Details

Der einsame Nepomuk


Der einsame Nepomuk

Erzählungen
1. Auflage

von: Jurij Koch

6,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 06.05.2024
ISBN/EAN: 9783689120177
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 173

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Es ist Heiligabend, Schreckenstag der Einsamen, und Nepomuk möchte nicht allein sein. Da sucht er, jung noch, geschieden, aus dem Telefonbuch wahllos die Namen von Frauen und Mädchen heraus. Nacheinander ruft er die Auserwählten an, eine Ehefrau, die an keiner Zweisamkeit mit ihm interessiert ist, eine Krankenschwester, eine Uhrmacherin ... Nepomuk bleibt nicht allein - und bleibt doch einsam.
Jurij Koch schreibt über das merkwürdige Mädchen Helena, das nachts auf der Straße steht und einen Autofahrer bittet, sie mitzunehmen. Aber warum hat sie Angst vor der Stadt, in die sie fahren? Er schreibt über den Pechvogel Wesely und den Glückspilz Margareta, über den Maler Heinrich und die Glückseligkeit auf Inseln. Erzählt wird über die Bewohner einer abgelegenen Heidekate, die Landvermesser beherbergen und erfahren, dass sie zum letzten Mal Gastfreundschaft gewähren, weil die Kate der neuen Industrie weichen muss. Und da ist Triglaw, der ein Blutsbund dreier Jungen sein soll.
Es sind erregende, nachdenklich stimmende Erzählungen, die aber auch den feinen, hintergründigen Humor nicht vermissen lassen.
Landvermesser
Der einsame Nepomuk
Ein Mädchen unterwegs
Römer Wessely
Triglaw
Heinrichs Tod oder Von der Glückseligkeit auf Inseln
geboren15.9.1936 in Horka (Oberlausitz)
Sohn einer sorbischen Steinarbeiterfamilie, Schulbesuch in Crostwitz, Tschechoslowakei, Bautzen und Cottbus, Studium der Journalistik und der Theaterwissenschaften in Leipzig, Redakteur und Reporter beim Rundfunk, freischaffend seit 1976. Schreibt sowohl sorbisch als auch deutsch.
Auszeichnungen:
Staatspreis „Jakub Bart-Ćišinski“ (1979)
Carl-Blechen-Preis der Stadt Cottbus (1983)
Literaturpreis Umwelt des Landes NRW (1992)
Beklemmend, diese Finsternis. Dann kroch der Mond aus einer Wolke, ein Taler aus der Börse. Ich trat aufs Gas. Das Auto sang, als hätte es schon längst auf diese schnelle Fahrt gewartet. Dann kam der Wald, ein Dorf dahinter, wieder Wald, die Stadt, die Ebene mit ihrem Totenlicht des Mondes, und am Straßenrand stand jemand. Am Straßenrand stand jemand winkend, und ich drosselte die Fahrt: Mal sehn, wer's ist. In der Nacht, wer weiß … Hat keine langen Haare. Und im Graben liegt kein Kumpel …
Ich hielt und öffnete die Tür. Im Schein der kleinen Lampe sah ich das Gesicht, ein Mädchen, eine Frau, sehr blass und aufgeregt und fragend.
Würden Sie mich bitte …?
Wohin?
Wir werden sehen.
Wir werden sehen?
Ich konnte nicht zu Ende fragen. Das Mädchen saß im Auto. Die Tür geschlossen. Auf ihrem Schoß stand eine große Tasche. Ich sah das kurze Haar, den Stoppelschnitt, und mir gefiel der Zutritt ohne Umstand. In der Nacht da ist der Mensch nicht gern …
So allein und in der Nacht?
Ich habe keine Angst. Was soll ich machen? Der letzte Bus ist über alle Berge.
Freilich …
Freilich, dachte ich. Und: Ist der letzte wirklich über alle Berge? Hier, mitten in der Heide, in der die Essen mit den Bäumen um die Wette wachsen, fahren sie vom Morgen bis zum Morgen. Was geht's mich an!
Ich fahre bis nach C.
Ja, ja, bis C. Sie sagte es sehr nebenbei und stellte sich die Tasche vor die Beine, als sollte damit ihre dünne Auskunft angereichert werden. Bis nach C.
Wo wohnen Sie?
Sehr weit.
Na gut, sehr weit. Ich wollte nicht mehr fragen. Was ging mich ihre Heimat an, ihr Fleckchen Erde, ihre Ofenbank, die Mutter und der Vater, Mann und Kinder?
Fettglänzend war die Landschaft. Die kleinen Hügel wiegten uns. Nur einmal sagte ich noch: Mir ist, als säßen wir in einem Tiegel. Da war mir, als holte sie tief Luft und weinte.
Ja, wie in einem Tiegel, sagte sie gequält.
Nun war die Straße eben. An den Seiten Birken auf ihren scheckig weißen Beinen. Sie liefen uns entgegen. Am Himmel fuhr der Mond zurück in seine Börse. Es erlosch das Licht der Heide. Ich nahm den Fuß vom Gas.
Da sagte sie: Ich heiße Helena.
Das ist ein schöner Name.
Was nützt der schöne Name?
Ach, wissen Sie, ein schöner Name kann sehr praktisch sein … In dieser Weise wollte ich noch weiter schwadronieren. Ich hielt den Faden noch, als Helena den Kopf zur Seite legte, als wollte sie von meinen Strickereien dieser Art nichts wissen.
Sie schaute in den matten Glanz der Heide. Die Wirklichkeit um uns herum war aufgelöst in Schnüre.
Ich sagte: Ich heiße … Und ich stockte. War es nicht besser, den eigenen Namen zu verschweigen? Heißt sie denn wirklich Helena?
Na, wie denn?
Ich heiße Ilja.
Wie? Ilja? Das ist kein schöner Name, sagte sie und drehte sich erneut zur Tür.
Auf der Scheibe sprangen Lichter. Wir fuhren durch ein Dorf.
Ich beruhigte mich damit, dass ich anders heiße. Aber konnte es nicht sein, ich hieße Ilja? Ein Mädchen, von der Straße aufgehoben im Akt der Nächstenliebe, sagt dir offen ins Gesicht, dass ihr dein Name nicht gefalle. Ist das nicht reichlich …?
Ach, Ilja, ärgern Sie sich nicht, versuchte sie den heimlichen Protest in mir zu stören. Ich kenne einige mit schönen Namen, zu denen Hunde- oder Affennamen besser passten. Ein Name sagt nicht viel. Er trügt. Namen sind erfunden worden, damit die Eltern ihre Kinder auseinanderhalten können. Später, ist das Kind erwachsen, ist der Name nur noch eine Nummer. Dann ist es einerlei, ob man dich Ilja oder Siegfried ruft, ob erster, zweiter oder nullter Mann … Sie gefallen mir.

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