren einfach sehr viele. Ich werde meine Website im Laufe der Zeit erweitern, damit die Fans von Gameknight999 sich untereinander austauschen und Screenshots aus Minecraft hochladen können. Wenn ihr Lust habt, dann baut doch eine der Szenen aus den Büchern nach und ladet sie auf der Website hoch, damit ich sie allen zeigen kann.

Haltet auf den Servern Ausschau nach Gameknight999 und Monkeypants271. Lest viel, seid nett und nehmt euch vor Creepern in Acht.

Mark Cheverton

KAPITEL 1

DER LETZTE KAMPF

Gameknight999 schwebte durch einen silbrigen Nebel, und ein unheimliches Gefühl machte sich in ihm breit. Etwas würde geschehen ... etwas Böses, und irgendwie wusste er, dass er den tödlichen Konsequenzen nicht entrinnen würde.

Nach und nach löste sich die Wolke auf, und er stellte fest, dass er auf einem großen Plateau über einem riesigen Berg aus Grundgestein stand. Als sich der silbrige Nebel langsam senkte, schälten sich Gestalten daraus hervor ... NPCs, alle in Rüstungen und bewaffnet – das waren die noch lebenden Verteidiger von Minecraft.

Er spürte jemanden neben sich, drehte sich um und sah, dass Crafter und Mason zu ihm getreten waren. Sie unterhielten sich leise, und ihre Mienen wirkten grimmig und entschlossen. Sie schauten vom Plateau auf die gewaltige Ebene am Fuß des Berges hinab. Etwas schien sich in dem schimmernden Dunst zu bewegen, der über dem Boden hing ... wütende Kreaturen ... die anderen wehtun wollten.

Bedeutet das, dass dies ein Traum ist? Er ging davon aus. Dieser schimmernde Nebel scheint in letzter Zeit in all meinen Träumen vorzukommen.

Gameknight konnte es nicht erklären, aber etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er die Zukunft voraussah ... dass er seine eigene Zukunft erblickte. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl, das ihn vor Angst erzittern ließ, als ihm bewusst wurde, was gleich passieren würde.

Gleich würde er seinen eigenen Tod und das Ende von Minecraft mit ansehen.

Erschaudernd drehte er sich zu seinen Freunden um. Neben ihm stand Hunter, stocksteif und stark, ihren verzauberten Bogen in der Hand, und nun wusste er mit Sicherheit, dass dies ein Traum war. Sie wirkte ausgezehrt und erschöpft, beinahe durchsichtig, doch in ihren Augen loderte tödliche Wut.

Wie kann das die Zukunft sein, wo Hunter doch auf dem letzten Server von Malacoda und Erebus entführt wurde?, dachte Gameknight. Wie ist das möglich?

Gameknight blickte über das Plateau hinweg und stellte fest, dass es mit etwas bedeckt war, das ihn an Leuchtfeuer erinnerte; es waren durchsichtige Glaswürfel, in denen ein Licht gefangen zu sein schien. Er konnte ein ganzes Feld dieser Leuchtfeuer sehen, Hunderte, vielleicht sogar Tausende. Aber das Seltsamste war, dass bis auf zwei alle aus waren. Eines schimmerte hell und schickte einen grellen Strahl aus weißem Licht direkt in den Himmel. Es war größer als die anderen, fast schon gewaltig, überragte sämtliche NPCs, und ruhte auf Diamantblöcken, die ebenfalls eisblaue Lichtstrahlen gen Himmel sandten. Das Licht war so heiß, dass jeder, der den leuchtenden Strahl berührt hätte, sofort pulverisiert worden wäre. Alle anderen Leuchtfeuer waren von normaler Größe, sahen im Vergleich zu diesem einen jedoch winzig aus. Nur eines dieser kleineren Leuchtfeuer loderte, und sein Strahl fühlte sich ebenso heiß und tödlich an wie der seines größeren Gegenstücks.

Was geht hier vor sich?, fragte sich Gameknight. Was mache ich hier? Wozu dient dieses Leuchtfeuer? Ist dies der letzte Kampf um Minecraft?

Gameknight konnte erkennen, dass alle, die mit ihm auf dem Berg standen, genauso ängstlich und unsicher waren. Vor ihnen befand sich eine steile Treppe, die von der Ebene hinauf auf die flache Bergspitze führte, auf der sie sich befanden. Dies war der einzige Weg, um auf das Plateau mit den Leuchtfeuern zu gelangen, da die Felswand steil und unbegehbar war.

Mason blickte den Abhang hinunter und betrachtete die Gegend. Danach drehte er sich um und sah Gameknight mit seinen grünen Augen an.

„Sie kommen“, stellte er grimmig fest. „Es müssen fünfhundert Monster sein, wenn nicht gar tausend, die Erebus folgen.“ Er hob eine kantige Hand und strich sich über den ordentlich gestutzten Bart, während er die Gesichter seiner Krieger musterte. „Ich fürchte, dass wir diese Horde nicht aufhalten können. Minecraft ist verloren.“

Verloren?!, dachte Gameknight. Wenn dies die Zukunft ist, bedeutet das dann, dass wir die Schlacht um Minecraft verlieren werden?!

Er hätte am liebsten laut geschrien, sie aufgefordert, nicht aufzugeben, doch es hatte ihm die Sprache verschlagen. Ihm war, als wäre er in seinem eigenen Körper gefangen und unfähig, etwas anderes zu tun, als das Geschehen hilflos mit anzusehen.

„Verzweifle nicht, Benutzer-der-kein-Benutzer-ist“, sagte Crafter, dessen Stimme über den Berg hallte. „Du hast getan, was du tun konntest. Es ist keine Schande, zu versagen, nachdem man sein Bestes gegeben hat.“

„Was redet ihr denn da?“, fauchte Hunter, deren Stimme für Gameknight traumartig und surreal klang. Sie sah irgendwie durchsichtig aus, als wäre sie nicht ganz da und als wäre ihr Schicksal noch ungewiss. „Wenn wir verlieren, dann verlieren wir. Das ist nichts, worauf man stolz sein kann.“

Gameknight drehte sich um und schaute Crafter an. Der Junge mit den alten Augen blickte traurig zu ihm auf.

„Es tut mir leid, dass wir nicht mehr tun konnten“, murmelte Crafter, dessen Worte nur für Gameknight bestimmt waren. „Du hast die Horde da unten gesehen und weißt, dass wir Erebus und die Monster der Nacht dieses Mal nicht besiegen können. Wir haben nicht einmal mehr einhundert Soldaten. Sie können die nahende Woge der Zerstörung nicht aufhalten.“

Crafter drehte sich zu dem riesigen Leuchtfeuer, der Quelle, um und seufzte.

„Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als zu kämpfen und zu sterben“, stellte er dann fest und zog seine Klinge.

Als Gameknight sich umschaute, überkam ihn eine überwältigende Traurigkeit. Kann ich denn gar nichts tun? Warum fühlt sich mein Körper, mein ganzes Wesen so ... so ... besiegt an? Er ertrug es nicht, den Untergang seiner Freunde mit anzusehen ... und den von Minecraft. Am liebsten hätte er sich abgewandt, doch das gelang ihm nicht; er hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper.

Ich muss etwas tun ... Ich muss Ihnen helfen!, dachte er.

Inzwischen konnte Gameknight das Stöhnen der Monster hören, die den Fuß der Treppe erreicht hatten, über die man zur Bergspitze gelangte. Das Klackern der Spinnen, das Keuchen der Lohen und das Jammern der Ghasts hallte über die seltsame Landschaft und ließ die Verteidiger auf dem Plateau zusammenzucken.

„Da gibt es noch etwas, das ich tun kann“, sagte Gameknight an alle NPCs gewandt.

NEIN! Das sind doch nicht meine Worte!, schrie er innerlich, doch sein Körper reagierte nicht.

Wie aus eigenem Antrieb steckte sein Arm das Schwert weg, und sein Körper trat neben das Leuchtfeuer, sodass der Lichtstrahl nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Gameknight spürte die unglaubliche Hitze, die sich anfühlte, als wäre die ganze Glut des Nether in diesem leuchtenden Strahl vereint worden.

„Was machst du denn, Gameknight?“, schrie Crafter.

Ja, was mache ich?!, dachte Gameknight panisch. Werde ich in diesen Strahl springen? Warum versuche ich nicht, alle zu retten?

„So was machen nur Feiglinge“, brüllte Hunter. „Gib nicht auf, kämpfe mit uns ... mit mir.“ Ihre Stimme klang jetzt unfassbar traurig, und sie sah ihn flehentlich an, um ihn von seinem Weg abzubringen.

„Nein, ich muss das tun“, entgegnete Gameknights Körper laut.

Als Gameknight seine Freunde ansah, musterten ihn diese ungläubig, während er näher an den grellen, tödlichen Lichtstrahl herantrat. Dann entfernte sich Mason von den anderen NPCs und kam mit einem seltsamen, wissenden Lächeln zu Gameknight.

„Nein, nicht du auch noch!“, kreischte Hunter ungläubig.

„Du wirst es zur rechten Zeit verstehen“, erwiderte Mason.

Danach trat Mason auf die andere Seite des Leuchtfeuers, hob sein Schwert hoch in die Luft und packte den Griff mit beiden Händen. Er ließ es mit all seiner Kraft nach unten sausen und rammte es in den Boden. Es hörte sich an wie ein Donnerschlag, als die Klinge das Grundgestein durchbohrte und die ganze Gegend zu beben begann. Während er den Griff mit einer Hand festhielt, streckte er die andere zum Benutzer-der-kein-Benutzer-ist aus und sah ihn an.

„Für Minecraft“, sagte der große NPC mit überraschend sanfter und beruhigender Stimme.

„Für Minecraft“, hörte Gameknight sich erwidern und trat in den grellen, heißen Lichtstrahl.

Ist das das Ende?!, dachte er. So kann das alles nicht enden. Wenn dies die Zukunft ist, gibt es dann noch Hoffnung ...? Kann man die Zukunft ändern? Was ist mit ...

Auf einmal wurde um ihn herum alles strahlend weiß, Schmerz durchzuckte seinen Körper, und alles verblasste. Doch bevor er komplett von Schwärze umgeben war, bildete er sich ein, etwas zu hören ... Stimmen ... Aberhunderte, und eine ganz bestimmte, die er schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört hatte. Es war die vertraute Stimme eines Freundes, den er so sehr vermisste, und als diese Stimme immer lauter wurde, hätte Gameknight999 beinahe gelächelt. Dann umfing ihn Dunkelheit.

KAPITEL 2

DEM BÖSEN AUF DER SPUR

Gameknight wachte abrupt auf. Völlig verwirrt versuchte er zu verstehen, was er gerade gesehen hatte.

War das nur ein Traum oder doch etwas anderes? Es fühlte sich real an und dennoch anders ... wie ein Blick in die Zukunft.

Er konnte sich noch immer an die resignierten Mienen der NPCs erinnern, mit denen sie der nahenden Monsterhorde entgegengeblickt hatten. Es war schlichtweg unmöglich, dass diese wenigen Verteidiger die Quelle vor der nahenden Armee beschützen konnten. Sie würden garantiert verlieren, und es gab nichts, was Gameknight999, der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist, dagegen tun konnte.

Er schüttelte den Kopf und versuchte, die Bilder zu verdrängen. Doch sie tauchten immer wieder auf und schmälerten seinen Mut. Seufzend setzte er sich auf und schaute sich im Lager um, wobei er nach Hinweisen auf die Monsterhorde Ausschau hielt. Glücklicherweise entdeckte er nur NPCs: Bäcker, Tischler, Farmer, Schneider, Minenarbeiter, Maurer ... Sie alle trugen jetzt Rüstungen und hatten ihre Waffen griffbereit in der Nähe liegen. Sie waren seinetwegen hier, weil er in ihnen Schuldgefühle geweckt hatte und sie ihm deshalb zur Quelle gefolgt waren. Es war ihnen nicht gelungen, Erebus und Malacoda auf dem letzten Server aufzuhalten, und aus diesem Grund waren sie der riesigen Monsterhorde auf diesen Server gefolgt. Allerdings waren sie deutlich in der Unterzahl und wussten nicht, wo sie hingehen oder was sie tun sollten. Anstatt einen Plan zu schmieden oder etwas Sinnvolles zu tun, liefen sie einfach den geschwärzten, verbrannten Weg entlang, den die Monsterhorde hinterlassen hatte, in der Hoffnung darauf, zu erfahren, was die schrecklichen Kreaturen vorhatten.

Gameknight stand auf und reckte sich; er streckte die Arme gen Himmel und drückte den Rücken durch. Nach der Nacht auf dem harten, unebenen Boden fühlte er sich völlig verspannt. Als er zum Himmel hinaufschaute, konnte er den eckigen Mond sehen, der gerade hinter der Baumlinie verschwand. Schon bald würde der Tag anbrechen. Ein schwaches rotes Licht ging von dem Himmelskörper aus, das ihnen allen sofort aufgefallen war, sobald sie dieses bedrohte Land betreten hatten. Es hatte damit zu tun, dass die vielen Monster hier eingefallen waren und die Grundfesten von Minecraft mit ihrer gewalttätigen und hasserfüllten Präsenz befleckten.

Ob die Sonne und der Mond je wieder ihre ursprüngliche Farbe annehmen?, fragte sich Gameknight.

Im Lager hatten sich die Soldaten auf allen halbwegs geraden Flächen hingelegt. Die Armee lagerte in einem kleinen Tal inmitten eines Kiefernwaldes. Überall entdeckte er kleine Ansammlungen aus rüstungsbewehrten Körpern oder zugedeckten NPCs, die sich im ganzen Talkessel verteilt hatten. Rings um das Lager standen Fackeln, die nicht nur verhinderten, dass Monster in der Nähe spawnten, sondern auch die NPCs beruhigten. Die Dunkelheit schien jene aus der Oberwelt nervös zu machen, die schon vor langer Zeit als unschuldige Kinder gelernt hatten, dass nachts die Monster hervorkamen.

Gameknight ging vorsichtig um die Schlafenden herum und traf am Rand des Lagers auf Mason, den eigentlichen Anführer der Armee, der die Umgebung überprüfte.

„Benutzer-der-kein-Benutzer-ist“, sagte der große NPC, blieb stehen und drückte zum Gruß eine Faust an die Brust, „du solltest dich lieber ausruhen.“

„Ich kann nicht schlafen“, erwiderte er, „daher wollte ich mal nach dem Rechten sehen.“

„Du bist ein weiser Anführer“, sagte Mason, „und immer so vorsichtig.“

Anführer ... Was für ein Witz, dachte Gameknight.

Die Armee blickte zu Gameknight999 auf, dem Benutzer-der-kein-Benutzer-ist, aber er war nicht ihr General. Das war Mason. Der wirkte von Natur aus so befehlsgewohnt, dass jeder einfach tun wollte, was er sagte. Seine Sorge um seine Soldaten war ebenso groß wie seine Sorge um Minecraft. Mason war der wahre Kommandant dieser NPC-Armee, und Gameknight wusste das. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist kam sich eher vor wie ein Symbol, eine Galionsfigur, von der erwartet wurde, dass sie den Tag rettete und alles in Ordnung brachte. Das Problem war nur ... dass er nicht wusste, was er tun oder auch nur sagen sollte.

„Es gab keinerlei Aktivitäten“, berichtete Mason und schaute sich um. „Nirgendwo Monster zu sehen.“

„Ist das nicht merkwürdig?“, wollte Gameknight wissen.

„Möglicherweise sammeln Malacoda und Erebus alle ein, die sie finden, nehmen sie mit und vergrößern ihre Armee so noch weiter.“

Gameknight nickte. „Das ergibt Sinn“, erwiderte er.

Natürlich ergibt das Sinn, dachte er verbittert. Alles, was Mason sagt, ergibt Sinn!

„Warum bist du zu dieser Uhrzeit noch auf, Mason?“

„Ein guter Anführer bleibt bei seinen Männern und tut, was er auch von ihnen verlangt“, antwortete der große NPC, dessen grüne Augen im Mondlicht funkelten. „Würde ich das nicht tun, wäre ich nur ein arroganter, nutzloser General, für den die Soldaten nicht kämpfen würden. Sie müssen wissen, dass auch ich bereit bin, alles zu geben.“

„Aber wonach hältst du Ausschau?“, fragte Gameknight und trat neben den NPC. „Malacoda und seine Monster sind weit weg. Sie werden uns nicht angreifen.“

„Greife deinen Feind dann an, wenn er es nicht erwartet, und tauche auf, wenn er nicht damit rechnet“, erklärte Mason und klang, als hätte er diese Worte auswendig gelernt.

Komischerweise kamen sie Gameknight irgendwie bekannt vor.

„So würde ich es jedenfalls machen“, sagte der große NPC. „Daher bin ich auch darauf vorbereitet.“ Er hielt kurz inne und blickte zur Baumlinie hinüber. „Komm, geh ein Stück mit mir.“

Gameknight lief neben ihm her und versuchte, ebenso gerade zu gehen wie der große NPC, was ihm schon bei gleicher Größe schwer genug gefallen wäre. Doch wie groß er auch war, neben Mason kam sich Gameknight immer klein vor.

Während sie unterwegs waren, verschwand der blasse purpurfarbene Mond hinter den Bäumen und der östliche Horizont leuchtete tiefrot. Es würde bald dämmern. Im Lager wachten langsam alle auf. Müde Gestalten erhoben sich im ersten Tageslicht, legten ihre Rüstungen an und griffen nach ihren Waffen. Als sie Gameknight erblickten, jubelten die Soldaten, nahmen Haltung an und pressten eine Faust an die Brust.

„Der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist wird die Monster besiegen!“, rief jemand.

„Gameknight999, der tapferste Minecraft-Krieger aller Zeiten“, sagte ein anderer.

Immer mehr Soldaten stimmten Lobeshymnen auf ihn an, während sie durch das Lager gingen. So etwas passierte ständig, seitdem sie auf diesem Server angekommen waren ... der Quelle. Aus irgendeinem Grund waren die Soldaten ihrer Armee zu dem Schluss gekommen, dass Gameknight999 ein großer Held wäre, tapfer, mutig und furchtlos. Sie alle glaubten, er würde sie retten, die Monster in Minecraft besiegen und alles zum Besseren wenden.

Von wegen, dachte er. Sie wissen ja nicht, dass ich auf der Stelle wegrennen würde, wenn es nur einen Ort gäbe, an dem ich mich verstecken könnte.

Gameknight wusste, dass er nicht so mutig war, wie alle glaubten. Er konnte es nicht ausstehen, Angst zu haben, doch Minecraft hatte seinen Mut und seine Entschlossenheit immer weiter geschmälert. Wann immer sie auf ein einsames Monster oder einen Spähtrupp trafen und die Gefahr bestand, dass sie gegen diese Kreaturen kämpfen mussten, fürchtete er sich. Auf dem letzten Server hatte er viel darüber gelernt, wie er sich seinen Ängsten stellen konnte, doch leicht fiel es ihm nicht.

Bei Mason sah die Sache völlig anders aus. Er war derjenige, der sich als Erster in den Kampf stürzte. Wenn jemand um Hilfe rief, eilte Mason sofort zu ihm. Wurden Monster entdeckt, stellte er sich ihnen auch schon in den Weg. Mason schreckte vor keiner Konfrontation zurück. Vielmehr stürmte er direkt auf jede Gefahr zu, um die Krieger seiner Armee zu schützen, als wären es seine Kinder ... sehr merkwürdig.

Plötzlich wurde Alarm geschlagen. Jemand schlug mit der flachen Schwertseite auf eine eiserne Brustplatte und schrie laut.

„Spinnenreiter ... Spinnenreiter!“, brüllte er.

Mason sprintete auf den Soldaten zu, und Gameknight blieb zögernd vier Schritte hinter ihm. Sie gelangten zu einem Wachposten am Lagerrand, der die von den Schlägen klirrende Brustplatte noch immer in der Hand hielt.

„Was ist los?“, verlangte Mason zu erfahren.

„Ich habe da drüben einen Spinnenreiter gesehen“, berichtete der Wachmann und deutete zu den grasbedeckten Hügeln hinüber.

Bei Spinnenreitern handelte es sich um Skelette, die auf Riesenspinnen ritten. Sie waren schnell, konnten an einem Tag weite Strecken zurücklegen, wenn das Skelett einen Helm trug, und konnten klettern; es waren furchterregende Gegner. Malacoda hatte die Monster vermutlich losgeschickt, um sie aufzuspüren und Meldung über ihre Position zu erstatten. Gameknight wusste, dass dieser Spinnenreiter nicht zu seinen Herren zurückkehren durfte ... Das wäre verheerend. Doch seine Unsicherheit nagte an seinem Selbstvertrauen.

Was soll ich tun?, fragte sich Gameknight. Soll ich losreiten und kämpfen ... Ich habe schon einmal gegen einen Spinnenreiter gekämpft, damals, als Minecraft nur ein Spiel gewesen ist. Aber jetzt ... Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich sterbe. Es gibt keine weiteren Server mehr, auf die ich aufsteigen kann; dies ist die höchste Serverebene der Pyramide ... Werde ich wieder auferstehen oder dieses Mal wirklich sterben?

Seine Unsicherheit und Angst machten ihm zu schaffen, und er konnte nicht mehr klar denken. Er blickte zu Boden ... und fürchtete sich.

Ich will gegen keinen Spinnenreiter kämpfen ... Nicht jetzt. Was soll ich tun ... Was soll ich nur tun?

Mason drehte sich zu Gameknight um und wartete auf einen Befehl oder darauf, dass er das Kommando übernahm, aber er hatte gelernt, nicht allzu lange zu warten. Gameknight hob den Kopf und sah Mason in die strahlend grünen Augen. Er wusste, dass man ihm ansehen konnte, was er fühlte. Doch glücklicherweise gab Mason bereits Befehle, bevor Gameknight etwas sagen konnte.

„Ihr vier steigt auf eure Pferde und schnappt euch den Spinnenreiter“, befahl Mason einigen Kriegern mit selbstsicherer Stimme. „Sorgt dafür, dass er nicht entkommt.“

„Ja, Sir“, erwiderten die NPCs.

„Bogenschützen“, murmelte Gameknight.

„Wie bitte?“, hakte Mason nach.

„Bogenschützen ... Du brauchst Bogenschützen, damit sie auf Distanz bleiben können“, erklärte der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist unsicher.

Die meisten Skelette waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet.

„Ja, natürlich“, rief Mason. „Nehmt einige Bogenschützen mit. Umzingelt ihn mit den Bogenschützen, und geht erst zum Nahkampf über, wenn eure Pfeile ihn verfehlen. Wir müssen keine unnötigen Risiken eingehen. Und jetzt los mit euch!“

Die Soldaten rannten durch das Lager und sammelten ihre Waffen und Rüstungen ein. Wenige Sekunden später machte sich ein Trupp aus Männern und Frauen auf den Weg und verfolgte das gesichtete Monster.

„Sie werden ihn schon kriegen“, erklärte Mason zuversichtlich.

Dann wandte er sich ab, legte einem anderen Soldaten einen Arm um die Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Soldat stürzte von dannen, sammelte zwanzig andere Krieger zusammen, von denen einige die Schwerter wegsteckten und eine Schaufel aus dem Inventar holten. Gameknight sah ihnen nach, als sie vom Lager zu einem großen Hügel in der Nähe liefen. Auf der Hügelspitze legten sie Erdblöcke aufeinander und erschufen Formen, die Menschen und Pferden glichen. Einer von ihnen platzierte einen Block Netherstein, den sie nach dem Kampf gegen Malacoda auf dem letzten Server aus dem Nether mitgebracht hatten. Er entzündete ihn, und der Block fing sofort Feuer und sorgte dafür, dass die Gestalten auf dem Hügel besser zu sehen waren, vor allem bei Nacht.

„Was machen die da?“, erkundigte sich Gameknight.

„Sie sorgen für eine kleine Ablenkung“, antwortete Mason.

Er trat neben Gameknight und bewunderte das Werk der Soldaten. Es sah aus, als stünden Gestalten rings um ein Lagerfeuer, und da waren pferde- und soldatenartige Formen zwischen den Bäumen und andere auf dem Boden.

„Kriegsführung basiert auf Täuschung“, erklärte Mason, als würde er einen klugen Lehrmeister zitieren.

Gameknight wollte gerade etwas erwidern, als er auf einmal merkte, dass ihm diese Worte bekannt vorkamen ... sehr bekannt sogar.

Das hab ich doch schon einmal gehört, dachte Gameknight. Das weiß ich ganz genau! Aber wie kann das sein? Wir sind in Minecraft und nicht in der realen Welt.

Gameknight kramte in seinem Gedächtnis und versuchte, sich daran zu erinnern, wann er das schon einmal gehört hatte, doch es wollte ihm einfach nicht einfallen.

„Es muss so aussehen, als würden wir uns alle an einem Ort aufhalten, an dem wir gar nicht sind, um den Feind zu verwirren“, fügte Mason hinzu.

„Das ist eine gute Idee“, warf eine junge Stimme ein, die auf einmal rechts neben Gameknight zu hören war.

Er drehte sich um und stellte fest, dass Crafter neben ihm stand, auf dessen kindlichem Gesicht ein hoffnungsvolles Lächeln zu sehen war. Gameknight hatte Crafter auf dem ersten Server kennengelernt, nachdem er durch eine Erfindung seines Vaters, den Digitalisierer, in das Spiel hineingezogen worden war. Dort war Crafter ein alter Mann gewesen, grauhaarig und vom Alter gebeugt. Nachdem er diesen Server vor Erebus, dem König der Endermen, und dessen Monsterarmee gerettet hatte, war Crafter auf dem nächsten Server als Junge wieder auferstanden. Er empfand es noch immer als überraschend und ein wenig irritierend, diese alten blauen Augen, in denen jahrelange Erfahrung schimmerte, in diesem jungen Gesicht zu sehen. Doch nach den Nether-Schlachten auf dem letzten Server hatte Gameknight endlich akzeptiert, dass sein Freund jetzt so aussah – dass ein weiser alter Crafter im Körper dieses Jungen steckte. Er war vermutlich der beste Freund, den er jemals gehabt hatte ... Na ja, mit Ausnahme von Shawny, seinem Freund aus der physikalischen Welt.

Ich wünschte, Shawny wäre jetzt hier und könnte uns helfen.

„Hilfe!“, schrie jemand.

Ohne nachzudenken rannte Mason los, mit gezogenem Schwert und kampfbereit. Gameknight zog ebenfalls seine Klinge und lief zusammen mit Crafter dem großen NPC hinterher. Mehrere Krieger folgten ihnen auf den Fersen. Gameknight konnte hören, wie sie sich hinter ihm ebenfalls auf den Kampf vorbereiteten. Angst und Unsicherheit wandten sich wie eine mächtige Schlange um Gameknights Mut, und er malte sich alle möglichen Schreckensszenarien aus. Während er Mason widerstrebend folgte, spürte er, dass diese Schlange sich immer enger zog und seine Tapferkeit zu erdrücken drohte. Aber da er wusste, dass er keine Wahl hatte, umklammerte er sein Diamantschwert und rannte der neuen Gefahr entgegen.

KAPITEL 3

DIE MOBBER

„Hilfe!“, schrie die Stimme erneut.

Sie waren nicht mehr weit von ihr entfernt.

Gameknight konnte hören, dass sich der Rufende hinter dem nächsten Hügel aufhielt. Er sprintete weiter, achtete jedoch darauf, Mason nicht zu überholen, gleichzeitig aber auch schnell genug zu laufen, um nicht ängstlich zu wirken. Als sie die Hügelspitze erreichten, trafen sie dort auf Stitcher, die bereits ihren Bogen in der Hand hielt und einen Pfeil angelegt hatte. Der sanfte Wind zerzauste das strahlend rote Haar des jungen Mädchens, das sich um ihren Hals und ihr Gesicht bauschte. Sie drehte den Kopf, lächelte Gameknight an und deutete in Richtung Wald, wobei sie den Bogen leicht senkte.

„Bei den Bäumen“, sagte das Mädchen, entspannte sich und steckte die Waffe weg.

Am Fuß des Hügels stand ein junger, schlaksiger NPC neben einer hohen Birke. Die weiße Borke des Baumes leuchtete rötlich, als sich das warme Licht der Sonne über die Landschaft ergoss. Gameknight hielt Ausschau nach angreifenden Monstern, entdeckte jedoch nur einen einsamen Wolf in der Nähe, der ein rotes Halsband trug; er war gezähmt worden. Mason stellte ebenfalls fest, dass keine Gefahr drohte, und rannte den Hügel hinunter zu dem jungen Mann, während er sein Schwert wegsteckte.

„Was geht hier vor sich?“, verlangte Mason zu erfahren, und seine Stimme hallte durch den Birkenwald.

„Na ja ... Äh ... Sie haben gesagt, e... es wäre ein Spiel“, stammelte der Junge.

„Wie heißt du, Kleiner?“, fragte Crafter, der jetzt neben Gameknight auftauchte.

„Mein Name ist Her... Herder“, antwortete der Junge und schaute Gameknight999 an. „Benutzer-der-kein-Benutzer-ist, du bist mein H... Held. Ich kann es kaum erwarten, zu se... sehen, wie du die Monster vernichtest und Minecraft ret... rettest. Ich möchte genauso sein w... wie du.“

Der Junge trat vor und legte eine Hand leicht auf Gameknights Arm, wobei er ihn ehrfürchtig anstarrte. Peinlich berührt machte der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist einen Schritt nach hinten und schaute zu Boden.

Wie lächerlich ... Ich bin nur ein verängstigtes Kind, dachte er. Ich bin kein Held.

„Herder kümmert sich um die Tiere“, erläuterte Stitcher und kam zu ihnen. „Er passt nachts auf sie auf und sorgt dafür, dass sie zusammenbleiben. Einige Krieger haben ihn gehänselt, weil er kleiner ist, jünger und ... anders.“

„Meine Werkzeuge“, sagte Herder und klang auf einmal beschämt ... nein, gedemütigt. „Sie sind i... im Baum.“

Alle blickten nach oben. Da waren mehrere Werkzeuge, die auf Höhe des Baumwipfels auf und ab schwebten, als würden sie auf einem unsichtbaren Ozean schwimmen. Am Fuß des Baumes befand sich ein eckiger Fleck, auf dem kein Gras mehr wuchs. Offensichtlich hatten die Fieslinge eine Erdsäule errichtet, um an den Baumwipfel zu gelangen, die Werkzeuge dort platziert, waren wieder heruntergekommen und hatten die meisten Spuren beseitigt.

Mithilfe einiger braungefleckter Blöcke aus Netherstein baute Gameknight eine Treppe bis zum Baumwipfel. Er schleppte diese Blöcke schon seit ihrem letzten Kampf im Nether mit sich herum. Bilder der schrecklichen Schlacht tauchten vor seinem inneren Auge auf, als er die Blöcke platzierte. Die NPC-Armee war in den Nether gegangen, um Crafter aus der Gewalt von Malacoda, dem Netherkönig, zu befreien und seine Monsterarmee aufzuhalten. Doch sie hatten versagt. Zwar war es ihnen gelungen, Crafter zu retten, aber Hunter, Gameknights Freundin und Stitchers Schwester, war in Gefangenschaft geraten. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie ihn angesehen hatte, während sie – fest umklammert von Malacodas Tentakeln – langsam in das Portal sank, das auf diesen Server führte. Die schreckliche Traurigkeit in ihren Augen hatte ihn förmlich angefleht, seinen Bogen zu ziehen und sie zu töten; sie hätte den Tod der Gefangenschaft vorgezogen. Aber Gameknight war nicht mutig genug gewesen ... Und so hatte er zugelassen, dass der gemeine König des Nether seine Freundin mitnahm, und seine Feigheit setzte ihm noch immer zu.

Auch wenn sie den Kampf gewonnen hatten, war es den Monstern dennoch gelungen, durch das Portal, das Malacoda gebaut hatte, zu entfliehen. Gameknight und Stitcher waren der Armee gefolgt, da sie Hunter nicht aufgeben wollten. Glücklicherweise war auch die NPC-Armee durch das Portal gegangen. Und so hielten sie sich jetzt in diesem fremden Land auf und suchten nach Malacoda und Erebus, den beiden Königen, in der Hoffnung, ihren Angriff auf die Quelle zu vereiteln.

Gameknight blickte auf den Netherstein in seiner Hand herab und erinnerte sich an die Schreie aus dieser letzten Schlacht, an all den Schmerz, all die Schrecken. Familien waren zerbrochen, NPCs gestorben ... und ... Hunter ... Die Erinnerungen ließen Gameknight erschaudern. Er verdrängte diese Gedanken, platzierte den letzten Block und vollendete die Treppe. Dann bedeutete er Herder, seinen Besitz einzusammeln.

Der junge NPC sprintete die Stufen hinauf, sammelte sein Werkzeug ein, lief wieder herunter und strahlte Gameknight999 an.

„Dan... Danke, Benutzer-der-kein-Benutzer-ist!

Gameknight knurrte nur, zog seine Spitzhacke und baute die Blöcke, die er eben platziert hatte, wieder ab.

„Was ist hier passiert, Herder?“, wollte Crafter wissen.

„Na ja, die an... anderen wollten ein Spiel m... mit mir spielen“, erklärte Herder. „Sie haben gesagt, dann wäre ich ei... einer von ihnen. Ich wäre so g... gern wie sie ein Krieger.“ Der dünne Junge drehte sich zu Gameknight um. „Ich kann gegen die Monster kämpfen.“

„Du bist viel zu jung zum Kämpfen“, knurrte Mason. „Außerdem ist es deine Aufgabe, auf die Herde aufzupassen. Du wirst nicht kämpfen, du bist zu klein dafür.“

„Aber ...“

„Keine Diskussion!“, fiel ihm Mason ins Wort.

Crafter legte Mason beruhigend eine Hand auf die Schulter und wandte sich an Herder.

„Bitte erzähl weiter, Herder.“

„Na ja ... Die Krieger haben gesagt, ich soll m... mein Inventar leeren. Der Test müsse oh... ohne Werkzeuge gemacht werden. Daher habe ich all... alles fallen gelassen, die Augen ge... geschlossen und gewartet. Ich war so aufgeregt, dass sie mich end... endlich akzeptieren wollten. Ich dachte, j... jetzt hätte ich Freunde und wäre ei... einer von ihnen. Aber kurz darauf habe ich sie lachen gehört.“ Herders Stimme wurde leiser, als würde er die Erniedrigung noch einmal durchleben. „Als ich d... die Augen geöffnet habe, waren die Soldaten weg. All mei... meine Sachen waren oben i... im Baum. Ich konnte die Krieger auf dem Hügel sehen, und s... sie lachten mich aus.“

Herder drehte sich zu Gameknight um. Zum ersten Mal bemerkte er die Augen des Jungen; eines war hellgrün, das andere stahlblau. Sie fielen unter seinem zerzausten schwarzen Haar deutlich auf und schienen Gameknight direkt in die Seele zu blicken. Es war, als könnte Herder in Gameknight hineinschauen und wüsste, dass der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist schon oft Ähnliches erlebt hatte: Seine Bücher waren auf einen Basketballkorb gelegt worden, sein Mittagessen auf die Spinde, seine Schuhe oben auf die Tür ... Gameknight hatte all diese Schikanen schon unzählige Male in seiner Schule erlebt, und jetzt passierte es auch hier in Minecraft.

Das machte ihn wütend ... und traurig.

Warum können die mich ... uns nicht einfach in Ruhe lassen? Was sind das für kranke Menschen, die Spaß am Leid anderer haben?

Doch eigentlich kannte er die Antwort auf seine Frage bereits: Erebus hatte Freude daran, Gameknight leiden zu sehen, und auch Hunter quälte er bestimmt nur zu gern ... Falls sie noch am Leben war. Erebus war Gameknights Peiniger in Minecraft, so wie es die Krieger für Herder waren.

Inzwischen hatte sich eine ganze Gruppe aus Kriegern auf der Hügelspitze eingefunden, und viele von ihnen kicherten und deuteten auf Herder. Gameknight konnte ihre Kommentare hören, da die kalte Morgenluft die Worte herübertrug.

„Warum redet er so?“, flüsterte einer der Soldaten nicht besonders leise.

„Ich glaube, er hat was am Kopf“, antwortete ein anderer. „Du weißt schon ...“

„Das ist der Schweinejunge“, meinte ein dritter und deutete mit seinem Schwert auf Herder. „Er kümmert sich um die Tiere und schläft bei ihnen. Angeblich ist er verrückt ... oder dumm ... oder beides.“

„Hey!“, brüllte Stitcher, die ihre Wut nicht mehr im Zaum halten konnte. „Sein Name ist Herder, und er ist nicht dumm. Er ist nur anders als ihr, das ist alles.“

Die Soldaten lachten.

Stitcher trat neben Gameknight und stupste ihn leicht an, als wollte sie ihn auffordern, etwas zu sagen.

„Was ist denn?“, fragte er.

„Willst du ihnen denn nicht die Meinung geigen?“, knurrte das Mädchen.

Gameknight schaute zu den Kriegern hinauf, die den schlaksigen Jungen auslachten. Das rief so viele Erinnerungen hervor ... wie er gemobbt worden war, an die Gangs, das beiläufige Schubsen, wie man ihm auf die Füße getreten hatte ... Als Gameknight daran dachte, wie man ihn in der Schule schikaniert hatte, kehrten seine Zweifel und seine Unsicherheit auf einen Schlag zurück. Am liebsten wäre er einfach im Erdboden versunken. Plötzlich spürte er einen Ellbogen in den Rippen und kehrte in die Gegenwart zurück.

„Und?“, flüsterte Stitcher.

„Oh ... Richtig“, stammelte Gameknight. „Äh ... Überprüft, ob sich von irgendwo Monster nähern.“

Die Soldaten lachten erneut, bedachten den Jungen mit einigen abfälligen Bemerkungen und verschwanden dann, um zu tun, was der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist von ihnen verlangt hatte.

Herder ließ den Kopf hängen, während Mason auf ihn herabblickte. In der Nähe muhte eine Kuh, und Herder drehte sich zu ihr um. Langsam ging er zu dem Tier hinüber und streichelte beruhigend seinen großen, eckigen Kopf. Dann verschwand er im Schatten, und das Tier folgte ihm gehorsam.

„Ich muss die Tie... Tiere hüten“, murmelte Herder im Weggehen. Er schien sich von dem Zwischenfall erholt zu haben.

Doch Gameknight999 kämpfte noch immer gegen seine schrecklichen Erinnerungen an. Er dachte an die zahllosen Male, die man ihn geärgert hatte. Man hatte ihn in einen Spind gesperrt, in eine Mülltonne gestopft oder in die Mädchenumkleide geschubst ... Es war ein immerwährender Albtraum gewesen. Er hatte die Mobber in der Schule gehasst. Nur weil Gameknight kleiner war als die anderen Kinder, und vielleicht ein wenig anders, schien es in Ordnung zu sein, dass ihn diese Jungs malträtierten. Wie er sie dafür verabscheut hatte!

Warum habe ich nicht verhindert, dass sich diese Soldaten über Herder lustig machen?, dachte Gameknight.

Er schaute erst zu Crafter und dann zu Stitcher hinüber, konnte ihnen jedoch nicht in die Augen sehen. Seufzend und beschämt blickte er zu Boden. Herders Stimme war noch immer zu hören; der Junge sprach mit den Tieren, die er zusammentrieb und in die Mitte des Lagers führte.

„Na los“, meinte Crafter. „Sorgen wir dafür, dass sich die Armee in Bewegung setzt. Die Soldaten müssen sehen, dass der Benutzer-der-kein-Benutzer-ist an vorderster Front marschiert.“

An vorderster Front ... Ha, was für ein Witz!, dachte er, aber er wusste, dass er diese Rolle spielen musste. Er seufzte und lief Stitcher hinterher, deren flammend rotes Haar hinter ihr herflog und Gameknight an ihre ältere Schwester Hunter erinnerte.

Ich kann nur hoffen, dass du noch am Leben bist, Hunter, dachte er und erschauderte, weil er sich schuldig fühlte. Wieso hatte er nicht geschossen und sie gerettet, als sich die Gelegenheit ergeben hatte?

KAPITEL 4

MALACODA

Erebus begutachtete die wunderschöne Landschaft, die hohen grünen Bäume, die riesigen grasbewachsenen Ebenen und die fernen majestätischen Berge ... Das alles machte ihn krank. Seiner Meinung nach sollte man unter der Erde leben, in den Schatten, Höhlen und Tunneln, und nicht in diesem widerlich farbenfrohen Gebiet. Bei dem Anblick drehte sich ihm der Magen um.

Der König der Endermen wandte den Blick von der Landschaft ab und musterte die gewaltige Monsterarmee, die ihm folgte. Sie marschierten über diesen Server und suchten nach Verbündeten, die ihnen bei der Zerstörung der Quelle helfen konnten. Erebus lächelte, als er die gigantische Anzahl an Kreaturen sah. Schon bald würde er sie alle befehligen ... Doch noch war es nicht so weit. Neben ihm schwebte der riesige Ghast Malacoda, der Netherkönig und Kommandant dieser Armee ... bis auf Weiteres zumindest. Sein blasser, kalkweißer Körper schimmerte im Licht der aufgehenden Sonne rötlich. Erebus konnte deutlich die Narben erkennen, die die Haut des Monsters überzogen, doch die unter den wütenden roten Augen traten am deutlichsten hervor. „Was gaffst du so?“, verlangte Malacoda zu erfahren, in dessen laute, dröhnende Stimme sich schrille, katzenartige Klänge mischten.

„Nichts“, erwiderte Erebus so ehrerbietend, wie er nur konnte. „Ich bewundere nur deine Herrlichkeit ... Hoheit.“

Der König des Nether knurrte und wandte den Blick von dem dunkelroten Enderman ab.

Neben Malacoda stand sein General, eines der Witherskelette. Die dunkle, knorrige Kreatur ritt auf einer Riesenspinne und war somit ein Spinnenreiter, wie man sie in Minecraft nannte. Sie ähnelte ihren Vettern aus der Oberwelt und bestand ebenso nur aus Knochen, doch die Witherskelette waren pechschwarz, als hätte man sie gerade aus der Asche eines vor langer Zeit verloschenen Feuers gezogen, und nicht blassweiß wie die Skelette der Oberwelt. Die meisten Witherskelette kämpften mit Schwertern, dieses besaß jedoch einen verzauberten Bogen, den es seiner Gefangenen abgenommen hatte. Das Monster drehte sich um und schaute seine NPC-Gefangene an.

„Noch einmal vielen Dank für den schönen Bogen, Dorfbewohnerin“, sagte das Witherskelett mit kratziger Stimme, die klang, als würden mehrere Knochen gegeneinander klappern und irgendwie Töne erzeugen, die Worte ergaben. „Es ist wirklich nett, dass du mir erlaubst, ihn zu benutzen. Ich glaube, ich habe noch keinen NPC mit einer so schönen Waffe getötet. Ich freue mich schon darauf, deinen geheiligten Benutzer-der-kein-Benutzer-ist mit einem Pfeil zu durchbohren. Er ist unbedeutend. Es wäre durchaus passend, wenn er von einer Waffe getötet wird, die von seiner eigenen Freundin geschaffen und verzaubert wurde. Welch herrliche Ironie.“

„Hör auf zu plappern“, fauchte Erebus. „Ich kann dein sinnloses Gerede nicht mehr ertragen.“

Auf einmal verschwand Erebus und teleportierte sich direkt neben den General. Die Spinne, auf der dieser ritt, erschrak und brach zur Seite aus. Durch die abrupte Bewegung fiel das Witherskelett beinahe vom haarigen schwarzen Rücken herunter.

„Schau sie dir an“, befahl Erebus dem Skelett.

Dann streckte er einen seiner dünnen Arme aus, und seine dunkelrote Haut hob sich deutlich von den schwarzen Knochen des Skeletts ab. Er packte den Kopf des Generals und drehte ihn so, dass dieser die gefangene Hunter direkt anschaute. Sie wurde von einem von Malacodas Ghasts festgehalten, der seine neun schlangenartigen Tentakel um ihren Körper gewickelt hatte. Der blasse, eckige Torso des Monsters schwebte in der Luft, und es hatte sein kindliches Gesicht nach vorn gerichtet. Wie bei allen Ghasts war auch sein Körper von tiefen grauen Narben übersät, und die auffälligsten befanden sich unter seinen Augen. Die tränenartigen Narben verunstalteten das junge, schaurige Gesicht und stellten die dauerhaften Hinterlassenschaften einer längst vergangenen Traurigkeit und Schande dar. Als Erebus diese Narben sah, musste er kichern, was ihm einen bösen Blick von Malacoda einbrachte. Malacodas finstere Miene bewirkte, dass alle Monster in der Nähe aufrechter liefen und noch finsterer und entschlossener wirkten. Dies war Malacodas Armee, und das waren seine Krieger ... im Moment zumindest.

Erebus drückte den Kopf des Skeletts noch etwas fester und fuhr fort: „Sieh dir die Augen dieses NPCs an. Es gelingt dir nicht, ihr Angst einzujagen, sie einzuschüchtern oder ihren Lebenswillen zu brechen. Du bewirkst mit deinem nutzlosen Spott nur, dass sie dich noch mehr hasst.“

Dann ließ er das Skelett los und teleportierte sich neben Hunter, wobei er von einem Nebel aus lilafarbenen Partikeln umgeben war. Er strich ihr über das lange, lockige rote Haar und streichelte ihr mit einer klammen schwarzen Hand die Wange. Hunter versuchte, sich ihm zu entziehen, da seine Berührung sie anwiderte, und starrte ihn angeekelt an.

Erebus lachte, und sein charakteristisches Enderman-Kichern hallte durch die Luft. Hunter zuckte zusammen.

„Wie du siehst, kannst du diesen NPC weder durch Drohungen noch durch Schmerz oder Tod einschüchtern.“ Erebus drehte sich zu dem General um. „Ich kenne diese Kreatur, und ich weiß, was sie fürchtet. Das sind nicht Schmerz, Qualen oder Drohungen.“

„Du weißt überhaupt nichts, Enderman“, fauchte Hunter, die vor Zorn bebte.