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Sophie Berg - Vom Internet ins Ehebett 

Jenseits der 35 und beruflich erfolgreich? Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, vom Tiger gefressen zu werden, als den Mann fürs Leben zu finden, heißt es. Doch Rosalind Steinberg beschließt, den Gegenbeweis anzutreten. Ganz auf der Höhe der Zeit, lässt sie dabei Eheanbahnungen in Bars oder risikobehaftete Partnerschaftsanzeigen in der Zeitung hinter sich und stürzt sich – ins Internet. In überraschend kurzer Zeit hat sie drei Männer zur Auswahl: Bernhard, ihren verlässlichen E-Mail-Freund. Gregor, der sie zum Lachen bringt. Und Stefan, den absoluten Traum von einem Gentleman. Erst spät – fast zu spät – erkennt sie, dass die wahre Liebe sich ihren ganz eigenen Weg bahnt und manchmal schon viel näher ist, als man ahnt ... 

Hanna Molden - Der Tarzan-Effekt 

Die attraktive Journalistin Laura Wunder ist entsetzt: Ihre beste Freundin Gisi hat eine Affäre mit einem jungen Großwildjäger! Klarer Fall – hier handelt es sich um den berühmt-berüchtigten "Tarzan-Effekt". So etwas könnte der vernünftigen Laura natürlich nie passieren. Doch als sie für eine Reportage nach Schottland reist, begegnet sie auf der wilden Isle of Skye dem umwerfenden Brian, einem wortkargen, aber verdammt attraktiven Naturburschen. Und prompt geraten ihre Prinzipien gefährlich ins Wanken… 
 

Gabriele Martina Haak - Liebe on the Rocks

Sophie Lackmann, Mitte Dreißig, peppige Karrierefrau und Pressechefin einer Gentechnikfirma, befällt aus heiterem Himmel plötzlich die Torschlusspanik. Ihr Herzenswunsch: ein Baby – doch weit und breit ist kein Mann in Sicht, der der Vater ihres Wunschkindes werden möchte. Was also tun? Als Frau der Tat durchstöbert Sophie kurzerhand die Samenbanken nach einem geeigneten Kandidaten. Doch was dann passiert, ist einfach unglaublich. Sophie muss erkennen, dass man dem Schicksal selten ungestraft ins Handwerk pfuscht: Sie trifft ihren Traummann nämlich genau in dem Moment, als sie frisch befruchtet ist...  

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Das Buch

Jenseits der 35 und beruflich erfolgreich? Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, vom Tiger gefressen zu werden, als den Mann fürs Leben zu finden, heißt es. Doch Rosalind Steinberg beschließt, den Gegenbeweis anzutreten. Ganz auf der Höhe der Zeit, lässt sie dabei Eheanbahnung in Bars oder risikobehaftete Partnerschaftsanzeigen in der Zeitung hinter sich und stürzt sich – ins Internet. In überraschend kurzer Zeit hat sie drei Männer zur Auswahl: Bernhard, ihren verlässlichen E-Mail-Freund. Gregor, der sie zum Lachen bringt. Und Stefan, den absoluten Traum von einem Gentleman. Erst spät - fast zu spät - erkennt sie, dass die wahre Liebe sich ihren ganz eigenen Weg bahnt und manchmal schon viel näher ist, als man ahnt ...

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Danksagung

Mein erster Dank geht an meine Familie. Schreibende Personen im Haushalt sind nicht immer die einfachsten Zeitgenossen. Vor allem dann nicht, wenn sie dazu auch noch als Juristin, Persönlichkeitstrainerin und Kabarettistin unterwegs sind. Ich danke meinen Agentinnen Lianne Kolf und Ingeborg von Castell, dass sie mich in ihre Reihen aufgenommen haben. Natürlich danke ich auch Isolde Wehr, der Herausgeberin von »Moments«, und meiner Lektorin Petra Kästner-Henn für die stets erfreuliche Zusammenarbeit.

Ich danke Günther Sator, einem der profundesten westlichen Feng-Shui-Experten, dafür, dass er mir sein Insiderwissen über »Feng Shui in der Zahnarzt-Praxis« zur Verfügung gestellt hat. Danke an meine Schwägerin Hannelore Leindecker fürs Korrekturlesen und an Valerie Kalmar und ihre Damen fürs Tippen der Rohfassung. Und ich danke auch meinen SchriftstellerkollegInnen von DeLiA, der Vereinigung deutschsprachiger Liebesromanautorinnen. Unser intensiver E-Mail-Kontakt hat mir so richtig Lust darauf gemacht, diesen Roman zu schreiben.

Links

Zur Autorin: www.sophieberg.at

Zu Feng Shui: www.sator.at

Zur Vereinigung Deutschsprachiger Liebesromanautorinnen

und -autoren: www.delia-online.de

Zum Europäischen Netzwerk für Frauen in Führungspositionen (European Women’s Management Development Network): www.ewmd.org

»Eine Frau ohne Mann
ist wie ein Fisch ohne Fahrrad.«
 Gloria Steinem, US-amerikanische Feministin

»Wenn dieser Satz stimmt,
dann haben erstaunlich viele Fische Sehnsucht
nach einem Fahrrad.«
 Sophie Berg

Hinweis:

Die Personen und die Handlung dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit Menschen, die wirklich leben (die Autorin eingeschlossen image) oder gelebt haben, ist ganz und gar zufällig und völlig unbeabsichtigt.

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Wenn ich es mir so recht überlege, dann war es wohl an jenem Abend, an dem mein Leben sich dramatisch zu ändern begann:

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Sophie Berg

Vom Internet ins Ehebett

Roman

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I

Ich hatte einen Beschluss gefasst und brannte darauf, ihn meinen beiden Freundinnen zu verkünden. Doch ich musste mich noch etwas gedulden. Der Kellner servierte Carla eben mit gekonntem Schwung den bestellten Campari, als die Eingangstür zum »Roberto« aufgestoßen wurde und Bea hereinwallte. Sie trug einen wadenlangen, weit geschnittenen Mantel, wie immer in Schwarz gehalten. Eine Fülle von bunten (selbst gefärbten!) Seidenschals wehte um ihren Hals. Alle in Rottönen diesmal, die ihre karottenroten Haare, die kurz geschnitten und mit viel Gel zum Stehen gebracht worden waren, erst wirklich zum Leuchten brachten. Ein eilig herbeigeeilter Kellner nahm den Mantel in Empfang. Nun hatte sie uns entdeckt und winkte mit einem lauten »Hallo, ihr Lieben!« zu uns herüber.

Ich brauchte Carla nicht anzusehen, um zu wissen, dass diese indigniert eine ihrer wohlgezupften Augenbrauen gehoben hatte. Carla waren laute Auftritte peinlich. Beas laute Auftritte im Besonderen. Erst als unsere Freundin direkt vor unserem Tisch stand, wurde die unscheinbare Gestalt sichtbar, die sich hinter ihrem breiten Rücken verborgen hatte.

»Hier sind wir!« Bea machte sich daran, uns ihre kameradschaftlichen Küsse auf beide Wangen zu schmatzen. »Entschuldigt bitte die Verspätung, aber wir konnten wieder einmal kein Taxi finden. Das ist also meine Cousine Claudia. Man sieht doch gleich, dass wir verwandt sind, nicht wahr? Nein, sagt nichts.« Sie hob abwehrend die Hand. »Ich weiß, dass wir uns nicht ähnlich sehen. Claudia ist höchstens die Hälfte von mir.«

Sie lachte schallend, als würde ihr dieser Umstand nichts ausmachen. Wir kannten sie viel zu gut, um uns täuschen zu lassen. Ihre üppige Figur war Beas Schwachstelle.

»Wollt ihr euch nicht setzen?« Carla zündete sich eine Zigarette an.

»Hallo zusammen«, sagte nun das unscheinbare Wesen. Sie schob sich den letzten freien Stuhl zurecht, hängte ihre geräumige rotbraune Umhängetasche über die Lehne, nahm Platz und sah erwartungsvoll in die Runde. Der Kellner kam, um die Bestellungen aufzunehmen.

»Darf ich …?«, fragte Bea, als er wieder in Richtung Küche davongeeilt war. Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie eine Zigarette aus Carlas Päckchen. »Meine erste heute.« Carla gab ihr kommentarlos Feuer.

»Wir haben einen stressigen Tag hinter uns, nicht wahr, Claudia? Wir grasten die gesamte Umgebung ab, um diese dämlichen Brunnenfiguren zu finden. Habt ihr gewusst, wie viele Brunnenfiguren es in unserem Landkreis gibt?«

»Ich erstelle einen Bildband über weibliche Brunnenfiguren«, erklärte ihre Cousine, um gleich darauf einzuschränken: »Erstellen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich mache nur die Fotos, sozusagen.«

»Sag nicht ›nur‹!«, unterbrach sie Bea streng. »Bei einem Bildband sind doch Fotos das, worauf es ankommt. Claudia ist seit Wochen in ganz Deutschland unterwegs. Erzähl doch mal!«

»Na ja, es ist gar nicht so einfach, Brunnenfiguren aufzuspüren. Die richtigen, sozusagen. In Reiseführern werden Brunnen selten erwähnt. Ich bin auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen und auf den Zufall, sozusagen. Sie glauben gar nicht, welch interessante Meisterwerke man zu Gesicht bekommt.«

»Und davon kann man leben?« Nicht umsonst kam Carla aus dem Wirtschaftsbereich.

»Aber natürlich«, erklärte Claudia unerwartet heftig. »Das ist ein von der EU gefördertes Projekt. Die unterschiedlichen Darstellungsformen der Frau im deutschsprachigen Raum.«

»Claudia hat vor drei Jahren einen Bildband über spanische Landhäuser gemacht.« Bea hatte das Gefühl, ihre Cousine gegen Carlas Skepsis verteidigen zu müssen.

»Über Fincas auf den Balearen, um genau zu sein. Also Landhäuser und alte Bauernhöfe auf Menorca, Ibiza und vor allem Mallorca, sozusagen«, stellte Claudia richtig. »Natürlich nur solche Häuser, die von Frauen renoviert oder neu eingerichtet worden waren.«

»Natürlich«, bestätigte Carla, und es klang eine kleine Spur sarkastisch.

»Und sie hat damit jede Menge Kunstpreise eingeheimst«, trumpfte Bea auf.

»Einen, um genau zu sein«, korrigierte sie ihre Cousine ehrlich. Sie errötete und strich mit verlegener Geste ihre mausbraunen Haare aus dem schmalen Gesicht.

»Tatsächlich?«, murmelte Carla.

»Wenn Sie an weiblichen Brunnenfiguren interessiert sind«, meldete ich mich zu Wort, da ich mich plötzlich an eine Brunnenfigur erinnerte, »da müssen Sie unbedingt nach Großgmain, einen Ort direkt hinter der Grenze zu Österreich fahren. Österreich ist für Ihr Buch doch auch interessant, oder darf der Brunnen nur in Deutschland stehen?«

Claudia schüttelte den Kopf: »Nein, nein. Österreich ist auch möglich. Ist ja auch im deutschsprachigen Raum, sozusagen.«

Bea grinste.

»Welche Besonderheit hat denn dieser Brunnen?«

»Dort gibt es gleich zwei Madonnenstatuen. Sie stehen mit dem Rücken zueinander. Wenn ich mich nicht irre, dann fließt das Brunnenwasser direkt aus ihren Brüsten.«

»Das ist natürlich interessant. Sozusagen«, rief Claudia enthusiastisch. Ihre Augen begannen zu leuchten, und ihre Erscheinung wirkte mit einem Mal nicht mehr ganz so unscheinbar. Sie kramte einen zerfledderten Notizblock aus ihrer breiten Umhängetasche.

»Das ist ja ungeheuerlich«, meinte Carla. Und setzte mit einem kleinen, bösartigen Grinsen hinzu: »Sozusagen.«

Claudia beachtete sie nicht. Eifrig kritzelte sie eine kurze Notiz aufs Papier. »Jetzt brauche ich nur noch jemanden, der mich dorthin chauffiert.« Sie seufzte: »Mein Auto hat vor einer Woche den Geist aufgegeben, und in der Werkstatt wissen sie nicht, wann sie es wieder fahrbereit haben werden.«

»Keine Sorge, wir finden jemanden. Wozu habe ich so viele Freunde?« Bea legte ihre Hand auf den Unterarm ihrer Cousine. »Wie ihr wisst, ist Claudia noch nicht lange in der Stadt. Und sie hat sich erst vor wenigen Monaten scheiden lassen.«

»Mein Mann und ich sind weiterhin gute Freunde«, beeilte sich Claudia zu versichern.

»Das war ja wahrscheinlich das Problem eurer Ehe, dass ihr beide nur gute Freunde gewesen seid. Ihr müsst wissen, dass Claudias Ex einige Jahre jünger ist als sie. Und durch ihre vielen Reisen …«

»Wer von den Damen bekommt das Saltimbocca à la Romana?«, fragte der Kellner. Gerade rechtzeitig, bevor Bea uns Claudias Lebensgeschichte erzählt hätte.

Wir aßen einige Minuten schweigend, bevor Bea abermals das Wort ergriff. An Claudia gewandt erklärte sie in bestimmtem Tonfall: »Jetzt muss ich dir aber einmal meine Freundinnen genauer vorstellen. Ich habe dir schon viel von ihnen erzählt. Sie sind ja quasi meine zweite Familie. Schließlich kennen wir uns schon seit dem Studium. Seit ich vor fast zwanzig Jahren aus dem Ruhrpott in die Gegend gezogen bin.«

»Wie schmecken denn deine Spaghetti Carbonara?« Carla spießte ein Stück Thunfisch aus ihrem Salat. »Die sehen ja verlockend aus.«

Doch Bea ließ sich nicht ablenken: »Hervorragend. Carla mag es nicht, wenn man über sie spricht.« Sie grinste breit. »Aber schließlich muss meine Cousine wissen, mit wem ich verkehre. Sie ist doch meine letzte lebende Verwandte.«

»Du vergisst meine Eltern und Onkel Hermann aus Osnabrück«, korrigierte Claudia gewissenhaft.

»Außer deinen Eltern und Onkel Hermann«, verbesserte sich Bea ungerührt. »Doch nun lasst mich beginnen. Das ist also Carla Martens. Sie hat Jura studiert. Aber das hast du aus ihrem klassisch strengen Outfit sicherlich bereits geschlossen.«

»Bea …«

Carlas drohender Tonfall beeindruckte Bea nicht im Geringsten. »Carla ist sehr erfolgreich. Sie arbeitet bei Moosburger. Du hast doch schon von Moosburger gehört? Die Maschinenfabrik am Stadtrand. Carla leitet dort den Verkauf.«

»Nur den Verkauf innerhalb Europas.«

»Schon wieder so ein ›nur‹«, ereiferte sich Bea und stahl eine Gurkenscheibe von Carlas Salatteller. »Wo bleibt denn euer Selbstbewusstsein? Europa ist doch groß genug. In Kürze soll Carla zudem Mitglied der Geschäftsleitung werden. Du kannst ihr schon gratulieren.«

Claudia kannte die Firma Moosburger offensichtlich nicht. Sie gratulierte trotzdem.

»Carla war mit Oliver Martens verheiratet. Den kennst du aber sicher. Na, du weißt schon, der bekannte und in der Schickimicki-Szene so beliebte Schönheitschirurg. Der, der Sibylle Segler den Busen vergrößert hat. Sibylle Segler – das blonde Topmodel. Das ist doch durch alle Zeitschriften gegangen. Die beiden haben eine achtjährige Tochter.«

»Der Doktor und das Topmodel?« Claudia war sichtlich verwirrt.

»Der Doktor und Carla natürlich. Marie heißt sie. Und ist ausgesprochen hübsch. Eine richtige …«

»Bea, deine Spaghetti werden kalt«, unterbrach sie Carla in mühsam beherrschtem Tonfall.

Wie zu befürchten war, wandte sich Bea nun mir zu: »Und diese elegante Dame hier ist Rosalind Steinberg. Dr. med. dent., um genau zu sein. Leider trägt sie diese altmodische Hochsteckfrisur. Ich kann reden, so viel ich will, sie weigert sich strikt, ihre Haare abschneiden zu lassen. Ich kann mir meine Worte genauso gut sparen.«

»Und nicht nur diese«, murmelte Carla.

»Nicht jeder steht eine orangerote Zipfelfrisur«, konnte ich mir nicht verkneifen zu bemerken.

Bea lachte schallend: »Da hast du sicher Recht.« Sie winkte dem Kellner: »Noch ein Glas von dem hervorragenden Chianti, bitte!« Sie wandte sich wieder ihrer Cousine zu: »Roli ist Zahnärztin. Sie ist Partnerin in einer großen Gemeinschaftspraxis, die sehr gut läuft. Obwohl es nicht immer leicht für sie war. Auch deshalb, weil sie auch zwei Kinder aufzuziehen hat. Allein. Ihr Mann Peter war Rechtsanwalt. Ein Studienkollege von Carla. Habe ich dir schon erzählt, dass Peter vor fast drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam? Eine absolut schreckliche Sache.«

»Schrecklich«, bestätigte Claudia errötend. Sie blickte kurz von ihrem Teller auf und warf mir einen mitleidigen Blick zu. Auf solche Blicke konnte ich liebend gern verzichten. Bea war manchmal wirklich unerträglich. Wenn Carla jetzt die Nerven verlor und sie aufforderte, endlich still zu sein, ich hätte nicht schlichtend eingegriffen. Hilfe suchend blickte ich zu ihr hinüber, aber sie widmete sich schweigend den letzten Bissen ihres Essens.

Bea fuhr ungehindert fort: »Nun sind die Jungs – ich habe doch schon erwähnt, dass Roli Zwillinge hat? Tim und Sebastian. Sie sind eineiige Zwillinge und gleichen sich fast aufs Haar.«

»Das ist bei eineiigen Zwillingen so üblich«, warf Carla ein.

»Sie sind jetzt sechzehn. Da kannst du dir die Probleme vorstellen, mit denen sich Roli tagtäglich auseinander setzen muss«, sprach Bea unbeirrt weiter.

Claudia, die, wie ich wusste, kinderlos war, konnte sich die Probleme offensichtlich nicht vorstellen. Sie nickte jedoch tapfer lächelnd.

»Oh, vielen Dank!« Bea nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas, das der Kellner soeben vor sie hingestellt hatte. »Carla hat übrigens einen sehr interessanten Freund. Den solltest du unbedingt kennen lernen. Vielleicht kann er einen deiner Lichtbildvorträge sponsern. Er ist ein hohes Tier bei der Bank …«

Sie schwieg erschrocken. Carla hatte es nun doch für angebracht gehalten, ihre damenhaften Manieren zu vergessen und Bea einen kräftigen Stoß gegen das Schienbein zu versetzen. Es war ja wirklich nicht zu fassen. Was war denn in Bea gefahren? Der dummen Nuss war doch glatt zuzutrauen, dass sie Konrads Namen erwähnte. Und prompt kannte die unscheinbare Cousine Konrads Frau. Und ehe Carla sich’s versah, hatte sie Probleme am Hals, die sie sich bei Gott nicht wünschte. Und ich ihr auch nicht.

Bea rieb sich unter dem Tisch die schmerzende Stelle. Sie hatte den Grund des Kicks verstanden und warf ihrer Freundin nun einen um Verzeihung heischenden Blick zu.

»Und Sie kommen auch aus dem Ruhrgebiet?«, fragte ich, um die so plötzlich eingetretene Stille mit einem unverfänglichen Thema zu füllen.

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Wir blieben nicht mehr lange sitzen. Obwohl sich Bea in der Folge sehr zurückhielt und der Abend nunmehr in harmonischem Geplauder ausklang. Wir begleiteten Claudia zum Taxistand, der die Straße hinunter nur wenige Meter von »Roberto« entfernt lag.

»Komm gut nach Hause, Cousinchen«, Bea küsste sie auf beide Wangen, »und mach dir keine Sorgen. Ich treibe jemanden auf, der mit dir durch die Lande fährt.«

Mit hochgeschlagenen Mantelkrägen eilten wir schweigend zu meinem Auto, das ich in einer der Seitenstraßen geparkt hatte. Der Schneefall, der den ganzen Tag über angedauert hatte, hatte aufgehört. Dafür war der Wind unangenehm stark und blies uns unfreundlich ins Gesicht. Carla hatte ein breites, schwarzes Stirnband über ihren rötlich blonden Pagenkopf gezogen. Ich trug meine wohlig warme Fellkappe, von der Carla fand, sie würde mir nicht stehen. Bea fror hutlos.

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Endlich waren wir allein! Der geeignete Zeitpunkt, die beiden in meine Pläne einzuweihen! Was sie wohl von meiner Idee hielten? Fanden sie es noch zu früh? Vielleicht war Carla der Meinung, es sei ohnehin aussichtslos. Sie hatte ja selbst einige Erfahrung … Ich hätte mich wohler gefühlt, hätte ich nicht selbst so viele Zweifel gehabt.

Ich atmete tief durch.

»Was ich euch schon den ganzen Abend sagen wollte«, ich hatte den Wagen mit ein paar zügigen Schwüngen aus der Parklücke manövriert, »ich habe einen Beschluss gefasst.«

»Uijuijui«, Bea rollte mit den Augen, »merkst du das, Carla? Ihre Stimme klingt harmlos. Doch die ungewohnt dramatische Einleitung lässt auf Schwerwiegendes schließen.«

Carla, die es sich auf der Rückbank bequem gemacht hatte, lehnte sich nun neugierig nach vorne: »Willst du am Ende Hubert sagen, dass er aus deinem Haus ausziehen muss?«

Bea ließ ihr schallendes Lachen ertönen. Sie war sicher der Meinung, dass es mein Leben nicht unwesentlich erleichtern würde, wenn ich meinen Schwiegervater nicht ständig in der Nähe haben müsste. Und sie hatte nicht Unrecht.

Doch das war es nicht, und so schüttelte ich den Kopf: »Nein, nichts so Drastisches. Wenn es auch, wenn ich es mir recht überlege, die Konsequenz aus meinem Entschluss sein könnte.«

Die Freundinnen schauten verständnislos: »Kannst du uns das vielleicht näher erläutern?«

»Ich habe beschlossen, mir einen Mann zu suchen.«

Davon schienen die beiden wirklich begeistert zu sein. Keiner meiner eigenen Zweifel kam ihnen spontan über die Lippen. Was ich zu hören bekam, gefiel mir dennoch nicht.

»Bravo! Das ist eine gute Neuigkeit«, sagte Carla erfreut, »höchste Zeit, dass du wieder einen Mann an deiner Seite hast. Deine Söhne brauchen auch eine männliche Bezugsperson. Hubert mit seinen überkommenen Ansichten ist auf die Dauer sicher nicht das ideale Vorbild …«

Ich bremste ohne Vorwarnung, wie aus einem Reflex heraus. Nicht nur das Auto, auch diese Denkweise musste ich umgehend abbremsen. »Damit das klar ist«, stellte ich mit ungewohnter Heftigkeit fest, »was ich suche, ist ein Mann für mich. Zum Ausgehen und zum Reden. Ich suche doch keinen Ernährer oder einen Familienpapi! Glaubt ihr wirklich, ich suche einen Mann, der sich in die Erziehung meiner Kinder einmischt? Das kann doch nicht euer Ernst sein!« Es fiel mir schwer, mich zu beruhigen. »Eigentlich suche ich einen Liebhaber«, fügte ich hinzu. Es klang selbst in meinen Ohren ziemlich trotzig.

»Sollst du haben«, sagte Bea gut gelaunt. So als hätte sie darauf irgendeinen Einfluss.

»Alles klar«, bestätigte Carla vom Rücksitz her, »und wie willst du deinen Entschluss in die Tat umsetzen?«

In die Tat umsetzen? Das war wieder typisch Carla. Immer gleich Nägel mit Köpfen machen. Ich war schon stolz auf mich, dass ich mich überhaupt zu dem Entschluss durchgerungen hatte. Daher zuckte ich nur unbestimmt mit den Schultern: »Es gibt genug Bars, die von Junggesellen nur so wimmeln«, meinte ich lässig. Ich hatte gerade in der Beilage einer Zeitung einen Artikel darüber gelesen.

»Ach ja?« Carla war nicht überzeugt.

»Aber nicht von Junggesellen über vierzig«, warf Bea ein.

»… mit gehobener Bildung«, ergänzte Carla.

Aha, da waren sie also, meine eigenen Zweifel. Doch aus fremdem Mund vorgebracht, reizten sie mich zum Widerspruch. Ich wollte mir nicht durch ihre Skepsis meine zur Schau gestellte Zuversicht rauben lassen.

»Ihr werdet schon sehen. Ich finde eine passende Bar …«

»… und dort stellst du dich an den Tresen und flötest: ›Hallo, Süßer!‹«, ergänzte Bea frech.

»Fahr mal da vorne an der Ampel nach rechts«, befahl Carla von hinten. Ich gehorchte. »So, und nun rechts ran. Du hast Glück, da vorne ist wirklich ein Parkplatz. Schnell, bevor ihn dir ein anderer wegschnappt.«

Ich tat, wie mir geheißen. Und doch wurde mir zunehmend mulmiger zumute. Carlas bestimmter Ton verhieß nichts Gutes.

»Und was tun wir hier?« Ich wandte mich zu Carla um.

»Pläne soll man sofort in die Tat umsetzen«, erklärte die Frau Verkaufsleiterin für Europa und öffnete energisch die Autotür. Kalte Luft strömte ins Innere. »Dort drüben ist eine Bar, wie sie dir vorschwebt. Das ›Monte‹. Die haben einen äußerst passenden Tresen.«

Carla war bereits ausgestiegen und hatte die Autotür zugeknallt. Wir beiden anderen beeilten uns, ihr zu folgen.

»Meint ihr wirklich, heute ist dafür der richtige Tag?« Es war eine Sache, einen Plan zu fassen. Aber musste man wirklich gleich darangehen, ihn zu verwirklichen?!

»Heute ist so gut wie jeder andere Abend«, Carla vergrub ihre lederbehandschuhten Finger in den Manteltaschen. »Also kommt, ihr zwei.«

»Roli, ich glaube, es ist besser, du lässt das Fellungeheuer im Wagen«, schlug Bea vor. Gehorsam warf ich meine Fellmütze auf den Fahrersitz. Dann schloss ich ab und folgte meinen Freundinnen in die Nacht.

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Unbarmherzig steuerten sie auf die hell erleuchtete Eingangstür zu. Das »Monte« war eine gute Wahl, wie Bea anerkennend feststellte. Es hatte nämlich keinen Türsteher.

»Wer weiß, ob er über unseren Anblick sehr erfreut gewesen wäre«, sie runzelte die Stirn. »Wir bieten heute wirklich ein seltsames Bild, meine Lieben. Drei Frauen Anfang vierzig, die eine im strengen Businesslook, die andere widerstrebend dahinter, im biederen Plüschmantel und mit einem Haarknoten wie ›Mutti am Sonntag‹.«

Die Letztere war ich. Wie aufbauend, dass Bea nie ein Blatt vor den Mund nahm. Ihre eigene Leibesfülle kommentierte sie überraschenderweise diesmal nicht.

Energisch wurde ich von Carla ins Foyer geschoben. »Es ist besser, man merkt nicht, dass wir zusammengehören. Drei Frauen an einem Tisch – da hast du nicht die geringste Chance, jemanden kennen zu lernen.«

Das fand ich ganz und gar nicht verlockend. Ich fühlte mich schon unwohl, wenn ich allein ein Kaffeehaus betrat. Ich warf Bea einen Hilfe suchenden Blick zu.

»Wo sie Recht hat, hat sie Recht«, bestätigte diese ungerührt.

»Du setzt dich an die Bar«, setzte Carla das Kommando fort. »Wir kommen in ein paar Minuten nach. Wir stellen uns irgendwohin, wo wir dich gut sehen können. Und wenn alles gut geht und du mit einem netten Mann ins Gespräch kommst, verkrümeln wir uns heimlich. Mach dir um uns keine Gedanken, wir nehmen ein Taxi.«

Sie öffnete die Lokaltür. Laute Musik drang nach draußen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich wollte keinesfalls als Feigling dastehen. Es war schließlich meine eigene Idee gewesen. Carla schloss die Tür hinter mir.

Da stand ich also am Eingang auf einer kleinen Plattform. Wenige Stufen führten hinunter ins eigentliche Lokal. Ich kam mir vor wie auf dem Präsentierteller. Dutzende Augen glotzten zu mir empor. Die Musik war extrem laut. Ein Stampfen, das ich aus den CD-Playern meiner Söhne kannte. Und das Publikum schien nicht viel älter zu sein als sie. Alles junge Burschen und Mädchen, noch keine zwanzig, das mochte ich wetten. Vereinzelt hatten sich Männer in meinem Alter unter die Menge gemischt. Sie versuchten mit Mädchen ins Gespräch zu kommen, die altersmäßig gut und gern ihre Töchter hätten sein können. Die wenigen Sitzmöglichkeiten waren alle belegt. Die meisten Anwesenden drängten sich stehend dazwischen. Ein buntes Getränk in der einen Hand, eine Zigarette in der anderen. Kaum jemand schien zu sprechen. War ja auch sinnlos. Bei dem Lärm hätte es ohnehin keiner verstanden. Warum starrten nur alle auf mich? Ich spürte, wie die Panik mich ergriff und mir die Kehle zuschnürte. Ich war hier fehl am Platz.

Zum Glück war die Damentoilette direkt neben dem Eingang. Darin verschwand ich und atmete erst einmal tief durch. »René ist geil«, stand an der Tür. Darunter die Nummer vom Frauenhaus. Und dann hörte ich plötzlich vertraute Stimmen. Während die Wand zum Lokal solide gebaut zu sein schien, war die Wand zum Foyer vermutlich nur aus Holz.

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»Pff!«, Bea atmete tief durch, »hältst du die Idee für gut?«

Carla schien zu überlegen. »Wahrscheinlich ist es ein Reinfall. Aber sie hat es wenigstens versucht.«

»Wir hätten sie stylen sollen«, wandte Bea ein, »so als biedere Hausmaus stehen ihre Chancen schlecht.«

Na, das war ja interessant.

Carla lachte leise: »Roli aufstylen? Roli? Hast du sie je gestylt oder auch nur im Leisesten schick zurechtgemacht erlebt? Erinnere dich, als sie zwanzig war. Wir sind alle mit türkisfarbenen Lidern und mit langen, offenen Haaren umhergelaufen. Mit Miniröcken, die den Slip kaum bedeckten. Da trug Rosalind bereits ihre Röcke bis unters Knie.«

»Midi nannte man das damals«, erinnerte sich Bea.

»Richtig, midi. Und das trägt sie noch heute so. Nur die Farbe hat sich geändert. War es damals dieses grässliche weinrot-lila …«

»Aubergine.«

»Richtig, Aubergine. So ist es heute beige-braun. Und die Haare hatte sie damals schon so sittsam aufgesteckt.«

Ich griff instinktiv an meinen Kopf. Was war denn an meiner Frisur auszusetzen?

»Und dennoch hat sie Peter Steinberg geangelt. Den Schwärm aller Studentinnen …«

»… auf den wir alle scharf waren«, bestätigte Carla.

Da schau her! Was man alles erfuhr hinter einer WC-Wand.

»Vielleicht liegt Rosalind doch nicht so falsch.«

»Du meinst, ich hätte auch bessere Chancen, einen Traumprinzen zu finden, wenn ich mir die Haare hochsteckte?«, Carlas Stimme war halb skeptisch, halb spöttisch. Ich wurde noch hellhöriger. Seit wann war denn Carla auf der Suche nach einem Traumprinzen?

»Seit wann bist du denn auf der Suche nach einem Traumprinzen?« Die liebe Bea nahm mir das Wort aus dem Mund. »Bist du etwa nicht mehr zufrieden mit dem guten alten Konrad?«

»Wann ist man schon zufrieden?«, entgegnete Carla vage.

Natürlich war sie mit Konrad nicht zufrieden. Vor allem nicht mit der Tatsache, dass er verheiratet war und eine Tochter in Maries Alter hatte. Und damit, dass seine Frau erst kürzlich den Wunsch geäußert hatte, wieder schwanger zu werden. Konrad würde seine Familie nie verlassen. Und das war auch nicht wirklich das, was Carla sich wünschte. Wie ich sie kenne, machte es sie wütend, dass sie dennoch nicht in der Lage war, sich von ihm zu trennen. Aber Carla würde nicht mit Bea darüber sprechen. Schon gar nicht vor einer Lokaltür.

»He, wie lang brauchst du denn noch da drinnen!« Eine ungeduldige Hand rüttelte an meiner Türklinke.

»Ich denke, wir gehen jetzt auch hinein«, hörte ich Carla sagen.

Höchste Zeit, dass ich meinen heimlichen Lauschplatz verließ.

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Ich lief meinen Freundinnen direkt in die Arme, als sie noch beim Eingang standen und versuchten, mich in der Menschenmenge ausfindig zu machen. Sie sahen auch nicht gerade begeistert aus. Mich jedenfalls hielt nichts mehr in dieser verrauchten Bude. »Gehen wir!«

Carla bekam mich am Ärmel zu fassen: »Was ist geschehen? Du solltest doch an der Bar auf uns warten.«

Unbeirrt trat ich ins Foyer hinaus. »An der Bar war kein Platz. Da standen sie schon in Dreierreihen.«

»Na und? Das ist üblich heutzutage. Es gibt immer mehr Menschen auf dieser Welt. Und alle wollen sich amüsieren.«

»Amüsieren!?« Also, die war wirklich gut. »Das kann doch keinen Menschen amüsieren. Weißt du eigentlich, wie alt die Leute dort drinnen sind? Die Mehrzahl ist nicht älter als siebzehn. Ich könnte ihre Mutter sein, und so habe ich mich auch gefühlt.« Ich kramte in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel. »Und die laute Musik. Keiner kann sich dabei unterhalten.«

»Niemand geht in so ein Lokal, um zu diskutieren, Roli. Man geht zum Tanzen, zum Flirten, zum Gesehenwerden …«

»Ha, zum Flirten! Mit wem soll man denn dort flirten? Mit einem halben Kind, das mit offenem Mund in die Gegend glotzt? Halb taub vom Lärm, fast blind vom Rauch. Blöd vom Alkohol. Wenn ich mir vorstelle, dass es in letzter Zeit immer öfter vorkommt, dass sich meine Jungs in derartigen Lokalen herumtreiben, dann wird mir noch übler.«

»Denk doch nicht immer an die Jungen, du Muttertier«, Carla stöhnte auf, »hier geht es um dich. Du willst ja schließlich einen neuen Partner finden. Solange du nur deine Kinder im Kopf hast, wirst du nie einen verführerischen Anblick abgeben. Und der ist nun einmal notwendig, wenn du Erfolg bei Männern haben willst.«

»Möglich«, sagte ich, das Muttertier. Ich bemühte mich, meine Gelassenheit wieder zu finden, auf die ich sonst so stolz war. »Aber jetzt möchte ich erst einmal nach Hause.«

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II

Sonntag war der einzige Tag der Woche, an dem sich »die gesamte Familie« zu einem gemeinsamen Frühstück versammelte. Man traf sich in meinem Wohnzimmer, das groß genug war für einen überdimensionalen Buchenholztisch. An diesem fanden nicht nur sämtliche Hausbewohner, sondern auch gern gesehene Gäste ohne Mühe Platz. Im Sommer wurde die breite Tür mit den weißen Sprossen weit geöffnet, und der Blick war frei auf den kleinen Garten vor dem Haus, mit dem stets kurz geschnittenen saftigen Rasen und den von Tim liebevoll gepflegten Blumenbeeten. Dann waren die Hecken ringsum dicht belaubt, und kein neugieriger nachbarlicher Blick konnte die Idylle des Sonntagsfrühstücks stören.

Doch noch war es nicht so weit. Noch war Anfang Februar. Der Morgen präsentierte sich grau und trüb wie die Tage zuvor. Und der Wetterbericht versprach keine Besserung für die kommende Woche. Die Büsche und Hecken waren zum großen Teil kahl. Und außer ein paar vereinzelten Schneeglöckchen war weit und breit noch nichts Blühendes zu entdecken.

Das Frühstücksgeschirr war bereits abgeräumt. Ich hatte den linken Ellbogen auf den Tisch gestützt und blickte nachdenklich in die Runde. Und wie immer, wenn ich gedankenverloren vor mich hinstarrte, kaute ich an einem Daumennagel. Eine Angewohnheit, die Peter jedes Mal ein ärgerliches »Du bist doch kein Baby mehr, Linda« entlockt hatte. Peter. Natürlich hatte er mich bisweilen genervt. Und doch, es gab Tage, da vermisste ich ihn so sehr. Auch mehr als zwei Jahre nach seinem Tod fehlte mir sein Lachen, wenn er mit der Welt im Reinen war. Seine ernsten Augen, wenn er über ein Problem grübelte. Seine rasche Auffassungsgabe. Sein Witz. Die kumpelhafte Art, wie er mit den Zwillingen umging. Sein Stolz. Sein Stil. Natürlich war er arrogant gewesen. Unerträglich arrogant, wenn er es sein wollte. Wenn ich nur an die Streitereien zwischen ihm und Bea dachte. Wahre Wortgefechte waren das gewesen. Die beiden hatten einander nur sehen müssen, und schon hatte es gekracht. Ein Funke genügte für eine gewaltige Explosion. Nicht, dass Peter Bea nicht mochte, Es war ihre Selbstständigkeit, die ihn reizte. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie es mit jedem Mann aufnahm. Der Mangel an Zurückhaltung. Das völlige Fehlen von dem, was für ihn »Frausein« bedeutete: all das Damenhafte, die Verletzlichkeit, eine gewisse Scheu vor Unbekanntem, das Schutzsuchende und das Gefallenwollende. All das war bei Bea von jeher nicht zu finden.

Ich blickte zu Carla hinüber. Sie war eben dabei, die langen rotblonden Locken ihrer Tochter zu bürsten. Die silberne Spange, die sie abschließend auf Maries Hinterkopf befestigen würde, baumelte aus ihrem Mundwinkel.

Mit Carla hatte sich Peter ausgezeichnet verstanden. Sie war elegant, gepflegt und als Enkelin einer ostpreußischen Großmutter stets Herrin über ihre Gedanken und Gefühle. Eine Dame vom Scheitel ihres rotblonden Pagenkopfes bis hin zur Sohle ihrer schlichten 300-Euro-Pumps. Vielleicht hätte Carla viel besser zu Peter gepasst. Hatte sie nicht selbst zu Bea gesagt, sie sei scharf auf ihn gewesen? Ich musste lächeln. Welch ungewöhnlicher Ausdruck aus Carlas vornehmem Mund. Ich war stolz darauf, dass so viele bildschöne Frauen Peter umschwärmt hatten wie die Motten die einzige Lichtquelle. Er war von Kindesbeinen an gewohnt gewesen, dass man ihn liebte. Ein dunkler Lockenkopf, dunkle große Augen – »Kirschenaugen«, wie seine Mama (mit Betonung auf dem zweiten »a«) nicht müde wurde zu betonen. Sein gewinnendes Lächeln. Ihn zu sehen und hingerissen zu sein war eins. Das traf nicht nur auf Mama zu, sondern auch auf seine damals noch lebende Großmama (natürlich ebenfalls mit Betonung auf dem zweiten »a«) mütterlicherseits. Auf Tanten, Lehrerinnen. Doch nicht nur Frauen liebten Peter Steinberg. Auch seine männlichen Verwandten, Lehrer und Freunde (und davon gab es unzählige) waren angezogen von seinem Charme, seiner Zielstrebigkeit und von der Selbstverständlichkeit, mit der er sein Leben nach seinen Vorstellungen gestaltete.

Nur Hubert schien nie so recht in dieses Bild zu passen. Hubert Steinberg, der gestrenge Vater. Sohn eines Offiziers. Enkel eines Offiziers. Er war kurz vor dem Zweiten Weltkrieg geboren worden. Als tief gläubige Katholiken hasste seine Familie das Nazi-Regime von ganzem Herzen. Als der Krieg zu Ende war, war Hubert sieben Jahre alt gewesen. Er wuchs zu einem Mann mit festen Grundsätzen und zähem Pflichtbewusstsein heran. Sein Vater war aus russischer Gefangenschaft nie zurückgekehrt. Er selbst hatte den Krieg außer einigen innerlichen und äußerlichen Schrammen heil überstanden. Obwohl seine Mutter und er kaum Geld hatten, hatte er das Abitur geschafft. Ein Umstand, der ihn mit ebenso großem Stolz erfüllte wie Mama später die Kirschenaugen ihres Sohnes. Er hatte Glück und bekam eine Anstellung als Sachbearbeiter in einer kleinen Fabrik, die Suppen in Konservendosen herstellte. Mit Fleiß und unermüdlichem Einsatz diente er sich die Karriereleiter hoch. Und doch wäre er wohl nie über die dritte Führungsebene hinausgekommen, wäre ihm nicht eines Tages Konstanze, die hübsche Tochter des Firmeninhabers, über den Weg gelaufen. Ich war mir nie klar darüber geworden, was die verwöhnte Unternehmerstochter veranlasst haben konnte, sich in Hubert zu verlieben. Dennoch war es geschehen. Nach einem Jahr Verlobungszeit wurde geheiratet. Nach einigen Jahren übernahm Hubert von seinem Schwiegervater die Leitung des Betriebes. Zum Leidwesen von Konstanzes jüngerem Bruder Felix, der sich fortan um die neu gegründete Produktionsstätte in Italien kümmerte. Man brachte es zu Ansehen und Wohlstand. Und bereits im zweiten Ehejahr wurde ihr einziges Kind geboren. Ein Sohn, Stammhalter und Erbe. Er wurde Peter genannt, nach seinem inzwischen verstorbenen Großvater. Peter, der Vielgeliebte, der Vielbewunderte. Der alle in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllte und zu einem gut aussehenden jungen Mann heranwuchs. Der Jura studierte und schließlich als Krönung zum Doktor der Rechte promoviert wurde. Die akademische Laufbahn seines Sohnes, die ihm selbst verwehrt geblieben war, erfüllte Hubert mit tiefer Freude und Befriedigung. Peter wurde rasch Juniorpartner der hoch angesehenen Rechtsanwaltskanzlei Berendt & Ployer, und Huberts Glück wäre perfekt gewesen – hätte Peter nicht mich getroffen, die ungeliebte Schwiegertochter.

Ich seufzte und blickte zu meinem Schwiegervater hinüber. Dieser hatte sich, wie immer nach dem Sonntagsfrühstück, in den Lehnstuhl neben dem Kamin zurückgezogen und studierte eingehend die Wochenendausgabe der Zeitung. Wer hätte wohl gedacht, dass wir einmal auf so engem Raum zusammenleben würden? Ohne Mama als schützenden Prellbock zwischen uns. Ohne Peter, dem Grund, dass wir überhaupt miteinander zu tun hatten.

Peter und ich hatten uns auf einem Studentenfest kennen gelernt. Ich war damals zwanzig, er zweiundzwanzig Jahre alt. Die Musik war laut gewesen, die Stimmung ausgelassen. Ich hatte mich soeben am improvisierten Tresen angestellt, um im Gewühl ein kaltes, erfrischendes Getränk zu ergattern, als sich eine Hand auf meinen Arm legte und eine bislang unbekannte Stimme sagte: »Ich hole dir etwas. Sag mir, was du möchtest.« Mit großen Augen hatte ich zugesehen, wie sich die Menge vor dem jungen Mann zu teilen schien. In Windeseile war er mit zwei Gläsern wiedergekommen.

Peter Steinberg hatte eine kleine Kostprobe seines Talents gegeben. Dass ich mich auf der Stelle in ihn verliebte, verwunderte keinen. Dass er jedoch mir in den nächsten Wochen und Monaten nicht von der Seite wich, verwunderte alle, die uns beide kannten. Am meisten natürlich mich selbst. Peter war aus »gutem Hause« – ich kam aus einfachen Verhältnissen. Er war das gewandte Kind der Großstadt – ich ein schüchternes, etwas verschlossenes Mädchen aus der Provinz. Er hatte eine verwöhnte, allseits beliebte, stets nach einem Hauch Chanel No. 5 duftende Mama (die Betonung auf dem zweiten »a«, bitte schön) – ich eine verhärmte, abgearbeitete, allein erziehende Mutter, die nach Kernseife und billigen Zigaretten roch. Er war verzärtelter Mittelpunkt des Familieninteresses – ich die ältere Schwester eines kleinen, lästigen Bruders. Für ihn war das Studium eine selbstverständliche Sprosse auf der vorprogrammierten Leiter des Erfolgs – für mich ertrotzte Freiheit. Die ich mir nur leisten konnte, weil ich in den Ferien in der Gastwirtschaft meines Onkels dutzendweise Krüge mit Bier schleppte. Peter hatte ebenmäßige Gesichtszüge mit griechischem Profil und Kirschenaugen – meine Augen sind nicht auffällig und überdies hinter einer Brille gegen Kurzsichtigkeit versteckt. Und mein Profil – schrecklich. Meine Nase ist nicht griechisch, sie ist schlicht und einfach groß, breit und lang. Heinrich, mein Bruder, hatte sich schon vor Jahren einen Reim zurechtgelegt, mit dem er mein Selbstbewusstsein gezielt untergraben konnte: »Die Rosi kann mit ihrem Zinken fliehenden Burschen prima winken.«

Jedes Mal, wenn er diesen Spruch aufsagte, und er sagte ihn oft, sank mein Selbstwertgefühl ein Stück tiefer. Ich hasste ihn dafür. Und es kränkte mich, dass meine Mutter immer wieder schallend, mit von vielen Zigaretten rau gewordener Stimme darüber lachen konnte. Ich habe Heinrich schon lange nicht mehr gesehen. Er ist Polizist geworden und sieht nun im Schwarzwald nach dem Rechten.

»Herr Gott, Rosalind! Kannst du denn deinem Sohn nicht einmal sagen, er soll gerade sitzen? Man lümmelt sich nicht am Frühstückstisch.« Huberts strenge Worte ließen mich auffahren. Mein Schwiegervater hielt die Zeitung gesenkt und blickte mahnend zu mir herüber. Die Lesebrille baumelte an einem goldenen Kettchen über dem dunkelblauen Pullunder. Ich zuckte schuldbewusst zusammen. Meine Söhne reagierten meist viel gelassener.

»Bitte, Gropa, sag’s uns doch selbst«, forderte Sebastian auch schon und erhob sich. Er angelte mit dem Fuß unter dem Tisch nach seinem Pantoffel. Dann schnappte er seinen Walkman und stöpselte seine Ohrmuscheln zu: »Macht’s gut, Leute. Ich schau bei Jordy vorbei. Mal sehen, was geplant ist. Kommst du mit, Tim?«

Dieser schüttelte überraschenderweise den Kopf. »Geh schon vor. Ich muss noch für Geografie lernen. Du weißt, die Lehrerin hat mir für morgen eine Prüfung über die skandinavischen Länder angekündigt.«

»Die skandinavischen Länder sind ein wesentlicher Teil Europas«, dozierte Hubert. »Ihr wisst doch, dass ich eine Vorliebe für den Norden, insbesondere für Schweden habe. Wenn du mit mir kommst, Tim, ich habe unten in meiner Wohnung einige Bildbände über Skandinavien. Die solltest du dir unbedingt ansehen.«

Tim warf seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. »Das werde ich bis morgen nicht mehr schaffen, Gropa.«

Sebastian verkniff sich ein Grinsen.

Tim und freiwillig etwas lesen, das in der Schule nicht unbedingt verlangt wurde? Undenkbar. Die Lehrer waren schon froh, wenn er ein Minimum des Stoffes wusste. Tim war sicher so intelligent wie sein Bruder. Doch das Lernen konnte ihn, im Gegensatz zu Sebastian, selten begeistern. Seine Talente lagen im außerschulischen Bereich, wie er nicht müde wurde zu erklären.

Hubert wandte sich wieder seiner Lektüre zu. Mochte er auch mit mir streng ins Gericht gehen, so war er seinen Enkeln gegenüber milde gestimmt. Er hatte sich zwar von Anfang an verbeten, dass sie ihn »Opa« nannten. Ein »verweichlichter« Ausdruck, der eines erwachsenen Mannes unwürdig war. Er hatte auf »Großpapa« bestanden. Als die Jungen sprechen lernten, wurde aus »Großpapa« »Gropa«, und dabei ist es geblieben.

Die Jungen waren der Anlass, dass Peter und ich heirateten, fünf Jahre nach unserem Kennenlernen. Eine Tatsache, die mir Hubert nie verziehen hatte. Die schönsten Frauen hätte sein Sohn haben können. Die reichsten und natürlich solche aus den ersten Familien des Landes. Aber Peter musste sich ja an die Nächstbeste vergeuden. Nur weil sie ihm ein – nein, sogar zwei – Kinder anhängte und ihn damit fest in ihren Fängen hatte. Nicht einmal eine ansehnliche Mitgift hatte ich, die Landpomeranze, mitgebracht. Dabei wären andere Väter bereit gewesen, ihre Töchter standesgemäß auszustatten. »Mit mindestens hundert Kamelen«, wie Bea einmal spöttisch bemerkte.

Hubert mochte Bea nicht. Er mochte mich nicht. Seinen Enkeln konnte er sich jedoch nicht verschließen. Je älter die beiden wurden, desto mehr eroberten sie sein Herz. Er war stolz auf Sebastians Leistungen. Und er verzieh Tim jede Unzulänglichkeit, weil er ihn in seiner fröhlichen, charmanten Art an Peter erinnerte.

»Marie, du siehst richtig bescheuert aus, wenn du dich so zurechtmachst.« Sebastian war bereits auf dem Weg zur Tür.

»Sebastian!«, rief ich entsetzt. Nur jetzt kein Heulkonzert am Frühstückstisch! Was war denn bloß in meinen sonst so besonnenen Sohn gefahren? Er verstand sich doch gut mit Marie. Und er wusste, dass sie seit kurzem bei jeder Kleinigkeit beleidigt reagierte. Doch zu meiner Überraschung nahm ihm Marie seine offenen Worte nicht übel. Sie drehte und wendete sich, sodass das duftige Röckchen ihres Kleides und der Ponyschweif hin und her flogen. Normalerweise war sie ein sportliches Mädchen in praktischen Jeans. Doch jedes zweite Wochenende verwandelte sie sich in eine sittsame Prinzessin.

»Papi mag es am liebsten, wenn ich mich für ihn hübsch mache«, sie wandte sich Tim zu, der sie bisher nicht beachtet hatte, »und ich bin doch hübsch, was sagst du, Tim?«

»Nicht schlecht«, er hob seinen Blick nur kurz von seinem Schulheft. »Sieht aus, als könnte aus dir noch etwas werden.«

Marie verstand das als Kompliment.

»Na, wenn’s dein Papi will, ist natürlich alles klar«, murmelte Sebastian, hob grüßend die Hand und schloss die Tür hinter sich. Weder er noch sein Bruder konnten Maries Vater Oliver Martens ausstehen. Aber sie waren fair genug, es Marie nicht merken zu lassen.

Ich blickte wieder in die Runde. Wir waren eine richtige Großfamilie geworden.

Wie anders war es gewesen, als Peter und ich vor mehr als sechzehn Jahren, gleich nach der Hochzeit, hierher gezogen waren. Das Haus gehörte Peters betagter Großtante, einer Schwester seiner verstorbenen Großmama. Diese lebte damals mit einer Pflegerin in der Souterrainwohnung. Diese Wohnung hatte keine Fenster zur Straße hin, dafür eine breite Glastür zum kleinen Garten hinter dem Haus. Für uns war die Erdgeschosswohnung frei geworden. Das Dachgeschoss war an ein betagtes Ehepaar vermietet. Wie still war es damals hier gewesen. Doch dann kamen die Zwillinge, und mit ihnen kam Leben in die alte Villa. Bald darauf starb die Großtante und vermachte Peter das Haus. Einige Jahre später zog das Ehepaar aus dem Dachgeschoss ins Altenheim. Mir gegenüber hatten sie erklärt, das Treppensteigen sei ihnen zu anstrengend geworden. Sicherlich hatten aber auch das Toben der Zwillinge und ihre Vorliebe für laute Musik maßgeblich zu ihrem Entschluss beigetragen.

Etwa zur gleichen Zeit verstarb Peters Mama an Krebs, und Hubert blieb allein und verlassen im weitläufigen Haus auf dem Fabrikgelände zurück. Er war zwar weiterhin Direktor des Unternehmens, Alleinerbe der Firma war jedoch Felix, Mamas Bruder. Es kam, wie es kommen musste. Felix kehrte aus dem Ausland zurück und setzte alles daran, sich seinen unliebsamen Schwager vom Hals zu schaffen. Er köderte die Belegschaft mit Versprechungen, widerrief Huberts Entscheidungen und traf sich hinter dessen Rücken mit wichtigen Geschäftspartnern. Alle, die jahrelang mit Huberts autoritärer Art schlecht zurechtgekommen waren, liefen mit fliegenden Fahnen zu Felix über. Hubert musste zur Kenntnis nehmen, dass sein Einflussbereich immer mehr beschnitten wurde. Und er saß stundenlang bei seinem Anwalt, um rechtliche Schritte gegen den verhassten Schwager zu überlegen. Schließlich siegte jedoch beider Sorge um das Ansehen von Fabrik und Familie. Man einigte sich gütlich. Hubert bekam eine stattliche Abfindung ausbezahlt. Und nahm im Gegenzug dazu sein chronisches Bandscheibenleiden zum Anlass, um mit achtundfünfzig vorzeitig in den trotzdem wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Natürlich konnte und wollte er nicht länger auf dem Fabrikgelände wohnen bleiben. Er sprach mit seinem Sohn – der hatte nichts einzuwenden. Und ehe ich mich versah, zog Hubert mit Sack und Pack in der Souterrainwohnung ein. Peter hatte mein Einverständnis als selbstverständlich vorausgesetzt. Und hätte ich einem einsamen Mann, dem man auf rüde Weise sein Lebenswerk entrissen hatte, wirklich seine Bitte abschlagen können? Wohl kaum. Dennoch war ich eine Zeit lang ziemlich verärgert gewesen.